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Offener Brief eines Vollstreckungsbeamten: „Es muss endlich einen Weg zurück zur Vernunft geben“

Ein Vollstreckungsbeamter mit über 20 Jahren Berufserfahrung wendet sich an die Öffentlichkeit. Er spricht davon, wie es seine Arbeit beeinträchtigt, in Sachen Corona nicht offen reden zu können – und wie es ihm immer schwerer fällt, seine Überzeugung mit seiner Berufsausübung in Einklang zu bringen. Der Beamte, dessen Identität der Redaktion bekannt ist und der hier unter Pseudonym schreibt, appelliert: „In der Politik ist ein Einsehen nötig, dass der eingeschlagene Weg ein Irrweg ist.“

HANS LICHTENSTEIN, 1. Mai 2022, 3 Kommentare, PDF

Ich bin seit 34 Jahren Mitarbeiter einer Landkreisverwaltung, 24 davon als Mitarbeiter der Vollstreckung im Außendienst. Meine Aufgabe ist es, öffentlich-rechtliche Forderungen entsprechend des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes beizutreiben. Dies gleicht in etwa dem Job des Gerichtsvollziehers, nur eben nicht im privat-rechlichen Bereich. Ich habe diesen Job – so verrückt es klingt – immer gern gemacht. Die Vollstreckung im öffentlich-rechtlichen Bereich treibt alles bei, was von einer Kommune beziehungsweise einem Landkreis an Gebühren erlassen wird und deren Zahler säumig bleiben. Dies sind Bußgelder, Gebühren für die Müllentsorgung, Kostenbeiträge des Jugendamtes, Rückzahlungen von Sozialleistungen, BAföG und so weiter. Alles Dinge, die keiner gern zahlt. Aber sie sind notwendig, um unser öffentliches Leben am Laufen zu halten.

Mein Kundenkreis setzt sich aus Menschen der unterschiedlichsten Schichten zusammen. Manch einer hat einfach einmal etwas vergessen oder ist in eine momentane finanzielle Schieflage geraten, der nächste ist in seiner Zahlungsmoral eher etwas großzügig, andere bezahlen aus Prinzip nicht oder zumindest zu spät (auch wenn es dann deutlich teurer wird) und wieder anderen ist generell alles egal. Hinter vielen nicht bezahlten Rechnungen steht eine Geschichte. Regelmäßig sind es traurige Geschichten, manchmal kuriose und hin und wieder sogar lustige. Jeder Tag bringt neue, überraschende und manchmal auch unangenehme bis gefährliche Situationen.

Mit großem Interesse habe ich bei Multipolar die Veröffentlichung des „Offenen Briefes eines Polizisten" gelesen und dabei spontan viele Parallelen zu meinem Job feststellen können. Was seit zwei Jahren in deutschen Behörden abläuft, spottet jeder Beschreibung. Alles läuft nur noch im „Notbetrieb“. Als Beschäftigter hat man den Eindruck, die Erfüllung der Aufgaben ist weit in den Hintergrund gerückt. Wichtig sind in erster Linie die Umsetzung der Hygiene-Richtlinen sowie die Einhaltung der Testvorgaben. Homeoffice lautet dabei das Zauberwort. Eine direkte Zusammenarbeit mit Kollegen ist kaum noch gegeben. Teilweise habe ich Mitarbeiter seit über einem Jahr nicht gesehen. Dienstberatungen oder Weiterbildungen kennt man nur noch aus der Vergangenheit. Zudem ist es schwierig, mit Kollegen über „dieses eine Thema“ zu sprechen. Denn man kann niemals genau wissen, „welchem Lager“ das gegenüber angehört.

Ich bin in der DDR aufgewachsen und war 22 als die Mauer fiel. Ich habe genug eigene Erfahrungen, was die damalige Vorsicht vor Stasi-Spitzeln anbelangt. Nicht anders empfinde ich die Situation heute, wenn es um das Thema Corona und die Kritik am unumstößlichen Narrativ der Regierung geht. Man bewegt sich auf dünnem Eis, wenn man seinen Kollegen nicht wirklich gut kennt. Ich meine, die Maßnahmen-Befürworter und die stillen Dulder sind in den Reihen des Öffentlichen Dienstes in der Überzahl gegenüber den Kritikern. Aber dies ist lediglich mein subjektives Empfinden in meinem unmittelbaren Umfeld. Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob es um Beamte oder Angestellte geht. Beide sind von Zahlungen des Staates abhängig und halten deshalb im Zweifelsfall eher ihren Mund.

Für die Bürger gleicht die Behörde einer Festung. Die Türen sind seit 1,5 Jahren verschlossen, Zugang nur mit Termin, G-Regel, Test und so weiter. Die Behörde als Dienstleister für den Bürger war einmal. In regelmäßigen Abständen gibt es neue Weisungen. Oft fragt man sich als denkender Mensch, ob man unter dem Diktat von Schildbürgern arbeitet. So gab es beispielsweise vor einigen Monaten die Weisung, alle direkten Gespräche mit Bürgern, die eine Zeitdauer von 10 Minuten überschreiten, schriftlich mit Name und Kontaktdaten zu dokumentieren. Früher kannten wir den Datenschutz. Doch der spielt absolut keine Rolle mehr, wenn es um den Kampf gegen das Virus geht. Wichtig ist die Einhaltung des Mindestabstandes in der Kaffeeküche, der korrekte Sitz der Maske oder die Einhaltung der Maximalpersonenzahl in einem Büro. Alles andere hat seine Bedeutung verloren.

Ein weiterer Fakt, der die Arbeit nicht einfacher macht, ist der, dass man nicht mehr weiß, wem man was anvertrauen kann. Ein unbeschwertes Gespräch, selbst zu dienstlichen Belangen ist nicht mehr möglich, wenn man sich jedes Wort überlegen muss. Es gibt Kollegen, die sehr lange miteinander gearbeitet haben und sich jetzt nicht mehr grüßen, weil sie unterschiedliche Ansichten zum Thema Corona haben. Sicher ist das ein Abbild der gesamten Gesellschaft. Aber im Arbeitsbereich trägt es dazu bei, dass Arbeitsmoral und Motivation leiden.

Unter diesen Bedingungen fällt mir mein tägliches Dienstgeschäft immer schwerer. In der „Pandemie” bin ich vom aktiven Verfechter der Corona-Politik zum entschiedenen Gegner gereift. Im März 2020 wurde ich gefragt, ob es möglich sei, im Rahmen meines Außendienstes Aufgaben für das Gesundheitsamt zu übernehmen. Ich habe spontan zugesagt, weil ich helfen und meinen Beitrag zur Bewältigung der Situation leisten wollte. Doch bereits mit dieser Arbeit, durch Gespräche mit langjährigen Mitarbeitern des Gesundheitsamtes, kamen erste Zweifel. Mir wurde zunehmend bewusst, dass zwischen Mediendarstellung und Realität eine riesige Lücke klafft. Ich begann mich mehr und mehr alternativ zu informieren, zu hinterfragen und anzuzweifeln. Dies führte schnell dazu, auf die „andere Seite" zu wechseln. Mittlerweile würde ich mich selbst als Querdenker bezeichnen, und ich bin stolz darauf, nicht „geradeaus" zu denken und blind der Masse zu folgen.

Allerdings bringt das Probleme in meinem Job mit sich. Mehr und mehr bin ich mit der Vollstreckung coronabedingter Bußgelder konfrontiert. Aber wie soll ich etwas vollstrecken, von dessen Rechtmäßigkeit ich nicht überzeugt bin, beziehungsweise wogegen ich selbst verstoße? Wie kann ich morgens noch in den Spiegel schauen? Die „Lösung”, die ich für mich gefunden habe, ist, die Menschen dahingehend zu beraten, wie sie rechtlich gegen diese Bußgelder vorgehen können. Das ist natürlich schwierig, denn wenn eine Forderung vollstreckbar ist, sind alle Widerspruchsfristen längst verstrichen. Deshalb kann ich den Betroffenen nur raten, die Einsetzung des vorherigen Standes bei dem entsprechenden Fachamt zu beantragen und sich dazu bestenfalls einen Anwalt zu nehmen. Viele sind aber dazu finanziell nicht in der Lage. Daher kann ich lediglich Tipps geben, welche Anwälte zum Beispiel Musterschreiben im Internet veröffentlicht haben.

Wichtig für den Schuldner ist es meiner Meinung nach, Zeit zu gewinnen und die Behörde „zu beschäftigen“. Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. In diesen Zeiten noch mehr, als ohnehin bekannt. Eine weitere Möglichkeit ist die, die Bearbeitungszeiten der Vollstreckungsaufträge dieser Bußgelder solange in die Länge zu ziehen, bis eventuell eine Verjährung eintritt oder die Maßnahmen im günstigsten Fall (wie in Spanien vor Monaten) wegen nicht vorliegender Rechtmäßigkeit zurück genommen werden.

Es war schon immer mein Motto, nicht gegen, aber auch nicht für die Leute zu arbeiten, sondern gemeinsam mit ihnen eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden. Doch hier arbeite ich praktisch während meiner Arbeit gegen meinen Arbeitgeber, kann es aber mit meinem Gewissen nicht anders vereinbaren. Doch wie lange kann das gutgehen? Wann kommen unangenehme Fragen, aufgrund ausbleibender Einnahmen aus diesem Bereich?

Alles in allem, kann die Art und Weise, wie ich derzeit meine Arbeit mache, nicht die Lösung sein. Es muss endlich einen Weg zurück zur Vernunft geben. In der Politik ist ein Einsehen nötig, dass der eingeschlagene Weg ein Irrweg ist. Ein absoluter Neustart ist zwingend nötig. Ohne Tests, Masken, unsinnige Regeln und Impfzwang. Fehler zuzugeben ist in meinen Augen keine Schwäche, sondern eine der größten Stärken.

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A.F., 1. Mai 2022, 17:15 UHR

Vielen Dank für diesen Beitrag.

Allerdings bin ich immer wieder verblüfft und unangenehm berührt über diesen Marketing-Begriff "Kunde" bei Behörden, zu denen dann eine solche Beschreibung folgt:

"Für die Bürger gleicht die Behörde einer Festung. Die Türen sind seit 1,5 Jahren verschlossen, Zugang nur mit Termin, G-Regel, Test und so weiter. Die Behörde als Dienstleister für den Bürger war einmal. In regelmäßigen Abständen gibt es neue Weisungen. Oft fragt man sich als denkender Mensch, ob man unter dem Diktat von Schildbürgern arbeitet. So gab es beispielsweise vor einigen Monaten die Weisung, alle direkten Gespräche mit Bürgern, die eine Zeitdauer von 10 Minuten überschreiten, schriftlich mit Name und Kontaktdaten zu dokumentieren. Früher kannten wir den Datenschutz."

Aber bitte, wir brauchen viel mehr solcher Stimmen.

LEO HOHENSEE, 6. Mai 2022, 20:45 UHR

Es ist schon deprimierend, was in diesem Brief zum Ausdruck gebracht wird. Es ist schade, dass die Verhältnisse so sind, und es ist selbstzerstörerisch für diesen hochfunktionalen Staat.

Vor vielen Jahren habe ich als Berufsanfänger den Staatsapparat, gemeint sind Vertreter der Verwaltungen und des Beamtentums, als diejenigen erlebt, die alle zwei Jahre ihre 6-Wochen-Kur nahmen (ganz selbstverständlich). Diese Personen traten stets auf wie Autoritäten. Im Verlauf der Jahre habe ich andererseits erlebt, dass ein Amtsleiter sich im privaten Umfeld selbst schlecht gemacht hat, mittags würde er halt schlafen, schlafen nach Belieben. Das habe ich schon nicht verstanden, wie man von seiner eigenen Zuständigkeit so geringschätzig berichten kann. In Sachen Beamtenrecht und dem Wissen, was behördlich wie eingehalten werden muss und zu beachten ist, war der Mann total auf der Höhe. Und doch stand er beispielhaft für viele, die innerlich gekündigt hatten.

Vor Jahrzehnten war es schon so, dass aufgrund von Parteizugehörigkeiten Politiker in alles hinein Einfluss nehmen konnten. Nur damals hatten solche Einflussgrößen noch zwingend eine abgeschlossene Schulausbildung und zusätzlich noch mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung. Ich habe den Eindruck, heute kann jeder in die Staatsgeschicke und die Abläufe bei Behörden hineinpfuschen, der ein Parteibuch hat. Ich gehe noch einen Schritt weiter: auch jeder, der etwas mit Medien zu tun hat, wird zur dumm-daher-schwatzenden Einflussgröße.

LISA STEINMANN, 9. Mai 2022, 13:25 UHR

Vielen Dank für diesen aufschlussreichen Beitrag, der hoffen lässt. Leider befürchte ich bei der Aussage:

"Ein absoluter Neustart ist zwingend nötig."

eine gewollte Absicht der Strippenzieher hinter diesem großen Ganzen und ich befürchte womöglich, dass diese ganze Entwicklung mit dem Wunsch nach einem "Neustart" genau so gewollt war, damit am Ende alle diesen bedingungslos und erleichtert akzeptieren. Ich denke da an die Aussage von " David Rockefeller" aus dem Jahre 1994 vor dem Wirtschaftsausschuss der USA:

"Wir stehen am Beginn eines weltweiten Umbruchs. Alles, was wir brauchen, ist die eine richtig große Krise und die Nationen werden die «Neue Weltordnung» akzeptieren."

Ich hoffe sehr, dass ich mich irre und sich doch noch alles zum Guten wendet.

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