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Energiepolitische Narrative: Schutz des Klimas oder Schutz der Monopole?

Energiepolitik wird seit den 1990er Jahren unter dem Label Klimaschutz diskutiert. Diese Umbenennung verschiebt die Debatte von konkreten energiepolitischen Auseinandersetzungen hin zu abstrakten Modellen, die viel Interpretationsraum eröffnen und reale Interessenkonflikte unsichtbar machen. Stattdessen wird Klimaschutz seither als Last diskutiert, die Einschränkungen und hohe Kosten erfordert. Dabei wären ökologisch und volkswirtschaftlich viele Gewinner möglich – doch das erfordert die Konfrontation mit den Energiemonopolen.

ANJA BAISCH, 28. August 2023, 9 Kommentare, PDF

Vor wenigen Wochen fanden zwei G20-Treffen in Indien statt. Doch weder die Runde der Energieminister noch der Kreis der Umwelt- und Klimaminister konnte sich auf eine gemeinsame Linie zum Klimaschutz einigen. Es war einmal mehr der Versuch, die weltweiten ökologischen Krisen durch einen globalen Vertrag lösen zu wollen. Und es hat einmal mehr nicht funktioniert.

An dieser Vorgehensweise arbeiten sich die Staats- und Regierungschefs nun seit der ersten Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen im Jahr 1995 in Berlin ab. Das Prozedere ist immer das gleiche: In langen Verhandlungsrunden wird diskutiert, welche Länder welche Emissionseinsparungen erzielen sollen. Viele Staats- und Regierungschefs nutzen Vermeidungsstrategien, um sich den Vorgaben zu entziehen oder sie zumindest abzuschwächen. Der Grund ist, dass sie wirtschaftliche Nachteile für ihr jeweiliges Land fürchten, denn die politischen Instrumente, die diskutiert und angewendet werden, zielen darauf ab, den Energieverbrauch zu erschweren oder zu verteuern. Das passiert über Preiserhöhungen oder mengenmäßige Beschränkungen. Diese Ansätze finden sich im Emissionshandel, bei Budgetierungen oder CO2-Fußabdrücken, die alle finanziell oder ordnungspolitisch den Energieverbrauch drosseln sollen.

Im Zentrum der Debatte steht also die Frage, wer sich wie stark einschränken müsse. Es geht um eine möglichst gerechte Verteilung der Lasten, auch bezeichnet als „burden sharing“. Die politischen Konfliktlinien verlaufen entlang dieser Vorstellung von Lasten: Flexibilität versus Verbindlichkeit, längere Zeitfenster versus Tempo, finanzielle Subventionierung versus Verbote.

Innerhalb dieses Rahmens existiert eine Bandbreite unterschiedlicher Positionen: Seitens der Klimaschutzbewegung werden die Maßnahmen als zu lasch eingeschätzt und ihre Vertreter fordern eine größere Verbindlichkeit, während Unternehmen solche Instrumente als wirtschafts- und wettbewerbsfeindlich kritisieren. Aus demokratischer Perspektive wird dagegen die Einschränkung der grundgesetzlichen Handlungsfreiheiten problematisiert. Sowohl die vorherrschende Politik als auch die diversen Kritiker argumentieren also innerhalb der Lastenidee.

Dieses Konzept transportiert die Idee, dass die Nutzung von Energie schlecht und gefährlich sei, weshalb die Verbraucher zu mehr Beschränkungen und Sparmaßnahmen gedrängt werden. Da Energie weltweit immer noch überwiegend fossil und atomar erzeugt wird, ist die Schlussfolgerung auch nicht falsch.

Dennoch hat die Kernbotschaft, den Energieverbrauch per se negativ zu brandmarken, weitreichende politische und emotionale Auswirkungen. Denn eine Verbesserung der ökologischen Situation kann dann nur über Verzicht passieren.

Diese eingeforderte Beschränkung betrifft sämtliche Lebensbereiche, weil Energie die Grundlage für alles ist. Jede wirtschaftliche Tätigkeit und jeder Aspekt der persönlichen Lebensführung brauchen Energie in irgendeiner Form. Diese existenziellen Bedürfnisse mit Schuld, Angst und Scham zu verknüpfen, ist psychologisch folgenreich und löst oft Abwehrmechanismen aus. Das ist einer der Gründe, warum das Thema Klimaschutz so emotional diskutiert wird. Und es ist ein Anlass, viel grundsätzlicher anzusetzen und zu hinterfragen, warum eigentlich die Kernbotschaft auf Verzicht und Beschränkung zielt und warum Klimaschutz deswegen mit der Verteilung von Lasten gleichgesetzt wird.

Geteilte Lasten oder geteilter Nutzen?

Die Analyse des Burden Sharing (Geteilte Lasten) funktioniert nur, wenn man auch das Gegenstück – also Benefit Sharing (Geteilter Nutzen) – identifizieren kann. Für wen könnten Klimaschutzmaßnahmen also einen Gewinn darstellen, der über ökologische Verbesserungen hinausgeht?

Um die Interessenkonflikte zu verdeutlichen, ist es erforderlich, sich von dem Begriff Klimaschutz zu lösen. Die diskutierten politischen Instrumente betreffen alle die Erzeugung und den Verbrauch von Energie. Im Kern geht es also um Energiepolitik. Dennoch wird die Frage der Energiepolitik seit den 1990er Jahren unter dem Label Klimaschutz diskutiert. Diese Umbenennung verschiebt die Debatte von konkreten energiepolitischen Auseinandersetzungen hin zu abstrakten Modellen, die viel Interpretationsraum eröffnen und reale Interessenkonflikte unsichtbar machen. Um die Lasten und Profite der politischen Instrumente zu analysieren, ist deshalb der Blick auf die energiesystemischen Strukturen sinnvoller, der insbesondere von dem SPD-Politiker und Energiewendevordenker Hermann Scheer ausgearbeitet wurde. (1)

Erneuerbare: Die Gefährdung eines systemischen Monopols

Die Energiewirtschaft ist ein hochprofitables Geschäft, das von monopolistischen Konzernen dominiert wird. Die Unternehmen sind maximal hierarchisch organisiert, von den ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in den Rohstoffminen bis hin zu den politisch bestens vernetzten Konzernspitzen. Die Verwertung verläuft über lange Wertschöpfungsketten – von der Förderung über die Verarbeitung und den Transport bis hin zur Speicherung der Energie. Diese ausdifferenzierten Verfahren ermöglichen Profite an jeder einzelnen Stufe der Fertigung und sind mit ein Grund, weshalb das Energiegeschäft so profitabel ist.

Der zweite Grund besteht in der Geschlossenheit der Systeme. Die Anzahl der Kohleminen, Öl- und Gasfelder auf der Erde ist begrenzt. Der Eigentümer kann daher den Zugang beschränken, was ihm eine machtvolle Position sichert. Darüber hinaus erfordert die gesamte Wertschöpfungskette eine aufwändige Infrastruktur. Sobald die einmal steht, ist es nur sehr schwer möglich für potentielle Konkurrenten, überhaupt in den Markt zu kommen. Das sind optimale Bedingungen für ein Monopol.

Ein dritter Grund, warum die fossile Energiewirtschaft so profitabel ist, liegt in ihrer Vernetzung mit anderen Wirtschaftssektoren. Zahlreiche einzelne Bestandteile der fossilen Produkte, insbesondere des Öls, werden auch in anderen Wirtschaftssektoren verwendet: Pharma, Lebensmittel, Chemie und weitere. Die vielen aufeinander abgestimmten Prozesse ermöglichen Synergieeffekte, so dass die Energiekonzerne ein umfassendes und komplexes System von Vertragsbeziehungen steuern.

Die Energiekonzerne befinden sich also in einer äußerst machtvollen Position, indem sie ihr Monopol auf vielen Wegen stabilisieren. Diese Monopolstrukturen zu erhalten und auszubauen, ist der Kern ihrer Geschäftsstrategie. Und die notwendige Vorgehensweise liegt auf der Hand: Keine Konkurrenz zulassen.

Das ist eine leichte Aufgabe im Bereich der fossilen Produktionsverfahren, da diese nur in geschlossenen Systemen funktionieren. Weitaus schwieriger wird es mit den erneuerbaren Energien, denn Wind und Sonne sind überall verfügbar. Im Prinzip kann also jeder Akteur an jedem Ort der Welt Energie erzeugen. Damit sind dezentrale Energiestrukturen möglich.

Das ist für den Monopolisten deshalb gefährlich, weil hier die Gefahr besteht, dass seine Strukturen ausgehöhlt werden. Jeder einzelne Verbraucher, jedes Dorf, jede Kommune, jede Stadt, jeder Landkreis, der seine Energieversorgung auf lokale erneuerbare Quellen umstellt, entzieht dem Monopolisten einen Marktanteil. Und je mehr Verbraucher sich aus den Monopolstrukturen ausklinken, desto höher die Kosten für die Verbleibenden. Deshalb hat der Monopolist ein existenzielles Interesse daran, keine konkurrierenden Energieproduzenten in den Markt zu lassen. Anlagen, die Wind- und Sonnenkraft umwandeln, sind für ihn nur dann akzeptabel, wenn er sie in seine zentralistischen Strukturen pressen kann. Das ist aus betriebswirtschaftlicher Perspektive logisch und entspricht seinem Profitinteresse sowie den Verpflichtungen gegenüber seinen Anteilseignern.

Erneuerbare Energien sind also deshalb gefährlich für den Monopolisten, weil sie seine Monopolposition bedrohen. Es mag fast lächerlich aussehen, dass ein paar Photovoltaik-gedeckte Dächer die mächtige global agierende Energiewirtschaft herausfordern, aber systemisch ist genau das der Kern der energiepolitischen Konflikte.

Dezentrale Energie, Klimaschutz als Gewinn

An dieser Stelle zeigen sich die möglichen Gewinner einer energiesystemischen Wende. Das ist nicht nur eine theoretische Überlegung, sondern empirisch nachweisbar durch die Geschichte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus dem Jahr 2000. Dass dieses Gesetz überhaupt in Kraft trat, war ein Durchbruch, den die Energiekonzerne unbedingt hatten verhindern wollen. Denn es machte sichtbar, dass und wie eine dezentrale Energieversorgung funktionieren kann und welche volkswirtschaftlichen Effekte durch eine Demokratisierung der Energiewirtschaft entstehen.

Als Reaktion darauf starteten die Energiekonzerne eine massive Kampagne, mit der sie ab 2009 den öffentlichen Diskurs und die politische Entscheidungsfindung stark beeinflussten. Im Auftrag der Fossilwirtschaft konzipierte die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ein mediales Dauerfeuerwerk gegen die erneuerbaren Energien allgemein (zu unsicher, zu schlechtes Wetter, fehlende Technik) und gegen das EEG im Besonderen (zu teuer, wettbewerbsfeindlich).

In der Folge wurde das Gesetz durch die Regierungen unter Angela Merkel schrittweise umgeschrieben und inhaltlich völlig auf den Kopf gestellt, um die mühsam erkämpfte Dezentralisierung wieder rückgängig zu machen. (2) Aber diesen kurzen Zeitraum von knapp zehn Jahren, in dem das Gesetz in seiner ursprünglichen Fassung Bestand hatte, können die Energiekonzerne nicht ungeschehen machen, daher ist ein Blick auf die damaligen Entwicklungen sehr wertvoll.

Das EEG wird den Monopolisten gefährlich

Das Gesetz basierte auf der Annahme, dass es möglich ist, an vielen Orten und in unterschiedlichen Formaten Energie zu erzeugen. Diese sollte ortsnah verbraucht und die Überschüsse ins öffentliche Netz gespeist werden. Die Energiekonzerne wurden dazu verpflichtet, den sauberen Strom mit Vorrang durch ihre Netze zu leiten. Damit schuf das Gesetz einen ordnungsrechtlichen Rahmen, der einen Frontalangriff auf die Monopolstrukturen darstellte, gerade weil er weniger mächtigen und weniger kapitalstarken Akteuren einen Marktzugang ermöglichte.

Die Idee war also, einen Markt zu schaffen, damit die Teilnehmer in eigenem Interesse Gewinne erzielen könnten. Im Zentrum standen nicht die zu tragenden Lasten, sondern die möglichen Chancen. Hermann Scheer, einer der Gründerväter des Gesetzes, formulierte den Ansatz so: „So entstehen technologische Revolutionen: Durch die Entfachung einer Dynamik zu sich selbst tragenden Entwicklungen.“ (3)

In den folgenden Jahren passierte genau das, was die Energiekonzerne hatten verhindern wollen: Das Gesetz funktionierte tatsächlich im Sinne der Erfinder. Die prognostizierten Wachstumsraten wurden übererfüllt. Das EEG löste einen Innovationsboom aus. In den ersten zehn Jahren wurden fast 150 Mrd. Euro investiert. (4)

Davon profitierten vor allem mittelständische Strukturen in Produktion, Handwerk und Landwirtschaft. Bis 2011 entstanden deutlich mehr Arbeitsplätze als erwartet. Kommunen stärkten mit der sauberen Energie ihre wirtschaftliche Entwicklung. Damit verlagerte sich mehr Wertschöpfung auf die regionale Ebene. Die Eigentümerstrukturen änderten sich. Gewerbe, Landwirte und Privatpersonen besaßen im Jahr 2010 etwa achtzig Prozent der Solaranlagen. (5) Dieser Gründungsboom bewirkte eine größere Kapitalstreuung: Weg von den Wenigen, hin zu den Vielen. Es gab also zahlreiche Akteure, die profitierten – mit Ausnahme der Energiekonzerne.

Neben diesen volkswirtschaftlichen Effekten bewirkte das Gesetz eine deutlich messbare Verringerung der schädlichen Emissionen und war dadurch die erfolgreichste Klimaschutzmaßnahme, die es je gegeben hatte. Dafür waren keinerlei Quoten, Reglementierungen und Verteuerungen notwendig gewesen, weil die Akteure aus eigenem Gewinnstreben heraus agiert hatten. Es trat genau das ein, was die Initiatoren des Gesetzes angestrebt hatten: Eine Dynamik zu entfachen.

Eine Lobbykampagne würgt die Entwicklung erfolgreich ab

Wie schwer diese Bewegung wieder zu stoppen war, zeigte sich in den Folgejahren. Obwohl die Diffamierungs- und Lobbykampagnen gegen das EEG zu diesem Zeitpunkt schon etwa vier Jahre liefen, titelte die Wirtschaftswoche noch im Februar 2013: „Politik der Energiewende macht große Versorger kaputt.“ „Jeder 60. Verbraucher versorgt sich bereits selbst mit Energie und braucht die großen Versorger nicht mehr, Tendenz steigend“, hieß es in dem Artikel. Nach einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) im Jahr 2012 prüfte jedes dritte Unternehmen, ob es sich lohnte, die Energie selbst zu erzeugen. Die Energiekonzerne bekamen den Deckel kaum noch auf den Topf.

Es bedurfte der tatkräftigen Mithilfe der Regierungen unter Merkel und den Wirtschaftsministern Rösler, Gabriel und Altmaier. Sie transformierten ein klares Gesetz mit 12 Paragraphen in ein bürokratisches Mammutwerk, das ohne eigene Rechtsabteilung kaum noch durchschaubar ist. Unzählige Regularien und Einschränkungen verkomplizieren den Ausbau und wirken dadurch abschreckend. Besonders hervorzuheben sind drei gesetzliche Umbauten, die jeweils besonders stark bremsten.

Im Jahr 2012 veranlasste Philipp Rösler (FDP) eine massive Kürzung der Vergütungszahlungen, so dass der Solarausbau ab 2013 heftig einbrach. Unter Wirtschaftsminister Gabriel (SPD), der ab 2013 im Amt war, wurden Besitzer von solaren Techniken gezwungen, ihren Strom selbst an der Börse zu vermarkten. Das war für kleine Energiegemeinschaften, in denen sich viele ehrenamtlich engagieren, kaum zu bewältigen.

Der große Einbruch erfolgte, als die Förderung 2016 auf Ausschreibungen statt fester Einspeisevergütungen umgestellt wurde. Seitdem werden Obergrenzen für den Ausbau festgelegt. Die Erzeuger müssen teure Angebote für vorgeschriebene Mengen abgeben, von denen nur das Günstigste den Zuschlag und damit die Vergütung erhält. Das ermöglicht den Energiekonzernen, ihre Kapitalmacht voll auszuspielen, denn kaum eine Energiegenossenschaft kann mehrere hunderttausend Euro für ein Angebot mit unsicherem Ausgang vorfinanzieren.

Gerade die Umstellung auf Ausschreibungen bewirkte daher, dass der zuvor so hohe Anteil der Bürgerenergie an den erneuerbaren Verfahren stetig zurückgeht. Das macht sich in den Zahlen zum Bestand und insbesondere beim Zubau bemerkbar.

Inzwischen ist die dezentrale Dynamik gebrochen, die Photovoltaik-Industrie weitgehend nach China abgewandert und der genossenschaftliche Gründungsboom nach 2012 massiv eingebrochen. Den Energiekonzernen ist es gelungen, nicht nur ihre Monopolstellungen zurückzuerobern, sondern auch auf den Bereich der erneuerbaren Energien auszuweiten. Wenn sauberer Strom erzeugt wird, dann meist in großtechnischen Anlagen der Konzerne, die sie in ihre zentralistischen Strukturen integrieren können.

Doch nicht nur das: Neben der Re-Zentralisierung waren die Energiekonzerne ebenfalls erfolgreich damit, die öffentliche Debatte zu steuern. Die gesellschaftlich entscheidende Frage, wer die Energiewende vorantreibt, praktiziert und Handlungsverantwortung übernimmt, spielt im medialen Diskurs überhaupt keine Rolle mehr. Völlig selbstverständlich wird davon ausgegangen, die Energiewende sei eine Sache der Energiekonzerne. Dezentrale Versorgung und Erzeugung gelten bestenfalls als Ergänzung.

In ihren Zielen, Konzepten und Plänen thematisiert die Bundesregierung den Ausbau der erneuerbaren Energien rein quantitativ. Die Frage der Akteure, Investoren und Eigentümer ist kein Thema. Kaum eine große Zeitung oder Nachrichtensendung berichtet darüber, dass sich zahlreiche Kommunen seit Jahren völlig autonom mit Energie versorgen und diese Vorgehensweise offensichtlich und nachweisbar bestens funktioniert. Stattdessen erleben alte Debatten über Dunkelflauten und verspargelte Landschaften eine Renaissance.

Interessenkonflikte: Klimaschutz-Narrativ dient mächtigen Akteuren

Dass die systemische Energiewende abgewürgt wurde, ist aus ökologischer und aus volkswirtschaftlicher Hinsicht ein immenser Verlust. Aber keine Lobbykampagne kann die empirisch gestützte Erkenntnis ungeschehen machen, dass dezentrale Lösungen möglich sind. Sobald die energiesystemischen Monopolstrukturen angefochten werden und vielfältigen Akteuren der Marktzutritt ermöglicht wird, entstehen ökologische und verteilungspolitische Verbesserungen. Es braucht keine Verteuerungen, Reglementierungen oder gar Lockdowns, wenn die politische Steuerung auf mögliche Gewinne – jenseits der Monopolisten – zielt.

Das Narrativ von Klimaschutz als einer großen Last ist also keineswegs zwangsläufig, sondern dient lediglich den Interessen bestimmter mächtiger Akteure. Zahlreiche andere Akteure würden gerne Profite machen, wenn sie Zugang zum Markt bekämen:

  • Der Photovoltaikbranche, die sich zu Beginn der 2000er Jahre entwickelt hatte, wurde über diverse Reformen des EEG der Boden entzogen.

  • Handwerker und Unternehmen hätten gerne Profite gemacht, wenn nicht durch die irrwitzige Bürokratie und sich verschlechternde Bedingungen ihre Tätigkeit verunmöglicht worden wäre.

  • Zahlreiche Energiegenossenschaften hätten sich gerne gegründet und ihre autonome Energieversorgung organisiert, wenn nicht durch die Einführung von Ausschreibungen kapitalschwächere Akteure von der Energiewende ausgeschlossen worden wären.

  • Viele Investoren hätten – allen Hürden der Ausschreibungen zum Trotz – gerne in Photovoltaik investiert, doch in der jüngsten Ausschreibungsrunde kamen bei weitem nicht alle Anträge zum Zug, so dass viele Projekte nicht realisiert werden können.

Diese Liste lässt sich lange fortsetzen, denn es existieren inzwischen zahlreiche Möglichkeiten, Strom, Wärme und Mobilität fossilfrei zu ermöglichen. Die Innovationsplattform Inspire, auf der Patente im Bereich der erneuerbaren Energien registriert werden können, wächst ständig, weil Ingenieure auf der ganzen Welt Ideen zu fossilfreien Produkten entwickeln. Ihre Verwertung scheitert nicht daran, dass die Technik noch nicht ausgereift sei oder dass das Wetter zu schlecht sei, sondern sie scheitert an den Monopolstrukturen der Fossilwirtschaft, die jede Konkurrenz zu verhindern wissen.

Dennoch haben die Geschichten von mutigen Pionieren, die neue Produkte auf den Markt bringen wollen, keinen Raum in der öffentlichen Debatte. Stattdessen wird Klimaschutz ständig als Bürde und als große Last dargestellt.

Den Energiekonzernen nützt die Idee des Burden Sharing vor allem deshalb, weil sie eine Benefit-Debatte verhindert. Darüber hinaus macht die Lastendebatte aus ihrem Produkt ein knappes Gut, so dass diverse Spekulations- und Preissetzungsmethoden möglich werden. Besonders gerne inszenieren sich die Konzerne außerdem als ambitionierte Klimaschützer. Sie erfinden grünfärberische Begriffe, deklarieren ihre fossilen und atomaren Erzeugnisse als klimaneutral und fordern umfangreiche Subventionen für den industriellen Umbau. Das heißt nicht, dass sie ihre Verfahren tatsächlich umstellen würden, denn parallel dazu bauen sie unbeirrt die Förderung von Kohle, Gas und Öl aus. Doch mit der Selbstinszenierung als Klimaschützer stärken sie ihre Machtposition.

Hinter dem gedanklichen Konstrukt einer zu verteilenden Last steckt also ein konkretes betriebswirtschaftliches Interesse der Energiekonzerne. Sowohl aus volkswirtschaftlicher als auch aus ökologischer Perspektive gäbe es eine Menge Gründe, statt der Lasten die möglichen Benefits anzustreben.

Klimaschutz als Last erzwingt zentralistische Lösung

Die Debatte darüber, wer profitiert und wer Lasten tragen muss, hat aber auch weitreichende politische Implikationen, die an der Geschichte der internationalen Klimaschutzkonferenzen abzulesen sind.

Wo Lasten verteilt werden müssen, hat niemand einen Anreiz, sich an die Spitze zu setzen. Es spielt keine Rolle, ob diese Nachteile zwischen Nationalstaaten oder zwischen Branchen oder zwischen Standorten zu verteilen sind. Gewinnschmälernde Initiativen übernimmt niemand freiwillig. Daher mobilisieren alle Akteure Vermeidungsstrategien, die umso wirkungsvoller sind, je einflussreicher der sich windende Akteur. Deshalb braucht es eine übergeordnete politische Instanz, die diesen Lastenausgleich möglichst gerecht organisiert. Und weil die ökologischen Folgen weltweit auftreten, scheint letztlich eine globale Instanz notwendig, um diesen Lastenausgleich zu organisieren. Anders formuliert: Die Idee von Klimaschutz als einer Last erzwingt supranationale, zentralistische Lösungen.

Wer Gewinne machen will oder seine eigenen Kosten senken möchte, braucht dagegen keine globalen Regularien. Das funktioniert auch dezentral. Eine systemische Energiewende bietet daher nicht nur ökologische und volkswirtschaftliche Gewinne, sondern zeigt auch einen Ausweg aus den immer stärker zentralisierten globalen Machtverhältnissen.

Über die Autorin: Anja Baisch, Jahrgang 1978, ist Politologin und Volkswirtin. Sie arbeitete wissenschaftlich zum Thema europäische Wirtschaftspolitik und beschäftigte sich mit Lobbyismus und Politikbeeinflussung. Auf der Seite klima-radikal.de bloggt sie über Macht und Ohnmacht in der Klimakrise. 2021 erschien ihr Buch "Fossile Strategien – Woran Klimaschutz scheitert".

Weitere Artikel zum Thema:

Anmerkungen:

(1) Hermann Scheer (2010): Der energet(h)Ische Imperativ. Verlag Antje Kunstmann, München.

(2) Anja Baisch (2021): Fossile Strategien. Woran Klimaschutz scheitert. Tredition, Hamburg.

(3) Hermann Scheer, a.a.O., S. 85

(4) Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, „Zeitreihen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland“, Februar 2023, S. 17

(5) Klaus Novy Institut (August 2011): Marktakteure 'Erneuerbare – Energien – Anlagen' in der Stromerzeugung. Im Rahmen des Forschungsprojektes genossenschaftliche Unterstützungsstrukturen für eine sozialräumliche Energiewirtschaft, S. 62

DIETER R., 28. August 2023, 20:25 UHR

Sehr schöner Artikel, diese Hintergründe waren mir so noch gar nicht bewusst. Auch dieser untermauert einmal mehr, dass ein Großteil der Politiker nicht die Interessen der Bevölkerung oder gar übergeordneten gesellschaftlichen Interessen wie z.B. Klimaschutz, Energiewende vertritt, sondern die weniger Monopolisten zum Nachteil des Gemeinwohls. Ebenso interessant ist, dass die Medien offenbar auch hier mehr oder weniger gleichgeschaltet waren/sind und entsprechende irreführende Kampagnen lancieren, bzw. Erfolge dezentraler Ansätze überhaupt nicht thematisieren.

Wie kommen wir wieder hin zu demokratischen Ansätzen, die nicht nur in der Energiepolitik der Allgemeinheit dienen? Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass solche dezentralen oder gemeinschaftlichen Ansätze nicht nur in der Energiewirtschaft gut funktionieren. Frau Baisch bietet die Energiewende gleichsam als Lösung an:

„Eine systemische Energiewende bietet daher nicht nur ökologische und volkswirtschaftliche Gewinne, sondern zeigt auch einen Ausweg aus den immer stärker zentralisierten globalen Machtverhältnissen.“

Das klingt vernünftig, nur dazu braucht es entsprechend agierende Parteien und eine informierte Öffentlichkeit, die neue (oder erfolgreiche alte) Ansätze sichert. Alle gängigen Parteien sind doch so sicher unter der Fuchtel des Kapitals (übrigens auch die Linken), sodass ich bezweifle, ob irgendeine Partei sich dem Einfluss der Monopolisten derzeit entziehen kann. Auch wenn Herr Scheer von der SPD war und das Anfang 2000 funktioniert hat, hat ein Gabriel das mit zunichte gemacht. Und von der jetzigen SPD mal ganz zu schweigen, da waltet ja überhaupt kein Sachverstand mehr.

Man müsste sich doch zunächst erstmal fragen, wie man wieder – neben Multipolar, Nachdenkseiten etc. – Medien organisiert, die der Wahrheit verpflichtet sind und die breite Öffentlichkeit erreichen? Oder wie ist es überhaupt möglich, dass die Standardpresse, unisono denselben manipulativen Mist veröffentlicht? Ich glaube ohne eine informierte Öffentlichkeit wird es so einen Wechsel hin zu vernünftigen problemlösenden Ansätzen nicht gehen. Oder wir rutschen so tief in den Keller, dass der Änderungsdruck sehr hoch wird.

Auf jeden Fall ist – und da gebe ich der Autorin recht – das ursprüngliche EEG mit der dezentralen Idee der Energieversorgung ein exzellentes Beispiel, das alternative und dezentrale Wirtschaftsansätze viel erfolgreicher als derzeit existierende Wirtschaftsansätze sein können. Es ist bedrückend zu erkennen, das unser derzeitiges politisches System globale Probleme wie die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich, Aufbrauchen globaler Ressourcen, Verschmutzung der Umwelt und Lebensbedingungen, Klima- und Wetterextreme offenbar nicht löst, sondern diese sogar noch verstärkt. Wir sollten nachdenken, wie wir wieder im Sinne des Gemeinwohls problemlösende Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen organisieren und nicht das Gegenteil erdulden.

JAMES B., 29. August 2023, 02:00 UHR

Wer Gewinne machen will oder seine eigenen Kosten senken möchte, braucht dagegen keine globalen Regularien.

Natürlich nicht. Globale Regularien (auch nur in Form einer ISO-Norm) machen es aber ungemein einfacher, unwillige Konkurrenten wirtschaftlich und moralisch ins Abseits zu setzen. Dazu eine Prise "Follow the Science" mit entsprechender Sendezeit, und fertig ist die Laube. Ich warte noch auf die Emanzipation der BRICS im Zusammenhang mit "Climate" und "Pandemics". Vielleicht kommt da ja noch was.

MICHAEL KARI, 29. August 2023, 19:55 UHR

Schwieriges Thema. Energie als solche ist eigentlich reichlich vorhanden. Selbst die sogenannte Freie Ätherische Energie ist in Kleinstmengen noch nachweisbar. Allerdings flächendeckend mittels Blitzableiter und geerdeten Freileitungen sozusagen kurzgeschlossen. Die Kernenergie wird als besonders gefährlich verteufelt, (aber erst seit den Sechzigern als Pläne für "Heimatomkraftwerke" auftauchten) obwohl sie noch immer genutzt wird. Z.B. in U-Booten und in den sogenannten Satelliten. Ohne Mist die Strahlung war nie das Problem der Kumpels, es war die Staublunge.

Sprich: Da wo es der Macht nützlich ist, kann auch die ach so gefährliche Kernenergie bedenkenlos (allerdings mit viel Tamtam wegen Strahlenschutz) benutzt werden. Das gilt natürlich nicht für preiswerte bzw. billige Energie für den Mob. Der soll schön schuften, um seine Bude warm zu bekommen und von A nach B zu gelangen. Damit dieser einen großen Teil seines Daseins dazu verplempert, beschäftigt zu sein, seine eigene Energie für andere Nutznießer zu verschwenden und um keine Zeit zum Nachdenken zu haben. Und das nennt man Ohn(e)Macht.

Die Macht haben die Energieerzeuger, die meist in staatlicher Aufsicht agieren. Da spielt auch der unsägliche Aufwand zum sogenannten Strahlenschutz keine Rolle, da der Endkunde diesen ja mit bezahlen muß. Sämtliche Ansätze billige Energie zur Verfügung zu stellen, werden konsequent bekämpft. Sei es der Dual-Fluid Reaktor oder LENR und andere ähnlich funktionierende Reaktoren für den !Heimgebrauch! Andrea Rossi kann sicher ein Lied darüber singen, wie er angefeindet und bekämpft wurde. Die Energie ist eines von vielen Schlüsselthemen für die Zukunft einer echten freien Gesellschaft.

ALEXANDER FEIN, 30. August 2023, 11:20 UHR

Ein besonders lustiges Beispiel für die Machtausdehnung der Energiegroßkonzerne auf dem Solarmarkt ist die Firma SENEC. Wir erfahren auf https://senec.com/de/unternehmen/ueber-senec:

"Seit März 2018 ist SENEC ein 100%iges Tochterunternehmen der ENBW Energie Baden-Württemberg AG, einem der größten deutschen Energieversorgungsunternehmen...."

Die bei uns im Jahre 2020 installierte Speicheranlage fällt vor allem durch Ausfälle auf, die den Speicher betreffen. Wer jetzt allerdings meint, der Ausfall wird vom Kunden bemerkt, der dann den Hersteller kontaktiert, liegt falsch.

Üblicherweise erhält man E-mails von SENEC, dass die Anlage "vorsorglich" aus "Sicherheitsgründen" heruntergefahren wurde und es werden "Kulanzzahlungen" angeboten. Aktuell befindet sich unsere Anlage aus unerfindlichen Gründen im "Konditionierungsbetrieb"- auch hiervon wurde ich wieder nachträglich per E-mail informiert.

Ein Techniker hat mich dahingehend belehrt, dass ein Abklemmen der Anlage vom Internet zum Herunterfahren nach drei Tagen führt. Hinzu kommt die häufig schlechte Beratungsqualität der Installateure, die es versäumen, auf sogenannte Ersatzstromlösungen hinzuweisen, d.h. dass die Anlage dem Haus auch bei Stromausfall Strom liefert. Dazu sind spezielle Wechselrichter erforderlich, die unsere SENEC-Anlage jedenfalls nicht hat. Anfragen dazu wurden vom Installateur schnöde mit einem Kostenvoranschlag für ein Dieselnotstromaggregat beantwortet. Offenbar war dem Berater die diesem Vorschlag innewohnende Komik nicht bewußt oder es handelte sich um puren Zynismus.

Wir erkennen auch bei SENEC die Strategie von IT-Unternehmen, den Kunden die Kontrolle über die genutzte Technik aus der Hand zu nehmen. Ganz nebenbei wird auch hier das ganze Verhalten hinsichtlich der Energienutzung abgegriffen.

Ich kann die Installation einer Solaranlage grundsätzlich empfehlen, rate aber zu großer Umsicht bei der Wahl des Installateurs. Unser Installateur jedenfalls gefällt sich darin, Kunden vor vollendete Tatsachen gestellt zu sehen und dann Beschwerden mit "Da sind wir leider machtlos" zu quittieren. Ich muss von SENEC abraten.

MICHAEL KARI, 30. August 2023, 18:05 UHR

Vielen Dank für den Livebericht. Das spricht natürlich Bände und beweist die Intensionen der EVU's, die Kontrolle über die sogenannten Alternativen Energien zurückzugewinnen. Die Kosten für die "Erneuerbaren" (EEG) soll natürlich der Kunde zahlen, den viel zu teuren Strom aus der Steckdose berappen und den selbst erzeugten PV oder WKA-Strom nicht losbekommen bzw. verschenken. Wenn das mal kein Geschäftsmodell ist. Die Aktionäre wird es freuen.

WOLFGANG ROMEY, 30. August 2023, 19:35 UHR

Ein schöner Artikel, es fehlen allerdings wichtige Aspekte. Emissionsfreie Energieerzeugung gibt es nicht, wenn man sich den Zyklus von Erzeugung, Einsatz und Entsorgung der Geräte anschaut. Bei Elektromobilität kann man bei der Kinderarbeit beim Abbau der für die Batterien notwendigen Rohstoffe beginnen, bei Windkraft mit der Landschaftszerstörung, der Vernichtung von Lebewesen bis zum Rückbau und Entsorgung der Anlagen, bei der Photovoltaik bei den Giftmüllhalden der verbrauchten Module. Daß das bei dezentraler Erzeugung nicht so schlimm scheint, vielleicht auch ist, wäre zu untersuchen. Besser als die Erzeugung durch Monopolisten ist es sicher allemal.

SIGRID PETERSEN, 3. September 2023, 11:45 UHR

Um Gottes Willen! Für Monopolisten läge die Gefahr der EE in ihrer dezentralen Anwendungsmöglichkeit.

„Jeder einzelne Verbraucher, jedes Dorf, jede Kommune, jede Stadt, jeder Landkreis, der seine Energieversorgung auf lokale erneuerbare Quellen umstellt, entzieht dem Monopolisten einen Marktanteil.“

Und woher bekommt der Stadt- und Landbewohner sein Toilettenpapier?? Meine Güte! Wir leben in einem Industriestaat und Frau Baisch soll mir doch mal ein Dorf mit mehr als 500 Einwohnern nennen, das sich energetisch sommers wie winters selbst versorgt. Von Städten ganz zu schweigen. Das findet höchstens in einem marginalen Prozentbereich statt.

Frau Baisch zitiert beispielsweise einen Artikel aus der Wirtschaftswoche 2013 „Politik der Energiewende macht große Versorger kaputt.“ Ja, und warum? Es steht in dem Artikel. Hohe Rohstoffpreise UND Vorrang der EE bei der Stromeinspeisung. Genauso wie der andere zitierte Artikel im manager-Magazin als Grund für die Installation von Anlagen zur Eigenproduktion von Strom die Teuerung bei Strompreisen u.a. DURCH die EEG-Umlage und hohe Steuern angibt. Da wird die Frage nach Henne und Ei geradezu aufgedrängt.

Dass die Energiekonzerne erst im Nachgang, aus Angst, die Pfründe zu verlieren, Teilhabe an diesem Geschäft haben wollten, halte ich auch für ein Ammenmärchen. Man denke an Solarparks sowie Windparks an Land und auf See. Dieser Maßstab lässt sich nicht im Hinterhof, Garten oder Betriebsgelände realisieren. Und was IMMER vergessen wird ist das notwendige Backup!! Oder soll auch gleich ein Mini-Gaskraftwerk neben dem Windrad oder dem Solardach im Garten oder Betriebshof aufgebaut werden?

Das EEG machte deutlich, wie eine dezentrale Energiewirtschaft funktionieren kann, schreibt Frau Baisch. Aha! Ist es das, was wir heute sehen? Ja, klar, unter Verzicht, sprich De-Industrialisierung und Kosten, für die noch unsere Urenkel aufkommen werden. Frau Baisch ist auch Volkswirtin? Da möchte ich doch fragen, ob sie sich einmal die Mühe gemacht hat, den volkswirtschaftlichen Schaden zu ermitteln, die die Energiewende produziert. Man muss schon an das CO2-Narrativ glauben, um diesen Schaden in Kauf zu nehmen. In diesem Glauben wäre für eine Volkswirtin der einzige Schluss, dass Kernkraft die beste Lösung wäre. Für diesen und alle anderen Kontinente. Sich gegen Lobbyismus zu engagieren ist eine gute Sache. Meine persönliche Meinung zur Energieversorgung eines Landes ist eh, dass diese in die Hände des Staates (eines funktionierenden) gehört wie auch mit Trinkwasser oder Krankheit keine Geschäfte gemacht werden sollten.

RALF HUTTER, 20. September 2023, 01:20 UHR

Sie sollten mal den nicht nur volkswirtschaftlichen, sondern auch gesundheitlichen Schaden begreifen, den die umweltverschmutzende Energiewirtschaft herbeigeführt hat! Dazu zählt besonders die von Ihnen gelobte "Kernkraft".

Dass die traditionelle deutsche Energiewirtschaft erst nachträglich auf die Energiewende aufgesprungen ist, und nur dort, wo sehr große Anlagen möglich waren, am besten Meereswindparks, ist seit langem bekannt. So ist das, wenn Wirtschaft nicht zum lokalen Nutzen, also gerade auch für die Arbeitskräfte betrieben wird, sondern zur Profitmaximierung irgendwelcher anderen Leute. Dann zählt nur betriebswirtschaftliche Effizienz, egal wo und wie produziert wird. Die Kosten für unsere Ur-Enkel hat die Verbrennung fossiler Rohstoffe angehäuft und häuft sie weiter an. Und die Industrie als Ganze mit ihrer irren Dauerüberproduktion. De-Industrialisierung ist kein Verzicht, sondern eine Entlastung.

Und hier die Kommune mit über 500 Menschen, die weitgehend energieautark ist, u.a. schon fast komplett heizölfrei: (https://www.energiezukunft.eu/buergerenergie/die-dorfgemeinschaft-als-energiewende-macher/). Zuerst geht es um sehr kleine Dörfer, dann um das größere namens Ascha. In einem feindlichen System autark zu werden, erfordert eine neue Infrastruktur, das kann eine kleine Kommune nicht mal eben so aufstellen, wenn sie mehr als ein Mini-Dorf ist.

SIGRID PETERSEN, 30. November 2023, 14:35 UHR

@ Ralf Hutter
Es macht vielleicht wenig Sinn, heute noch zu antworten, aber ich habe eben erst gesehen, dass Sie eine Antwort auf meinen Kommentar gegeben haben. Sie haben leider einen wichtigen Satz in meinem Text überlesen:

„Und woher bekommt der Stadt- und Landbewohner sein Toilettenpapier?“

Damit sollte ausgedrückt werden, dass wir von industrieller Produktion, ob Stadt, ob Land abhängig sind. Auch wenn es hie und da möglich ist, das habe ich nicht ausgeschlossen und halte es auch für eine gute Sache, Kleinst- oder auch kleine Gemeinden strom- und wärmetechnisch autark zu betreiben (immer vorausgesetzt, dass grundlastfähige Energiequellen wie Biogasanlagen oder genügend Energiespeicher vorhanden sind), ist das absolut nicht übertragbar auf Städte und Großstädte, Industrie und Handwerk. Ein simpler Grund allein ist Platzmangel.

Die bundesweite Kapazität, Biogasanlagen zu betreiben ist bereits jetzt so gut wie erschöpft. Hackschnitzel und Pellets lassen sich auch nicht in jeder gewünschten Menge produzieren. (Ich möchte an dieser Stelle auch an die in den 70ern und 80ern entstandenen Land-Kommunen erinnern. Die Kommunenmitglieder haben damals auch immer gemeint: „Macht es doch so wie wir!“ und dabei völlig übersehen, dass es für die Mehrheit der Menschen gar nicht möglich war (hier auch Platzmangel) und sie vergaßen auch, dass auch sie Toilettenpapier brauchen und damit davon abhängig waren, dass eben besser nicht alle (zu viele) Menschen in irgendwelche Landkommunen wechseln).

Meine so gelobte Kernkraft verursacht weltweit bisher die geringste Sterberate/TWh. Auch Wind-, Sonnen-, Biogas-, Wasserkraft- und Geothermie-Anlagen schneiden schlechter ab. Es gibt keine ungefährlichen Energiequellen, es ist immer eine Frage der Risikominimierung. Aber was sag ich, Sie sagen „De-Industralisierung ist kein Verzicht, sondern Entlastung.“ Dann können Sie bestimmt auf Toilettenpapier verzichten.

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