Die Putin-Interviews und der Krieg
ULRICH TEUSCH, 26. März 2023, 20 Kommentare, PDFIn diesem Beitrag konzentriere ich mich auf die erste Frage: Ich rekapituliere und systematisiere wichtige Aussagen Putins aus den Interviews und arbeite die angesprochenen Widersprüche zwischen seiner damaligen Haltung und seinen heutigen Handlungen heraus. In einem demnächst erscheinenden zweiten Artikel werde ich mich an einer Erklärung dieser Wandlungen versuchen.
Um den allfälligen Missverständnissen vorzubeugen, die mit den Themen Putin und Russland fast unvermeidlich einhergehen, schicke ich einige grundsätzliche und klärende Bemerkungen voraus.
Zunächst will ich einräumen, dass ich vom russischen Angriff auf die Ukraine überrascht wurde. Noch am 23. Februar 2022 hätte ich kategorisch ausgeschlossen, dass es zu einer solchen Entwicklung kommen könnte. Für möglich gehalten hatte ich lediglich ein massives russisches Eingreifen im Donbass für den Fall, dass Kiew zu einer großen militärischen Offensive ansetzen würde, um die abtrünnigen „Volksrepubliken“ zurückzuerobern. Putin hatte in den vergangenen Jahren immer wieder betont, dass Russland dies „nicht zulassen“ beziehungsweise „nicht erlauben“ würde.
Die russische Invasion hat zweifellos ihre Vorgeschichte. Von einem Krieg in der Ukraine kann man – wie u.a. NATO-Generalsekretär Stoltenberg konzedierte – seit 2014 sprechen. Auch eine mehr oder weniger offene russische Kriegsbeteiligung lässt sich schon seit Jahren beobachten. Umgekehrt kann man gut belegen, dass die Eskalation im Februar 2022 nicht „unprovoziert“ zustande kam. Es gab „Gewalt vor der Gewalt“, wie Ted Snider es ausdrückte. Mit diesen Hinweisen ist das russische Vorgehen allerdings in keiner Weise gerechtfertigt. „Putins Krieg“ ist und bleibt eindeutig völkerrechtswidrig.
Wie fällt das Urteil auf einer anderen, auf einer im engeren Sinne politischen Ebene aus? Hierauf würde ich in Anlehnung an den französischen Staatsmann Talleyrand (respektive seinen Zeitgenossen Fouché) antworten: Dieser Krieg ist mehr als ein Verbrechen, er ist ein Fehler. Selbst wenn er nicht geradewegs in einer nuklearen Katastrophe endet, wird er doch für keinen der an ihm direkt oder indirekt Beteiligten einen positiven Ausgang nehmen: für die Ukraine ganz gewiss nicht, für Russland auch nicht, ebenso wenig für die Europäer, und selbst für die USA nicht. Es mag sein, dass der Krieg das Tor zu einer multipolaren Weltordnung weit aufstoßen wird. Aber ob diese Ordnung einen manifesten Fortschritt mit Blick auf Frieden, Menschenrechte, Demokratie und soziale Gerechtigkeit bringen wird, darf man aus heutiger Sicht bezweifeln. Nach meiner Überzeugung sind in diesem Krieg vielmehr jene Destruktivkräfte am Werk, die ich an früherer Stelle ausführlich beschrieben hatte.
In den vergangenen Jahren habe ich mich um ein zwar kritisches, aber immer auch sachliches, faires und differenziertes Urteil über Russland und Putin bemüht – etwa hier und hier. Davon habe ich nichts zurückzunehmen. Derzeit ist oft davon die Rede, „wir“ im Westen hätten uns in Sachen Russland und Putin Illusionen hingegeben, seien leichtgläubig und naiv gewesen. Triumphierend und obenauf sind nunmehr die Hardliner, die es angeblich immer schon gewusst haben, aber auf die man nicht hatte hören wollen.
Das ist purer Unsinn – richtig ist das Gegenteil. Seit mindestens anderthalb Jahrzehnten gefällt sich der Westen bei jeder sich bietenden Gelegenheit in einem zügellosen Russland- und Putin-Bashing. Die Liste der Vorwürfe und Anschuldigungen ist lang. Sie reicht von Magnitzky bis Litwinenko, von Politkowskaja bis Nemtsow, von Skripal bis Nawalny, von der Krim-Annexion bis zu MH 17, vom Staatsdoping bis zur Homophobie, von Grosny bis Aleppo. Putin wird schon seit langem gerne als neuer Zar, neuer Hitler oder neuer Stalin stigmatisiert – oder einfach als „Killer“ (so Joe Biden). Obwohl ohne Zweifel demokratisch legitimiert, gilt er als Diktator, als beratungsresistenter Tyrann, als rückwärtsgewandter Autokrat, als Imperialist, als Faschist, als Kriegsverbrecher, als Wahnsinniger. Inzwischen hat der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen den Paria erlassen.
Alles nur Propaganda?
Oliver Stones Interviews wollen einen Beitrag zur Versachlichung der Auseinandersetzung leisten, indem sie die andere Seite zu Wort kommen lassen. Diese Bemühungen haben im westlichen Mainstream erwartungsgemäß wenig Freude ausgelöst. Die „Süddeutsche Zeitung“ sprach von „Autokraten-Porno“ und lag mit diesem Verdikt ganz im „Alles nur Propaganda“-Trend. Dass die deutsche Buchfassung der Interviews im Kopp-Verlag erschien (Die Putin-Interviews: Die vollständigen Abschriften, 368 Seiten, Rottenburg 2018), war der Rezeption auch nicht gerade förderlich. Dabei ist die Kopp-Edition von größter Sorgfalt, besticht zudem durch einen umfangreichen, hoch informativen Anmerkungsapparat sowie ein ausführliches Personen- und Sachregister. Im Folgenden werde ich aus dieser Ausgabe zitieren (Seitenangaben in Klammern).
Putin und Stone sprechen die unterschiedlichsten Themen an. Das Spektrum reicht von den großen Fragen der Weltpolitik bis hin zu privaten Vorlieben und Gewohnheiten, über die sich die beiden in aufgeräumten, manchmal amüsanten Plaudereien austauschen. Sie kommen sich im Lauf der Gespräche näher, sie entwickeln eine Beziehung, die nicht nur von wechselseitigem Respekt, sondern auch von Sympathie getragen ist. Als man auf das Thema Geld und Reichtum zu sprechen kommt, verpackt Putin seine Überlegungen in ein Kompliment:
„Ach, wissen Sie, ich glaube nicht, dass Reichtum allein glücklich macht. (…) Sie [gemeint ist Stone, U.T.] sind ohnehin viel wohlhabender als die Leute, die eine Menge Geld auf dem Konto haben. Sie haben eine eigene Meinung. Sie sind talentiert und haben die Möglichkeit, Ihr Talent auch anderen zu beweisen, und Sie haben die Chance, der Nachwelt ein großartiges Vermächtnis zu hinterlassen. Diese Art Glück kann man mit Geld nicht kaufen. Wenn Sie einmal im Sarg liegen, können Sie Ihr Geld ohnehin nicht mitnehmen.“ (273)
Stone wiederum bewundert Putin dafür, dass er in vielen schwierigen Situationen „kühl und besonnen“ geblieben sei. „Ich glaube, dass viele Menschen – vielleicht Millionen – Ihnen ihr Leben verdanken, ohne es zu wissen.“ Darauf Putin: „Möglicherweise.“ (197)
Putins Skepsis
Oft stellt Stone zwar recht einfache, allerdings nur scheinbar naive Fragen, dann wieder punktet er mit detailgenauer, profunder Sachkenntnis. Einige zentrale Themen – allen voran der Konflikt in der Ukraine – werden in den Gesprächen mehrfach und ausführlich abgehandelt. Stone vermeidet die Konfrontation, das offene Streitgespräch. Er hakt kaum kritisch nach, bringt nur selten einen der Vorwürfe zur Sprache, die gegen Putin zahlreich in Umlauf sind. Er versucht sich nicht als Fallensteller, sondern bietet dem russischen Präsidenten eine Plattform. Dieser wiederum nutzt die Gelegenheit nicht zu eitler Selbstdarstellung, sondern antwortet nüchtern, präzise, geradeaus.
„Ich will gar nicht erreichen, dass mir jemand glaubt. Ich versuche nur, meinen Standpunkt zu bestimmten Themen so klar und deutlich zu vermitteln wie möglich. Die Leute müssen selbst zu dem Schluss gelangen, ob sie meine Handlungen für richtig halten und ob sie mir glauben oder nicht.“ (173)
Dass dieses Unterfangen wirklich von Erfolg gekrönt sein könnte, bezweifelt Putin allerdings. Gegen Ende der Gespräche, als Stone ihn ermuntert, seine Perspektive in den westlichen Medien doch stärker zu verbreiten, schimmert eine resignative Tendenz durch:
„Aber sie wissen doch, dass es unmöglich ist. Unser Standpunkt wird von der weltweiten Medienlandschaft völlig ignoriert. Und wenn das der Fall ist, wenn bestimmte Perspektiven nicht gleichrangig mit anderen präsentiert werden, dann wird so gut wie niemand davon erfahren. Deshalb können unsere Gegner auch so leicht die Legende vom bösen Russland aufbauen und weiterverbreiten...“ (328)
Postsowjetisches
Putins Urteil über die Reformer Gorbatschow und Jelzin fällt ambivalent aus. Er würdigt insbesondere Gorbatschow, weil dieser die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen erkannt und das System geöffnet hatte, wirft ihm und seinen Gefolgsleuten aber vor, sie hätten völlig unklare Vorstellungen hinsichtlich der praktischen Umsetzung ihres Reformwillens gehabt. Auf diese Weise sei der Staat an den Rand des Zusammenbruchs manövriert worden.
Was die turbulenten Jelzin-Jahre angeht, so erinnert sich Oliver Stone an ein Abendessen in einem Sankt Petersburger Luxusrestaurant Anfang der 1990er Jahre – auf Einladung von Anatoli Sobtschak, dem Bürgermeister der Stadt und Vertreter der Reformbewegung, für den auch Putin damals arbeitete –, und vergleicht seine Eindrücke mit der grauen Welt der Breschnew-Ära, die er 1983 bei einem Besuch der Sowjetunion erleben musste. Putins Antwort ist bemerkenswert:
„Aber zur selben Zeit, als die schicken Restaurants aufmachten, wurde das russische Sozialversicherungssystem komplett zerstört. Ganze Wirtschaftszweige hörten zu funktionieren auf. Die öffentliche Gesundheitsversorgung lag in Trümmern. Die russischen Streitkräfte waren in einem bedauernswerten Zustand, und Millionen Menschen lebten unterhalb der Armutsgrenze. Das darf man auch nicht vergessen.“ (23)
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion habe sich Russland radikal verändert, sagt Putin. Die Mentalität des Volkes sei heute eine andere als zu Sowjetzeiten. Eine Rückkehr zum Stalinismus werde es nicht geben. (40) Nach dem radikalen Umbruch habe man in Russland geglaubt, „auf allen Seiten nur von Verbündeten umgeben zu sein. Wir nahmen auch an, dass die USA mit uns verbündet seien.“ (79) An späterer Stelle bemerkt er dazu: „Es gab tatsächlich eine gewisse Naivität, was die Beziehung zu unseren Partnern anging, das muss ich zugeben.“ (247)
Neue Umstände und Flexibilität
Ist Putins Denken, wie man häufig lesen oder hören kann, den Einflüsterungen reaktionärer Philosophen ausgesetzt? Er selbst versichert das Gegenteil: „Bedauerlicherweise ändern sich meine Ansichten nicht dann, wenn ich mit neuen Ideen konfrontiert werde, sondern nur, wenn ich mich neuen Umständen gegenübersehe.“ (21) So habe er sich vom sowjetischen System abgewandt, als er dessen Ineffizienz und Stagnation erkannt hatte. Daraus folgten dann weitere Einsichten: etwa die, dass eine Partei nicht die alles dominierende Kraft sein dürfe, dass sie kein Machtmonopol haben sollte. Ähnliches gilt für die sowjetische Dominanz über die Völker und Nationen Ost- und Mitteleuropas. Die Sowjetunion habe ihnen gegenüber „direkt und primitiv“ gehandelt. (68). „Diese Vorgehensweise hatte keine Zukunft, und es war logisch, dass sie auf die eine oder andere Art zu Ende gehen musste. Die Menschen nehmen auf Dauer nicht hin, dass man ihnen von außen Entscheidungen vorschreibt. Davon abgesehen hatten Osteuropa und Europa insgesamt ihre eigenen politischen Traditionen, die man nicht ignorieren durfte.“ (45)
In den Gesprächen finden sich weitere außerordentlich interessante Äußerungen, die Rückschlüsse auf Putins Politikverständnis und seinen Politikstil erlauben. Eine der von ihm formulierten Maximen lautet: „Man sollte nie jemanden in die Enge treiben. Niemand sollte in eine Situation gedrängt werden, die eine Sackgasse für ihn ist.“ (37) In unmittelbarem Zusammenhang damit steht das Thema Flexibilität. Jemanden nicht in eine Sackgasse zu zwingen, bedeutet auch, ihm die Möglichkeit flexiblen Handelns zu lassen. Der Judoka Putin erläutert: „Meine Grundidee – der flexible Weg sozusagen – ist auch die grundlegende Idee des Judo. Man muss flexibel sein. Manchmal kann man anderen auch nachgeben, wenn das der Weg ist, der schlussendlich zum Sieg führt.“ (36) Beinahe überschwänglich fallen in diesem Kontext Putins Bemerkungen zu Winston Churchill aus, einem Staatsmann, den er ob seiner Flexibilität und gleichzeitigen Prinzipientreue offenkundig schätzt, vielleicht sogar als Vorbild betrachtet:
„[Winston Churchill] war entschieden gegen das Sowjetsystem, doch nach Beginn des Zweiten Weltkriegs setzte er sich stark für eine Zusammenarbeit mit der Sowjetunion ein und nannte Stalin einen großen Kriegsherrn und Revolutionär. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es dann bekanntlich eben dieser Churchill, der den Kalten Krieg eröffnete. Als die Sowjetunion dann ihren ersten Atomtest durchführte, war es kein anderer als Winston Churchill, der plötzlich über die Notwendigkeit einer friedlichen Koexistenz zwischen zwei Systemen sprach. Er war ein äußerst flexibler Mensch. Ich glaube aber dennoch, dass er in seinem tiefsten Inneren die Einstellung gegenüber Stalin nie auch nur um ein Jota geändert hat.“ (39)
„Russiagate“
Die Gespräche zwischen Putin und Stone fanden statt, als in Amerika die Präsidentschaftswahlen anstanden, aus denen Trump als Sieger hervorging; die Favoritin Hillary Clinton musste eine schmerzhafte Niederlage hinnehmen. Ob Russland sich in die US-Wahlen eingemischt habe, war damals eine ungeklärte Frage, und auch Stone scheint, als das Thema zur Sprache kommt, einen gewissen Verdacht zu hegen. Putin weist alle Vorwürfe zurück und präsentiert eine kurze Analyse der „Russiagate“-Kampagne, die – wie man heute weiß – im Wesentlichen zutreffend ist:
„Alle Theorien über eine Beeinflussung des Wahlergebnisses in den Vereinigten Staaten durch Russland sind Lügen. Wir erkennen natürlich, dass diese Kampagne zur Informationsmanipulation eine ganze Reihe von Zielen hat: Erstens will man damit infrage stellen, dass Trump auf rechtmäßige Art Präsident geworden ist. Zweitens will man ein Umfeld schaffen, in dem es uns unmöglich ist, unsere Beziehungen zu den USA zu normalisieren. Und drittens will man damit eine weitere Waffe für eine innenpolitische Schlacht in die Hand bekommen. Die Beziehungen zwischen Russland und den USA sind in diesem Zusammenhang nichts als ein weiteres Werkzeug für diese innenpolitische Schlacht.“ (288f.)
Deep State
Mehrfach betont Putin, auf die amerikanischen Wahlen angesprochen, dass er sich auch von einer neuen Führungsperson im Weißen Haus keinen allzu großen Wandel erwarte. Die Bürokratie, die in den USA außerordentlich stark sei, sorge für Kontinuität, der Spielraum für Veränderungen sei gering. Doch was versteht Putin unter „Bürokratie“? Als Stone das genauer wissen will, entspinnt sich zwischen den beiden ein aufschlussreicher Dialog, in dem Putin ein verblüffendes Eingeständnis macht:
„WP: …insgesamt ist es wohl weltweit – und vor allem in den Vereinigten Staaten – so, dass die Bürokratie sehr stark ist. Und in Wahrheit regiert die Bürokratie die Welt. OS: Die Bürokratie regiert die Welt. In jedem Land? WP: In vielen Ländern. OS: Wir haben schon voriges Mal darüber gesprochen … Es gibt ein System, das wir in Amerika den militärisch-industriellen Sicherheitskomplex nennen. WP: Ja, wir haben ein ähnliches System. Das gibt es auch überall. OS: Manche nennen es auch den 'Deep State' oder den Staat im Staate. WP: Man kann es nennen, wie man will. Das ändert nichts an der eigentlichen Bedeutung.“ (283)
Auch wenn die Existenz eines „Deep State“ das Verständnis insbesondere internationaler Entwicklungen nicht unbedingt erleichtert, ist Putin der Auffassung, dass man sich als Normalbürger einigermaßen objektiv informieren kann:
„Ich glaube, man muss nur aufmerksam verfolgen, was auf der Welt passiert – dann wird man auch die Logik hinter den Ereignissen verstehen. Warum sind normale Menschen oft nicht auf dem Laufenden, was aktuelle Ereignisse betrifft? Warum halten sie all diese Dinge für kompliziert? Warum glauben sie, dass sich manches im Verborgenen abspielt? Das liegt einfach nur daran, dass normale Menschen genug damit zu tun haben, ihr Leben zu leben. Sie gehen jeden Tag zur Arbeit, verdienen sich ihren Lebensunterhalt und kümmern sich nicht um internationale Angelegenheiten. Und das ist genau der Grund, warum man normale Menschen so leicht manipulieren und in die Irre führen kann. Würden sie das verfolgen, was sich Tag für Tag auf der Welt abspielt, dann könnten sie auch das politische Geschehen leichter verstehen und die Logik hinter weltweiten Entwicklungen durchschauen, auch wenn ein Teil der Diplomatie sich immer hinter verschlossenen Türen abspielen wird. Man kann auch ohne Zugang zu Geheimdokumenten ein Verständnis internationaler Affären erlangen.“ (35f.)
Proamerikanisches
In der derzeit extrem angespannten Situation läuft selbstverständlich auch die russische Propagandamaschine auf Hochtouren. Spitzenpolitiker wie Lawrow und insbesondere Medwedew lassen sich zu schrillen Aussagen hinreißen, und auch Putin selbst schreckt nicht vor wenig staatsmännischer Polemik zurück (so verunglimpfte er die USA als „Imperium der Lüge“). In den Gesprächen mit Stone herrschte dagegen noch ein konzilianter, partiell geradezu herzlicher Ton vor. Mehrmals bemerkt Putin, dass er um die USA-kritische Einstellung seines Gesprächspartners wisse. „Aber ich teile Ihren Standpunkt nicht immer, obwohl auch wir nicht immer die Art von Beziehung zur amerikanischen Führung haben, die wir uns wünschen würden.“ (46) Und an anderer Stelle: „Ich weiß, wie kritisch Sie der amerikanischen Politik gegenüberstehen. Aber versuchen Sie mich bitte nicht in einen Antiamerikanismus hineinzuziehen.“ (70)
Als Stone ihn mit den extrem Russland-kritischen Tönen in der amerikanischen Innenpolitik konfrontiert, führt Putin diese auf den laufenden Präsidentschaftswahlkampf zurück. Selbst zu brachialen Attacken ad personam äußert er sich versöhnlich; dass Hillary Clinton ihn mit Hitler verglich, entschuldigt er damit, dass Clinton, die er persönlich kennengelernt habe, „eine sehr dynamische Frau“ (112) sei. Selbst über den (zwischenzeitlich verstorbenen) militant-russophoben Senator John McCain, der am Umsturz in Kiew 2014 aktiv beteiligt war, findet er freundliche Worte: „... um ehrlich zu sein, mag ich Senator McCain ganz gerne. Bis zu einem gewissen Grad.“ (287)
Auch zu Präsident Obama, zu dem ihm ein kühles Verhältnis nachgesagt wurde, äußert sich Putin wohlwollend. Zu Zeiten des Staatsstreichs in der Ukraine (Februar 2014) sei er in ständigem Austausch mit Obama gewesen. Auch später sei der Gesprächsfaden nicht abgerissen. Und in einer Interviewsequenz, die noch in der Amtszeit Obamas aufgezeichnet wurde:
„Ich kann Ihnen (...) sagen, dass es sich bei diesen Gesprächen [mit Obama, U.T.] um einen Dialog zwischen interessierten Parteien handelt. Es geht dabei nicht um Konfrontation. Ich halte Präsident Obama für einen denkenden Menschen, der die tatsächliche Lage beurteilt und in manchen Punkten mit mir übereinstimmt, in anderen wieder nicht. Wir schaffen es aber immer wieder, auch bei komplizierten Themen in gewissen Punkten ein Einvernehmen zu erzielen. Es ist ein fruchtbarer Dialog.“ (104)
Man nenne sich „Wladimir“ und „Barack“. (104) Zu einem Verfall der Beziehungen sei es nach der Snowden-Affäre gekommen, als Russland dem amerikanischen Whistleblower Asyl gewährt hat. Das Atomabkommen mit Iran würdigt Putin als „eine großartige Leistung der Regierung Obama und auch ein persönlicher Sieg für ihn“. (159)
Als 2013 nach dem Vorwurf, das syrische Militär habe Chemiewaffen gegen seine Gegner eingesetzt, Obama eine von ihm definierte „rote Linie“ überschritten sah und das offene militärische Eingreifen der USA in den Konflikt unmittelbar bevorstand, konnte mit Putins Hilfe eine Lösung gefunden werden: „Die Gefahr eines Kriegsausbruchs war sehr groß – und ich bin überzeugt, dass Präsident Obama zu diesem Zeitpunkt die richtige Entscheidung getroffen hat. Er und ich schafften es, uns auf koordinierte Maßnahmen zu einigen. Er hat sich als tatkräftiger politischer Führer profiliert, wie die Amerikaner gern sagen. Dank unserer konzertierten Aktion konnten wir eine Eskalation des Konflikts verhindern.“ (196)
Geradezu rührend fallen Putins Bemerkungen über den Ex-Präsidenten George W. Bush aus:
„Er ist ein sehr anständiger Mensch, ein guter Mensch.“ (48) „Ich hatte das Gefühl, dass ich es hier mit einem Menschen zu tun hatte, mit dem man verhandeln und sich verständigen kann. Zumindest hoffte ich das.“ (48) „Man versucht immer wieder, Bush zu verteufeln, aber das halte ich für verkehrt.“ (58) „Ich bin ziemlich sicher, dass Präsident Bush immer ein integrer Mensch war.“ (51)
Putin macht nicht primär Bush, sondern die hinter ihm stehende Bürokratie für Fehlentscheidungen und –entwicklungen verantwortlich. Nach 9/11 zeigte Putin den USA und insbesondere Präsident Bush unverzüglich sein Mitgefühl und seine Solidarität: „Mir war klar, dass Staatsoberhäupter und Regierungschefs in solchen Situationen moralische Unterstützung brauchen. Und wir wollten Präsident Bush diese Unterstützung demonstrieren.“ (49)
Gegen Regimewechsel und militärische Gewalt
In seinem Vorwort zu den Putin-Interviews bemerkt der amerikanische Journalist Robert Scheer, dass sowohl Stone als auch Putin imperialistischen Ambitionen skeptisch bis ablehnend gegenüberstünden. So sagt Putin zur russischen Außenpolitik: „... wir haben eine goldene Regel, an die wir uns halten. Wir mischen uns nie in die innenpolitischen Angelegenheiten eines Landes ein.“ (319) Auf der anderem Seite stellt der russische Präsident mehrfach klar – ohne Kritik im Detail zu üben –, dass die US-amerikanischen Versuche, in autoritär regierten Ländern einen Regimewechsel herbeizuführen und der Demokratie zu einem nachhaltigen Durchbruch zu verhelfen, aus seiner Sicht zum Scheitern verurteilt sind.
„... ich halte es für falsch und fehlerhaft, anderen Staaten und Völkern die eigenen Normen und Modelle aufzuerlegen. Damit beziehe ich mich insbesondere auf die Demokratie. Demokratie lässt sich nicht von außen importieren, sondern kann nur in einer Gesellschaft selbst entstehen. Man sollte einer Gesellschaft zwar einerseits helfen, diesen Weg zu gehen, aber es ist sinnlos, eine Regierungsform mit Gewalt von außen durchsetzen zu wollen. Das ist kontraproduktiv und schädlich.“ (46) „Man kann sie [die Demokratie, U.T.] nicht von außen in ein Land bringen, sondern sie muss aus einer Gesellschaft selbst hervorgehen. Dieses Vorhaben mag schwieriger sein, aber es ist auch um einiges vielversprechender.“ (66)
Als Stone das militärische Eingreifen Russlands in den Syrien-Krieg anspricht und feststellt, dass man eine Befriedung des Landes nicht durch Bombenabwürfe erreichen könne, stimmt Putin dieser Aussage zu. (190) An anderer Stelle distanziert er sich grundsätzlich von militärischer Gewalt: „... ich finde (…), dass militärische Gewalt der falsche Weg ist, Probleme zu lösen, seien diese nun geopolitischer oder wirtschaftlicher Natur. Das fängt schon damit an, dass man die Wirtschaft des Landes zerstört hat [diese Aussage bezieht sich auf den Irak, U.T.]. Das ganze Land bricht zusammen.“ (201) Manchmal sei der Einsatz militärischer Gewalt zwar unerlässlich. In solchen Fällen sei es „aber auf jeden Fall besser, wenn ein solcher Militäreinsatz auf Ersuchen der betroffenen Regierung, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und aufgrund eines Beschlusses des UN-Sicherheitsrats erfolgt“. (46)
Amerikanische Lügen
Putin, der im Westen gerne als notorischer Lügner hingestellt wird, nennt einige Fälle westlicher beziehungsweise amerikanischer Unaufrichtigkeit. Zuvörderst ist da natürlich das westliche Versprechen, die NATO nach Auflösung des Warschauer Pakts nicht nach Osten zu erweitern. Gorbatschow sei ein Fehler unterlaufen, als er sich das Versprechen nicht schriftlich hat geben lassen. Die zweite Unaufrichtigkeit betrifft die Begründung der in Polen und Rumänien errichteten Raketenabwehrsysteme. Die Amerikaner versicherten, diese richteten sich nicht gegen Russland, sondern gegen Iran – eine offenkundig absurde Behauptung. Wenn dem tatsächlich so gewesen wäre, so Putin, hätten die Systeme abgebaut müssen, nachdem das Atomabkommen mit Iran zustande gekommen war. Eine dritte von Putin erwähnte Täuschung fand in der Ukraine-Krise im Februar 2014 statt.
„Die drei Außenminister der europäischen Länder fungierten als Bürgen für eine Vereinbarung zwischen der Opposition und Präsident Janukowytsch. Alle waren damit einverstanden, der Präsident stimmte sogar der Abhaltung vorgezogener Wahlen zu. Zu diesem Zeitpunkt sagte man uns auf Veranlassung der Vereinigten Staaten von Amerika: 'Wir ersuchen Sie, Präsident Janukowytsch vom Einsatz seiner Streitkräfte abzuhalten.' Dafür versprachen sie ihrerseits, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die Opposition von den öffentlichen Plätzen und Verwaltungsgebäuden fernzuhalten. Wir antworteten: 'In Ordnung, das ist ein guter Vorschlag, wir werden unser Bestes tun.' Und wie Sie wissen, hat Präsident Janukowytsch nicht auf die Streitkräfte zurückgegriffen. Aber schon am nächsten Tag fand der Staatsstreich statt, mitten in der Nacht. Es gab kein Telefonat, man rief uns nicht an – wir mussten einfach zusehen, wie sie [die Amerikaner] die Verursacher des Staatsstreichs aktiv unterstützten. Und wir konnten nur die Achseln zucken. Ein Verhalten, wie es die Amerikaner hier an den Tag legten, ist selbst unter Privatpersonen völlig inakzeptabel. Sie hätten uns zumindest danach mitteilen können, dass die Situation außer Kontrolle geraten war. Sie hätten uns versichern können, dass sie alles tun würden, um die Putschisten wieder auf einen verfassungskonformen Weg zu bringen. Aber das alles haben sie nicht getan. Stattdessen fingen sie an, Lügen zu erzählen, wie zum Beispiel die von der Flucht Janukowytschs. Und sie unterstützten die Putschisten. Wie können wir solchen Partnern trauen?“ (323f.)
Appelle zur Zusammenarbeit
Kritische Bemerkungen der gerade zitierten Art sind in den „Putin-Interviews“ seltene Ausnahmen. Eindeutig im Vordergrund stehen Appelle zur gleichberechtigten Zusammenarbeit. Gefühlt auf jeder dritten Seite formuliert Putin solche Angebote an seine „amerikanischen Partner“. Manchmal kommen sie fast Beschwörungen gleich. Einige Beispiele:
Putin sagt, es sei „wichtig, ein einseitiges Handeln zu verhindern“. Man solle „gemeinsam“ an den Problemen arbeiten, natürlich „gleichberechtigt“, man solle „kooperieren“, um „einen sehr viel stabileren Zustand [zu] schaffen“ sowie „die Welt für alle sicherer [zu] machen“. (110) Es gebe immer einen Wettbewerb zwischen den großen Mächten um die globale Führungsrolle – jedoch: „Mir wäre es sehr recht, wenn dabei auch der gesunde Menschenverstand eine Rolle spielte.“ (122)
China, so Stone, habe klargestellt, dass es eine direkte Konfrontation mit den USA vermeiden will. Darauf Putin: „Und das ist gut. Genauso soll es sein. Auch wir wollen Konfrontationen vermeiden. Wir wollen keine Konfrontation mit den Vereinigten Staaten, weil wir eigene Probleme haben, um die wir uns kümmern müssen.“ (123) Und weiter: „Russland braucht keine flächenmäßige Ausdehnung. Unser Land hat ein gewaltiges Territorium, das größte der Welt. Wir haben ungeheuer viele Bodenschätze und wunderbare Menschen. Wir haben ein profundes System zur Entwicklung und Renovierung unseres Landes. Jede Art Konflikt würde uns nur von diesem strategischen Ziel ablenken.“ (123)
Russland und die USA müssten „gleichberechtigte Beziehungen (…) und einen Zustand gegenseitigen Respekts“ etablieren. (123) Ausgewogene Entscheidungen ließen sich nur treffen, wenn es einen „Dialog auf gleichberechtigter Basis mit gebührender Berücksichtigung beiderseitiger Interessen“ gebe. (132) Die wichtigsten Fragen müssten „in gegenseitigem Einverständnis beantworte[t] werden“. (134) Russland sei „in fast jedem Bereich gesprächsbereit“. (155) Es sei falsch, eine mögliche „Regierungszusammenarbeit und zwischenstaatliche Beziehungen auf dem Altar kurzfristiger politischer Überlegungen zu opfern“. (155)
Im Unterschied zu Stone, der als US-Bürger sein Land nach Herzenslust kritisieren könne, müsse sich Russland gegenüber den USA „sehr vorsichtig verhalten. Und wie unterschiedlich die Ansichten auch sein mögen, so sehr müssen wir uns doch an bestimmte Regeln halten. Ansonsten ließen sich keine zwischenstaatlichen Beziehungen aufbauen.“ (136) „Sie [Stone, U.T.] sind ein Mann des Friedens. Für Sie ist das einfach. Ich bin pro-russisch. Für mich ist das alles schon viel schwieriger.“ (137)
Zu den Raketenabwehrsystemen in Osteuropa habe Russland den USA mehrfach Alternativen und Kooperationsszenarien vorgeschlagen. „Es gab einen Moment, als wir glaubten, unsere amerikanischen Partner würden tatsächlich über eine Umsetzung unserer Vorschläge nachdenken. (…) Ich unterhielt mich mit George W. Bush in seinem Haus außerhalb der Stadt und erörterte ihm unsere Vorschläge näher. 'Ja, das klingt sehr interessant', sagte er damals. Aber mehr kam nicht dabei heraus.“ (157) „Unsere Partner sind einfach nicht bereit, in einer so sensiblen Angelegenheit zusammenzuarbeiten.“ (158) So bleibe Russland nichts anderes übrig, als Gegenmaßnahmen zu ergreifen, also seine Raketensysteme auf die Militäranlagen zu richten. Die Folgen seien unerfreulich, die Lage werde immer angespannter. „Wer braucht das schon, wozu soll das gut sein?“ (106) Einem heißen Krieg zwischen den USA und Russland werde niemand überleben. (108)
Putin ist überzeugt, es herrsche gegenüber Russland „ein genereller Mangel an Verständnis“ (161). Statt „langfristige Beziehungen zu Russland aufzubauen“ (162), behandelten die USA sein Land immer noch so, als wäre es „ihr größter geopolitischer Konkurrent“. Viele Felder, auf denen eine Kooperation für beide Seiten, ja für die ganze Welt fruchtbar sein könnte, blieben so unbearbeitet. (161)
Differenzen sollten „in Form eines Dialogs“ (165) geklärt werden. Es gelte, „zu einem neuen Paradigma überzugehen, einer neuen Philosophie der zwischenstaatlichen Beziehungen. (…) Und dieses Paradigma sollte auf der Achtung vor den Interessen anderer Länder und vor der Souveränität anderer Völker aufbauen.“ (165) Er hoffe, nach der Wahl eines neuen amerikanischen Präsidenten [gemeint ist Trump, U.T.] einen „positiven Paradigmenwechsel“ herbeiführen zu können. (168)
Weitere Appelle zur Zusammenarbeit
Auch die Probleme in Syrien müssten gemeinsam mit den USA angegangen werden, man müsse „an einem Strang ziehen“, davon sei er „zutiefst überzeugt“. (190) „Wir wünschen uns einen konstruktiven, professionellen Dialog mit den Vereinigten Staaten, in dem auch unser Standpunkt Gehör findet.“ (295) Man könne nur Fortschritte erzielen, „indem man einen normalen, positiven und konstruktiven Dialog aufnimmt, in dem sich alle bemühen, Lösungen für die offenen Fragen zu finden“. (310)
Eine neue Blockbildung nach Art des ersten Kalten Kriegs hält Putin für kontraproduktiv. „Stattdessen sollten die Staaten in Sicherheitsfragen auf internationaler Basis und gleichberechtigt zusammenarbeiten können.“ (211) Es gelte, „die Rechtsstellung der Charta der Vereinten Nationen, des internationalen Rechts“ zu stärken. Die internationale Gemeinschaft müsse sich „koordinieren“ und „zu Kompromissen (…) gelangen“. (202) Militärmanöver brauche niemand, viel wichtiger sei eine „Atmosphäre des Vertrauens“. (212)
Anders als die USA, die Satellitenstaaten gegen eine äußere Bedrohung um sich scharten und sich in einer „Konfrontation“ sähen, folge Russland einer „umfassendere[n] Betrachtungsweise“: „Wenn man 25 Jahre in die Zukunft blickt und darüber nachdenkt, wie die Weltlage sich weiterentwickeln wird, dann muss man seine Philosophie und den Ansatz, den man in Bezug auf internationale Beziehungen verfolgt, einfach ändern.“ (237) Es werde sich schon „bald als notwendig erweisen, eine neue Qualität von Beziehungen aufzubauen, die auf dem Respekt voreinander, vor den politischen Partnern, deren Interessen und deren Souveränität gründen“. (164)
Putin erinnert an den Kampf zwischen Rom und Karthago. Wie segensreich hätte es für die damalige Welt sein können, wenn die beiden Mächte kooperiert hätten statt sich zu bekämpfen! (287f.) Im Verhältnis zwischen Russland und den USA habe es fruchtbare Phasen der Zusammenarbeit gegeben; daran könne man anknüpfen:
„... derzeit stehen wir gemeinsamen Bedrohungen wie dem internationalen Terrorismus gegenüber. Wir sollten die weltweite Armut bekämpfen und etwas gegen die Umweltzerstörung tun, die die gesamte Menschheit bedroht. Dazu kommt noch, dass wir insgesamt derart viele Atomwaffen angehäuft haben, dass auch dadurch eine globale Bedrohung entstanden ist. Für uns alle wäre es gut, darüber einmal intensiv nachzudenken. Es gibt viele Probleme, die einer Lösung bedürfen.“ (288, ebenso 154)
Die US-Strategie
Welche Ereignisse und Entwicklungen der letzten zwei bis drei Jahrzehnte haben die Beziehungen zwischen Russland und den USA (beziehungsweise dem Westen generell) verschlechtert? Putin und Stone fällt die Antwort nicht schwer: die NATO-Osterweiterung, der Aufbau eines Raketenabwehrsystems nahe der russischen Westgrenze, das Ende des ABM-Vertrags, der Irak-Krieg, die Unterstützung der USA für terroristische Gruppen im Kaukasus (Putin behauptet mehrfach, dies sei der Fall gewesen), der Georgien-Krieg (die USA sahen in Russland den Aggressor), der Umbruch in Kiew, der Krieg im Donbass, das vom Westen als Annexion bewertete russische Vorgehen auf der Krim, das Snowden-Asyl.
Die angespannten Beziehungen zwischen Moskau und Washington führen Stone zu der Frage, welche Gesamtstrategie die USA weltweit verfolgen. Putin hält sich zunächst bedeckt und scherzt: „Ich werde offen und ehrlich auf diese Frage antworten, in allen Einzelheiten – aber erst, wenn ich in Rente bin.“ (153) Stone versucht sich dann selbst an einer Antwort, die erstaunlich aktuell anmutet:
„Ich könnte zum Beispiel sagen (…), dass die derzeitige amerikanische Strategie eine Zerstörung der russischen Wirtschaft vorsieht. Man will Russland in die Knie zwingen, es wirtschaftlich auf das Niveau der 1990er-Jahre zurückwerfen und seine politische Führung austauschen. Man will Ihr Land zu einem neuen Verbündeten der Vereinigten Staaten machen, den man im Grunde genauso dominieren kann wie früher. Vielleicht hat man auch den Eindruck, nicht weit genug gegangen zu sein, weil man Ihnen Ihr Waffenarsenal nicht abgenommen hat.“ (153)
Putin hält das für „durchaus vorstellbar“ (153), will nicht ausschließen, dass die USA tatsächlich versuchen, Russland zu einem „Vasallen“- oder „Satellitenstaat“ zu degradieren (153f.), vertieft den Gedanken an dieser Stelle aber nicht weiter, sondern wechselt unvermittelt auf die normative Ebene und wiederholt sein Credo, es sei viel sinnvoller, in die Zukunft zu denken und die Beziehungen auf eine andere, auf eine neue Grundlage zu stellen. Einige Seiten später wagt er sich dann doch aus der Deckung – es ist dies eine der ganz wenigen extrem US-kritischen Äußerungen der Gespräche: „Die herrschende Klasse [der USA, U.T.] ist davon überzeugt, Russland bekämpfen, einschränken und in seiner Entwicklung behindern zu müssen. Gehirnwäsche ist mit Sicherheit eines der Werkzeuge, mit denen das nötige politische Umfeld zum Erreichen dieser Ziele geschaffen wird.“ (168)
Wozu dient das Feindbild Russland?
Ganz unmissverständlich argumentiert Putin bei der Frage, ob die USA auf Russland als äußeren Feind angewiesen seien, damit sie ihr euro-atlantisches Lager kontrollieren und disziplinieren können. „Das stimmt hundertprozentig, das weiß ich und spüre es. Ohne diese innere Disziplin fällt die euro-atlantische Sache auseinander.“ (99)
Putin konzentriert sich beinahe vollständig auf das Verhältnis zwischen Russland und den USA, äußert sich kaum zu den europäischen Ländern (sieht man von der Ukraine ab). Das mag dem Umstand geschuldet sein, dass die Gespräche primär für ein US-amerikanisches Publikum geführt wurden. Es liegt aber auch daran, dass Putin die europäischen Mächte weit weniger ernst nimmt und ihnen den Willen zur Eigenständigkeit und Souveränität abspricht. „Heute ist die NATO (…) nicht mehr als ein außenpolitisches Instrument der Vereinigten Staaten. Die USA haben in ihr keine Bündnispartner, sondern nur Vasallen.“ (59) Und auch hier spielt die Notwendigkeit eines äußeren Feindes wieder eine zentrale Rolle: „Für mich ist die NATO ein Restorganismus, der aus Zeiten des Kalten Kriegs übrig geblieben ist. (…) In letzter Zeit habe ich den Eindruck, dass die NATO dauernd nach einem äußeren Feind sucht, um ihre Existenz zu rechtfertigen. Darum kommt es auch immer wieder zu Provokationen, um jemanden als Gegner hinstellen zu können.“ (210f.)
Einer der Hauptvorwürfe gegen die russische Außenpolitik besagt, sie wolle den Westen spalten. Glaubt man den gerade zitierten Äußerungen Putins, dann wären diese Spaltungsbemühungen, so es sie denn tatsächlich gibt, eher defensiver Natur, dienten also dem Zweck, das westliche „Feinbild Russland“ zu konterkarieren oder aufzuweichen.
Russland und die Ukraine
Putins Ausführungen zum Konflikt in und mit der Ukraine nehmen breiten Raum ein, können aber hier vergleichsweise knapp resümiert werden, weil sie kaum über die bekannte offiziöse russische Position hinausgehen. Neben allgemeinen Bemerkungen zur Entwicklung der Ukraine in post-sowjetischer Zeit rekonstruiert Putin die Ereignisse der Jahre 2013/14 aus russischer Sicht. Die Maidan-Proteste hatten im Februar 2014 zu Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition unter Beteiligung westlicher Außenminister geführt, in denen, so Putin, ein vernünftiger Kompromiss erzielt worden sei; u.a. wurden vorgezogene Neuwahlen vereinbart. Dennoch sei es nur einen Tag später zu einem gewaltsamen Staatsstreich gekommen. Putin kommt mehrfach darauf zu sprechen, und jedes Mal demonstriert er seine Rat- und Fassungslosigkeit angesichts dieses Vorgangs:
„…da stellt sich doch die Frage, wozu der Staatsstreich überhaupt notwendig war. Warum musste man dieses Land in Chaos und Bürgerkrieg stürzen? Was war der Sinn dahinter?“ (90) Und: „Warum war dann also dieser Staatsstreich notwendig? Das kann ich nicht begreifen.“ (256) Und: „Wozu hatten sie das alles nötig? Ich kann es mir einfach nicht erklären.“ (259) Und: „Ich frage mich bis heute, warum sie das eigentlich tun mussten, weil es doch der erste Schritt zu einer weiteren Destabilisierung des Landes war.“ (328)
Neben dem Rückblick auf den Staatsstreich findet sich zum ukrainisch-russischen Verhältnis ein bemerkenswertes Statement, das auf den ersten Blick wenig bedrohlich erscheint, vor dem Hintergrund des gerade tobenden Kriegs allerdings einen anderen Klang gewinnt:
„Russland ist ein autarkes Land. Wir brauchen niemanden, aber zur Ukraine bestehen Tausende Verbindungen. Ich habe das schon oft gesagt und wiederhole es auch jetzt noch einmal: Ich bin zutiefst überzeugt, dass das ukrainische und das russische Volk nicht nur eng miteinander verwandt, sondern fast identisch sind. Natürlich muss man die unterschiedliche Sprache, Kultur und Geschichte respektieren. Wir brachten der Ukraine auch Respekt entgegen, als wir noch ein und dasselbe Land waren. Und es sagt wohl einiges aus, dass die Sowjetunion jahrzehntelang von Persönlichkeiten gelenkt wurde, die aus der Ukraine stammten. Das beweist wirklich schon sehr viel.“ (259f.)
Die Interessen der USA an und in der Ukraine
Putin wirft den USA vor, diese ukrainisch-russische Affinität beziehungsweise Fast-Identität systematisch zu hintertreiben. Es ist dies sein vielleicht härtester Vorwurf gegen die „amerikanischen Partner“:
„Die Philosophie der amerikanischen Außenpolitik in dieser Region [Ukraine, U.T.] beruht einzig und allein auf der Notwendigkeit, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln eine Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und Russland zu verhindern. Dessen bin ich mir völlig sicher. Die USA betrachten jede Annäherung zwischen unseren beiden Ländern als Provokation, weil sie fürchten, dass Russland dadurch an Macht gewinnen könnte. Deswegen tun sie alles, um eine solche Annäherung zu sabotieren. Ich bin der Meinung, dass die Ereignisse rund um die Ukraine von dieser Ideologie herrühren – und nicht etwa daher, dass man dem ukrainischen Volk die Freiheit bringen wollte. Unsere Partner in den Vereinigten Staaten und Europa handelten nur aus dieser Angst heraus. Sie unterstützten radikale nationalistische Elemente in der Ukraine, um in den Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine eine Spaltung herbeizuführen, eine tiefe Kluft zu erzeugen.“ (236f.)
Keine Konfrontation mit den USA, keine militärische Lösung
Die weiteren, sich direkt anschließenden Überlegungen Putins sind von höchster Relevanz, weil von brennender Aktualität. Er versichert, Russland werde sich nicht auf eine Konfrontation mit den USA einlassen, weil es – und auch an dieser Stelle wiederholt er sein schon bekanntes Credo – von einer anderen Philosophie der internationalen Beziehungen beseelt sei. Zudem sei es unklug, sich konfrontativ zu verhalten:
„Würde Russland auf diese Provokation reagieren, dann könnte man es problemlos dämonisieren und aller möglichen Todsünden bezichtigen. Und plötzlich hätte der Westen wieder einen sichtbaren Gegner und könnte Verbündete auf seine Seite ziehen. Unter diesem Gesichtspunkt haben die Hintermänner ihre Ziele erreicht und dabei geradezu perfekt agiert.“ (237)
Zumindest hätten sie, die Hintermänner, „einen gewissen taktischen Erfolg erzielt“ (164) insofern, als es ihnen durch das Auslösen der Ukraine-Krise gelungen sei, Russland in einem negativen Licht erscheinen zu lassen.
„Russland wird heute von vielen wieder als Feind und potenzieller Angreifer betrachtet. Und sie haben uns dazu gebracht, auf ihre Handlungen zu reagieren. Dennoch wird wahrscheinlich bald jeder erkennen, dass Russland keine wie auch immer geartete Bedrohung darstellt – weder für die baltischen Staaten noch für Ost- oder Westeuropa. Je größer das Missverständnis ist, desto stärker wird in diesen Ländern auch der Wunsch nach einer Bewahrung der eigenen Souveränität und einem Eintreten für die nationalstaatlichen Interessen des jeweiligen Landes werden.“ (164f.)
Mit einer seiner Ukraine-Fragen nimmt Oliver Stone die sich seit 2021/22 entwickelnde Konstellation vorweg und bringt Putin zu bemerkenswerten Aussagen. Stone fragt, ob Putin bereit wäre, für die Ukraine in den Krieg zu ziehen. „Das wäre das Worst-Case-Szenario“, antwortet dieser. (111) Stone hakt nach: Wenn die USA noch mehr Waffen an die Ukraine lieferten und die Kiewer Regierung im Donbass immer aggressiver agiere, würden die Russen zwangsläufig den Kampf aufnehmen müssen – die Folge wäre ein größerer Konflikt. Obwohl Putin bei vielen Gelegenheiten – wie schon erwähnt – betont hatte, dass Russland eine solche Eskalation „nicht zulassen“ beziehungsweise „nicht erlauben“ werde, antwortet er nunmehr mit größter Zurückhaltung und trifft grundsätzliche Einschätzungen und Feststellungen:
„Ich glaube nicht, dass sich etwas Gravierendes ändern wird. Darüber habe ich auch mit unseren amerikanischen Partnern gesprochen. Es würde nur mehr Opfer geben, aber das Fazit wäre kein anderes als heute. Konflikte dieser Art, also Konflikte wie im Donbass, lassen sich nicht mit Waffen lösen. Da muss es schon direkte Gespräche geben. Und warum sollte man damit noch länger warten? Je früher unsere Freunde in Kiew das begreifen, desto besser. Doch die westlichen Länder – also Europa und die Vereinigten Staaten – müssen die Machthaber in Kiew dabei unterstützen, diese Realität zu sehen.“ (112)
Angesichts dieser Grundhaltung ist es folgerichtig, dass sich Putin in den Gesprächen mit Oliver Stone immer wieder zu den Vereinbarungen von Minsk bekennt. (92-94, 213f., 266) Sie seien der einzig gangbare Weg aus der Krise. Zum damaligen Zeitpunkt schien Putin tatsächlich noch darauf zu vertrauen, dass „Minsk II“ früher oder später umgesetzt würde.
Bilanz
Wladimir Putin präsentiert sich in den Interviews mit Oliver Stone als kompetenter, nüchterner, rationaler, berechenbarer, problembewusster, kompromissbereiter, friedens- und verständigungsorientierter Staatsmann. Er begreift sich als Anwalt einer gedeihlichen inneren Entwicklung Russlands und als Verfechter seiner nationalen Interessen. Er möchte seinem Land insbesondere im Verhältnis zu den USA Respekt und Anerkennung verschaffen, hegt aber keinerlei aggressive oder gar imperiale Ambitionen. Kurzum: Ein reflektierter, vergleichsweise vernünftiger Politiker – so könnte und konnte man meinen.
Das letzte Interview Oliver Stones mit Putin wurde im Februar 2017 geführt, liegt also erst sechs Jahre zurück. Doch der Wladimir Putin von heute beziehungsweise seit Februar 2022 ist ein erkennbar anderer als derjenige der Interviews. Er hat sich von vielen Überzeugungen und Einsichten, die er gegenüber Stone vertrat, offenbar gelöst.
Hatte Oliver Stone seinen Gesprächspartner noch voller Anerkennung als „kühl und besonnen“ beschrieben, so erlebte man insbesondere zu Beginn des Ukraine-Kriegs einen hoch emotionalen und nervlich angespannten Putin.
Sang Putin gegenüber Stone noch das Hohelied der Flexibilität, verfolgt er nun – als Kriegsherr – einen außerordentlich rigiden Kurs. Seine Mahnung, man dürfe andere Staaten oder Politiker nicht in eine Sackgasse treiben, ist obsolet geworden. Denn genau das, die Sackgasse, ist das gegenüber der Ukraine verfolgte russische Kriegsziel.
Das von Putin beschworene Prinzip der Nichteinmischung in anderer Länder Angelegenheiten ist aufgegeben worden. Das ursprüngliche Ziel von Russlands „militärischer Spezialoperation“ war ganz offenkundig ein Regimewechsel in Kiew. Nunmehr überzieht Russland die Ukraine mit Krieg, obwohl Putin in den Interviews militärische Gewalt grundsätzlich skeptisch beurteilt und sie im Fall der Ukraine als Problemlöser kategorisch ausgeschlossen hatte.
Russland stelle für niemanden in Europa eine Bedrohung dar, hatte Putin gesagt. Auch dies sehen viele ost- und mitteleuropäische Länder spätestens seit dem Februar 2022 anders.
Obwohl Putin in den Interviews versichert hatte, sein Land hege keinerlei imperiale Ambitionen, erhebe keine Gebietsansprüche, hat Russland Territorien im Osten der Ukraine in einem völkerrechtswidrigen Verfahren annektiert. Zudem ist die militärische Gewalt Russlands als solche völkerrechtswidrig – auch dies ein wichtiger Aspekt angesichts der Tatsache, dass Putin in seinen Gesprächen mit Stone noch großen Wert auf die UNO-Charta und das internationale Recht gelegt hatte.
Aus der anfänglich vielleicht tatsächlich als begrenzte „militärische Spezialoperation“ gedachten Intervention ist binnen kurzer Zeit ein mit voller Härte (und unter Einschluss schwerer Kriegsverbrechen auf beiden Seiten) geführter Krieg geworden, unter dem vor allem Menschen eines Landes leiden, das Putin als „fast identisch“ mit Russland beschrieben hatte. Den USA hatte Putin vorgehalten, sie würden alles Erdenkliche unternehmen, um Russen und Ukrainer zu entzweien. Es ist durchaus möglich, dass der russische Krieg diese Entzweiung vollendet und – zumindest auf absehbare Zeit – unumkehrbar macht.
Die Minsker Vereinbarungen, die Putin immer als Königsweg zu einer Problemlösung betrachtet hatte, sind aktuell nur noch von historischem Interesse. Hatte sich Putin in den Stone-Interviews noch als unbeirrbarer Freund der Diplomatie gegeben, ist jetzt – zumindest in Richtung Westen – das Gegenteil der Fall.
Was Russland nach Putins Worten unter allen Umständen hätte vermeiden sollen, genau das tut es jetzt: Es lässt sich auf eine direkte Konfrontation mit dem Westen, insbesondere den USA, ein; es schlägt scharfe Töne an; und es droht – sogar mit Nuklearwaffen.
Man dürfe sich nicht provozieren lassen, hatte Putin erklärt. Nun hat er es doch getan und nimmt alle Folgen in Kauf, die er für diesen Fall treffsicher vorhergesagt hatte: dass der Westen Russland (und natürlich ihn selbst) in bislang ungekannter Weise dämonisieren werde; und dass die Amerikaner wieder einen eindeutigen Gegner haben würden, ein klares Feindbild, das ihnen hilft, ihr eigenes Bündnis zusammenzuhalten, zu stabilisieren und sogar weiter auszudehnen. Die Bündnisbildung, vor der Putin gewarnt und die er als Relikt des Kalten Kriegs bezeichnet hatte, wird derweil auch von Russland selbst vorangetrieben.
Putins guter Vorsatz, sich auf die inneren Probleme seines Landes konzentrieren zu wollen, ist passé. Russland wehrt sich zwar bislang nicht ohne Erfolg gegen ein weitreichendes westliches Sanktionsregime. Aber man wird kaum behaupten können, dass der Ukraine-Krieg den sozialen, ökonomischen, technologischen und ökologischen Fortschritt in Russland vorangetrieben oder dem Land gar einen Liberalisierungsschub beschert hätte. Im Gegenteil, die Repression ist stärker geworden, viele Menschen – oft junge und gut ausgebildete – resignieren und verlassen ihre Heimat.
Ausblick
Wie kann man die soeben herausgearbeitete Diskrepanz erklären? Eine mögliche Antwort: Putin hat sich gar nicht verändert. Er hat vielmehr den Westen seit langem systematisch getäuscht und belogen (inklusive seinen ihm gewogenen Gesprächspartner Oliver Stone). In Wahrheit ist er „schon immer so gewesen“ und lässt jetzt bloß die Maske fallen, zeigt also sein wahres Gesicht.
Mit dieser Deutung machte man es sich meines Erachtens allerdings entschieden zu einfach. Es ist aus meiner Sicht viel wahrscheinlicher, dass sich in den vergangenen fünf bis sechs Jahren eine durch äußere Umstände hervorgerufene Wandlung vollzogen hat. Am Ende dieses Wandlungsprozesses standen – wie ich in dem angekündigten zweiten Artikel zum Thema näher erläutern werde – einige langsam gereifte und rationale, einige eher spontane und emotionale Entscheidungen, mit denen Putin deutlich von den Maximen abwich, die er im Interview mit Oliver Stone vorgetragen hatte. Diese Entscheidungen wiederum zeitigten sowohl beabsichtigte als auch unbeabsichtigte und nicht vorhersehbare Folgen, die zusammenflossen und schließlich in jene gefährliche und scheinbar ausweglose Kriegs- und Krisen-Konstellation mündeten, der wir uns heute ausgesetzt sehen.
Weitere Artikel zum Thema:
- Was sind Russlands Kriegsgründe? (Paul Schreyer, 25.1.2023)
- Der Ukraine-Krieg im Lichte des Völkerrechts (Rudolf Brandner, 5.11.2022)
- Ein durchtrenntes Europa (Ulrike Guérot und Hauke Ritz, 25.10.2022)
- Völkerrecht: Zur Doppelmoral des Westens (Kai Ambos, 17.10.2022)
- Kriegsnarrative als letzter Halt des Ich (Andreas Heyer, 28.6.2022)
- Zukunftsaussichten eines zerstörten Landes (Stefan Korinth, 16.5.2022)
- Krieg in der Ukraine – Schwarze Tage Europas (Redaktion, 27.2.2022)
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