Pandemiemanager vor dem Untersuchungsausschuss
PAUL SCHREYER, 6. September 2023, 11 Kommentare, PDFMultipolar: Ende 2022 wurde vom Brandenburger Landtag ein Untersuchungsausschuss zur Überprüfung der Corona-Politik eingesetzt, auf Initiative der AfD. Um einen Untersuchungsausschuss starten zu können, braucht es 25 Prozent der Abgeordneten. Im Brandenburger Landtag hat die AfD diesen Anteil und kann deshalb allein solch einen Ausschuss initiieren. Bei der jüngsten Sitzung am 1. September waren zwei wichtige Verantwortliche geladen: der ehemalige Präsident des Robert Koch-Institutes, Lothar Wieler, sowie Brigitte Keller-Stanislawski vom Paul-Ehrlich-Institut, die für die Sicherheit von Arzneimitteln und damit auch von Impfstoffen zuständig ist. Sie, Herr Lausen, waren bei dieser Sitzung. Zunächst: Das ist jetzt bereits der zweite derartige Ausschuss in Brandenburg. Warum gibt es mehrere?
Lausen: Der vorige Untersuchungsausschuss, der 2020 eingesetzt worden war, ist der Beginn einer Untersuchungsausschussreihe gewesen. Herr Wieler wurde damals, 2021, schon einmal befragt, aber nur zu einem Zeitraum, der, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, am 20. September 2020 endete. Der aktuelle Ausschuss ist die Fortsetzung. Es waren deshalb jetzt nur Fragen an Herrn Wieler gestattet für Sachverhalte, die nach dem 20. September 2020 lagen, oder vor dem 1. März 2020, als die Pandemie ausgerufen worden ist.
Multipolar: Die Befragung von Wieler begann, wie Sie berichtet haben, mit einem Streit. Es ging um die Aussagegenehmigung, die das Gesundheitsministerium Wieler erteilt hat. Die AfD-Mitglieder im Ausschuss wollten, dass der Inhalt dieser Genehmigung öffentlich gemacht wird, damit transparent wird, was er eigentlich sagen darf und welche Grenzen ihm das Ministerium gesetzt hat. Was kam bei diesem Streit heraus?
Lausen: Jeder Behördenmitarbeiter, der vor Gericht oder in einem Untersuchungsausschuss aussagen muss, braucht solch eine Aussagegenehmigung. Damit wird sichergestellt, dass nur die Dinge gesagt werden, die auch gesagt werden sollen. Und diese Aussagegenehmigung scheint im Fall Wieler offensichtlich extrem verengt worden zu sein. Sie ist drei Seiten lang. Der Inhalt der Genehmigung ist den Ausschussmitgliedern intern vorgelegt worden. Die AfD-Vertreter wollten allerdings, dass sie auch öffentlich bekannt wird. Das wurde vom Ausschussvorsitzenden abgelehnt. Die Aussagegenehmigung ist außerdem nicht datiert und nur „im Auftrag“ unterschrieben. Niemand wusste wohl, in wessen Auftrag. Auch wenn das Briefpapier vermutlich vom Gesundheitsministerium gewesen ist, sodass der Vorsitzende es akzeptiert hat, so war sie doch im Auftrag unterschrieben – was wohl dazu führen dürfte, dass Herr Wieler nochmal zu laden wäre für die Fragen, die er nicht beantwortet hat.
Multipolar: Wieler ist im Ausschuss nicht allein aufgetreten. Er hatte als Begleitung Heiko Rottmann-Großner dabei, seit 2018 Leiter der Unterabteilung Gesundheitssicherheit im Bundesgesundheitsministerium. Der ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt, spielte aber zu Beginn der Corona-Krise eine Schlüsselrolle. Wir haben zu seiner Person und zu seiner Rolle vor zwei Jahren bei Multipolar eine ausführliche Recherche veröffentlicht. Zusammengefasst: Rottmann-Großner ist der Mann, der ein Jahr vor Corona, im Februar 2019, an einer privaten, internationalen Pandemieübung teilgenommen hat und dort mächtigen internationalen Akteuren persönlich begegnet ist, von der Gates Foundation, der Impfallianz Gavi, dem Wellcome Trust, dem World Economic Forum und anderen Institutionen. Er war es dann auch, der ein Jahr später als erster der Bundesregierung auf einer internen Sitzung die Lockdown-Maßnahmen empfohlen hat. Wir wissen das aus einem Buch des ehemaligen Spiegel-Chefredakteurs Georg Mascolo. Rottmann-Großner hat demnach schon im Februar 2020, bevor das Thema Corona in der Öffentlichkeit richtig hochkochte, intern geraten, dass sich die Bundesregierung auf „Ausgangssperren von unbestimmter Dauer“ vorbereiten solle sowie darauf, „die Wirtschaft lahmzulegen“. Das hat er geladenen Staatssekretären des Innenministeriums auf einer Sitzung im Februar 2020 empfohlen. Bis heute ist unklar, wer ihm diese Handlungsempfehlungen nahebrachte. Sie tauchten zu dieser Zeit in keinem offiziellen Papier auf, auch nicht im deutschen Nationalen Pandemieplan von 2017. Auf Multipolar-Nachfrage wollte er sich dazu nicht äußern. Dieser Mann saß jetzt also am vergangenen Freitag im Untersuchungsausschuss, als Begleitung von Lothar Wieler.
Heiko Rottmann-Großner und Lothar Wieler vor dem Ausschuss | Foto: Tom Lausen
Lausen: Nach Begleitung sah das am Anfang aus, so als wäre er eine Art Berater. Es wurde aber sehr schnell klargestellt, dass er vom Bundesgesundheitsministerium geschickt ist, um aufzupassen, dass der Rahmen der Aussagegenehmigung nicht überschritten wird.
Multipolar: Hat Rottmann-Großner auf der Sitzung dann irgendwie interveniert?
Lausen: Die erste Frage, die Herr Wieler gestellt bekam, führte gleich dazu, dass Herr Rottmann-Großner einen Zettel hinübergeschoben hat, was die AfD natürlich sofort bemerkt hat, da sie einen direkten Blick auf diese Szenerie hatte. Ich konnte das nur von schräg hinten beobachten, habe aber auch gesehen, dass es dort eine Bewegung gab. Dann hat Herr Hünich von der AfD das sofort gerügt und hat gesagt, dass natürlich keine Zettel geschoben werden dürfen, weil Herr Wieler ja als Zeuge geladen ist und aus seiner Wahrnehmung und Erinnerung berichten soll – und nicht aus der Wahrnehmung eines Mitarbeiters des Ministeriums. Auf diese Rüge hin gab es einen kleinen Tumult. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses hat dann gesagt, er hätte es nicht gesehen. Er wollte dann verstärkt darauf achten, wie er gesagt hat. Das reichte aber der AfD nicht. Sie sagte, dass sie dazu gern beraten würden, woraufhin die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde. Alle Pressevertreter, Zuschauer und auch Herr Rottmann-Großner und Herr Wieler mussten raus. Das dauerte 10 bis 15 Minuten und als wir wieder reinkamen – in diesem Zug ist auch das Foto entstanden [Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist das Beitragsbild über diesem Interview, das Tom Lausen machte.] –, da musste Herr Rottmann-Großner sich zwei Plätze weiter setzen.
Multipolar: Wenn die Corona-Krise und das Agieren des RKI beurteilt wird, dann ist ein wichtiger Punkt, wie unabhängig und auch wissenschaftlich unabhängig die Mitarbeiter dieser Behörde überhaupt arbeiten konnten. Im Untersuchungsausschuss wurde die Frage gestellt, ob General Hans-Ulrich Holtherm weisungsbefugt war und Herrn Wieler und damit dem RKI Anweisungen gegeben hat. Holtherm ist ein Bundeswehrgeneral, der schon für die Nato tätig war und der im März 2020 Chef der neugegründeten Abteilung für Gesundheitssicherheit im Gesundheitsministerium geworden ist – und damit auch direkter Vorgesetzter von Heiko Rottmann-Großner. Diese Abteilung wurde bereits Ende 2019 konzipiert, zu Beginn der Corona-Krise war sie dann einsatzfähig. Was hat Herr Wieler auf diese Frage geantwortet?
Lausen: Dazu noch ein ergänzender Hinweis: In einem Interview berichtete Holtherm, dass er schon im Januar 2020 von Jens Spahn kontaktiert wurde, um diese Abteilung zu übernehmen. In diesem Interview wird übrigens auch klar, dass er der Vorgesetzte von Herrn Wieler werden würde. Das ist tatsächlich darin zu lesen. Die AfD hat in der Sitzung nun gefragt, ob der General von der Bundeswehr, also ein Militär, ihm, dem Chef des RKI, Anweisungen geben durfte. Und bevor der Aufpasser, Herr Rottmann-Großner, irgendwie seinen Zettel hochhalten konnte, weil er ja schon zwei Plätze entfernt saß und dadurch nicht mehr so viel Einfluss hatte, hat Herr Wieler, wie aus der Pistole geschossen, gesagt: Klar.
Multipolar: In Ihren Protokollnotizen heißt es dazu: „AfD fragt: Erhielt das RKI Anweisungen von Dr. Holtherm? – Frage nicht genehmigt. – Ok, konnte General Holtherm Ihnen Anweisungen geben? – Wieler: klar.“ Bei der Sitzung ging es dann darum, wie das RKI die Impfeffektivität gemessen hat. Was ist dazu von Herrn Wieler geäußert worden?
Lausen: Ja, jetzt legen sich die großen Themen offen. Herr Wieler hat sich auf die Aufgaben des RKI zurückgezogen, die nur darin bestehen würden, die gemeldeten Daten auszuwerten. Er sagte, dass nur Empfehlungen herausgegeben wurden. Es wurde komplett heruntergespielt, dass die Rolle am Ende praktisch ganz anders war, dass während der Krise alle sich immer auf das RKI berufen haben. Er sagte, sie hätten alle gemeldeten Daten genutzt, um die Impfeffektivität zu berechnen, auch mit Modellierungsrechnungen. Das Problem an der Sache ist: Man berechnet die Impfeffektivität, indem gemessen wird, ob bestimmte „Endpunkte“ nach der Impfung noch auftauchen. Das sind „Krankheit“, „Intensivstationsaufenthalt“ oder „Tod“. Diese drei Endpunkte müssen notwendigerweise gemessen werden, um eine Effektivität zu berechnen. Das ist auch gesetzlich und verordnungstechnisch geregelt. Nach der Infektionsschutzgesetzmelderegel musste jeder positive Test bei einer Aufnahme im Krankenhaus oder auch im Krankenhaus innerhalb von 24 Stunden gemeldet werden, vom Krankenhaus ans Gesundheitsamt, von dort aus an das Landesgesundheitsamt und von dort automatisch ans RKI. Das heißt, in einem Land wie Brandenburg oder auch Sachsen-Anhalt – in diesem Fall habe ich die Daten parat – hätten 25.000 Coronapositivfälle, die im Krankenhaus aufgenommen worden sind, auch mit einem Impfstatus gemeldet werden müssen. Leider – und so ist es in Sachsen-Anhalt gewesen – wurden nur 40 Prozent mit einem Impfstatus gemeldet, nämlich 9.960. Die anderen 60 Prozent ohne Impfstatus wurden auch nicht nachgemeldet.
Multipolar: Das bedeutet, dass man eigentlich gar keine Impfeffektivität berechnen kann.
Lausen: So ist es. Und noch schlimmer ist es in Brandenburg gewesen, in dem Land war ja die Anhörung. Die Abgeordnete Frau Dr. Oeynhausen hat eingeworfen, dass eine parlamentarische Anfrage ergeben hat, dass sogar 75 Prozent ohne Impfstatusangabe übermittelt wurden. Eine seriöse Messung ist so nicht mehr möglich. Damit sind sämtliche Messergebnisse aus meiner Sicht erst einmal ungültig. Die Daten müssten nacherfasst und die Werte neu ermittelt werden.
Multipolar: Was kam mit Blick auf die Impfeffektivität bei der Befragung von Wieler noch zur Sprache?
Lausen: Die AfD hat gefragt, ob Studien veranlasst wurden. Man hätte ja erwartet, dass das RKI nicht wartet, bis irgendwelche Studien aus den USA, Israel oder aus Japan kommen, sondern dass sie eigene Studien veranlasst. Sie sind ja ein sehr großer Player in dieser Pandemie. Und daraufhin hat Herr Wieler gesagt, dass es die COViK-Studie gäbe, die aber leider noch nicht fertig sei. Das RKI hat also keine einzige Studie, die irgendetwas von dem belegen würde, fertig bekommen. Hier liegt eine komplette Überlastung und Unfähigkeit vor.
Multipolar: Oder Vorsatz.
Lausen: Das ist natürlich immer denkbar. Aber entscheidend ist: sie hatten es nicht. Das bedeutet, wenn eine Behörde quasi für alle Gerichtsverfahren, für alle Maßnahmen herangezogen wird, wenn sich also alle abstützen auf das, was das RKI macht, und man stellt fest, das RKI konnte die Effektivität der Impfung gar nicht sauber ermitteln, sondern stützt sich dabei nur auf ausländische Erkenntnisse, dann muss man sich fragen, wie zuverlässig diese überhaupt sind. Die sind ja noch weniger zu überprüfen als die inländischen. Und bei den inländischen wissen wir, dass komplett betrogen wurde, bei den Meldeverstößen, die nicht verfolgt wurden. Wenn jede Maske, die nicht getragen wurde, Jahre danach immer noch verfolgt wird mit härtestem gerichtlichem Einsatz, dann muss man sich fragen, warum von hunderttausenden Meldeverstößen in den Krankenhäusern, wo der Impfstatus nicht gemeldet wurde, kein einziger verfolgt wird. Immerhin gäbe das viel Geld für die Staatskasse. Zwischen 2.500 und 25.000 Euro je Einzelfall könnte die Staatskasse einnehmen. Allein in Sachsen-Anhalt wären es ja schon 15.000 Fälle und das mal 2.500 Euro, im besten Fall bei Wiederholung mal 25.000 Euro. Dann fragt man sich schon, ob das hier am Ende Absicht ist – dass man der Impfkampagne helfen wollte. Und davon ist auszugehen. Das wird man natürlich nicht nur hier, sondern auch in anderen Ländern sehen. Diese Daten werden genauso wenig valide sein.
Multipolar: Hat Wieler im Ausschuss Dinge gesagt, die nicht stimmen?
Lausen: Er hat von einer Letalität des Coronavirus von 1 Prozent gesprochen, und zwar mehrfach. Das würde bedeuten, dass bei 38 Millionen deutschen Infizierten 380.000 gestorben wären. Dem ist nachweislich ja nicht so, es sollen 180.000 gewesen sein. Hier liegt offenkundig eine Falschaussage vor. Ob die jetzt eine Lüge darstellt im Sinne der Befragung, wird anhand des Wortprotokolls untersucht werden müssen. Herr Wieler will außerdem nicht gewusst haben, dass es Tausende Meldeverstöße beim Impfstatus gegeben hat. Davon sei ihm nichts bekannt gewesen, hat er gesagt. Diese beiden Dinge sind aus meiner Sicht problematisch und auch zu untersuchen. Vor einem Untersuchungsausschuss hat man die Wahrheit zu sagen. Ich würde nicht sagen, dass ein Behördenleiter alles wissen muss, aber die wesentlichen Aussagen, die man macht, müssen richtig sein. Und das ist hier offenkundig nicht der Fall. Die Meldeverstöße konnte er sehen, auch in den Sicherheitsberichten oder den Wochenberichten des RKI war zu lesen, dass die Impfstatusangaben bei vielen Patienten und Angaben fehlten. Als Behördenleiter musste er zumindest darüber Kenntnis haben, dass es ein Problem bei der Berechnung der Impfeffektivität gab. Er hat selbst zugegeben, dass sie nur die Daten ausgewertet haben, die dem RKI gemeldet worden sind. Darauf hat er sich zurückgezogen. Damit hat er indirekt bestätigt, dass es eine Meldeuntererfassung gab.
Brigitte Keller-Stanislawski vor dem Ausschuss | Foto: Tom Lausen
Multipolar: Die zweite Befragte war Brigitte Keller-Stanislawski, die 20 Jahre lang, bis 2023, die Abteilung für Arzneimittelsicherheit am Paul-Ehrlich-Institut geleitet hat – die Schlüsselposition dafür in Deutschland. Was kam bei dieser Befragung heraus?
Lausen: Frau Keller-Stanislawski war sichtlich nervös. Sie hatte ihren ersten Tag in der Rente, so sagte sie es selbst. Seit ihrem Berufsbeginn ist sie im Grunde beim Paul-Ehrlich-Institut tätig, früher war sie wohl mal in ihrer beginnenden Laufbahn Ärztin, ist dann irgendwann zum PEI gewechselt und ist dann die entsprechende Verantwortliche für die Sicherheit der zugelassenen oder auch bedingt zugelassenen Arzneimittel geworden. Sie war sehr nervös, hatte zitternde Hände. Sie hatte etwas vorbereitet und kriegte dann mit, dass die Fragen, die sie zugeschickt bekommen hatte, offensichtlich nur der Beweisbeschluss waren, also lediglich die Arbeitsgrundlage des Ausschusses, und gar nicht die Fragen, die ihr gestellt werden würden. Sie erkundigte sich, ob das wirklich so ist. Dann hat sie angefangen, eine vorbereitete Erklärung zu verlesen mit Exkursen in Bereiche, die nicht relevant gewesen sind. Danach begann die Befragung und dabei wurde sie immer nervöser. Das Format sieht immer 10 Minuten pro Fraktion vor. Jede Fraktion durfte reihum nach Größe der Fraktion immer 10 Minuten fragen. Wenn eine Fraktion keine Fragen mehr hatte, ging es zur nächsten. Irgendwann war es dann so, dass nur noch die AfD gefragt hat. Teilweise ist die CDU wieder aufgesprungen und hat aufgrund der Fragen der AfD noch eigene Fragen eingestreut, die dann die 10 Minuten nicht ausgefüllt haben.
Die Quintessenz aus der Befragung von Frau Keller-Stanislawski: Wir haben bei Herrn Wieler gesehen, dass er die Impfeffektivität nicht messen konnte. Man hat einen Impfstoff ausgerollt und hinterher nicht gemessen, ob das effektiv vor Krankheit, Krankenhaus und Tod schützt. Jetzt kommt eigentlich der Riesenskandal, dass nämlich das Paul-Ehrlich-Institut, laut Frau Keller-Stanislawski, noch nie in seiner gesamten Geschichte so viele Nebenwirkungs- und Todesfallverdachtsmeldungen bekommen hat, dass sie so überfordert waren und aus anderen Abteilungen Leute hinzuziehen mussten. Die also fachfremd waren beim Thema Sicherheit von Arzneimitteln und dafür nicht ausgebildet waren. Dann haben sie teilweise Gruppen gebildet, einige haben sich nur um Todesfälle gekümmert, einige um Myokarditis und so weiter. Man hat hier also riesige Probleme in der Kapazität gehabt. Unterstrichen hat sie das, indem sie gesagt hat, dass auch die eigene SafeVac-App so viele Datenmengen aufnehmen musste, dass sie sie noch erweitern mussten und dass diese App teilweise nicht mehr erreichbar war, weil die Datenmengen durch die Verdachtsfälle auf Impfnebenwirkungen nicht mehr verarbeitet werden konnten und sie insofern komplett überfordert waren.
Sie hat so gewirkt, als hätte sie sich dabei überhaupt nichts gedacht, außer dass sie vielleicht ihre Arbeit nicht schafft. Ich denke, sie hatte überhaupt kein Gefühl dafür, dass das, was hier passiert, ja auch eine Bedeutung hat. Dass eine Impfung, die ausgerollt wird, so viele verschiedene und so viele Impfnebenwirkungs- und Todesmeldungen auslöst, hat sie offensichtlich überhaupt nicht erfasst, sondern nur, dass es viel ist und dass man als Behörde im Moment völlig überfordert ist. Das ist das Einzige, was im Grunde genommen bei ihr angekommen ist. Aus meiner Sicht hätte sie remonstrieren müssen als Leiterin der Abteilung Arzneimittelsicherheit. Sie hätte sagen müssen, dass es so nicht weitergeht. Das steht nicht mehr im Verhältnis zu der Anzahl der Verimpfungen, die wir haben. Und wir haben ja eine Erfahrung aus früheren Impfvergaben und wir wissen, dass bei Impfungen eine bestimmte Menge X auftaucht an Impfnebenwirkungen und Todesverdachtsmeldungen, und nun haben wir ein Vielfaches. Und das hat sie nicht getan.
Multipolar: Das ist ein wesentlicher Punkt: Wo liegt der Schwellwert für das Paul-Ehrlich-Institut, den Abbruch einer Impfkampagne oder die Rücknahme eines neuen Medikamentes zu fordern? Wie viele Verdachtsfälle und Todesfälle müssen dafür auftreten? Wurde nach solch einem Schwellwert gefragt? Oder blieb das im Diffusen?
Lausen: Die Befragung wurde dann abgebrochen. Jemand fragte, wie lange es noch dauern würde und da sagte die AfD, sie hätte noch 85 Fragen. Kurz darauf wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen, man hat beraten und die Sitzung um 18 Uhr abgebrochen. Frau Keller-Stanislawski war rund eineinhalb Stunden in der Befragung. Das war nicht besonders viel, weil sie auch immer sehr ausführlich geantwortet hat, sodass man als Fragender immer nur in der Lage war, eine Frage zu stellen. Besonders viele Fragen sind ihr daher nicht gestellt worden. Die Quintessenz ist aber, dass die Überforderung beim Ausrollen dieses Impfstoffes beim PEI so groß gewesen ist, dass man diese Leute niemals als für alle verantwortliche Behörde hätte einsetzen dürfen. Diese Behörde war nicht geeignet, das zu bewältigen. Die Befragung wurde also abgebrochen. Jetzt können die Fragen neu sortiert werden, weil man jetzt sieht, dass das PEI im Grunde zugegeben hat, dass sie komplett überfordert waren mit der Aufgabe und somit gar nicht sicher sagen konnten, ob das, was sie da untersucht haben, auch wirklich ausreichend ist, um die Sicherheit zu gewährleisten. Für mich ist klar: wenn die Meldungen einfach zu viele sind und sie aus anderen Abteilungen Personal hinzuziehen mussten, und damit im Vorfeld gar nicht gerechnet haben, wenn also eine solche Überforderung und Überlastung eingetreten ist, dann hätte man sofort „Stopp“ sagen müssen.
Multipolar: Der Corona-Ausschuss im Brandenburger Landtag läuft weiter. Es gibt in den nächsten Monaten weitere Sitzungen, die nächste ist am 13. Oktober, es folgen dann Termine im November und im Dezember. Sind weitere prominente Zeugen geladen?
Lausen: Ja, die ehemalige Brandenburger Bildungsministerin Britta Ernst, die massiv für Kinderimpfungen geworben hatte.
Multipolar: Die Ehefrau des Bundeskanzlers.
Lausen: Sie wird Rede und Antwort stehen müssen. Sie ist quasi ausgeladen worden für die Befragung am vergangenen Freitag, weil man schon geahnt hatte, dass das ein bisschen länger dauert. Auch Frau Keller-Stanislawski musste einige Stunden warten, da Herrn Wielers Befragung sechs Stunden dauerte, von kurz nach 10 Uhr bis 16 Uhr. Sie wird noch einmal aussagen müssen, da sie noch nicht fertig war. Es liegen ja noch 85 Fragen seitens der AfD vor und ich würde sagen, dass nach dieser Runde nochmal 85 dazukommen werden. Frau Keller-Stanislawski wird in der nächsten Runde sicher selbst auch 6 Stunden sitzen. Das wird interessant werden, möglicherweise auch, ob ihre Aussagegenehmigung noch verändert wird seitens des Paul-Ehrlich-Instituts.
Multipolar: Wie war das Medieninteresse bei der Sitzung? Waren Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks da?
Lausen: Ganz klar gesehen habe ich den RBB. Die waren dort.
Multipolar: Der RBB hat daraus für die Spätnachrichten am Freitagabend eine Kurznachricht geschnitten, die 20 Sekunden lang war. Zitiert wurde in diesen 20 Sekunden Wielers Aussage, dass „Impfungen und der Lockdown in der Pandemie viele Leben gerettet“ hätten. So viel zur Auseinandersetzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit einer kritischen parlamentarischen Aufarbeitung der Corona-Krise. In den etablierten Medien gab es darüber hinaus meines Wissens keine Berichte zu der Sitzung. Nur diese 20 Sekunden am späten Freitagabend im RBB.
Lausen: Ich habe gesehen, dass sich der Pressesprecher des Landtags mit dem RBB unterhalten hat, was schon wieder bezeichnend war. Er saß übrigens die ganze Zeit neben mir und fragte mich dann, für wen ich da wäre. Ich saß ja auch auf der Pressebank. Ich habe einen Telegramkanal mit 32.000 Followern, das habe ich ihm gesagt und dann hat er nicht mehr so viel mit mir geredet. Ich habe dann noch angefügt, dass ich vierfach Sachverständiger des Gesundheitsausschusses des Bundes gewesen bin, dass ich in Thüringen, in Sachsen-Anhalt und in Sachsen im Landtag gewesen bin und Aussagen gemacht habe als Sachverständiger. Er ist dann irgendwann verschwunden und hat der Sitzung nicht mehr beigewohnt.
Multipolar: Was ist ihr Fazit?
Lausen: Erstens: Das RKI war die gesamte Zeit über nicht imstande, die Impfeffektivität zu messen und zu belegen, weil sie die Daten nicht hatten. Sie haben auch nichts eigenes unternommen, um an sie heranzukommen. Das heißt, man hat eine Impfung empfohlen, deren Effektivität man nur aufgrund fremder Daten beurteilte. Das ist aus meiner Sicht völlig unverantwortlich. Zweitens: Das PEI war mit einer gigantischen Menge an Impfnebenwirkungen und Todesfällen im Zusammenhang mit der Impfung völlig überfordert und hätte diese Sache niemals weiter durchgehen lassen dürfen. Unsere zwei größten Behörden haben es also nicht geschafft, diese Dinge zu messen und dann am Ende auch zu stoppen, als es nötig war. Wir haben mittlerweile offensichtlich wieder ein Beamtentum, das von der Spitze herab nur noch das tut, was getan werden soll. Remonstrieren tut keiner. Das ist das, was man eigentlich mit dem Grundgesetz verhindern wollte. Man wollte die innere Haltung der Beamten stärken. Und wenn man Frau Keller-Stanislawski anschaut, dann sieht man, dass sie eigentlich nur alles dem Chef recht machen wollte. So interpretiere ich das. Und das kann es eigentlich nicht sein. Da müsste ein grundsätzlicher Wechsel und eine Reform her, dass so etwas nie wieder passiert.
Zum Interviewpartner: Tom Lausen, Jahrgang 1967, wurde in Hamburg geboren und arbeitet seit 1987 als Programmierer und Datenanalyst. Er betreibt die Webseite intensivstationen.net, auf der die Zahl der deutschen Intensivbetten und ihre Belegung regelmäßig aktualisiert dargestellt werden. Ende 2021 veröffentlichte er zusammen mit dem langjährigen WDR-Journalisten Walter van Rossum den Spiegel-Bestseller „Die Intensiv-Mafia. Von den Hirten der Pandemie und ihren Profiten“. Im Rahmen der Corona-Krise war er mehrfach als Sachverständiger im Deutschen Bundestag geladen.
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