Joe Biden und Olaf Scholz im Mai 2023 beim G7-Treffen in Hiroshima | Bild: picture alliance / Simon Dawson / Avalon

Nord Stream und die deutsche Psyche

Die Terroranschläge auf die Nord Stream-Pipelines sind die erste größere Zerstörung deutscher Infrastruktur seit den britisch-amerikanischen Bombardements deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg. Der folgende Beitrag argumentiert, dass die damalige traumatisierende Prägung des (west-)deutschen Verhältnisses zu den USA nie überwunden wurde und dass diese Prägung erklärt, warum die Bundesregierung kaum Interesse an einer Aufklärung des Angriffs auf die eigene Energieversorgung zeigt.

PAUL SCHREYER, 16. Juni 2023, 11 Kommentare, PDF

Hinweis: Dieser Beitrag ist auch als Podcast und auf Italienisch verfügbar.

Während Justizminister Marco Buschmann kurz nach der Sprengung der Pipelines noch entschlossen verlautbaren ließ, man lasse sich durch den Angriff „nicht einschüchtern“ und werde mithilfe der Ermittlungen des Generalbundesanwalts „den Saboteuren auf die Spur kommen und diese vor ein deutsches Gericht stellen“, so ist ein Dreivierteljahr später von solchem Willen nur noch wenig zu spüren. Ermittlungsergebnisse werden nicht bekannt gegeben, die Regierung schweigt. Zuletzt bemerkte der Generalbundesanwalt im März lediglich knapp, die Auswertung der sichergestellten Spuren und Gegenstände dauere an, „belastbare Aussagen, insbesondere zur Frage einer staatlichen Steuerung“ könnten weiterhin „nicht getroffen werden“.

Das war einen Monat nach der im Februar veröffentlichten Enthüllung des Reporters Seymour Hersh, wonach US-Präsident Biden die Sprengung angeordnet und durch Marinetaucher durchführen lassen hatte – ein Bericht, der zwar weltweite Schlagzeilen machte, zu dem aber weder der Generalbundesanwalt, noch der Justizminister oder der Bundeskanzler ein Wort verloren. Kein Kommentar, nicht einmal ein Dementi. Kanzler Scholz sei durch dieses Schweigen inzwischen zu einem „Kollaborateur“ geworden, erklärte Hersh.

Seither dominiert in den Medien eine kurz nach dieser Enthüllung plötzlich im März 2023 aufgetauchte Geschichte, wonach der technisch komplexe Anschlag in 80 Metern Wassertiefe nicht von einem US-Kriegsschiff, sondern von einer kleinen Urlaubssegelyacht aus durchgeführt worden sei und die Hintermänner – ungenannte – Ukrainer wären. Diese Story wird seitdem wöchentlich mit neuen Details gefüttert, oft durch US-Medien, und bislang vor allem mit einem Ergebnis: niemand redet mehr von Seymour Hersh.

Die USA als Befreier – und Mörder

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen, so viel scheint klar, stehen im Mittelpunkt der Affäre um die Hersh-Enthüllung. Und diese sind überaus kompliziert. Was verbindet die beiden Länder und wie verbindet es sie? An der Oberfläche sieht alles einfach aus: Die USA sind engster Verbündeter, sie haben (West-)Deutschland 1945 befreit, wofür ihnen die Deutschen zu Dank verpflichtet sind. Davon abgesehen, dass die Motive der USA für den Kriegseintritt weniger moralisch als ökonomisch bedingt waren (1), setzte sich die heute vertraute Sichtweise der USA als Befreier in Deutschland auch erst spät durch. In den 1950er, 60er und 70er Jahren war sie selten, und in offiziellen staatlichen Stellungnahmen gar nicht vorhanden. Erstmals wurde sie zum vierzigsten Jahrestag des Kriegsendes vom damaligen, persönlich nicht unbefangenen (2), Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker so klar formuliert:

„Der 8. Mai [1945] war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“

In den ersten Jahren und Jahrzehnten nach Kriegsende war die Einschätzung zum Zweiten Weltkrieg und dessen Ergebnissen eine andere, da der Großteil der Bevölkerung – als Mitläufer oder aktive Unterstützer der Nazis – die Kriegsniederlage persönlich eben nicht als Befreiung erlebt hatte, sondern als Schock. Nahezu jede Familie in Deutschland hatte zudem Angehörige verloren, häufig durch die Flächenbombardements britischer und amerikanischer Bomber auf deutsche Städte. Die aus London und Washington befehligten Bomber töteten hierzulande Hunderttausende Zivilisten – nach moralischen Maßstäben ein unfassbares Kriegsverbrechen. Dem vorausgegangen war der deutsche Luftkrieg gegen England, dem Zehntausende britische Zivilisten zum Opfer gefallen waren.

Nach dem Krieg lag daher eine auf den ersten Blick unwahrscheinliche Anpassungsleistung darin, die nun als Besatzer des Landes herrschenden Mörder der eigenen Familienangehörigen und Zerstörer der eigenen Städte als Freunde, und zunehmend ab der Weizsäcker-Rede von 1985 auch als Befreier anzusehen. Auf den ersten Blick unwahrscheinlich war diese Anpassungsleistung deshalb, weil von Anfang an für niemanden ein Zweifel daran bestehen konnte, dass diese neuen „Freunde“ kaltblütige, ja blutrünstige Massenmörder waren, die absolute Vernichtung anstrebten:

„Die Schlacht um Hamburg kann nicht in einer einzigen Nacht gewonnen werden. Wenigstens 10.000 Tonnen Bomben sind nötig, um diese Stadt auszulöschen. Wenn wir den maximalen Effekt des Bombardements erreichen wollen, dann muß unablässig angegriffen werden. Der erste Angriff heute Nacht wird vor allem mit Brandbomben ausgeführt, um die Feuerwehrkräfte und die Löschmöglichkeiten zu erschöpfen.“

So steht es im Einsatzbefehl des britischen Bomberkommandos vom 24. Juli 1943. Briten und Amerikaner nannten ihren ersten großen gemeinsamen Luftangriff, der auf Hamburg gerichtet war und zehn Tage währte, damals „Operation Gomorrha“. In der Bibel ist dies die Stadt, die von Gott wegen ihrer Sündhaftigkeit vernichtet wird, indem er Schwefel und Feuer auf sie herabregnen lässt.

Der weltbekannte Physiker Freeman Dyson (1923-2020) arbeitete als 19-jähriger in der Statistikabteilung der britischen Armee, der „Operational Research Section“ (ORS), und analysierte dort die Erfolge der menschenverachtenden Flächenbombardierungen. Gegen Ende seines Lebens blickte er auf diese Zeit zurück:

„Mein erster Arbeitstag war der Tag nach einer unserer erfolgreichsten Operationen, einem Nachtangriff mit geballter Kraft auf Hamburg. (…) Eine Woche nach meiner Ankunft im ORS gingen die Angriffe auf Hamburg weiter. Der zweite löste am 27. Juli einen Feuersturm aus, der den zentralen Teil der Stadt verwüstete und etwa 40.000 Menschen tötete. Nur zweimal gelang es uns, Feuerstürme auszulösen, einmal in Hamburg und noch einmal in Dresden im Jahr 1945, wo zwischen 25.000 und 60.000 Menschen ums Leben kamen (die Zahlen sind noch immer umstritten). Die Deutschen verfügten über gute Luftschutzbunker und Warnsysteme und taten, was ihnen gesagt wurde. Infolgedessen kamen bei einem typischen Großangriff nur wenige Tausend Menschen ums Leben. Aber als es zu einem Feuersturm kam, erstickten oder verbrannten die Menschen in ihren Unterkünften, und die Zahl der Toten war mehr als zehnmal höher. Jedes Mal, wenn das Bomberkommando eine Stadt angriff, versuchten wir, einen Feuersturm auszulösen, aber wir erfuhren nie, warum uns das so selten gelang. Wahrscheinlich konnte es nur dann zu einem Feuersturm kommen, wenn drei Dinge gleichzeitig auftraten: erstens eine hohe Konzentration alter Gebäude am Zielort; zweitens ein Angriff mit einer hohen Dichte an Brandbomben im zentralen Bereich des Ziels; und drittens eine atmosphärische Instabilität. Als die Kombination dieser drei Dinge genau richtig war, erzeugten die Flammen und die Winde einen lodernden Hurrikan. Das Gleiche geschah eines Nachts im März 1945 in Tokio und im darauffolgenden August erneut in Hiroshima. Der Feuersturm in Tokio war der größte und tötete wohl 100.000 Menschen. (…)

Die Briten unterstützten größtenteils Sir Arthurs [Arthur Harris, Oberbefehlshaber des britischen Bomberkommandos] rücksichtslose Bombardierung von Städten, nicht weil sie glaubten, dass dies militärisch notwendig sei, sondern weil sie der Meinung waren, dass dies den deutschen Zivilisten eine gute Lektion erteilte. Diesmal spürten die deutschen Zivilisten endlich den Schmerz des Krieges am eigenen Leib. Ich erinnere mich, dass ich mit der Frau eines hochrangigen Luftwaffenoffiziers über die Moral von Bombenangriffen auf Städte gestritten habe, nachdem wir die Ergebnisse des Dresdner Angriffs erfahren hatten. Sie war eine gebildete und intelligente Frau, die Teilzeit für die ORS arbeitete. Ich fragte sie, ob sie wirklich glaubte, dass es richtig sei, in dieser späten Phase des Krieges deutsche Frauen und Babys in großer Zahl zu töten. Sie antwortete: 'Oh ja. Es ist besonders gut, die Babys zu töten. Ich denke nicht an diesen Krieg, sondern an den nächsten, in 20 Jahren. Wenn die Deutschen das nächste Mal einen Krieg beginnen und wir gegen sie kämpfen müssen, werden diese Babys die Soldaten sein.' Nachdem wir zehn Jahre lang gegen die Deutschen gekämpft hatten, vier im ersten Krieg und sechs im zweiten, waren wir fast so blutrünstig geworden wie Sir Arthur.“

Ruinenfelder in Hamburg 1945 | Foto: picture alliance / akg-images

Mörder als Freunde: ein deutsches Trauma

Es ist zweifellos von Bedeutung für die kollektive Psyche der deutschen Gesellschaft in der Nachkriegszeit, dass der verheerende Luftkrieg gegen deutsche Städte in Ost wie in West ausschließlich von Briten und Amerikanern geführt wurde. Es gab keine russischen Flächenbombardements, weder auf Hamburg, Frankfurt am Main oder München, noch auf Leipzig, Dresden oder Rostock – wohl aber britisch-amerikanische Flächenbombardements auf alle diese Städte. Was die Auswirkungen des Bombenkrieges anging, konnten daher die ostdeutschen Bewohner der sowjetischen Besatzungszone ihren Hass auf die Zerstörer der eigenen Städte direkt und widerspruchslos in die nun opportune politische Ablehnung des kapitalistischen Klassenfeindes ummünzen. Die heute im Osten viel verbreitetere USA-Kritik hat hier ihre Wurzel und ungebrochene Kontinuität.

Den Bewohnern des bald zum Frontstaat gegen den Kommunismus aufgebauten Westdeutschlands war diese Haltung nicht so ohne weiteres möglich. Die Westdeutschen hatten die Zerstörer ihrer Städte, die nun das Land beherrschten, als „Freunde“ und „Verbündete“ zu bezeichnen – und mussten damit ihre eigene Wahrnehmung verleugnen. Diese extreme psychische Verrenkung wirkt – so die These dieses Textes – bis heute lähmend nach, da sie in Westdeutschland nie aufgearbeitet wurde. Nach 1945 entwickelte die westdeutsche politische, akademische und mediale Führungsebene daher ein Verhältnis zu den USA, das im Kern irrational, wenn nicht pathologisch war.

Bundespräsident Theodor Heuss (Mitte) 1950 in Bonn, eingerahmt von Lucius D. Clay (rechts), bis 1949 US-Militärgouverneur in der westlichen Besatzungszone, und John Jay McCloy (links), ab 1949 Hoher Kommissar der USA in der BRD. Die beiden Amerikaner waren in den ersten Nachkriegsjahren die mächtigsten Männer in Westdeutschland. | Foto: picture alliance / akg-images

Was hier gesellschaftlich prägend wurde, kann auf Ebene des Individuums psychologisch als „erzwungenes Bindungstrauma“ betrachtet werden, im populären Sprachgebrauch oft „Stockholm-Syndrom“ genannt. Dieses ist durch zwei Faktoren gekennzeichnet: erzwungene Nähe und paradoxe Dankbarkeit. Erstere war durch die auf die Bombardierungen folgende Besatzung gegeben, letztere politisch vom Kriegsverlierer gefordert. Die psychische Deformierung durch dieses Trauma hatte zur Folge, dass insbesondere diejenigen Westdeutschen, die das Land führten, erst unter strenger Aufsicht der Alliierten, dann langsam etwas selbstständiger, bald damit begannen ihre neuen Verbündeten zu verehren und gegen politische Vorwürfe zu verteidigen.

Diese Solidarisierung mit dem Aggressor, der die eigene Familie, die eigene Stadt angegriffen hatte, erreichte ihren Höhepunkt mit großer zeitlicher Verzögerung etwa zwei Generationen später, als insbesondere Westdeutsche in Führungspositionen – die den Krieg nicht mehr erlebt hatten – den USA abgrundtief bösartige Handlungen gar nicht mehr zutrauten und vehement abstritten. Deutlich wurde dies nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sowie gegenwärtig nach den Terroranschlägen auf die Nord Stream-Pipelines. Für die weitaus meisten Westdeutschen, besonders in der Leitungsebene von Politik und Medien, ist eine Verantwortung der USA für diese Taten praktisch unvorstellbar.

Nazis schützen, Kommunismus bekämpfen

Der informelle Deal, der diese psychische Deformierung nach dem Zweiten Weltkrieg dauerhaft festigte und eine Auflösung verhinderte, war ebenso einfach wie effektiv: Die Alliierten verlangten keine gründliche Aufarbeitung der alle Welt schockierenden und alle Vorstellungen von Zivilisation sprengenden Naziverbrechen, und auch keine flächendeckende Entfernung von Altnazis aus hohen Positionen, forderten aber im Gegenzug die westdeutsche Gefolgschaft gegen den Kommunismus Moskaus (der Ende der 1940er Jahre in Westdeutschland noch sehr viele Anhänger hatte). Die heute wieder aktuelle Überzeugung der westdeutschen Nachkriegseliten, wonach „Amerika uns vor den Russen schützt“ war von Anfang an unehrlich und kaschierte den eigentlichen Deal: Die USA beschützten den größten Teil der westdeutschen Führungsschicht vor einer beschämenden Aufarbeitung der eigenen Naziverbrechen und ihrer unehrenhaften Entlassung aus gutbezahlten Führungspositionen.

Einige wenige öffentlichkeitswirksame Prozesse gegen Nazis blieben in Westdeutschland die Ausnahme, führende Nazi- und Wirtschaftsgrößen wurden von den USA begnadigt. Die große Masse der Nazis kam ungeschoren davon und durfte überall im Land Behörden leiten und Firmen lenken. Im Bundesjustizministerium, also der Behörde, die eine Aufarbeitung hätte vorantreiben müssen, waren von den 1950er bis in die 70er Jahre hinein mehr als die Hälfte aller Leitungspositionen mit Altnazis besetzt, ein Fakt der erst 70 Jahre nach Kriegsende von der Behörde eingeräumt wurde.

Über diesen Deal musste damals niemand reden und niemand verhandeln – er lag auf der Hand. Nazis und Amerikaner teilten ihren Hass auf den Kommunismus, die von Moskau propagierte Gesellschaftsform, die das Eigentum und damit die Grundlage der Macht der reichsten und einflussreichsten Familien direkt angriff. Daher war die Anpassungsleistung der westdeutschen Eliten auch nur „auf den ersten Blick“ (wie oben formuliert) unwahrscheinlich, tatsächlich aber logisch und naheliegend. Sie erforderte jedoch – schließlich verstand man sich als moralisch integer – nicht nur die weitgehende Verdrängung der eigenen Naziverbrechen, sondern auch die Verdrängung der Verbrechen der Alliierten. USA und Westdeutsche hatten fortan eine „weiße Weste“, das Böse saß – wie heute – im Osten.

Medien fügen sich ein

Auch in Hamburg arrangierten sich die alten Eliten rasch mit den Zerstörern ihrer Stadt. Der spätere westdeutsche Medienmogul Axel Springer, Herausgeber von BILD-Zeitung und WELT, war in der NS-Zeit stellvertretender Chefredakteur der von seinem Vater herausgegebenen „Altonaer Nachrichten“ gewesen, wo man schon 1936 davon schwärmte, wie „ganz Altona den Führer hört“, und vor einem „Judeneinfluss“ warnte. 1945, nach dem Zusammenbruch, bemühte Springer sich erfolgreich um eine Lizenz der britischen Besatzer, um unter deren Kontrolle weiter als Verleger arbeiten zu können. Antisemitismus und Führerkult waren in seinen Zeitungen fortan passé, Antikommunismus und Russophobie wurden aber weiter gepflegt. Dass die Briten ganz Hamburg hatten niederbrennen wollen („10.000 Tonnen Bomben sind nötig, um diese Stadt auszulöschen“, wie es im oben erwähnten britischen Einsatzbefehl von 1943 hieß), war kein Thema. In den 1950er Jahren erhielt Springer laut Recherchen der amerikanischen Zeitung „The Nation“ sieben Millionen Dollar von der CIA. (3) 1967 verfasste er eine Unternehmensleitlinie, die bis heute für alle dort arbeitenden Journalisten verbindlich ist und in der es heißt: „Wir befürworten das transatlantische Bündnis zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa.“ Seither – und bis hin zum derzeitigen Ukrainekrieg – steht Springer mit BILD und WELT fest an der Seite der Nato.

Die Prägung wirkt weiter

Während die Verdrängung der eigenen Naziverbrechen in Westdeutschland mit Beginn der 68er-Revolte und dem Aussterben der Nazis in hohen Ämtern langsam endete und heute Vergangenheit ist, bleibt die Verdrängung der Verbrechen der Alliierten bis in die Gegenwart hinein präsent. Auch im Jahr 2023 kann sich kaum ein renommierter Historiker, geschweige denn Politiker oder Chefredakteur dazu durchringen, den alliierten Bombenkrieg gegen die deutsche Zivilbevölkerung als Kriegsverbrechen zu bezeichnen oder die plausible Verantwortung der USA für 9/11 auch nur zu diskutieren.

Mit der Sprengung der Nord Stream-Pipelines wurden, so scheint es, die alten psychischen Muster erneut aktiviert. Man „darf“ darüber nicht offen reden, es „darf“ keine Untersuchungsergebnisse geben, die die USA belasten (die derzeit noch fast 40.000 Soldaten in Deutschland stationiert haben). Das Schweigen und Verdrängen ist Teil der bald 80 Jahre dauernden Allianz. Deutschland ist emotional offenbar noch immer an das Jahr 1945 gekettet: Der Angreifer ist der „Freund“. Er muss es sein, denn sonst ist man „verloren“ und „ohne Schutz“. Dieses Schema sitzt fest, ist unbewusst eingebrannt in die kollektive Psyche und macht eine neutrale Analyse der Lage sowie eine angemessene politische Reaktion darauf nahezu unmöglich – nicht nur mit Blick auf Nord Stream, sondern auch im Krieg in der Ukraine, der immer mehr ein Nato-Krieg gegen Russland wird, welcher alles andere als im deutschen Interesse liegt.

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Anmerkungen

(1) Von 1939 bis 1945 finanzierte die Rockefeller Foundation die „War and Peace Studies“ des Council on Foreign Relations. Die Arbeit fand in enger Abstimmung mit dem US-Außenministerium statt. Zunächst ging es um die Frage, ob die USA sich aus dem Krieg heraushalten und autark bleiben konnten, ob also ein von Deutschland dominiertes Europa und ein von Japan beherrschtes Südostasien ohne größere Gewinneinbußen für die amerikanische Elite hinnehmbar wären. Nach gründlicher Prüfung der Handelsbilanzen kam man zum Ergebnis, dies sei nicht der Fall. Dem Council zufolge – der die Wall Street und überhaupt das finanzielle und in- dustrielle Establishment der USA vertrat – benötigte man weiterhin Großbritannien als Absatzmarkt für die eigenen Produkte sowie außerdem den pazifischen Raum als Rohstoffquelle und Absatzmarkt. Daraus ergab sich für die Planer die Notwendigkeit, den expandierenden Imperien Deutschland und Japan militärisch entgegenzutreten. Es ging beim amerikanischen Kriegseintritt somit nicht zuerst um eine Befreiung Europas vom Faschismus oder eine Demokratisierung Südostasiens – die zwar manchem wünschenswert erschienen, aber kaum den Aufwand und die Kosten eines großen Krieges rechtfertigten –, sondern vielmehr darum, in Konkurrenz zu den anderen aufstrebenden Großmächten Deutschland und Japan das britische Weltreich zu beerben und eine Führungsrolle in der Welt zu übernehmen. Siehe dazu: Laurence H. Shoup, William Minter: Imperial Brain Trust. The Council on Foreign Relations and United States Foreign Policy, Monthly Review Press 1977, S. 119, 148-157, 166-169.

(2) Weizsäcker war nicht unbefangen, da sein Vater, ein hoher Nazi-Diplomat, nach dem Krieg zunächst als Kriegsverbrecher zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, dann aber von John Jay McCloy, dem amerikanischen Hohen Kommissar in Westdeutschland, begnadigt worden war. Die USA hatten also den Vater des späteren Bundespräsidenten ganz direkt „befreit“.

(3) Springer dementierte die CIA-Zuwendung, der Artikelautor Murray Waas beharrte jedoch auf der Richtigkeit seiner Recherche und erklärte: „Ich stehe zu meinem Artikel, der auf Interviews mit vier Informanten, davon sind zwei ehemalige Geheimdienstmitarbeiter, und dokumentarischen Beweisen basiert.“ Quelle: Murray Waas: „Covert Charge“, The Nation, 19. Juni 1982

Diskussion

11 Kommentare
BERNHARD MÜNSTERMANN, 16. Juni 2023, 17:40 UHR

Paul Schreyer erwähnt im Zusammenhang sehr treffend die vorhergegangenen Angriffe auf englische Städte, soweit die deutschen Luftstreitkräfte, später auch die als „Wunderwaffe“ propagierten ersten in Peenemünde entwickelten Raketen V1 und V2 dazu in der Lage waren. Ergänzen will ich die klandestinen Versuche dieser Technik von Kriegsführung gegen die Zivilbevölkerung mit Brandbomben durch die verdeckt auf der Seite der Frankisten eingesetzte deutsche Legion Condor im spanischen Bürgerkrieg.
Durch Picassos nach der zerstörten baskischen Stadt benanntes Bild Guernica von 1937 ist es wirkungsvoller im Gedächtnis geblieben als vermittels einer kritischen Würdigung durch Gedenken seitens etwa der NATO, die ihre Mitgliedsstaaten Spanien und Deutschland zu schützen zur Aufgabe haben soll und heute hemmungslos selbst Kriegsverbrechen begeht.

In seinem Buch „Die Kultur der Niederlage - Der amerikanische Süden 1865 - Frankreich 1871 - Deutschland 1918“ beschäftigt sich der Autor Wolfgang Schivelbusch auf sehr erhellende Weise auch mit dem amerikanischen Bürgerkrieg und der unterschiedlichen Herangehensweise von den Konfliktparteien der Nordstaaten und der Konföderierten für die Südstaaten. Mir erschloss sich bei der Einschätzung der späteren Entwicklung während und nach solchen militärischen Konflikten dadurch eine schärfere Perspektive auf die vergleichbaren Muster.

A. WITTENBERG, 17. Juni 2023, 17:50 UHR

Vielen Dank für den Artikel! Zum Verständnis der geschilderten Beziehung (West-)Deutsche - USA ist m. E. aber auch noch das Wirtschaftswunder wichtig, also die Tatsache, dass die USA der BRD nach 1949 einen wirtschaftlichen Aufschwung und Massenwohlstand mit ermöglichte, wenn auch natürlich wieder nicht uneigennützig, sondern als Schaufenster im Systemkonflikt.

ROLF SKOWRONEK, 17. Juni 2023, 19:25 UHR

Unser Geschichtsbild ist weitgehend durch die phantastische Propagandamaschine Hollywood bestimmt. Dass die USA skrupellos bei der Durchsetzung ihrer Ziele sind, zeigt sich ja neben Pearl Harbour auch bei 9/11. Man bringt 3000 eigene Bürger um, um einen Vorwand für die Neuordnung des nahen Ostens zu haben - in sieben Ländern sollten innerhalb von fünf Jahren die Regierungen gestürzt werden wie General Wesley Clark damals enthüllt hat.

Russland hat nach dem 2. Weltkrieg keine Rache genommen. Bei den USA bin ich mir da nicht so sicher (Other Losses, Rheinwiesen...). Auch schon zuvor die Hungerblockade Deutschlands während der Verhandlungen in Versailles legt keinen Verdacht auf Rücksichtnahme gegenüber anderen nahe.

Scott Ritter, der frühere UN-Waffeninspektor im Irak, hat es im vergangenen Jahr nach dem Nord Stream Anschlag auf den Punkt gebracht, als es sagte: Deutschland hatte einen Freund - Russland, Amerika ist der Feind.

Und all diese Hetze gegen Russland erinnert mich doch sehr an das, was Matias Desmet als Mass Formation beschrieben hat - in der Schlacht gegen Covid-19.

MICHAEL SAILER, 18. Juni 2023, 18:35 UHR

Vielen Dank für diesen Artikel. Er bringt vieles auf den Punkt, was mir schon lange im Kopf herumgeht. Meine Großeltern haben mir als Kind Ende der 60er Jahre erzählt, Deutschland sei von der Roten Armee befreit worden, und hatten (als lumpenproletarische Nicht-Nazis) wenig für „die Amis“ übrig. Beim Lesen von (und über) Weizsäckers Rede hatte ich schon damals das Gefühl, da versuche einer, die Nazis als eine Art Besatzungsmacht zu verkaufen, die „die Amis“ zum Glück besiegten.

Das fand ich als 21-Jähriger auf unergründliche Weise obszön, zumal ich wußte, daß Richard Weizsäcker bei einem Nazi studiert hatte und als Assistent eines Nazis an der Verteidigung seines Vaters mitwirkte, der sich auch noch vor Gericht eine (erlogene) „Nähe zum Widerstand“ attestierte. Die Bigotterie dieser Leute und die Bewunderung, die sie dafür von den „kleinen Leuten“ ernteten, war mir immer ein Rätsel und wurde spätestens mit Vietnam ein Skandal. Vielleicht ist es auch kein Zufall, daß das „Stockholm-Syndrom“ seit circa 2001 zunehmend bestritten bzw. geleugnet wird.

WILFRIED NELLES, 19. Juni 2023, 16:05 UHR

Lieber Herr Schreyer,

Das mit dem Stockholm-Syndrom ist eine sehr interessante und teilweise auch plausible These. Und was die britisch-amerikanischen Kriegsverbrechen betrifft sowie die Kollaboration mit mittleren NS-Funktionären, stimme ich voll zu. Ich bin sogar, anders als Ihr Kollege Ulrich Teusch, der Meinung, dass Putin als russischer Präsident keine andere Wahl hatte, als in der Ukraine einen Regimewechsel zu erzwingen. Ob er sich dabei geschickt angestellt hat, ist eine andere Frage, die Amerikaner können so etwas viel besser. Und dass sie die Nordstream-Zerstörung entweder selbst gemacht oder veranlasst oder zumindest geduldet haben, steht für mich außer Frage.

Dennoch muss ich Sie in einem Punkt korrigieren: Vor allem die Amerikaner wurden im Westen von allen, die keine Nazis waren, von Beginn an als Befreier angesehen. Das ist meine persönliche Erfahrung, keine politische Analyse. Ich wohne Luftlinie 20 km von der belgischen Grenze entfernt, im Haus meiner mütterlichen Großeltern. Hier war 1944-45 die Westfront. Mein Vater stammt aus dem Nachbardorf. Marmagen stand lange unter Artilleriebeschuss, und einem schweren Bombardement am Heilig Abend 1944 ist man nur entgangen, weil die britischen Piloten die Bomben kurz vor dem Dorf abgeworfen haben, vielleicht absichtlich, weil Weihnachten war. Der Hürtgenwald ist auch nur 40 km entfernt.

Ich weiß nicht, wie man in den bombardierten Städten dachte und fühlte. Aus den Erzählungen meiner Eltern weiß ich aber, dass sie beide froh waren, als die Amerikaner kamen. Das Dorf hat sie mit weißen Fahnen begrüßt, die wenigen Nazis, die Barrikaden errichten wollten, wurden verjagt. Für meine Mutter, sie war 19, war es die Befreiung vom Alptraum des Krieges.

Mein Vater ist freiwillig in US-Gefangenschaft gegangen (desertiert), er hat nahe der Heimat mit einem Freund seinen Zug bei einem Angriff verlassen und sich in einem Bunker versteckt. Als er und sein Freund hörten, dass Leute den Bunker betraten, haben sie mit gezogener Pistole an der Treppe gestanden, bis sie englische Stimmen hörten. Da haben sie die Waffen weggeworfen. „In dem Moment wusste ich, dass ich den Krieg überlebt habe“, hat er mir gesagt (er war Jg. 22 und beim Überfall auf die Sowjetunion als Infanterist ganz vorne dabei).

Die Amerikaner waren, so habe ich (Jg. 48) immer wieder gehört, freundlich. Man hatte keine Angst vor ihnen, auch die Frauen nicht - ganz anders als die Leute im Osten vor den Russen. Das sind Erfahrungen, das ist kein Ergebnis von Propaganda und Strategie. Diese Erfahrungen decken sich auch mit den Beobachtungen, die ich in 30 Jahren psychologischer Arbeit mit den Nachkommen der Kriegsgeneration gemacht habe.

Ihre Überlegungen machen Sinn für mich, soweit es die sog. Elite betrifft. Für das westdeutsche Volk waren, soweit sie keine Anhänger der Nazis waren, die Westmächte, in erster Linie die Amerikaner (bei den Franzosen war man vorsichtiger), tatsächlich die Befreier. Die „Amerikanisierung“ des Denkens und Fühlens setzte dann erst in den 60er Jahren ein. Für mich und alle fortschrittlichen Altersgenossen war der Rock’n Roll und dann vor allem der Liverpool Beat die Befreiung. Das war nichts, was irgendjemand geplant und dann ausgeführt hätte, es war nichts Gemachtes, sondern ein kulturelles Geschehen (das ja auch bis in die DDR ausstrahlte, für meinen Freund Thomas aus Halle, der 12 Jahre jünger ist als ich, war die Rockmusik „die Lebensrettung“).

Da mag von Seiten der Amerikaner eine Strategie im Spiel gewesen sein, aber das war nicht wirklich das, was zündete. Bis ca. 1965 mussten wir einen englischen Soldatensender nehmen, um englische Musik zu hören, sie wurde - außer manchmal auf Radio Luxemburg, das damals tatsächlich aus Luxemburg gesendet wurde - im Radio nicht gespielt. Und die Amis haben die schwarze Musik auch unterdrückt, wo sie konnten.

Diese Musik atmete Freiheit, Aufbruch, Jugend, die Weite der ganzen Welt. Das kam von innen, nicht von außen, nicht aus irgendeiner Art von Propaganda. Die einzigen Amerika-Bilder, die ich bis dahin hatte, kamen von Karl May, und da waren die Indianer und einige Deutsche die Guten, und von England wusste ich 1960 so gut wie nichts, und es hat uns auch niemand in der Schule erzählt, dass Engländer und Amerikaner uns befreit hätten. Alles, was ich in der Kindheit erfahren habe, war, dass der Krieg schrecklich war und es gut war, dass das vorbei war (wobei aber eine ständige Bedrohung in der Luft lag, und die kam tatsächlich aus dem Osten – immerhin war die „Weltrevolution“ das erklärte Ziel des Kommunismus und der Sowjetunion). Aber als ich 1962 die ersten Beatles-Songs hörte, ist etwas in meinem Innern explodiert. Das war LEBEN!

Lieber Herr Schreyer, ich mag Ihre politischen Analysen, und was die Haltung zu Russland und den USA angeht, stimme ich hundert Prozent überein. Im Übrigen halte ich den Ukraine-Krieg für ein Vorspiel für die Auseinandersetzung mit China, das wird das Endspiel. Sie übersehen aber einen zentralen Punkt: Was geschieht, ist eine unaufhaltsame Bewegung des Bewusstseins. Die politischen Akteure, auch die ökonomischen Mächte, sind nur ausführende Organe. Niemand hat den Kapitalismus gemacht, da war kein Ökonom oder Politiker, der sich das ausgedacht und dann umgesetzt hat. Er ist geschehen, und dieses Geschehen ist noch nicht zu Ende. Es ist der Grundirrtum aller Linken zu meinen, man könnte das stoppen.

Umgekehrt war der Sozialismus-Kommunismus eine Idee, eine Vorstellung, wie die Welt sein soll, die dann zu verwirklichen versucht wurde. Deswegen, weil es nur eine Idee war, eine menschliche Schöpfung, etwas Gemachtes, war er immer schon tot, denn alles von Menschen Erdachte und dann Gemachte kann nur etwas Totes sein. Deshalb die toten grauen Städte im ganzen Ostblock. Der Kapitalismus, dies hat Marx richtig gesehen, ist Anarchie, wild, ungeplant - und genau deshalb (was Marx nicht gesehen hat) lebendig. Und ebenso wie das Leben selbst gleichzeitig schöpferisch und zerstörerisch. Der Sozialismus war endlose Langeweile, tot, Leben gab es nur in den Nischen, wo er nicht hinreichte. Für das Lebendige hatte Marx und hat der gesamte Sozialismus keinen Sinn. Deshalb ist Amerika „sexy“, auch wenn es tausend Kriege führt und mehr Menschen auf dem Gewissen hat als Hitler, während der Marxismus nur Fanatiker hervorbringt, die das Leben hassen („Antifa“).

Das gilt auch für Bill Gates und seine Genossen, die jetzt versuchen, den sterbenden Spätkapitalimus und die ins Mittelalter zurückfallende Moderne zu retten, indem sie ihn verwalten und zu planen, ihren Ideen zu unterwerfen versuchen. Deshalb war die gesamte Linke ebenso wie die linken Grünen bei Corona auf Seiten der Freiheitsverächter und Unterdrücker: Sie haben keinen Sinn für das Lebendige, ja, die meisten hassen es sogar. Sie haben eine Idee, wie die Welt sein soll, und wollen diese mit Technologie und Macht, einer totalitären Technokratie, umsetzen. Das ist in der Struktur dasselbe wie das, was Marx und Lenin wollten und dann im Stalinismus endete. Was bei Stalin die Schwerindustrie war, ist heute die Technik. Der Schulterschluss zwischen der Linken und den Impfpropagandisten und Lockdownfanatikern ist kein Zufall, kein Versagen der Linken, sondern ein Spiegel ihrer Haltung zum Leben. Es ist die logische Konsequenz einer Haltung, die meint, das Leben machen zu können und in den Griff bekommen zu müssen. In dieser Haltung trifft sich die Linke mit den Verwaltern des Spätkapitalismus, sie sind vom selben Stamm. Der Stamm heißt: Ich bin Gott - und wenn ich es noch nicht bin, muss ich es werden.

Wilfried Nelles

LISA MARIA LEWIN, 24. Juni 2023, 11:55 UHR

@Wilfried Nelles
Bei ihrer Widerrede fällt mir der Begriff "Bewusstseinspaltung" ein. Denn es ist seit alters her üblich, dass in Imperien und Menschengruppen immer gespaltene Meinungen koexistieren, wie zB. Mitläufer gegen Opposition. Ihre Widerrede gegen Paul Schreyer weist auf eine argumentative Endlosschleife hin, die es historisch schon immer gab, und zwar wie folgt: Haben Landbesetzer einen Kontinent mit Gewalt erobert (B), oder - krasses Gegenteil - wurden sie von den Eingeborenen freudig begrüßt (B)? Kinderleicht zu sehen ist: Beides koexistierte in der Geschichte immer!

Wenn wir nun diese historische Binse anwenden auf 1945, dann sehen wir in Deutschland zwei gegensätzliche Besatzer aus Ost und West. Deren Unterschied ist leicht nachzuschlagen bei Wikipedia: Es gab eine Relation von fast 100:1 bei den Todeszahlen, die der Westen einerseits und die Sowjetunion andererseits für den Krieg in Europa erlitten. (Heute im Ukrainekrieg wieder eine ähnliche Relation.) Daher ist völlig logisch, dass die westlichen Soldaten 1945 eher fröhlich und entspannt wirkten, ja sie hatten ständig Schokolade für deutsche Kinder und Jungfrauen in der Tasche, während Russen in der Regel verbittert waren über ihre toten Brüder und Schwestern (viele Soldaten waren die einzig Überlebenden ihrer Fammilie), so das die Führung der Roten Armee im Jahr 1945 eine Vergewaltigung deutscher Frauen nicht wirksam verbeitem konnte.

Auch meine prowestliche deutsche Familie begrüßte die Amerikaner als Befreier, aber sie handelte sich damit eine Bewusstseinsspaltung ein (siehe A vs. B oben). Danach konnten sie alle 30 Jahre lang nicht offen reden über die Nazimitläufer in Familie und Bekanntenkreise, weil dieselben Leute seit 1945 bereits die führenden prowestliche Mitläufer waren, oft superchristlich wie die CDU. (Dasselbe Verhalten wieder bei den "Pandemien".) Diese Mitläufergesinnung ist das Thema des Artikels, wo der Autor Paul Schreyer leider vergaß, uns die landeskindliche Sicht auf die Schokolade und die neue amerikanische Kultur seit 1945 neu zu erzählen. Wie dem auch sei, Bewusstseinsspaltung (oft heftig wie Trump vs. Biden) ist wesentlich für "Amerikaversteher".

Wie sehr diese Bewusstseinsspaltung 2023 noch lebt, zeigt eine simple Parallele zwischen den beiden beiden Frühjahrsoffensiven des Kerensky 1917 und des Selenskyj 2023, die keine deutsche Partei in den Mund zu nehmen wagt. In beiden Fällen wurde die Offensive von den USA verlangt und mit "selbstlosen" Krediten gefördert. Auf der Gegenseite führt heute die multipolare Welt vor, wie man "freie Marktwirtschaft" macht. Während die deutsche Wirtschaft im Namen der Freiheit freier als frei, also vogelfrei, wurde. (Bereits 1830 warnte der Franzose Alexis de Tocqueville vor Vogelfreiheit als "Neuen Despotismus", siehe Zitate bei Udo Leuschner: https://www.udo-leuschner.de/tocqueville/usa02.htm)

Fazit: Man muss nur die Realität vor lauter Meinungen (bzw Ideoologie) nicht sehen, um die ewigen Prozessen der Bewusstseinsspaltung zu leugnen. Böse Menschen benutzen dann das Wort "Stimmvieh". Biologisch gesehen gilt: Wo es um Existenzen geht, regiert kein Verstand, sondern die Futtertröge bestimmen das Verhalten der Meuten und Herden (vgl. auch Elias Canetti, Masse und Macht, 1960).

P.S. Wikipedia erwähnt im Juni 2023 noch das Mitwirken der USA-Delegation unter Friedensnobelpreisträger Elihu Root am Krieg 1917, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Kerenski-Offensive

WILFRIED NELLES, 1. Juli 2023, 21:50 UHR

@Lisa maria Lewin
Mein Beitrag ist keine Widerrede zu Paul Schreyer, ich bringe lediglich in einem Punkt einen anderen Gesichtspunkt ein. Was ich erwähne, hat nichts mit lockeren, freundlichen Amerikanern mit Schokolade in der Tasche zu tun. Meine Eltern, über die ich berichtet habe, haben die Amerikaner als Befreier gesehen, bevor sie einem amerikanischen Soldaten begegnet sind. Außerdem dürfte es für die US-Soldaten, die im Hürtgenwald in eine der schwersten Schlachten der Kriegsgeschichte geschickt wurden, recht egal gewesen sein, wie das Verhältnis von toten Russen und Amerikanern war. Hier spielen kulturelle Faktoren eine Rolle, die sich nicht auf Propaganda reduzieren lassen. Ich halte die Fokussierung auf politische Handlungen und mediale Einflussnahme und deren Akteure einfach für verkürzt (nicht für falsch). Das gilt auch für den derzeitigen Krieg in der Ukraine ebenso wie für Corona.

JÜRGEN MÜLLER, 8. August 2023, 15:20 UHR

Selten hat mich ein Kommentar so verfolgt wie der Ihre, verehrter Wilfried Nelles. Wie Sie Popkultur, Kapitalismus und Corona zusammendenken – Chapeau !! Und Sie haben ja so recht ! Aus lauter Angst vor der Vergänglichkeit wird alles Lebendige ausgetrieben. Erinnert fatal an einen Vampirfilm, finden Sie nicht auch ?

Tragischer Tiefpunkt in diesem falschen Film ist das Komplettversagen der Kirchen. Den weisen Worten der Altvorderen folgend, sollten sie den Menschen als „Krone der Schöpfung“ begreifen. Soll heißen, der Mensch ist die Krone, er ist gut (und nicht etwa böse). Und das nicht wegen irgendwelcher (meinetwegen derer 10) Gebote, sondern einfach so, aus sich heraus. Dies den Menschen immer wieder vor Augen zu führen und ihnen die kindliche Angst vor dem Mitmenschen zu nehmen, DAS wäre die vornehmste Aufgabe der Kirchen – sinnbildlich verkörpert durch Jesu Umgang mit den Lepra-Kranken. Man kann dies nicht besser ausdrücken als Wolfgang Herrndorf, wenn er Maik Klingenburg sagen lässt:

„Seit ich klein war, hatte mein Vater mir beigebracht, dass die Welt schlecht ist. Die Welt ist schlecht, und der Mensch ist auch schlecht. Trau keinem, geh nicht mit Fremden und so weiter. Das hatten mir meine Lehrer erzählt und das hatten mir meine Eltern erzählt, und das Fernsehen erzählte es auch. Wenn man Nachrichten guckte: Der Mensch ist schlecht. Wenn man Spiegel TV guckte: Der Mensch ist schlecht. Und vielleicht stimmte das ja auch, und der Mensch war zu 99 Prozent schlecht. Aber das Seltsame war, dass Tschick und ich auf unserer Reise fast ausschließlich dem einen Prozent begegneten, das nicht schlecht war. […] Auf sowas sollte man in der Schule vielleicht auch mal hinweisen, damit man nicht völlig davon überrascht wird.“

Die „Krone der Schöpfung“ bedeutet aber noch mehr. Der Mensch ist nicht nur gut. Der Mensch ist gut, so wie er ist. Der Mensch ist die Krone der Schöpfung, der Endpunkt der Evolution. Mit ihm wurde das Prinzip von Selektion und natürlicher Auslese ausgehebelt. „Survival of the fittest“ wurde so gesehen ersetzt durch Altruismus, Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Mir persönlich gefällt dieser Gedanke und ich nehme dafür gerne den Nachteil in Kauf, dass die Menschheit – rein körperlich betrachtet – zu einem gewissen Grad degeneriert. Zugespitzt formuliert: Auch Brillenträger können jetzt überleben und sich und ihre Fehlsichtigkeit fortpflanzen. Wie gesagt, mir persönlich gefällt diese Idee und sie hat für mich den gleichen Charme wie liebgewordene Vinyl-Platten (wegen mir auch die aus Liverpool :-), die mit jedem Abspielen an Qualität einbüßen und so gleichermaßen ein Symbol für Wertschätzung und Vergänglichkeit darstellen.

Diese „christliche“ Gelassenheit wird fast schon verzweifelt bekämpft durch die „eugenische“ Sicht, deren Anhänger sich mit dieser fortlaufenden Degenerierung nicht abfinden können oder wollen. Stattdessen träumen sie von Transhumanismus, genetischer Ertüchtigung, der Züchtung von Herrenrassen und Euthanasie. Ich muss nicht eigens erwähnen, für wie abstoßend ich diese gewollte Wiederbelebung der evolutionären Ausleseprinzipien empfinde.

Nun macht es aber was mit den Menschen, wenn Ihnen permanent ihr Fehlverhalten und ihre eigene Unzulänglichkeit eingeredet wird. Sie verlieren die Achtung, vor sich selbst und ihren Fähigkeiten. Sie verlieren das Vertrauen in ihr Tun und ihre Urteilskraft. Vielleicht ist das der tiefere Grund für die überall zu beobachtende Denkfaulheit und Diskursverweigerung. Mir erscheint das plausibler als die vom (hochgeschätzten !) Paul Schreyer im Artikel vorgebrachte These vom „erzwungenen Bindungstrauma“ den Amerikanern gegenüber. Diese kognitive Dissonanz, diese „Bewusstseinsspaltung“, die Amerikaner gleichermaßen als Besatzer und Befreier wahrzunehmen mag eine Rolle spielen, viel entscheidender ist in diesem Zusammenhang aber die historische Schuld, die von Generation zu Generation weitergereicht wird. Wo jeder Anflug von Stolz, auf die Schönheit der Kultur-Landschaft, auf die Schönheit des eigenen Körpers, auf die Errungenschaften und Fertigkeiten, auf das Werken und das Wirken im Keim erstickt und systematisch ausgetrieben wird.

Trauriger Endpunkt dieser Abwärtsspirale aus Schuld- und Minderwertigkeitskomplexen wäre, einer Magersucht vergleichbar, die Selbstauslöschung. Auflösungserscheinungen registriere ich an vielen Orten der Gesellschaft. Im Kultur- und Vereinsleben genauso wie in der modernen Arbeitswelt, wo die Büroarbeit mehr und mehr von home-office und desk-sharing geprägt wird. Ich sehe allerorten Vereinzelungstendenzen, Vereinsamung und Lethargie. Keine ausgelassene Aufbruchstimmung, nein, eine bleierne Schwere liegt über allem.

Und trotz allem hege ich Hoffnung. Wenn ich unsere beiden Jungs beobachte, stelle ich erfreut fest, wie Computerspiele und soziale Medien zunehmend an Reiz verlieren. Sie entdecken gerade das abendliche Weggehen mit Freunden, den Alkohol, das andere (darf man das noch sagen :-) Geschlecht. So interessant können die virtuellen Welten gar nicht sein, dass sie die echten Erfahrungen dauerhaft ersetzen.

Das Leben bricht sich Bahn !
Was tot ist, wird nicht lange leben !
Vampire sterben aus !

ULRICH KARRASCH, 23. Juni 2023, 00:30 UHR

Lieber Herr Schreyer, diese Geschichte vom Trauma usw., dieses Psychodrama, das ist mir als Erklärung zu wenig. Da waren Uthoff und von Wagner 2014 in der "Anstalt" schon weiter: sie hatten dort die institutionalisierte transatlantische Einflussnahme auf die Medienlandschaft in Deutschland analysiert. Die öffentlich-rechtlichen Sender standen nach meiner Erinnerung nicht so im Fokus, wen wundert's. Aber niemand kann "Anchorman" der Tagesthemen werden, der nicht zuvor in Washington als Korrespondent gearbeitet hat. Dort wird man von "befreundeten" Persönlichkeiten und Organisationen zum Vortanzen eingeladen ... Und so läuft der Hase.

Warum soll es in der Politik anders sein? Im Gegenteil: dort wird der bestandene transatlantische Treuetest natürlich ebenfalls verlangt. Nicht zuletzt im Rahmen der WEF-Programme "Global Leaders of Tomorrow" oder neuerdings "Young Global Leaders". Oder ist Herr Schwab etwa kein Transatlantiker? Sind ja alles auch nur Beispiele für die bestens organisierte transatlantische "Landschaftspflege", die im größten Land der EU natürlich nicht dem launischen Zufall oder gar dem bösen Putin überlassen werden darf.

Der irische Abgeordnete des EU-Parlaments Mick Wallace bringt es auf den Punkt:
https://meinungsfreiheit.rtde.life/kurzclips/video/173367-wallace-blickrichtung-aendern-einmischung-von/

PAUL SCHREYER, 23. Juni 2023, 13:15 UHR

Aber niemand kann "Anchorman" der Tagesthemen werden, der nicht zuvor in Washington als Korrespondent gearbeitet hat.

Richtig. Das hatte ich vor über zehn Jahren auch schon mal in einem Beitrag thematisiert: https://archiv.ossietzky.net/19-2010&textfile=1140

AYU, 29. Juni 2023, 23:40 UHR

Inwiefern ist es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass hier nicht wirklich aufgeklärt wird? Oder: Hat ein US-amerikanischer Präsident eine Reporterin entweder bemerkenswert korrekt informiert, oder bemerkenswert dreist angelogen?

Der Autor Martin Ahrens, Schriftsteller und Journalist, ist aus der DDR in die BRD übergesiedelt und hat dann das Büchlein „Trabbi, Telespargel und Tränenpavillion. Das Wörterbuch der DDR-Sprache“ (Heyne Bücher 01/6754 – ISBN 3453023579) für die Nachwelt zur Ermutigung, „sich auf die andere Lebenswirklichkeit der 'Drübigen' etwas gründlicher einzulassen“, verfasst und schildert einige Begrifflichkeiten einer vergangenen Ära durchaus aufschlussreich, hier etwa direkt hintereinander:

„Aggression: Anwendung bewaffneter Gewalt eines Staates gegenüber einem anderen. Nach marx.-len. Auffassung besteht die Gefahr von A. solange, wie der → Imperialismus existent ist, dessen aggressive Grundeigenschaft sich aus dem expansiven Charakter des Monopols herleite. Über die bewaffnete A. hinaus werden auch wirtschaftliche und ideologische A. (→ Diversion) unterschieden. Die psychologische Bedeutung spielt im offiziellen Sprachgebrauch keine Rolle, weil A.en ausschließlich im o.g. politisch negativ bewertenden Sinne besetzt sind. Aggressor.

Agitation: Bestandteil der politischen Überzeugungs- und Erziehungsarbeit der → SED; zusammen mit der → Propaganda hat sie die permanente und systematische Beeinflussung des Denkens und Handelns der Bevölkerung zum Ziel. Im Unterschied zur Propaganda, die sich an einen begrenzten Personenkreis wendet und und spezielle Kenntnisse der marx.-len. Theorie vermittelt, zielt die A. auf breite Bevölkerungsschichten. Wichtige Mittel der A. sind neben den Massenmedien die versch. Formen der Sicht-A, wie Plakate, Transparente, Wandzeitungen etc.“

Kennt man, auch als Wessi.

Ende Mai, am 22.05.2023, hat der aktuelle BND-Chef Bruno Kahl „Hoffnungen auf eine schnelle Klärung gedämpft, wer die Explosionen an den Nord-Stream-Erdgaspipelines in der Ostsee verursacht hat. ,Es gibt Hinweise in alle möglichen Richtungen‘, so Kahl am Montagabend in Berlin bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Baks). Kein Land dieser Welt, kein Nachrichtendienst dieser Welt, sei im Moment in der Lage, zu sagen, wer die Täter waren oder wen man ausschließen könne. Der Tatort unter Wasser sei eine ,beachtliche Herausforderung‘.“

https://www.n-tv.de/der_tag/BND-Chef-Kein-Geheimdienst-kennt-Nord-Stream-Attentaeter-article24140071.html

Auch hier wird ein ums andere Mal seit Monaten die Problemkategorie „beachtliche Herausforderung“ angeführt, die für den geballten staatsdienstlichen Aufklärungskomplex des Verteidigungs-Westens gilt, mit der die bislang angeblich effektiv 3-5 Täter zzgl. einer Nussschale mit Wimpel am -70m über dem Meeresspiegel liegenden Tatort so jedoch nicht konfrontiert gewesen sein können.

Ja sicher, die abgeklemmten Bürger wissen wie auch die angeschlossenen Dienste, dass diese „Story“ mit dem ungeeigneten Segelboot und Zollkontrolle in Polen niemals glaubhaft, oder bombensicher werden muss, denn Biden selbst hat „damals“ nicht nur den ach so wichtigen keiner-weiss-was-keiner-hat-was-gesehen-Überraschungsmoment eisglatt gekillt (nachvollziehbarer Grundsatz sinngemäß gehört: die besten Geheimdienstaktionen sind jene, von denen überhaupt gargargar nichts öffentlich bekannt wird), sondern er hat seine Zuversicht nur allzu deutlich unterstrichen, dass Deutschland, und damit ging er auf ihre Frage konkret ein, nicht alleine („we will“) über das Schicksal dieser Gasinfrastruktur das letzte Wort haben wird, während Scholz daneben stand (...). Wer „we“ sind, und wie viele, kann sich jeder selbst zusammenschwören, der Punkt ist mehr, dass fest entschlossene und mit einzutretenden Bedingungen verknüpfte Absichtsbekundungen anderer Staatsmachtinhaber, diese Gasinfrastruktur zu beenden, meines Mitbekommens auf prominenten Pressekonferenzen im Beisein Scholz' nicht geäußert wurden.

Jetzt muss die verfahrene Realität wieder so hingebogen werden (von denen, die selbstangeblich gewarnt haben), dass eine Ablenkung insofern funktioniert – so lange wie eben möglich – als dass entlang dieses Deutungsstrangs politische Handlungen unmittelbar abzuleiten sind: gewisse Akteure nach und nach entlasten und andere wiederum belasten, bzw. Beweise „sicherstellen“, also nicht für die Bürger, für die Jahrhunderte, beispielhaft:

https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/un-guantanamo-100.html

Kennt man, auch als Ossi.

Dass der Herr Kahl mit „kein Dienst der Welt...“ tatsächlich solcher Kenntnisse sicher ist, wie er damit vorgibt, möchte ich als Zivilist gern bezweifeln. Andernfalls drängt besonders angesichts einer „nichtstaatlichen Tätergruppe“ die Frage noch viel mehr, warum das vorher auch in der Unterwelt ja wohl praktisch niemand mitbekommen hat, oder für kein Deal der Welt zu teilen bereit war? Vorvermutung und Informationsnichtweitergabe, ignorierte Warnungen und drängende Ersuchen im Geheimen hin oder her; dieser Kram war bezüglich 9/11 Grundzutat für die gleiche halbstimmige Realitätsangleichung im Nachhinein, das FBI hätte ja gerne, aber die CIA... Das gereicht für ein paar Dokus, die dem Mainstream das Argument liefern, er berichte doch „kritisch“ und „investigativ“ auch darüber. Immerhin erinnern diese damit an die guten Taten eines eng befreundeten „Friedensnobellpreisträgers“, der seinerzeit in Berlin aber auch nur hinter einer Panzerglasscheibe zu sprechen vermochte:

„Auch wenn die Täter Saudis waren - ihr Land kann als souveräner Staat nach Internationalem Recht nicht verklagt werden. Der damalige US-Präsident Obama lehnte 2016 eine Gesetzesänderung ab, die es erlaubt hätte, Saudi Arabien zu belangen.“

Min: 38:53 https://www.zdf.de/dokumentation/zdf-history/911---was-geschah-wirklich-am-11-september-2001-100.html

Naja, auch diesmal, über Zwanzig volle Jahre Absicherung gegen alles, was Sinneswarnehmung und das Potential zum eigenen Willen hat - verhindert wurde einer der höchstanspruchsvollen Terrorakte unserer Zeit jedenfalls bis zum Schluss nicht – und er fand auf dänischem (?), jedenfalls nicht deutschem Territorium statt, korrekt? Und selbst wenn sich das (bislang angeblich durch insgesamt bis zu 2 Tonnen C4, ein viertel je Rohr; die wenigsten dürften das selbst begutachten und einschätzen können) verursachte Schadensbild an den Röhren und dem Boden nach und nach heruntersiggelkowen lässt, so werden doch unumkehrbar weiterhin noch die wochenlange Anwesenheit und Verarbeitung von gut einer Tonne Sprengstoff bester Qualität nachzuerzählen sein, die schließlich mit der Andromeda, oder einem Beiboot nicht nur tagelang auf der Ostsee..? Für wie viele simultan ablaufende Nebenmissionen ohne direkter Beteiligung, die hinterher dann „hinreichende Verdachtsmomente, konkrete Spuren, gar Beweise“ auf im Zusammenhang stehende Handlungen tatsächlich geben, hatte man bei den Planern gesorgt? Wann kommen die Zeugen, die nachts auf einer Raststätte was gehört haben? Wann wird was angespült und gefunden und zur Polizei gebracht?

Kennt man, auch als Transatlantiker.

Der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes Gerhard Schindler (2011 bis 2016) weis Anfang Mai 2023 in einer Pressebefragung zu einem anderen Thema bezüglich der geheimdienstlichen Attitüde anzugeben:

„Ich selbst kann es jetzt nicht beurteilen, weil ich zu der damaligen Zeit noch gar nicht im Beruf tätig war. Aber es ist so, ohne ein Geheimnis zu verraten: Nachrichtendienste arbeiten für die Interessen ihres Landes. Nachrichtendienste kennen den Begriff ,Freunde‘ nicht, sie kennen eben nur Interessen. Und wenn Nachrichtendienste gemeinsame Interessen finden, dann arbeiten sie auch zusammen, mehr oder weniger notgedrungen. Und wenn Sie auf die Weltkarte heute schauen, ist es ganz sicher so, dass viele Dienste zusammenarbeiten, von denen man gar nicht glaubt, dass diese Zusammenarbeit stattfindet. Der Bundesnachrichtendienst hat beispielsweise konkrete Arbeitsbeziehungen mit über 400 Nachrichtendiensten auf dieser Welt. Insgesamt gibt es ja 192 Staaten, aber viele Staaten haben mehrere Nachrichtendienste. Daran können Sie erkennen, wie weit verzweigt die Zusammenarbeit ist, weil es um die Interessen Deutschlands geht. Und da fragt man nicht ,Ist das jetzt ein autokratisches Regime? Ist es ein diktatorisches Regime?‘, sondern es geht um die Interessen des Landes - und da arbeitet man punktuell zusammen.“

https://www.dw.com/de/ex-bnd-pr%C3%A4sident-schindler-%C3%BCber-die-zusammenarbeit-von-geheimdiensten-in-zeiten-des-krieges/a-65512207

Gleich, ob man schon geneigt sein muss, den Aussagen der beiden Dienst-Herren überhaupt zu glauben und beizustehen, oder ob das alles sogar stimmt, ist und bleibt die zentrale Frage, inwiefern die Interessen Deutschlands Ansatz der Verzweigtheit der Punkte darstellen, an denen eine „Zusammenarbeit“ zweifellos (und hoffentlich) stattfindet, mit der so ein Anschlag eine Menschen- und mehrere Waffengenerationen nach „Ground Zero“aber fluffig durchgehen kann.

Kennt man, auch als Veteran.

Überhaupt, und hier frage ich mich genau so wie der Artikel von Paul Schreyer es nahelegt, wieso noch niemand nach den ganzen offensichtlichen Widersprüchen gefragt hat: Wie wollte man im Freundes- oder Werte-Partnerkreis „we“ der Nordstream-Verbindung ein Ende bereiten, wenn sie nicht vorher durch Nichtamerikaner gesprengt worden wäre? Den ins Auge gefassten „Übertritt russischer Truppen über die Grenze zur Ukraine“, der noch als Grund angegeben wurde, um „es“ zu „einem Ende zu bringen“, hat es ja gegeben. Dann sollte es doch gut ausgearbeitete Pläne wenigstens bis zum Anschlagstag für eine ordentliche Abwicklung des Projektes samt alternativer Versorgung in vergleichbarer Kapazität dies und jenseits des Wassers geben!? Nun, es sei „sehr heikel“, dem nachzugehen, wie die Tagesschau zwischenmeldet, weil die Täterschaft bislang am stärksten in die Ukraine weist, die man im Moment sehr eng [gegen den ungerechtfertigten, völkerrechtswidrigen, brutalen, unprovozierten Angriffskrieg Putin-Russlands] unterstütze, derweil das „Friedensprojekt EU“ (U.v.d.L. früher) sich mittlerweile bemitleidenswert selbstlos um jede Glaubwürdigkeit bringt und heute Staaten, die sich aktiv für den Frieden einsetzen, sanktioniert, bzw. „bestraft“ (U.v.d.L. heute):

„Das südafrikanische Parlament ist bereit, Friedensgespräche zwischen seinen russischen und ukrainischen Kollegen zu führen. Diese Idee wurde von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt.“

https://www.anti-spiegel.ru/2023/generalmobilmachung-in-kiew-und-bis-zum-letzten-ukrainer-die-ereignisse-des-22-juni/

Die VAE sind denn auch Teil des elften (11.) Bestrafungsbegehrens der EU-Administration. Sicher geht das noch weiter.

Nun, die Lösung des Rätsels in den ARD 20Uhr-Nachrichten (die erstmal jm. Einstellen müssten, der das ohne umzufallen hinbekommt usw.) wäre eine internationale Blamage ohne Ende für das Konstrukt „Westen“, sicherheitstechnisch, militärisch, diplomatisch, freiheitlich-demokratisch und überhaupt – also alles, was ihn so stark, lebens- und übertragenswert macht, alles, was seine eigene Nacherzählung ausmacht. Vorher würde man es noch drauf ankommen lassen, den Papst zu beschuldigen.

Kennt man, auch als Atheist.

Wo also stehen wir? Am Arsch. Zum einen. Aber wir haben Glück, sobald Russland ruiniert ist, wird es wieder ein gedeihliches Zusammenleben zwischen dem freien Westen und den befreiten Russen geben, jedenfalls irgendwie so möchte das der Olaf „sie wissen schon“ Scholz für uns eintüten - wenn wir uns weiterhin wie er verhalten.

Ansonsten kann man nur wiederholen, was Geopolitik konkret bedeutet, wenn man es (zügellose Macht) drauf ankommen lässt:

„Der österreichische Historiker Rolf Steininger zitiert in Band 2 seiner 1996 neuaufgelegten „Deutschen Geschichte seit 1945“ aus einem Memorandum des damaligen Londoner Unterstaatsekretärs Ivone Kirkpatrick vom November 1948. Der spätere britische Hohe Kommissar in der BRD meinte darin, es gehe um die ,zukünftige Sicherheit vor Deutschland‘. Der Rapallo-Komplex habe nachgewirkt, so Steininger: ,Deutschland allein war keine Gefahr mehr; nur wenn es gemeinsame Sache mit den Sowjets machte, werde es zur ‚tödlichen Gefahr‘ (‚mortal peril‘). Das einzige und wichtigste Ziel blieb demnach, ein solches Zusammengehen mit den Sowjets zu verhindern.‘ Sicherheit vor Deutschland sei durch Integration desselben zu erreichen, wird Kirkpatrick zitiert, und das ,zu einem Zeitpunkt, wo dies noch als Zugeständnis (‚favour‘) an die Deutschen verkauft werden konnte – und nicht umgekehrt.‘ Laut dem Historiker ging es dem britischen Politiker darum, ,die Deutschen übers Ohr zu hauen (‚bamboozle the germans by roping them in‘) und sie ‚am Ende wirtschaftlich, politisch und militärisch so abhängig zu machen von der westlichen Welt, dass sie es sich gar nicht leisten können, auszuscheren und ins östliche Lager zu wechseln‘ ‘. Ziel sei die ,totale Kontrolle‘ Westdeutschlands, ,mit allen Mitteln‘. Für Steininger zeichneten Kirkpatricks Vorstellungen ,denn auch den Weg vor, den die Entwicklung nahm‘.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=99689

Dazu auch, insbesondere in Anklang zu Ulrich Teuschs 2. Kriegsgrundanalyse:

https://www.infosperber.ch/politik/welt/die-lange-vorgeschichte-von-russlands-angriffskrieg/

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