Secret Service räumt umfassendes Versagen bei Trump-Attentat ein

Interims-Chef: Fehler „auf etlichen Ebenen“ / Bisher kein Mitarbeiter entlassen / Fast zwei Stunden vor der Tat: Örtliche Polizisten meldeten Sichtung des späteren Attentäters

12. August 2024
Washington.
(multipolar)

Die Leitung des Secret Service hat schwere Fehler im Zusammenhang mit dem Mordanschlag am 13. Juli auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump eingeräumt. Von einem „Versagen auf etlichen Ebenen“ sprach Secret-Service-Chef Ronald Rowe in einer Anhörung vorvergangene Woche im US-Kongress. In einer Befragung am 22. Juli hatte bereits seine Vorgängerin Kimberly Cheatle vom „gravierendsten operativen Fehlschlag des Secret Service seit Jahrzehnten“, gesprochen. Cheatle war am folgenden Tag von ihrem Amt zurückgetreten, ihr Stellvertreter Ronald Rowe übernahm den Posten kommissarisch. Die Behörde ist neben dem Schutz für den amtierenden US-Präsidenten auch für die Sicherheit von Ex-Präsidenten und Kandidaten verantwortlich.

Rowe erklärte in der Anhörung am Dienstag (30. Juli), es „beschämt“ ihn, dass das Dach, auf dem sich der Attentäter postieren konnte, nicht gesichert war. Die Position in 125 Meter Entfernung von der Wahlkampfbühne ermöglichte dem Schützen freies Sicht- und Schussfeld. Während eines Wahlkampfauftritts von Trump in der Kleinstadt Butler (Pennsylvania) hatte der 20-jährige Thomas Matthew Crooks mit einem Gewehr ohne Zielfernrohr acht Schüsse auf den Ex-Präsidenten abgegeben, ihn und zwei weitere Besucher verletzt sowie einen Zuschauer getötet. Im Nachgang hatte der neue Secret-Service-Leiter den Tatort besucht und eingeräumt, er könne nicht rechtfertigen, warum dass Dach unbesetzt war. Er versuche noch immer herauszufinden, warum seine Sicherheitskräfte im Gebäude und nicht auf dessen Dach waren, kritisierte Rowe.

Ebenfalls stellte sich die Nicht-Nutzung von Drohnen als gravierender Umstand heraus. Während der Täter den Veranstaltungsort noch kurz vor dem Attentat per Drohne ausgekundschaftet hatte, habe der Secret Service wegen „Verbindungsproblemen“ per Funk keine Drohnen zur Überwachung von oben eingesetzt, erklärte Rowe. Eine weitere Fehlleistung habe in der nicht funktionierenden Kommunikation mit den örtlichen Behörden bestanden, erläuterte er. Obwohl es zahlreiche Hinweise auf die verdächtige Person sowohl von der lokalen Polizei, als auch von Zuschauern der Veranstaltung an den Secret Service gab, konnte der Schütze in Position gehen und feuern. Rowe sagte, die Hinweise und Warnungen seien in den Kommunikationskanälen der Polizei „steckengeblieben“ und hätten den Secret Service nie erreicht.

Gegenüber dem TV-Sender ABC-News beklagten lokale Polizisten hingegen die mangelnde Zusammenarbeit mit dem Dienst. Mehrere Textnachrichten der örtlichen Polizei mit Hinweisen auf den Verdächtigen an den Secret Service seien unbeantwortet und folgenlos geblieben. Die Polizisten hatten Crooks demnach bereits knapp zwei Stunden vor dem Attentat um den Gebäudekomplex verdächtig herumlaufen sehen und fotografiert. Auch in aktuell veröffentlichtem Filmmaterial der Bodycam eines der Polizisten am Tatort ist zu hören, dass er den Secret Service bereits in einem Meeting Tage vor der Veranstaltung aufgefordert hatte, an dem Gebäude Sicherheitskräfte aufzustellen. Weitere Einsatzkräfte sind zu hören, die überrascht fragen, warum niemand auf dem Dach postiert war.

Zahlreiche Fragen blieben in der Anhörung des amtierenden Secret-Service-Chefs auch weiterhin unbeantwortet. So fragten etwa der republikanische Senator Josh Hawley aus dem Staat Missouri sowie der republikanische Senator Ted Cruz aus Texas nach den verantwortlichen Entscheidungsträgern für die Veranstaltung. Rowe stellte klar, dass er bisher keinen einzigen seiner Mitarbeiter entlassen habe. Er betonte, dass er mehr Zeit für weitere Untersuchungen brauche, um nicht überstürzt zu urteilen. Sollte sich herausstellen, dass gegen Richtlinien verstoßen worden sei, würden disziplinarische Konsequenzen folgen.

Das bisherige Handeln des Secret Service hat Rowe zufolge „zu zahlreichen falschen und gefährlichen Verschwörungstheorien“ geführt. Entgegen Behauptungen im Internet habe der Scharfschütze des Secret Service nicht erst auf eine Genehmigung warten müssen, um den Täter zu erschießen. Eine weitere Theorie lautet, der Secret Service als Behörde der US-Regierung unter Trumps Gegner Joe Biden habe das Attentat vorsätzlich geschehen lassen, um Trump auszuschalten. Der Secret Service habe jedoch vorher nicht gewusst, dass sich ein Attentäter auf dem Dach befand, erklärte Rowe.

Bei dem Mordversuch waren in 16 Sekunden insgesamt zehn Schüsse gefallen. Die ersten acht Schüsse, die in Salven von drei und fünf abgefeuert wurden, sind nach aktuellem Kenntnisstand vom Attentäter Thomas Matthew Crooks abgegeben worden. Dies bestätigten vier von der Washington Post befragte Experten anhand ausgewerteter Tonaufnahmen. Richard Goldinger, der Bezirksstaatsanwalt von Butler County, sagte der Zeitung, dass ein Mitglied der Bezirks-Spezialeinheit Emergency Services Unit (ESU) den neunten Schuss auf Crooks abgefeuert hat. Dieser, so glaubt Goldinger, habe einem Scharfschützen des Secret Service die nötige Zeit verschafft, um den Attentäter schließlich zu töten. Die Ermittler gehen weiterhin davon aus, dass es sich bei Crooks um einen Einzeltäter handelt. Seine Motive seien noch immer unklar.

Der republikanische Senator Chuck Grassley aus Iowa und die demokratische Senatorin Catherine Cortez Masto aus Nevada hatten nach dem Attentatsversuch einen Gesetzentwurf eingebracht, der eine Bestätigung des künftigen Direktors des Secret Service durch den Senat vorschreibt. Präsident Biden hatte Cheatle 2022 zur Leiterin des Secret Service ernannt, nachdem diese ihm zuvor während seiner Vizepräsidentschaft unter Obama als Personenschützerin gedient hatte. Das Repräsentantenhaus stimmte für die Bildung eines parteiübergreifenden Ausschusses, um das Attentat auf Trump aufzuklären. Der Ausschuss aus 13 Mitgliedern beider Parteien soll bis zum 13. Dezember seinen Abschlussbericht vorlegen und Empfehlungen für weitere Gesetzesänderungen aussprechen.


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