Wir bipolaren Menschenaffen
JULIA WEISS, 20. April 2023, 12 Kommentare, PDF„Der Verdacht, dass Vorprogrammierungen menschliches Verhalten mitbestimmen, liegt nahe, zeigt er doch in seinem Sozialverhalten allen Erfahrungen der Geschichte zum Trotz eine oft erstaunliche Unbelehrbarkeit.“ So beschrieb der Verhaltensforscher Irenäus Eibel-Eibesfeldt in den 70er Jahren gelassen das Phänomen, dessen Zeitzeugen wir heute sind. (1) 2020 rief die deutsche Regierung zusammen mit den meisten anderen Regierungen der Welt eine Pandemie aus, woraufhin ein erheblicher Teil der Bevölkerung massive Angriffe auf grundlegende Persönlichkeitsrechte, die Schädigung elementarer Sozialstrukturen sowie die Ausgrenzung und Hetze gegen nichtkonforme Mitbürger widerspruchslos akzeptierte und auch selber praktizierte.
Die Hetze zielte auf die Spaltung der Gesellschaft und war darin schnell erfolgreich: Beschimpfungen wie „Aasgeier der Pandemie“ (Ministerpräsident Wolfgang Kretschmann),
„Sozialschädlinge“ (FDP-Politiker Rainer Stinner) oder „Bekloppte“ (Altbundespräsident Joachim Gauck) gingen glatt durch, und die von den Spitzenkräften aus Politik und Medien bevorzugten Abwertungen und Lächerlichmachungen – „Verschwörungstheoretiker“, „Querdenker“, „Rechtsextreme“, „Schwurbler“ – wurden penetrant wiederholt, bis sie als Ausgrenzungs-Stereotype und Abwehrzaubersprüche gegen regierungskritische Meinungen fest im aktiven Wortschatz der Bevölkerung verankert waren. ZDF–Komikerin Sarah Bosetti schlug vor, die Ungeimpften wie einen Blinddarm aus dem gesellschaftlichen „Gesamtkomplex“ zu entfernen, und auch ZEIT-Redakteur Christian Vooren wollte eine entschlossene Amputation vornehmen: „Was es jetzt braucht, ist nicht mehr Offenheit, sondern ein scharfer Keil. Richtig und tief eingeschlagen, trennt er den gefährlichen vom gefährdeten Teil der Gesellschaft.“ Man sieht es vor sich.
Stinners „Sozialschädling“ ist nur eine kleine Mutation vom „Volksschädling“ der NS-Zeit entfernt, in der sich herabwürdigende Tiervergleiche überhaupt großer Beliebtheit erfreuten. Auch die Idee, kranke Körperteile aus dem „Gesamtkomplex“ zu entfernen, ist offensichtlich verwandt mit der Metapher vom Volkskörper, der sich von seinen kranken Teilen trennen muss, um zu gesunden.
Böser Ungeimpfter, böser Russe
Ebenso erfolgreich ist in Deutschland das Corona-Nachfolge-Narrativ „Böser Russe“. Das Bauerntheater, das dem Volk geboten wird und in dem viele voller Gefühl mitspielen, ist im Falle des bösen Virus und des bösen Putin genau das gleiche: „Große Gefahr! Hinterhältiger Gegner! Keine Diskussion! Bitte mal alle fest an einem Strang ziehen! Kampf den Dissidenten! Opfer bringen für den Sieg!“ Wer anders denkt, ist asozial und darf hemmungslos beschimpft werden. Auch hier ist das Element der Selbstschädigungsbereitschaft gut zu beobachten: „Ich friere gern für die Ukraine!“ Ich lasse mir gern mein Land, meinen Wohlstand, meine Sicherheit, mein ruhiges kleines Leben ruinieren und mich, meine Familie, meine Freunde, ganz Europa in akute Lebensgefahr stürzen - Hauptsache, ich bin auf der Seite der Gerechten.
Der äußere und der innere Feind
Das Narrativ zur inneren Spaltung der Gesellschaft ist ein Zwilling der klassischen Kriegspropaganda: „Wir sind die Guten, die anderen die Bösen“. Es handelt sich dabei ja de facto auch in Friedenszeiten um eine Kriegserklärung gegen die als Feind Markierten. Der Unterschied ist nur, dass der Feind sich im ersten Fall im Ausland befindet, im zweiten im eigenen Land. Man ist geneigt, von Unterwerfungsbereitschaft und vom Radfahrersyndrom zu sprechen - vermutlich fühlen sich die Mitmachenden aber gar nicht unterworfen, sondern als Genossen im Kampf um die gerechte Sache.
Ausgerechnet die Deutschen
Warum merken so viele, vor allem ältere Deutsche nicht, dass dieses Ausgrenzen, Hetzen, Herabwürdigen Mustern entspricht, die sie selbst der Generation ihrer Eltern so heftig vorgeworfen haben? Diese Bevölkerungsgruppe, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland geboren und zur Schule gegangen ist, hat im Geschichtsunterricht die Warnung „Das darf nie wieder passieren“ eingeschärft bekommen wie nichts sonst, und sie ist mit kollektivem Schuldbewusstsein durchs Leben gegangen. Doch die Ähnlichkeiten werden partout nicht gesehen.
Ist die „dünne Decke der Zivilisation“ gerissen?
„Ich glaube, es ist eine traurige Wahrheit, dass wir unserem Affenzustand noch sehr nahe sind und dass die Zivilisation nur eine sehr dünne Decke ist, die sehr schnell abblättert.“ erklärte sich der Frankfurter Staatsanwalt und Nazi-Ankläger Fritz Bauer das Phänomen des deutschen Faschismus. Ist es die „Zivilisation“, die Erziehung zum guten Benehmen, zum moralischen Verhalten, die uns vor dem Durchbruch unserer wilden, bösen Tiernatur schützt? Oder eben auch nicht, weil unser erlerntes und immer nur mühsam eingehaltenes Benehmen im Zweifel so machtlos ist gegenüber unserer bestialischen Natur, unserem „Affenzustand“?
Ist die Erziehung schuld?
Erich Fromm, Theodor Adorno und Max Horkheimer führten den Erfolg des Faschismus auf den „autoritären Charakter“ der Deutschen zurück. Ihnen zufolge wird dieser Typus zwar in der Familie geformt, durch die Häufigkeit seines Auftretens in einer autoritären Gesellschaft aber zum dominanten „Sozialcharakter“. Während das Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit für Fromm fundamentale Wesenszüge des Menschen sind, sieht er in der Unterwürfigkeit und Aggressivität, die diesen Typus kennzeichnen, Produkte einer autoritären und triebunterdrückenden Erziehung. Letztlich handelt es sich hier um die Umkehrung des pessimistischen Menschenbildes in Fritz Bauers Vorstellung von der„dünnen Decke der Zivilisation“. Bei Bauer ist das Übel die Natur des Menschen, bei Fromm seine Kultur.
Die autoritäre Erziehung ist hierzulande weitgehend Geschichte, der Sexualtrieb kann im Großen und Ganzen tun und lassen, was er will - und doch hat es wieder einen kollektiven Rückfall in die aggressive Ausgrenzung einer Minderheit gegeben.
Sind wir alle traumatisiert?
Ähnliche Erklärungen wie die von Fromm finden sich auch heute unter Psychologen. Franz Ruppert zum Beispiel, Trauma-Therapeut und ein gefragter Interviewpartner und Autor, erklärt sich die Bereitschaft der jetzigen Elterngeneration, die Schädigung ihrer Kinder und ihrer eigenen Eltern durch die Maßnahmen klaglos zu dulden, damit, dass sie selbst in der frühen Kindheit „nicht gewollt, nicht geliebt, nicht beschützt“ wurden und dadurch traumatisiert seien. Das gelte in einer modernen Industriegesellschaft wie der unseren, die ein gutes Muttersein unmöglich mache, für die Mehrheit. An die Stelle der autoritären Gesellschaft der Frankfurter Schule tritt bei Ruppert die „Traumatisierte Gesellschaft“, die eine Mehrheit ihrer Mitglieder dazu bringt, nicht so gut zu sein, wie sie sein könnten.
Sind wir Zeugen einer Massenpsychose?
Für Mattias Desmet, Professor für Klinische Psychologie in Gent und Totalitarismus-Experte, liegt der Ursprung des Unterwerfungs-Aggressions-Gespanns in einer Art kollektiver Psychose: Weil eine beträchtliche Zahl von Menschen sich einsam fühlt und zu wenig Sinn im Leben erkennt, entstehen Ängste und Aggressionen, die von der Politik und Massenmedien mithilfe bestimmter Narrative kanalisiert und ausgenutzt werden.
Gemeinsam ist diesen psychologischen Erklärungen, dass sie die beobachteten Phänomene als eine Art Krankheit sehen: Die Gesellschaft befindet sich nicht in einem gesunden Normalzustand, weil zu viele ihrer Individuen seelischen Mangel leiden.
Selbstschutz durch Abspaltung?
Mit einem nicht in der Kindheit, sondern durch die gegenwärtige Politik erzeugten kollektiven Trauma erklärt die französische Psychologin und Totalitarismus-Spezialistin Ariane Bilheran den Gehorsam, das Übersehen krasser Inkonsistenzen im Narrativ und die Abwehr alternativer Informationen in der Bevölkerung. Für sie haben die plötzlich einsetzenden Pandemie-Maßnahmen einen kollektiven Schock ausgelöst: Vor allem die Länder des reichen Nordens würden oft in dem naiven Glauben leben, dass ihre Regierungen es gut mit ihnen meinen. Die Tatsache, dass diese Regierungen sie plötzlich mit struktureller Gewalt überziehen, kommt so unerwartet, dass diese Realität genau wie bei einem individuellen traumatischen Erlebnis „abgespalten“ und ins Unterbewusstsein abgeschoben wird. Umso radikaler und aggressiver muss das Narrativ – die totalitäre Fiktion – verteidigt werden. (2)
Alle diese Theorien tragen zum Verständnis verschiedenster Aspekte der betrachteten Vorgänge bei. Aber außer in der Theorie von Ariane Bilheran bleiben zwei Auffälligkeiten unerklärt: Das eine ist die Blitzartigkeit, mit der Unterwerfung und Feindseligkeit einsetzten – als wäre die Bevölkerung von einem Riesenmagneten abrupt in Reih’ und Glied gebracht worden –, und das andere das eiserne Festhalten am Freund-Feind-Schema – als wäre dieser psychische Zustand eine tolles Erlebnis, das man sich auf keinen Fall madig machen lassen möchte.
Ist die Propaganda schuld?
Offensichtlich hat die gezielte und einheitliche Beeinflussung der Medien und ihrer Konsumenten durch US-Think-Tanks und das US-Militär (3) in der westlichen Welt ungeheure Ausmaße angenommen. Die Spaltung der Gesellschaft in die Guten und die Bösen war und ist eins der wichtigsten Ziele dieser Propaganda. Warum das aber in der breiten Bevölkerung auf so enorm fruchtbaren Boden fällt, kann auch die gekonnteste Propaganda allein nicht erklären. Propaganda ist die Kunst, geschickt auf der Klaviatur der menschlichen Gefühle zu spielen. Aber sie ist nicht das Klavier; sie ist nur der virtuose Pianist.
Dieser Pianist, das ist die hier verfolgte These, hat geplant und gekonnt ein Verhalten in der Bevölkerung hervorgerufen, das zu unserer biologischen Grundausstattung gehört. Mittels ausgefeilter Manipulationstechniken wurde ein ererbtes Kampf-Programm aktiviert, das stark genug ist, um unsere biologisch ebenso tief verankerte Neigung zur friedlichen Kooperation außer Kraft zu setzen - oder besser: auf den eigentlichen Angreifer umzuleiten.
Der Mensch, das beschriebene Blatt
Mittlerweile ist es – außer in den USA (4) – ziemlich unstrittig, dass der Mensch nicht als unbeschriebenes Blatt auf die Welt kommt. Wie alle Lebewesen hat er eine Naturgeschichte, die in seinem Erbgut verankert ist – in seinem Körper ebenso wie in seinen Gefühlen und seinem Verhalten: „Niemand zweifelt an der Überlegenheit unseres Intellekts. Aber wir haben keine Grundbedürfnisse, die nicht auch bei unseren nahen Verwandten vorhanden wären. Genau wie wir streben Affen und Menschenaffen nach Macht, haben Freude am Sex, wollen Sicherheit und Zuneigung, verteidigen ihr Revier – wenn es sein muss, bis aufs Blut – und wissen Vertrauen und Kooperation zu schätzen. Ja, wir haben Computer und Flugzeuge, aber unsere psychologische Verfassung bleibt die eines sozialen Primaten.“ schreibt der Primatenforscher Frans de Waal. (5)
Vergleiche des Sozialverhaltens mit dem unserer nächsten Verwandten geben Hinweise auf die Herkunft dieses Verhaltens: Gleicht es sich deutlich bei Menschen, Schimpansen und Bonobos, stammt es aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem gemeinsamen Erbgut - das fast 99 Prozent unseres gesamten Erbguts ausmacht.
Genetisch vorprogrammiertes Verhalten kommt nie „rein“ zum Ausdruck, sondern immer moderiert bzw. gefiltert durch epigenetische Vorgänge, durch die jeweilige Kultur, die persönliche Lebensgeschichte und die aktuelle Situation. Von ererbten Verhaltensprogrammen als elementarem Hintergrund unserer meisten Handlungsmotive zu sprechen impliziert daher nicht, dass wir diesen Beweggründen willenlos ausgeliefert sind. Wir können sie normalerweise aus taktischen, moralischen oder anderen Gründen bewerten, dosieren, zulassen oder nicht zulassen. Vor allem aber wägen wir ab: Einer der wichtigsten Hemm- und Kontrollmechanismen ist, dass bestimmte natürliche Antriebe sich gegenseitig begrenzen. So halten sich Autonomiebestrebungen und Aggressionen einerseits und das Bindungsbedürfnis andererseits wechselseitig in Schach.
Der bipolare Menschenaffe
Frans de Waal hat sich ein Leben lang mit den mitfühlenden und kooperativen Eigenschaften von Menschenaffen befasst. Dennoch hat er allen Versuchen der Externalisierung unserer unliebsamen Eigenschaften einen besonders dicken Riegel vorgeschoben: Er bezeichnet uns als den „biopolaren Menschenaffen“ - zum Bösen ebenso prädestiniert wie zum Guten:
„Ist Hass oder Liebe typisch für uns? Was ist für unser Überleben entscheidend: Konkurrenz oder Kooperation?…Solche Fragen sind für bipolare Charaktere wie uns Zeitverschwendung. Als würde man fragen, ob man eine Fläche am besten nach der Länge oder der Breite misst.“ (6)
Für de Waal ist der Mensch von Natur aus eins der sozialsten Säugetiere auf dieser Erde – und er ist gleichzeitig von Natur aus zu bodenloser Brutalität fähig.
Der Pol des Guten: „Wir sind bis ins Mark sozial“
„Wir gehören zu einer Kategorie von Tieren, die Zoologen als ‚obligatorisch gesellig’ bezeichnen; das heißt, wir haben keine andere Wahl als aneinander zu kleben. Deshalb lauert die Angst vor dem Scherbengericht in den hintersten Winkeln eines jeden menschlichen Gehirns: Ausgestoßen zu werden, ist das Schlimmste, was uns passieren kann….Die Evolution hat uns das Bedürfnis eingepflanzt, dazuzugehören und sich akzeptiert zu fühlen. Wir sind bis ins Mark sozial.“ schreibt de Waal. (7) Benehmen wir uns also gut, weil wir müssen? Weil wir wissen, dass wir auf andere angewiesen sind? Manchmal ja, aber meistens tun wir es, weil es uns Freude macht. Denn wie bei so vielem, das absolut überlebensnotwendig ist, wie Sex oder Essen, hat die Natur dafür gesorgt, dass auch Kooperation und Fürsorglichkeit uns glücklich machen. (8)
Altruismus macht glücklich
Bonobos und Schimpansen zeigen einen starken Hang zur Kooperation und zu altruistischem Verhalten. Sie haben ein ausgeprägtes Gefühl für Gerechtigkeit und Ausgleich, und sie unterstützen sich gegenseitig. Sie trösten einander (9), sie schauen nach Kranken, sie lindern deren Not durch praktische Hilfe (10), sie versorgen die Wunden anderer, sie retten sie aus Gefahren (11), sie helfen Alten und Gebrechlichen, sie trauern um Tote (12), sie adoptieren fremde Kinder und sie helfen mitunter sogar anderen Spezies in Not (13). Leittiere stärken den sozialen Zusammenhalt, indem sie Streit schlichten und sich dabei auf die Seite des Schwächeren stellen. Kurz: Alle Menschenaffen können sich in andere hineinversetzen, sie fühlen buchstäblich mit, sie leiden, wenn andere leiden. Sie können, ob nun durch Mitgefühl oder durch Überlegung, die Perspektive anderer einnehmen. (14) Besonders ausgeprägt sind diese Eigenschaften bei den Bonobos; anders als unter Schimpansen wurde bei ihnen noch nie ein Mord beobachtet, und auch an den Grenzen ihrer Territorien halten sie Frieden mit ihren Nachbarn. Vielleicht nicht ganz zufällig haben Frauen bei den Bonobos die Führungspositionen inne.
Dass nicht nur Primaten, sondern auch Elefanten und Delphine ihren Artgenossen gezielt helfen (15) und sogar Vögel das Leid von anderen nachempfinden können (16), zeigt, wie tief auch in den älteren Zweigen unseres Evolutions-Stammbaums Empathie und Altruismus verankert sind. „Die empathische Reaktion zählt zu den stärksten, die es gibt“, sagt de Waal. (17)
Der Pol des Bösen
Die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall fand die wilden Schimpansen, die sie ein Leben lang beobachtete, so liebenswürdig und sympathisch, dass ihre Bücher sich lesen wie Familienromane. Aber auch sie und andere Forscher wurden Zeugen brutaler Kriege zwischen benachbarten Schimpansengruppen. Der Verhaltensbiologe Wolfgang Wickler schildert sie so: „Als Auftakt patrouillieren Männchen, eins hinter dem anderen gehend, ungewöhnlich still und leise entlang der Grenze zum Nachbarterritorium und überschreiten die Grenze vorsichtig. Treffen sie auf eine Gruppe der Nachbarn, rufen sie laut und ziehen sich zurück. Einzeln angetroffene Nachbarn werden attackiert, verwundet oder getötet. Dabei schlagen und springen die Angreifer nacheinander auf ihr Opfer, beißen ihm Hoden und Ohren ab und reißen mit ihren starken Eckzähnen tiefe Wunden, bis die Eingeweide hervortreten. Babys werden ihren Müttern entrissen, umgebracht und teilweise verzehrt. Mütter, die ihre Kinder verteidigen, erleiden meist tödliche Wunden. Auf diese Weise wurde eine dreißig Individuen zählende Gruppe im Verlauf mehrerer Jahre von ihren Nachbarn ausgelöscht, ihr Territorium fiel an die Sieger. Überleben können Weibchen, die zur Gruppe der Sieger überlaufen.“ (18)
Du sollst töten
Ungerührt fährt Wickler fort: „Theologen kennen dieses Geschehen aus der sogenannten Deuteronomischen Gesetzessammlung, in der Moses den Israeliten außer den Zehn Geboten noch weitere Anweisungen Gottes verkündete, darunter diese zum Umgang mit besiegten Feinden nach Eroberungszügen: „Wenn der Herr, Dein Gott, sie in deine Gewalt gibt, sollst du alle männlichen Personen mit scharfem Schwert erschlagen. Die Frauen aber, die Kinder und Greise, das Vieh und alles, was sich plündern lässt, darfst du als Beute nehmen“ (Dt 20, 13–14). — „Wenn Du zum Kampf gegen deine Feinde ausziehst und der Herr, dein Gott, sie alle in deine Gewalt gibt, wenn du dabei Gefangene machst und unter den Gefangenen eine Frau von schöner Gestalt erblickst, wenn sie dein Herz gewinnt und du sie heiraten möchtest, dann sollst du sie in dein Haus bringen…. Sie soll in deinem Haus wohnen und einen Monat lang ihren Vater und ihre Mutter beweinen. Danach darfst du mit ihr Verkehr haben“ (Dt 21, 10–13). Im Kampf gegen die Midianer befahl Mose: „Nun bring alle männlichen Kinder um und ebenso alle Frauen, die schon einen Mann erkannt und mit einem Mann geschlafen haben. Aber alle weiblichen Kinder und die Frauen, die noch nicht mit einem Mann geschlafen haben, lasst für euch am Leben!“ (Num 31, 17- 18)“. (19)
Von Ratten und Menschen
Konrad Lorenz, Begründer der vergleichenden Verhaltensforschung, bemerkte nicht ohne Staunen, dass ausgerechnet die überaus sozialen Ratten auch hemmungslos brutal sein können: Innerhalb ihrer Großfamilien-Gruppe seien sie „wahre Vorbilder in allen sozialen Tugenden. Aber sie verwandeln sich in wahre Bestien, sowie sie es mit einer anderen als der eigenen Sozietät zu tun haben.“ Die für Säugetiere typische mütterliche Duldsamkeit und Zärtlichkeit gegenüber dem Nachwuchs legen in der Rattengesellschaft auch Väter, Großeltern, Onkel, Tanten, Großtanten „bis ins, ich weiß nicht, wievielte Glied“ an den Tag; alle lassen die Kleinen zuerst ans Futter, und ältere und stärkere Tiere gewähren Jugendlichen bei den attraktivsten Sexualpartnern großzügig den Vortritt. Gruppenfremde aber werden gnadenlos verfolgt, schwer verletzt und getötet. (20)
Bekannt als „Die dritte Welle“ wurde in den 60er Jahren das Experiment eines für seine handfesten Lehrmethoden bekannten kalifornischen Lehrers: Als einer seiner Schüler nicht fassen konnten, was im „Dritten Reich“ geschehen war, gelang es ihm innerhalb weniger Tage, seine Schüler in eine stramm gehorsame Truppe von Guten einerseits und Bösen, weil Ungehorsamen, andererseits zu spalten. Die Guten übertrumpften sich gegenseitig im Denunzieren, auch ihrer besten Freunde. Hauptvorwurf an die Ausgegrenzten: ihnen fehle es an Gemeinschaftssinn (kommt einem bekannt vor).
Ist der Krieg der Vater aller Liebe?
Es ist also schwer zu bestreiten, dass auch der Krieg im Sinne von kollektiver Aggression zum biologischen Primatenerbe – und damit zu unserem – gehört; Kämpfe um Territorien, das heißt letztlich um Nahrung, haben den entsprechenden Auslesedruck ausgeübt. Damit verbunden ist nicht selten die These, dass neben der Großwildjagd vor allem der Krieg auch der Vater alles Sozialen sei – denn er mache Kooperation, Gemeinschaftssinn und Selbstlosigkeit nötig wie keine andere Tätigkeit.
In den feministischen 70er Jahren fiel der US-amerikanischen Primatologin Sarah Blaffer Hrdy auf, dass Frauen und ihre spezifischen Eigenschaften in diesen Theorien über die Entstehung des sozialen Verhaltens überhaupt keine Rolle spielten. Sie ortete den evolutionären Ursprung von Fürsorge und Einfühlungsvermögen im Brutpflegeverhalten weiblicher Säugetiere, und die Quelle von Kooperation und gegenseitiger Unterstützung unter Erwachsenen sah sie im großen Nahrungs- und Betreuungsbedarf der überaus lange abhängigen Kinder, den die Mutter nicht allein leisten konnte: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.“ (21)
Hrdy bestreitet nicht, dass auch das Kriegerische zu unserem Erbe gehört - allerdings nicht zum ältesten: Vor der neolithischen Revolution – dem Beginn von Ackerbau, Viehzucht und Sesshaftigkeit – gibt es keine archäologischen Hinweise auf Kriege. (22) So lange nur wenige Menschen die Erde besiedelten, sind die ohnehin ständig umherziehenden Primaten vermutlich einfach einander ausgewichen. Friedliche Koexistenz verschiedener menschlicher Gruppen, oft mit regelmäßigen Verbindungen untereinander, war dagegen nachweislich weit verbreitet.
Jenseits dieser Frage, was nun an der Wiege unseres Sozialverhaltens stand, bleibt festzuhalten: Beides, das Gute wie das Böse, Kooperation und Fürsorge ebenso wie Gewalt und Hass, gehören zum evolutionären Erbe der Menschheit. Wir sind nicht ‚im Grunde gut‘, nicht ‚im Grunde schlecht‘, und das Gute in uns ist alles andere als nur eine dünne Decke. Um unsere zutiefst sozialen Neigungen zu beschädigen bzw. ins feindselige Ausstoßen umzuleiten, bedarf es schon einiger Anstrengungen.
Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn’s denen da oben nicht gefällt
Ein ererbtes Verhaltensprogramm zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht erlernt werden muss. Deshalb kann es ganz plötzlich in Erscheinung treten, und deshalb macht es einen so rat- und sprachlos, wenn zahllose, vorher friedliche und freundliche Menschen praktisch über Nacht dazu gebracht werden können, sich im verbalen Kriegsmodus zu bewegen, als hätten sie ihr Leben lang nichts anderes getan.
Das heißt aber keineswegs, dass Menschen nur darauf warten, ohne sichtbare Not kollektiv loszuschlagen. Wie man in den letzten Jahren gesehen hat, bedurfte und bedarf es intensiver, bestens koordinierter Aufstachelung durch ein geschlossenes Stoßtrupp von Journalisten und Politikern, um das böse Spiel in Gang zu setzen. Dem ging eine ebenso gut koordinierte, absichtliche Angst- und Schreckenserzeugung voraus. Ohne solche gut geplanten Angriffe aus dem propagandistischen Hinterhalt wollen die allermeisten von uns nur in Frieden ihr Leben leben.
Dass es unter Bedingungen, die der Bevölkerung nicht auf Anhieb bedrohlich erscheinen, langfristiger, gründlicher Bearbeitung bedarf, um Menschen von ihrer Kriegsabneigung abzubringen, haben auch schon lange vor Corona die anhaltenden Bemühungen von US-Eliten gezeigt, die Deutschen mithilfe von nahestehenden Alpha-Journalisten von ihrem hartnäckigen Pazifismus zu heilen. (23) Und auch hier wurde - nur logisch – die Bekämpfung der Kriegsunlust in ein angstmachendes Narrativ von einer immer bedrohlicher und gefährlicher werdenden Welt eingebettet. (24)
Unsere liebenswürdigsten Eigenschaften werden missbraucht, um die scheußlichsten zu wecken
Bei akuter Kriegsabsicht darf die Darstellung des Feindes als Un- und Untermensch nicht fehlen - und zwar mit Methoden, die unterhalb der Gürtellinie der kritischen Beurteilung direkt auf elementare Emotionen zielen: Im Falle des NATO-Überfalls auf Jugoslawien war es „Auschwitz“; und um das unwillige amerikanische Volk für den Überfall auf den Irak kriegsbereit zu lügen, inszenierte man das Märchen von den ermordeten Brutkastenbabys. Die Vorgehensweise war dieselbe wie im Falle Corona: Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, unsere liebenswürdigsten Instinkte, werden missbraucht, um die scheußlichsten zu wecken.
Das Paradoxe daran: Der Krieg ‚Mann gegen Mann‘, der Hass, Wut und persönliche Angriffslust voraussetzt, gehört längst der Geschichte an; solche Gruppenkämpfe werden heute vielleicht noch von kriminellen Banden geführt. In unseren Tagen dagegen entscheiden typischerweise ältere Männer in Hauptstädten über Kriege, in denen junge Menschen die Drecksarbeit machen. (25) In diesen modernen Kriegen wird das archaische Wut-Hass-und-Hetze-Verhaltensprogramm aber stets reaktiviert, um die Bürger selbst zu mentalen Geschossen zu machen. Die NATO hat den „Kampf ums Gehirn“ kürzlich neben Luft, Land, See, Weltraum und Cyberspace offiziell zum sechsten operativen Bereich der Kriegsführung erklärt. Die gesamte Zivilgesellschaft wird also zum Schlachtfeld erklärt. Nun ist das als Bestrebung nicht neu, wie die Geschichte zeigt, weil unser Gehirn eben uralt ist und andere kriegslüsterne Oberschichten auch nicht dumm waren, aber vermutlich werden die Techniken raffinierter und umfassender.
Der Lustgewinn, den der Feind beschert
Wenn der Mensch wie alle Primaten nicht eigentlich gut, nicht eigentlich böse, sondern beides ist, nämlich ausgestattet mit starken sozialen Bedürfnissen einerseits und ebenso starkem aggressivem Potential andererseits – wie kommt er mit solch einer ambivalenten Disposition eigentlich zurecht? De Waal spricht von einem ständigen Balanceakt, den jedes Individuum und jede Gruppe zu bewältigen haben, um ihre egoistisch-aggressiven Neigungen und ihre Gemeinschaftsbedürfnisse auszutarieren. Jeder Einzelne muss ständig Kompromisse schließen, wenn er ein Mitglied seiner Gemeinschaft bleiben will.
Wenn man nun aber diese beiden gegensätzlichen Wünsche ausnahmsweise entmischen und rein genießen darf, weil hemmungsloser Hass und grenzenlose Gemeinschaft gleichzeitig erlebt werden können, dann ist man endlich einmal frei von dieser lebensbegleitenden Spannung; man darf nun nach Lust und Laune austeilen und sich gleichzeitig in grenzenloser Einigkeit mit den Seinen sicher und geborgen fühlen.
Auch bringt das grenzenlose Gemeinschaftsgefühl im Freund-Feind-Schema auffallende Charakteristika mit sich, die das „ausgehandelte“ Gemeinschaftsgefühl zu normalen Zeiten nicht besitzt: Die völlige Kritiklosigkeit gegenüber den Leittieren und die Opferbereitschaft. Das aber ist sehr plausibel, wenn die gesamte Gruppe existenziell bedroht ist: Ihr Überleben gewinnt absoluten Vorrang vor dem des Individuums. Dass auch das in unserem Primatenerbe verankert ist, leuchtet ebenfalls ein.
Muss es aber unbedingt eine Feindschaft bis aufs Blut und eine Hingabe bis zur Selbstzerstörung sein, die diese große Befriedigung liefern? (26)
Kampfeslust und Gemeinschaftsglück ohne Hass
Statt eines Feindes, den man um jeden Preis ausgrenzen, erniedrigen und womöglich sogar vernichten will, kann eine Gruppe auch von einem Gegner zusammengeschweißt werden, den man respektiert. Man kann ja durchaus Interessenskonflikte haben, ohne den Konfliktpartner herabzuwürdigen; dadurch zeichnet sich die Diplomatie aus. Allerdings kann bei einem derartigen Vorgehen die pure Kampfeslust nicht ausgelebt werden. Das ermöglichen aber zum Beispiel der Fussball und viele andere Sportarten, bei denen die Lust am Kämpfen erlebt werden kann, durch feste Regeln aber auch in Schach gehalten wird. Am Ende jeden Spiels steht ein Versöhnungsritual; bei Fußballweltmeisterschaften ist das in sehr emotionaler Form zu beobachten ist, wenn zum Beispiel der weinende Verlierer vom Sieger tröstend in den Arm genommen wird. Viele, wenn nicht alle Gesellschaften halten solche Rituale des gebändigten Auslebens der Kampfeslust bereit. Wie steht es mit Ritualen, in denen das entgrenzte Gemeinschaftsgefühl zum Tragen kommen kann?
Das An-einem-Strang-Ziehen und die bedingungslose Solidarität sind ganz allgemein in Situationen zu beobachten, die eine große Herausforderung für eine Gruppe darstellen – etwas, das man als gemeinsames Schicksal betrachtet. Nicht nur ein Feind, auch ein bedrohliches Naturereignis und andere Gefahren für das Kollektiv können dieses bedingungslose Zusammenstehen bewirken. Die Bewältigung solcher Situationen löst bei den Beteiligten anscheinend auch unter lebensgefährlichen Bedingungen oft große Glücksgefühle aus. (27)
Das ozeanische Gefühl
Es existieren aber offenbar auch Möglichkeiten, außerordentliche Zustände des Einsseins mit einer Gruppe ganz ohne Bedrohung zu erreichen: Tanz, Rhythmus und Musik in allen ihren Formen, Verliebtheit, Sexualität und vor allem religiöse Rituale, die die andere Formen oft einbinden, können solche Erfahrungen von Entgrenzung und tiefer Verbundenheit auslösen. Hier besteht das Gemeinschaftserlebnis eher in einer Art Gemeinschaftstrance oder auch einem ozeanischen Gefühl, das einen vorübergehend von der Last der Individualität befreit. Die emotionale Botschaft: Die Gruppe ist und kann mehr als jeder allein. Der Sinn solcher Rituale liegt vielleicht in der regelmäßigen Bestätigung und Stärkung des Gruppenzusammenhalts und des Zugehörigkeitsgefühls zur ganzen Welt.
Ich bin mir nicht sicher, ob solche Verbundenheitsgefühle evolutionsbiologisch etwas mit dem beglückenden Gefühl der gemeinsamen Bewältigung einer Gefahr zu tun haben; aber auch sie scheinen einem menschlichen Grundbedürfnis zu entsprechen.
Eindeutig ist jedenfalls: Nur wenn solche Situationen der tiefen Verbundenheit, des bedingungslosen Zusammenstehens und des Kämpfens angesichts starker Herausforderungen in persönlich überschaubaren Gruppen stattfinden, entsprechen sie unseren natürlichen Antrieben. Denn diese Antriebe sind in Gruppen entstanden, in denen alle einander kannten, und deshalb sind sie auch nur dort gut aufgehoben. Vor allem ist Vertrauen nur in solchen kleinen Gemeinschaften ein guter Kompass. Die anonymen Gemeinschaften und Beziehungen, die unser Leben immer mehr bestimmen, insbesondere mediale Pseudogemeinschaften, öffnen Tür und Tor für Täuschung und Betrug. Emotionale Botschaften in den Medien sollten einen daher von vorneherein misstrauisch machen. Gefühle wie Vertrauen, Gemeinschaftsgeist und Feindseligkeit gehören überhaupt nicht in anonyme Beziehungen. Ein Staatenbündnis ist keine Steinzeithorde, Zeitungen und Fernsehsender sind keine guten alten Freunde, und Gates und Schwab sind nicht unsere besorgten Eltern.
Fazit
Ich habe versucht zu zeigen, dass der erschreckende Ausbruch verbaler Barbarei, die Hinnahme umfassender Freiheitseinschränkungen und die Opferbereitschaft nicht primär auf seelische Nöte zurückzuführen sind. Die hohe Attraktivität des Freund-Feind-Schemas ist ein Produkt unserer Evolution und daher fest in unserer Natur verankert. Kampfeslust und bedingungsloser Zusammenhalt sind als wichtige Gruppen-Überlebensstrategien entstanden und werden in dieser existenziellen Funktion mit Glücksgefühlen belohnt. Dass individuelle Ängste, Einsamkeit, fehlender Lebenssinn oder psychische Fehlentwicklungen die Anfälligkeit für die entsprechende Propaganda verstärken können, mag sein. Die archaische Anziehungskraft der Spaltung in Freund und Feind aber hat tiefere Quellen.
Über die Autorin: Julia Weiss, Jahrgang 1949, aufgewachsen in Westberlin, studierte in der späten 68er Zeit zunächst Bildende Kunst, dann Ökonomie und arbeitete als Werbetexterin.
Weitere Artikel zum Thema:
- Die Abschaffung der Seele (Julia Weiss, 10.5.2022)
- Mensch und Natur (Wilfried Nelles, 17.4.2022)
- Der künstliche Mensch (Wilfried Nelles, 23.1.2022)
- Furcht vor der Freiheit - der autoritäre Charakter (Ulrich Teusch, 4.8.2021)
- Corona-Hypnose – Krieg gegen das individuelle kritische Bewusstsein (Thomas Külken, 23.10.2020)
- Angst – vor ihr müssen wir uns fürchten (Jeanette Fischer, 16.5.2020)
- Das soziale Gehirn (Andreas von Westphalen, 29.1.2020)
Anmerkungen
(1) Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Der vorprogrammierte Mensch. Das Ererbte als bestimmender Faktor im menschlichen Verhalten. München 1976, (erstmals erschienen 1973) S.10
(2) Das ist eine sehr plausible Theorie. Nach verbreiteter Beobachtung trifft der „naive Glaube“ aber vor allem auf die höheren Einkommens- und Bildungsschichten zu, weil sie sich von ihrer Regierung zu Recht ganz gut behandelt fühlen. In der Unterschicht ist die Vorstellung von der Güte der Regierung aus naheliegenden Gründen weniger häufig anzutreffen.
(3) Tom Curley, der ehemalige Chef der amerikanischen Nachrichtenagentur Associated Press, machte in einem Vortrag 2009 öffentlich, dass allein das Pentagon 27 000 PR-Spezialisten beschäftigt, die mit einem jährlichen Budget von fast 5 Milliarden Dollar Propaganda und Desinformation produzieren. Zudem hätten hohe US-Generäle gedroht, dass man Associated Press und ihn »ruinieren« werde, falls die AP-Reporter allzu kritisch über das US-Militär berichten sollten. Zum europäischen Arm des Pentagon, der NATO: Benjamin Norton: „Die kognitive Kriegsführung der NATO: Westliche Militärs und der ‚Kampf um das Gehirn’“.
(4) Es wird kein Zufall sein, dass ein Buch mit dem Titel „Das unbeschriebene Blatt. Die moderne Leugnung der menschlichen Natur“ noch Anfang dieses Jahrhunderts in den USA veröffentlicht und von dem Harvard-Professor Steven Pinker verfasst wurde.
(5) Frans de Waal: Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote. Moral ist älter als Religion. Stuttgart 2019, S. 29. (Erstausgabe 2013)
(6) Frans de Waal: Der Affe ins uns. Warum wir sind, wie wir sind.“, München 2005, (Erstausgabe New York 2005) S. 295, Kapitel 6, „Der bipolare Menschenaffe. Ein Balanceakt“
(7) De Waal: Der Affe ins uns, S. 300f
(8) Neurologische Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen einen emotionalen Hang zur Kooperation haben, den sie nur durch starke, bewusste Kontrolle unterdrücken können, denn Kooperation aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn. Vgl. Frans de Waal: Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote. Moral ist älter als Religion Stuttgart 2019 (Erstausgabe 2013), S. 72
(9) De Waal: Der Affe in uns, S. 241
(10) De Waal: Der Mensch,der Bonobo und die Zehn Gebote, S. 42
(11) De Waal: Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote, S. 250
(12) De Waal: Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote, S. 41
(13) De Waal: Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote, S.200
(14) De Waal: Der Affe in uns, S. 233f
(15) De Waal: Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote, S. 46, S.77f
(16) De Waal: Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote, S. 15f
(17) De Waal, Der Affe in uns, S. 241
(18) Wolfgang Wickler: Die Biologie der Zehn Gebote und die Natur des Menschen. Wissen und Glauben im Widerstreit. Heidelberg 2014, S.97
(19) Wickler: Die Biologie der Zehn Gebote, S.97f
(20) Lorenz: Das sogenannte Böse, S. 154, 156, 157
(21) In „The Woman That Never Evolved“ legt Hrdy diese Theorie dar. Weltweit bekannt wurde sie durch ihr Buch „Mother Nature – Maternal Instincts And How They Shape The Human Species.“ New York: 1999. Deutscher Titel: Mutter Natur. Die weibliche Seite der Evolution.
(22) Frans de Waal: Mama’s Last Hug. Animal Emotions and What They Tell Us About Ourselves. New York 2020, S. 191
(23) Uwe Krüger: Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten. Eine kritische Netzwerkanalyse. Köln 2013, S.184ff
(24) Uwe Krüger, Meinungsmacht: S. 176ff
(25) Vgl. De Waal: Mama’s Last Hug, S. 189
(26) Hannah Arendt kommt in ihrer Analyse des Totalitarismus zu dem Schluss, dass totalitäre Herrschaft die permanente Existenz eines Feindes voraussetzt; ist einer verschlissen bzw. vernichtet, muss der nächste her, und so weiter. Daher sei die eigentliche Existenzform des Totalitarismus der Terror; durch den exzessiven Feindbedarf der politischen Führung sind im Prinzip alle real bedroht. Insofern ist die politische Antwort auf die oben gestellte Frage: Wenn die Führung das distanzlose Gemeinschaftsgefühl und das mit ihm verbundene bedingungslose Mitmachen in der Bevölkerung aufrechterhalten will, muss sie immer wieder neue Feinde liefern. Hannah Arendt stellt in diesem Zusammenhang auch die Frage, worin eine totalitäres Herrschaftssystem unter einem weltumspannenden Regime eigentlich seine Grenzen finden soll. Wir bekommen zur Zeit ein ganzes Konzert von Feinden und Bedrohungen geboten: die Klimakatastrophe als Basso Continuo, darüber Terror, Islam, Pandemie, Russland, die nächste Pandemie…und alle dese Bedrohungen erfordern selbstverständlich ein bedingungsloses Zusammenstehen gegen die Feinde der einzigen Wahrheit.
(27) Das hat auch Aubrey Marcus beobachtet, ein Gesprächspartner von Mattias Desmet; er führt als Beispiel einen Briten an, der geäußert hatte, dass Bombardement von London im 2. Weltkrieg die glücklichste Zeit in seinem Leben gewesen sei. Ich habe etwas ähnlich Verblüffendes von einem Obdachlosen gehört: Die Obdachlosigkeit sei die bisher beste Zeit in seinem Leben. Das gilt vermutlich für die allerwenigsten auf der Straße Lebenden, aber dieser, der dort einen besten Freund gefunden hatte und mit ihm zusammen die Situation als starke Herausforderung empfand und zu bewältigen suchte, erlebte das als großes Glück. Aubrey Marcus betont im Übrigen in diesem Gespräch auch, dass unter totalitärer Herrschaft nicht nur Angst, Gehorsam und Unterwerfung zu beobachten sind, sondern eben auch das begeisterte Mitmachen – für das in diesem Beitrag eine Erklärung gesucht wird. Video, Min.27:20
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