Düsseldorf, 26. Februar 2022 | Bild: picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt

Corona-Proteste: Fast 200.000 Bürger demonstrierten am Montag deutschlandweit

Die Anzahl der Demonstranten hat sich, nach starken Verlusten in der Vorwoche, stabilisiert. Offenbar wird bei der Zählung, vor allem medial, aber mit zweierlei Maß gemessen, je nach politischer Ausrichtung der Demonstrationen.

PAUL SOLDAN, 2. März 2022, 1 Kommentar, PDF

Die Montagsdemonstrationen vom 28. Februar

Laut offiziellen Angaben kam es zu den größten Protesten in Nürnberg (3.000 Teilnehmer) (Video), Bautzen (2.800), Halle (2.000), Zittau (1.600), Landshut und Kempten (jeweils 1.500), Chemnitz und Wittenberg (1.400), Gera, Pforzheim, Altenburg und Freiberg (jeweils 1.200), Rostock (1.100), Görlitz und Löbau (jeweils 1.000) sowie in Lübeck, Schwerin und Hildburghausen (jeweils 900).

Die Angaben über die Teilnehmerzahlen sind erneut teils strittig. So schätzte die Initiative „Team Menschenrechte Nürnberg“ die Zahl auf 5.000 Personen, der Verein „Bayern steht auf Landshut“ das dortige Geschehen auf 3.500 (Video) und in Kempten sprach der Veranstalter von 2.000. In Cottbus waren laut Polizeiangaben mehrere Hundert Menschen auf der Straße, konkrete Zahlen wurden jedoch nicht angegeben. (Video)

Multipolar hat die offiziellen Gesamtzahlen der Bundesländer erneut bei den Innenministerien und Polizeidirektionen der Länder abgefragt, soweit diese nicht schon in der Presse veröffentlicht wurden. Die Gegendemonstrationen sind in den meisten Bundesländern (dort, wo ihre Zahl durch die Polizei separat ausgewiesen wird) bereits herausgerechnet. Demzufolge demonstrierten am Montag in:

  • Sachsen (36.700 bei 174 Demos)
  • Bayern (34.000 bei 115 Demos)
  • Baden-Württemberg (33.000 bei 284 Demos)
  • Nordrhein-Westfalen (14.500 bei 146 Demos)
  • Thüringen (14.300 bei 68 Demos)
  • Brandenburg (12.200 bei 74 Demos)
  • Sachsen-Anhalt (10.500 bei 51 Demos)
  • Hessen (8.000)
  • Niedersachsen (7.600 bei 127 Demos)
  • Mecklenburg-Vorpommern (6.500 bei 33 Demos)
  • Schleswig-Holstein (5.700 bei 79 Demos)
  • Rheinland-Pfalz (5.000 bei 79 Demos)
  • Berlin (2.200 bei 4 Demos)
  • Saarland (800 bei 11 Demos)
  • Hamburg (200 bei 5 Demos)
  • Bremen (200 bei 1 Demo)

Somit nahmen am 28. Februar bundesweit mehr als 190.000 Menschen an mehr als 1.300 Demonstrationen teil. Die amtlichen Teilnehmerzahlen sind damit im Vergleich zur Vorwoche leicht angestiegen. (Anmerkung 02.03.: Die Zahlen aus NRW lagen zunächst nicht vor und wurden nachträglich ergänzt.)

Rostock, 28. Februar 2022 | Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bernd Wüstneck

Das Protestgeschehen vom 22. bis 27. Februar

Zu den größten Protesten der vergangenen Woche kam es laut offiziellen Angaben in Reutlingen (Samstag / 6.000 Teilnehmer), Augsburg (Samstag / 4.200 (Video), Saarbrücken (Sonntag / 4.000), Hamburg (Samstag / 3.500), Aschaffenburg (Samstag / 2.700), Düsseldorf (Video) und Gifhorn (Samstag / jeweils 2.500), Chemnitz (Samstag / 1.800), Freiburg (Samstag / 1.600), München ( Mittwoch / 1.500) sowie in Wolgast (Dienstag / 1.000).

Auch hier gehen die Angaben über die Teilnehmerzahlen teilweise auseinander. So schätzte ein Mitglied des Münchener Orga-Teams die Teilnehmer auf 4.000, in Frankfurt am Main sollen es mindestens 10.000 gewesen sein (Video), so ein Teilnehmer.

Corona vs. Ukraine – unterschiedlicher Umgang mit Teilnehmerzahlen

Laut RBB haben in Berlin am 27. Februar „Hunderttausende“ gegen den russischen Angriff auf die Ukraine protestiert. Die Polizei spricht zurückhaltender von einer „unteren sechsstelligen Zahl“. In diesem Zusammenhang zeigt sich eine Diskrepanz zur Berichterstattung über die Corona-Demonstrationen. In den vergangenen Wochen, in denen laut offiziellen Angaben bis zu 370.000 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen auf der Straße waren, wurden diese Zahlen häufig nur mit „Tausende“ in der Presse ausgewiesen – Multipolar berichtete. Vergleicht man die Angaben zur Ukraine-Demo mit der regierungskritischen Großdemo in Berlin vom 1. August 2020, bei der damals offiziell 20.000 Menschen – am selben Platz und den Bildern zufolge in vergleichbarer Größe – gegen die Corona-Politik protestiert haben, scheint hier ein doppelter Standard angelegt zu werden.

Cottbus: 238 Berufsurkunden an Oberbürgermeister übergeben

In Cottbus wurde am 23. Februar vor der Stadthalle, unmittelbar vor der Stadtverordnetenversammlung demonstriert. Dort hat die „Interessengemeinschaft Freie Impfentscheidung“ Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) 238 Urkunden und Berufszertifikate von Mitarbeitern aus dem Gesundheitswesen übergeben, um damit gegen die nahende einrichtungsbezogene Impfpflicht zu protestieren (Video). Katrin Jaschan, Initiatorin der Interessengemeinschaft, appelierte vor der Übergabe der Urkunden an die Stadtspitze:

„Wir haben in den letzten vier Wochen einige Hundert Menschen vernetzt, die sich aus guten Gründen einem Genexperiment nicht unterziehen möchten; mit einem Impfstoff, der eine begrenzte Zulassung besitzt, über den keine ausreichende Datenlage zu den Nebenwirkungen und Langzeitfolgen und zur tatsächlichen Wirksamkeit existieren. Zudem ist es nicht die Aufgabe der Ungeimpften die Geimpften zu schützen, denn das sollte die Aufgabe des Impfstoffes sein. Und nur weil Menschen dies alles hinterfragen und selbstbestimmt mit ihrem Körper umgehen möchten, werden diese aus der Gesellschaft ausgeschlossen und diffamiert – und es ist leider wirklich so: Wir werden diffamiert! Nun ist die teilweise gesellschaftliche Verbannung eine Sache, die andere Sache ist jedoch, dass auch wir in Cottbus einen Fachkräftemangel haben. Wie werden Sie Ihrem Versorgungsauftrag nachkommen, Herr Kelch?

Diese Urkunden, Zeugnisse und Berufszertifikate, die wir gesammelt haben, stammen von Menschen, die sich eben nicht impfen lassen möchten und die im Jahr 2020 noch beklatscht wurden. Im Jahr 2022 werden diese Menschen von ihrem Arbeitgeber ins Büro gebeten; ihnen wird angedroht, unentgeltlich beurlaubt zu werden. Im Klartext heißt das für die Betroffenen, dass sie ohne Einkünfte, Sozial- und Krankenversicherung dastehen – zumindest sagt man ihnen das erst einmal so. (...) Einmal ganz davon abgesehen, dass diese gesamte Situation tendenziell menschenverachtend ist, zumal Alleinerziehende mit Kindern betroffen sind, wissen die Gesundheitsämter nicht, wie sie den zusätzlichen Arbeitsaufwand überhaupt bewältigen sollen. Wie sollen sie verfahren? Auf welcher Grundlage werden dann die Menschen vielleicht gekündigt oder einfach nur beurlaubt? Und dürfen sie das überhaupt? Das sind alles Fragen, die uns bewegen. (...)

Wahrscheinlich schmunzeln Sie und denken sich: Haben sie selbst verschuldet, diese Impfgegner! Aber genau hier liegt das Problem: Wir hatten uns nämlich Demokratie ein bisschen anders vorgestellt, um ehrlich zu sein. Wir möchten mit Ihnen darüber diskutieren, ob nur derjenige gesund ist, der ein negatives Testergebnis und den gewünschten Impfstatus nachweist. Sollten wir nicht darüber reden, ob diese neue Normalität wirklich unsere neue Normalität werden soll? Wo bleibt unser Mitspracherecht? (...) Die kritischen Stimmen werden gekonnt überhört und mit Propaganda niedergeschmettert. Es wird gesagt, wir sind Rechte. Wir sind aber keine Rechten! Geht es hier eigentlich noch um Gesundheit oder geht es um Gehorsam? (...)

Und so stehen wir heute hier und sagen: ohne uns! Wir sagen nein, und wir übergeben Ihnen diese Urkunden, die sicherlich in der Menge klein erscheinen. Doch hinter jeder dieser Urkunden steht ein Mensch, eine Familie und deren Schicksal. (...) Heute an diesem 23.02.2022 haben wir Sie, Herr Kelch, und einen Teil der Stadtverordneten auf die Missstände und die äußerst prekäre Lage hingewiesen – Sie können nun nicht mehr sagen: Ich habe nichts gewusst!“

So ein Auszug aus der Rede von Katrin Jaschan. Multipolar hat in diesem Zusammenhang bei Oberbürgermeister Kelch nachgefragt, bislang erfolgte keine Rückmeldung.

Bürgerdialoge – Schleswig-Holsteins Innenministerin setzt ein Zeichen, Bürgermeister bleiben passiv

Kiel

In Kiel ist die Schleswig-Holsteinische Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack der Einladung der Organisatoren der Corona-Demos gefolgt und sprach auf der Demonstration am 24. Februar mit den Teilnehmern (Video). Eine Forderung an die Innenministerin lautete unter anderem, dass Ärzte auch für das Melden von Impfnebenwirkungen infolge der Corona-Impfung vergütet werden, da dies bislang nicht der Fall sei, was mutmaßlich eine erhebliche Untererfassung der Impfnebenwirkungen zur Folge habe – Multipolar berichtete. Die Innenministerin verließ nach wenigen Minuten die Kundgebung wieder, lud die Organisatoren jedoch in kleinerer Runde ins Ministerium zu einem Gespräch ein, bei dem ausführlich die Fragen und Forderungen thematisiert werden könnten.

Multipolar hat bei Innenministerin Sütterlin-Waack nachgefragt, wann und in welcher Form das Dialogangebot stattfinden werde. Dazu teilte das Innenministerium mit, dass die Innenministerin der Überzeugung sei, „dass der gemeinsame und gegenseitige Austausch bei dieser Thematik von großer Bedeutung ist und dass alle Beteiligten ein Recht auf ihre Meinungsäußerung haben und diese auch gehört werden sollte“. Zur Einladung für einen weiteren Dialog wurde um Verständnis gebeten, „dass über Zeitpunkt, Ort und Form des Zusammentreffens erst mit den Initiatoren gesprochen wird“ und dies nicht im Vorwege über die Medien kommuniziert werde. Zudem habe die Innenministerin den Verantwortlichen auf der Veranstaltung zugesagt, „bis zu dem anstehenden Dialog in kleiner Runde die Frage zu den Impfnebenwirkungen über die zuständigen Fachleute der Landesregierung prüfen zu lassen“, so ein Sprecher.

Görlitz

Die Stadt Görlitz teilte auf Nachfrage mit, dass es Dialogmöglichkeiten mit dem Oberbürgermeister unabhängig von Corona dauerhaft geben würde. „Seit 2013 gibt es bei uns bürgerschaftliche Beteiligung und vor diesem Hintergrund jährlich in jedem Stadtteil Bürgerversammlungen. Darüber hinaus finden monatlich Bürgersprechstunden im Rathaus und zusätzlich mobile Bürgersprechstunden mit dem Oberbürgermeister und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung an verschiedenen Orten des Stadtgebietes im Freien ohne Terminvereinbarung statt.“ Hürden, die einem Bürgerdialog im Weg stehen, gäbe es grundsätzlich keine. „Ein Dialog setzt jedoch immer die Bereitschaft zum Gespräch, das heißt zuhören und argumentieren, von allen Gesprächsteilnehmern voraus“, so eine Sprecherin.

Lübeck

Aus Lübeck heißt es auf Nachfrage, dass den „Veranstaltern der Montagsdemonstrationen eine Gesprächsrunde mit dem Bürgermeister angeboten worden“ sei, diese davon bisher jedoch „keinen Gebrauch gemacht“ haben. „Tiefgreifende ‚gesellschaftliche Spannungen‘“, welche bei den Demonstrationen zum Ausdruck kämen, können nicht festgestellt werden. Mittlerweile seien die Veranstaltungen stets angemeldet, „die Auflagen werden überwiegend eingehalten, die Demos selbst, aber auch die Gegendemos verlaufen friedlich“.

Ulm

Eine Sprecherin der Stadt Ulm gab an, dass es keine Planung für einen Runden Tisch gäbe. Auf die Frage, auf welchem Weg die Stadtverwaltung Spannungen in ihrer Stadt überbrücken wolle, heißt es: „In einer offenen, pluralistischen Gesellschaft sind unterschiedliche Meinungen der ‚Normalzustand‘. Nicht jede Meinungsdifferenz stellt gleich eine Spaltung dar. Natürlich ist es bedauernswert, dass das Thema Corona dermaßen emotionalisiert. Bei genauem Hinsehen lässt sich aber ein durchaus heterogenes Meinungsbild erkennen. Wie bei jedem Thema ist die Diskussion mit Menschen, die an den äußeren Rändern des Meinungsspektrums stehen, dagegen schwierig. Gänzlich unmöglich wird sie mit denjenigen, die sich bereits von der FDGO [freiheitliche demokratische Grundordnung] verabschiedet haben. Dem eigenen Narrativ folgend, müssen diese Menschen auch jeden Diskurs ablehnen, schließlich sind offizielle Stellen ja bereits als ‚Unrechtsregime und seine Schergen‘ entlarvt“. Konkrete Hindernisse, die einen Dialog nicht ermöglichen, seien, dass diejenigen, „die in Ulm nicht angemeldete ‚Spaziergänge’ initiieren und anleiten“, sich nicht zu erkennen gäben. Für die Stadt gehöre es jedoch dazu, „Gesicht zu zeigen und seinen Namen zu nennen“, wenn man gehört werden wolle. „Anonymität kann in einer Diktatur ein berechtigter Schutz sein, hier ist sie es nicht“, so eine Sprecherin.

Wismar

Die Stadt Wismar teilte auf Nachfrage mit, dass die „üblichen Kommunikationsveranstaltungen“ stattfinden würden, bei denen stets alle Bürger teilnehmen können. „Die Stadtverwaltung ist stets im Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern mit bewährten Formaten, das halten wir auch für den richtigen Weg“, so ein Sprecher.

Reutlingen

Eine Sprecherin der Stadt Reutlingen teilte mit, dass derzeit kein Einblick in die Planungen gegeben werden könne.

Aus Verden (Aller), Landshut und Königs Wusterhausen erfolgten keine Rückmeldungen.

Befördern Erklärungen „für Vernunft, Solidarität und Zusammenhalt“ wirklich den gesellschaftlichen Zusammenhalt?

Mehr als 70 Persönlichkeiten aus Politik, Religion, Kultur, Gewerkschaften und Wirtschaft haben sich an der „Frankfurter Erklärung Solidarität und Zusammenhalt“, die am 10. Februar veröffentlicht wurde, als Erstunterzeichner beteilgt, um „ein Zeichen gegen rechte Hetze in der Pandemie“ zu setzen, so die Erklärung. In der Erklärung heißt es:

„Wir stellen fest, dass bei den Demonstrationen der Corona-Leugnerinnen auch Rechtsextreme, Rechte und Feindinnen unserer Verfassung teilnehmen. Wer an diesen Demonstrationen trotzdem weiterhin teilnimmt, sollte sich bewusst sein, mit wem er oder sie dort zusammen demonstriert. (...) Das Demonstrationsrecht und das Recht auf Meinungsfreiheit sind grundgesetzlich verbriefte hohe Güter, die selbstverständlich auch in Pandemiezeiten gelten, daher ist es falsch, wenn von sogenannten Spaziergänger*innen das Bild der Bundesrepublik Deutschland als Diktatur gezeichnet wird. In einer Diktatur wären diese sogenannten Spaziergänge schlicht nicht möglich beziehungsweise die Menschen, die daran teilnehmen würden, wären Repressionen und Verfolgung ausgesetzt“.

Weiter heißt es, dass zu den Grundsätzen einer Demokratie gehöre, dass „jede Corona-Maßnahme auch weiterhin diskutiert werden kann und kritisch hinterfragt werden darf“. Nichtsdestotrotz sei die Impfung „der Weg, der uns aus der Pandemie hilft“. Abschließend wurde dazu aufgerufen, „sich gemeinsam mit uns für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft einzusetzen“ und „sich nicht an den sogenannten Spaziergängen der Corona-Leugner*innen zu beteiligen“. Frankfurt sei eine „weltoffene Stadt und soll es bleiben“, so die Erklärung.

Dies wirft die Frage auf, inwieweit die Unterzeichner zum einen mit der rechten Kontextualisierung sowie der persönlichen Positionierung gegen die Demonstranten – insbesondere, da auch von offizieller Seite regelmäßig darauf hingewiesen wird, dass ein Großteil der Demonstrierenden aus dem bürgerlichen Spektrum stammt – nicht zum Zusammenhalt, sondern zur weiteren Spaltung innerhalb der Gesellschaft beitragen und ob Verständnis und Dialogbereitschaft nicht zielführender wären; und zum anderen, inwieweit zunehmende niedrigschwellige Polizeieinsätze, Strafanzeigen infolge von Auflagenverletzungen und Teilnahmen an verbotenen Versammlungen sowie Aburteilungen im beschleunigten Verfahren als Repressionen angesehen werden können.

Ebenso stellt sich die Frage, ob die Aussage „Impfen ist der Weg, der uns aus der Pandemie hilft“ nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen glaubwürdig ist, da mittlerweile bekannt ist, dass Geimpfte wie Ungeimpfte das Virus gleichermaßen aufnehmen und auch verbreiten können, sowie die Zahl der Menschen in Deutschland, die 2021 „wegen Impfnebenwirkungen nach Corona Impfung in ärztlicher Behandlung“ gewesen sind, vermutlich 2,5 - 3 Million beträgt (mehr als zehnmal mehr als offiziell vom Paul-Ehrlich-Institut gemeldet), wie es der (inzwischen entlassene) Vorstand der Krankenkasse BKK ProVita Andreas Schöfbeck zuletzt in einem Brief an das Paul-Ehrlich-Institut dargelegt hatte.

Multipolar hat in diesem Zusammenhang bei folgenden Erstunterzeichnern nachgefragt: Peter Feldmann (Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main, SPD), Michael Boddenberg (Finanzminister des Landes Hessen, CDU), Janine Wissler (Bundesvorsitzende und Mitglied des Bundestages der Linken), Miriam Dahlke (Hessische Landtagsabgeordnete, Die Grünen) sowie Turgut Yüksel (Hessischer Landtagsabgeordneter, SPD).

Von Miriam Dahlke heißt es, dass die Frankfurter Erklärung nicht behaupte, „dass alle Teilnehmer/innen an den Demonstrationen Rechte, Coronaleugner/innen oder Verschwörungstheoretiker/innen“ seien. Jedoch sei „nicht wegzudiskutieren“, „dass bei den sogenannten Corona-Spaziergängen immer wieder Personen zu sehen sind, die krude Verschwörungstheorien verbreiten, gewaltbereit sind und Holocaustrelativierung betreiben, zum Beispiel durch eine unerträgliche Zurschaustellung des gelben Davidssterns“. Die Meinungsfreiheit und Demokratie in Deutschland seien nicht gefährdet. „Die inflationäre Verwendung des Begriffes ‚Diktatur‘ relativiert die schrecklichen Zustände von Angst und Unterdrückung, die in wirklichen Diktaturen herrschen. Demonstrationen, in denen offen Kritik an der Politik und den aktuellen Maßnahmen geäußert wird, werden in Deutschland von der Polizei begleitet und beschützt – niemand begibt sich für die Äußerung seiner oder ihrer Meinung in Gefahr.“

Zudem würde in einer Demokratie zu leben bedeuten, dass Meinungen und Standpunkte diskutiert werden können. „Nichts weiter wurde mit der Frankfurter Erklärung getan. Sie ist, aus diesen genannten Gründen also der Ausdruck eines demokratischen Diskurses in einem freien Land.“ Die in der Erklärung enthaltene Aussage „Impfen ist der Weg, der uns aus der Pandemie hilft“ sei richtig, da diese „die Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung“, „eines tödlichen Krankheitsverlaufs“ sowie „das Risiko der Weitergabe“ reduzieren würde, so die Hessische Landtagsabgeordnete.

Ein Sprecher des Hessischen Finanzministeriums teilte mit, dass Finanzminister Boddenberg die Frankfurter Erklärung vollumfänglich mittrage und aus diesem Grund auch zu den Erstunterzeichnern gehört habe. Von den übrigen Angefragten erfolgte keine Rückmeldung.

Im mittelfränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen haben sich 39 Persönlichkeiten aus Politik, Gewerkschaften und Wirtschaft Anfang Januar an der „Erklärung für Vernunft und Solidarität in der Corona-Pandemie“ als Erstunterzeichner beteiligt, um „den unsäglichen Aufmärschen und Kundgebungen von Coronaleugnerinnen und Impfgegnerinnen in unserem Landkreis eine starke und unmissverständliche Haltung der Vernunft und der gesellschaftlichen Solidarität entgegenzusetzen“, so die Resolution.

Weiter heißt es: „Wir wollen es nicht länger hinnehmen, dass die gewaltigen gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen für den Schutz von Leben und Gesundheit durch das verantwortungslose Handeln einer kleinen, aber lautstark und rücksichtslos auftretenden Minderheit gefährdet werden. (...) Aufmärsche, welche die Gefahren durch eine Infektion mit dem Coronavirus verharmlosen und dazu aufrufen, die öffentlichen Maßnahmen des solidarischen Gesundheitsschutzes zu unterlaufen, sind dagegen nicht nur verantwortungslos, sondern tragen vor allem auch dazu bei, dass die genannten gesellschaftlichen Bereiche noch länger unter den Auswirkungen der Pandemie leiden müssen, als es notwendig wäre. (...) Deswegen rufen wir die Menschen in unserem Landkreis dazu auf, die weltweite Impfkampagne gegen das Coronavirus SARS-Cov-2 zu unterstützen und die vorhandenen Impfangebote anzunehmen (...) und wenden uns gegen jene, die mit gefährlichen Verschwörungserzählungen unsere liberale und soziale Demokratie angreifen und durch ihre nicht vorhandene Distanz zu rechtsextremen und antisemitischen Gruppierungen jene gesellschaftliche Spaltung erst herbeiführen.“

In einem Telefonat mit dem Organisator der Gunzenhausener Schweigemärsche Clemens von Fürstenberg erfuhr Multipolar, dass dieser den Gunzenhausener Bürgermeister Karl-Heinz Fitz (CSU) – sowohl öffentlich als auch in einem persönlichen Gespräch – in Bezug auf die Erklärung zum Dialog eingeladen habe. Diese Einladung habe Fitz jedoch abgelehnt, da ein Gespräch nichts bringen würde, so von Fürstenberg.

Im Zusammenhang mit der Resolution und des abgelehnten Dialogangebots hat Multipolar bei Fitz nachgefragt. Auf die Frage, inwieweit Fitz mit seiner persönlichen Positionierung gegen die Demonstranten sein Neutralitätsgebot verletzt habe, sowie, inwieweit für ihn die enthaltene rechte Kontextualisierung von Demonstranten, die ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen, mit einer vermeintlichen Haltung zu diesem demokratischen Grundrecht vereinbar sei, heißt es von einem Sprecher, dass seitens der Stadt der „Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit Raum und Beachtung“ gegeben werde, zeige, „dass bereits mehrfach Versammlungen stattfanden“. Zudem habe sich Bürgermeister Fitz „nicht gegen ‚die Demonstrierenden‘ in Ausübung des Demonstrationsrechts positioniert“. „Demonstrierende nehmen für sich in Anspruch, ihre Ansichten deutlich machen zu dürfen. Dieses Recht steht auch jedem Bürgermeister zu.“ Auf die Frage, inwieweit eine „liberale und soziale Demokratie“ mit der Kontextualisierung der Demonstrierenden zu rechtsextremistischen und antisemitischen Gruppierungen vereinbar sei, gab die Stadt an, dass sich an den Demonstrationen auch „Rechtsextreme und antisemitische Gruppierungen beteiligen“ würden. „Dies zu benennen ist ebenfalls das liberale Recht der Verfasser der in Rede stehenden Resolution.“

In Bezug auf mögliche Bürgerdialoge heißt es, dass es „keine Spannungen zwischen der Stadtverwaltung und der Bürgerschaft“ gäbe, der Bürgermeister und die Verwaltung würden „die Möglichkeit, in Gunzenhausen Demonstrationen durchführen zu können“, unterstützen. Dialog sei sinnvoll, jedoch letztlich nur dann zielführend, „wenn man sich über Grundhaltungen und Formate verständigen, sowie von einem gemeinsamen Wertekanon ausgehen kann“. Die Frage, warum der Bürgermeister von Fürstenbergs Dialogangebot abgelehnt habe, wurde nicht beantwortet.

Über den Autor: Paul Soldan, Jahrgang 1988, war nach seiner Ausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen bis zum Jahr 2017 für verschiedene Finanzdienstleistungsunternehmen in Hamburg tätig. Von 2018 bis 2021 arbeitete er am Volkstheater Rostock, unter anderem als Regieassistent. Seit Anfang 2022 schreibt er regelmäßig für Multipolar über das Demonstrationsgeschehen in Deutschland.

AXEL KLEIN, 3. März 2022, 07:25 UHR

Sehr geehrter Herr Soldan,

weiterhin vielen Dank für Ihre differenzierte Berichterstattung.

Die Zitate aus Lübeck und Ulm ("Nicht jede Meinungsdifferenz stellt gleich eine Spaltung dar. Natürlich ist es bedauernswert, dass das Thema Corona dermaßen emotionalisiert."), aber auch die Reaktion auf die Nachfragen zur sogenannten "Frankfurter Erklärung" zeigen sehr deutlich, wie weit wir uns seit April 2020 voneinander entfernt haben. Dabei vergleiche ich Menschen, die nach wie vor ihre tägliche Gehirnwäsche aus den alten Medien genießen, mit denen der Minderheit, der ich angehöre, die wir uns dessen soweit wie möglich zu entziehen versuchen.

Seit Beginn der Wende in der offiziellen Coronasicht, also Anfang bis Mitte März 2020, werden die Fachleute, die von der Politik fundierte Begründungen und Nachweise für die Richtigkeit und Wirksamkeit der Maßnahmen fordern, gezielt und systematisch aus der Diskussion ausgeschlossen, persönlich beleidigt und diffamiert. Das sind die Fachleute, die in allen wesentlichen Fragen und Aussagen von Anfang an richtig lagen und deren Aussagen vom Verlauf der Ereignisse bestätigt wurden.

Nur ein Beispiel: Der heutige Allgemeinplatz, dass die sogenannte "Impfung" weder vor einer Infektion im Sinne einer Erkrankung schützt, noch die Weitergabe der Krankheit verhindert, wurde aufgrund der Wirkungsweise von den Herren Bhakdi und Hockertz im Herbst 2020 vorhergesagt.

Jetzt zu bedauern, dass das Thema Corona dermaßen emotionalisiere, ist für mich unerträglich zu lesen und erinnert mich an die Aussage von Heiner Geißler, dass der Pazifismus der 20iger Jahre Auschwitz erst möglich gemacht habe. Ebenso unerträglich ist es, mir die maskierten Polit-Sprechpuppen anzusehen, deren Heuchelei über 20 Jahre Verteidigung der Freiheit am Hindukusch noch sehr frisch in Erinnerung ist.

Dass die "Frankfurter Erklärung" z. B. von exOB Schöler und seiner Frau, der ehemaligen hr-Journalistin Holler unterschrieben wurde, ist schade, aber nicht wesentlich. Dass weite Teile der Repräsentanten der jüdischen Gemeinde auch dort zu finden sind, tut weh. Lange Jahre kannte ich diese Bevölkerungsgruppe als besonders sensibel gegenüber verallgemeinernd ausgrenzenden Tendenzen. Die Erinnerung daran, wie Ausgrenzungen beginnen, wie sich Scheinwissenschaftlichkeit entlarvt und wie wenig der Wechsel der Glaubensgemeinschaft in der deutschen Geschichte nützt, wenn Hass am Werke ist, war in dieser Gruppe besonders lebendig.

Was ist da geschehen? Nur die Übertragung des blinden palästinensischen Fleckes, kann es eigentlich nicht sein. Nenne der Kreis der Unterzeichner auch nur einen sachlich-inhaltlichen Irrtum eines Mitgliedes oder Mitgründers des MWGFD!

Schöne Grüße
Axel Klein

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