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Der Krieg gegen die Wahrheit, den Dissens und die Meinungsfreiheit

Syrien, die OPCW-Untersuchung zu Duma und die "Working Group on Syria, Propaganda and Media" – Vorbemerkung der Redaktion: Der britische Politikwissenschaftler und Propagandaforscher Piers Robinson beschreibt hier, mit welcher Vehemenz einige Leitmedien eine kritische Auseinandersetzung mit dem fragwürdigen Giftgasangriff in Duma im Jahr 2018 behindern und wie unliebsame Wahrheiten dennoch Stück für Stück ans Licht der Öffentlichkeit kommen.

PIERS ROBINSON, 14. Oktober 2020, 0 Kommentare

Am Samstag, dem 13. Juni 2020, veröffentlichte die Zeitung The Times ihren dritten Angriff auf Forscher, die sich mit der Untersuchung britischer Regierungspropaganda und dem Krieg in Syrien befassen. Dieses Mal konzentrierte sich der Angriff darauf, Professor David Miller und mich zu verleumden, mit dem Ziel, eine von uns gegründete akademische Organisation, die Organisation for Propaganda Studies (OPS), die Forschung und Veröffentlichungen über Propaganda fördern soll, zu diskreditieren.

Der Artikel enthielt zahlreiche Unwahrheiten und Verzerrungen und ähnelte in seinem Stil früheren Angriffen, die hauptsächlich durch den Einsatz des Begriffs "Verschwörungstheoretiker" auf Rufmord abzielten. Am auffälligsten war, dass die Artikel die Arbeit von Mitgliedern der Working Group on Syria, Propaganda and Media (WGSPM), der auch Miller und ich angehören, mit der OPS in irreführender Weise vermischten. Formelle Beschwerden der OPS sind im Gange und die Times sah sich bereits gezwungen, eine Reihe von Korrekturen vorzunehmen.

Natürlich sind Rufmordangriffe als Propagandataktik weit verbreitet und es gibt sogar ein akademisches Routledge-Handbuch zu diesem Thema, das "Routledge Handbook of Character Assassination and Reputation Management", das 2019 veröffentlicht wurde und etwa 30 Kapitel enthält. Die Angriffe der Times wurden durch ähnliche Artikel, die Chris York für die Huffington Post geschrieben hat, noch verstärkt.

Insgesamt wurden etwa 20 Artikel verfasst, in denen diejenigen von uns angegriffen werden, die sich mit dem Krieg in Syrien befassen und wichtige Aspekte der britischen Propagandaoperationen in Frage stellen. Der größte Teil dieser Artikel wurde von nur zwei Journalisten verfasst, Dominic Kennedy für die Zeitung The Times und Chris York für die Huffington Post. Dies stellt eine außergewöhnlich intensive und anhaltende Kampagne gegen uns dar.

Warum in aller Welt sind wir in solche Schwierigkeiten geraten?

"Verschwörungstheoretiker" und "Assadisten"

Die Geschichte dieser Angriffe ist aufschlussreich. Zum ersten Mal wurde der ehemalige Guardian-Journalist Brian Whitaker im Februar 2018 aufmerksam, als er in seinem Blog eine Reihe von groben Hetzartikeln verfasste, in denen er Akademiker, die mit der damals neu gegründeten WGSPM in Verbindung standen, verleumdete. Zu diesem Zeitpunkt hatte Chris York (der Journalist der Huffington Post) bereits seit mehreren Monaten versucht, mit mir, Professor Tim Hayward und der Journalistin Vanessa Beeley Kontakt aufzunehmen.

Aber erst einige Wochen nach Whitakers Verleumdungen begannen die Angriffe ernsthaft. Nach dem inzwischen umstrittenen, angeblichen Chemiewaffenangriff im syrischen Duma am 7. April 2018 bombardierten Großbritannien und Frankreich Ziele der syrischen Regierung und behaupteten, Syrien sei für den Chemiewaffenangriff verantwortlich. Zur gleichen Zeit, als diese Luftangriffe im Gange waren, veröffentlichte die Times of London vier Artikel, darunter einen auf der Titelseite, und Fotos von einigen von uns aus der WGSPM sowie einen Leitartikel.

Diese Artikel verleumdeten die Akademiker als "Verschwörungstheoretiker" und "Assadisten", weil sie die offizielle Sicht zu den Chemiewaffenangriffen in Syrien hinterfragten, und unterstellten außerdem die Existenz anrüchiger Verbindungen zu Russland. Chris York von der Huffington Post folgte dann dem Angriff der Times mit mehreren Artikeln, die uns attackierten. Die Artikel folgten einem ähnlichen Muster wie die Texte der Times und enthielten Behauptungen über "Verschwörung", "Leugnung von Kriegsverbrechen", Pro-Assad, Pro-Putin usw. Mehr als zwei Jahre später werden immer noch Schmähartikel veröffentlicht.

Der überwiegende Teil der Veröffentlichungen der WGSPM betraf die angeblichen Chemiewaffenangriffe in Syrien und insbesondere das Ereignis in Duma. Die Dokumente der Arbeitsgruppe dokumentierten schwerwiegende Anomalien und Probleme im Zusammenhang mit diesen Angriffen und analysierten insbesondere kritisch sowohl die Untersuchungen der OPCW zu diesen angeblichen Angriffen als auch die Beteiligung von Akteuren mit Verbindungen zu Großbritannien, darunter der verstorbene James Le Mesurier (Gründer der Weißhelme) und Hamish de Bretton-Gordon.

Wie in den Dokumenten der Arbeitsgruppe dargelegt, liegen Beweise dafür vor, dass die OPCW-Duma-Untersuchung manipuliert wurde, um sicherzustellen, dass mit dem Finger auf die syrische Regierung gezeigt werden konnte, die für den angeblichen Chemiewaffenangriff verantwortlich sei. In Wirklichkeit zeigen die Beweise nicht, dass ein Angriff stattgefunden hatte, sondern deuteten vielmehr darauf hin, dass der Angriff inszeniert worden war.

Unsere Ergebnisse wurden auf einer Veranstaltung im britischen Unterhaus und im Rahmen des Harvard-Sussex Program on Chemical and Biological Weapons vorgestellt.

Skeptiker mit Renommee und Sachkunde

Nicht nur die WGSPM hat Fragen aufgeworfen und umfangreiches Material untermauert nun ihre Arbeit. Beispielsweise äußerten selbst zur Zeit des Duma-Angriffs glaubwürdige Personen Zweifel an der Wahrscheinlichkeit eines Chemiewaffenangriffs der syrischen Regierung in Duma, gerade als ihre Streitkräfte kurz davor standen, die Enklave zurückzuerobern. Beispielsweise stellten sowohl Generalmajor a.D. Jonathan Shaw als auch Admiral a.D. Lord West die taktische Logik eines solchen Angriffs in Frage. Letzterer sprach die Möglichkeit an, dass das Ereignis von oppositionellen Gruppen durchgeführt wurde.

Nach der Veröffentlichung des endgültigen OPCW-Berichts zu Duma im März 2019 wurde der WGSPM ein technischer Bericht zugespielt, der zu dem Schluss kam, dass die Chlorgasflaschen wahrscheinlich manuell an den angeblichen Angriffsstellen platziert und nicht von einem Hubschrauber der syrischen Luftwaffe abgeworfen worden waren. Wie sich später herausstellte, war dieser technische Bericht von der OPCW-Leitung mit fadenscheinigen Gründen abgelehnt worden.

Im Herbst 2019 veranstaltete die Courage Foundation eine Podiumsdiskussion, bei der ein ehemaliger OPCW-Beamter eine Gruppe vertrauenswürdiger und maßgeblicher Persönlichkeiten – darunter José Bustani, erster Generaldirektor der OPCW – über bedeutende verfahrenstechnische und wissenschaftliche Mängel informierte, mit Bezug auf Chemie, Ballistik, Toxikologie und Zeugenaussagen.

Es folgte ein offener Brief der Courage Foundation an die OPCW-Vertragsstaaten, der von namhaften Stimmen wie Professor Noam Chomsky, Hans von Sponeck (ehemaliger Assistant Secretary-General bei der UNO), der GCHQ-Whistleblowerin Katharine Gun, dem ehemaligen UNSCOM-Waffeninspektor Scott Ritter, dem Filmregisseur und Produzenten Oliver Stone und John Pilger unterzeichnet wurde.

Seitdem wurden von Wikileaks verschiedene Dokumente veröffentlicht, die Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Untersuchung des Duma-FFM (Anm.d.Ü.: Fact Finding Mission) belegen, während Journalisten wie Peter Hitchens (Mail on Sunday), Stefania Maurizi (ehemals La Repubblica) und Robert Fisk (The Independent) über das Thema berichteten.

Peter Hitchens war eine besonders lautstarke Stimme, die den Ruf von zwei OPCW-Mitarbeitern verteidigte, die einer böswilligen internen Untersuchung unterzogen wurden, die darauf abzielte, ihren Ruf zu beschädigen.

Im Jahr 2020 wurden weitere Leaks von The Grayzone in den USA veröffentlicht, darunter Erklärungen weiterer OPCW-Personen, und jüngst veröffentlichte Aaron Maté einen Artikel in der amerikanischen Zeitschrift The Nation.

Schließlich sprach der ehemalige OPCW-Inspektor Ian Henderson auf einer informellen Sitzung des UN-Sicherheitsrates, wo er Unregelmäßigkeiten und Fehlverhalten, das er im Zusammenhang mit der FFM-Duma-Untersuchung erlebt hatte, ausführlich darlegte. Im September 2020 fand ein zweites informelles Treffen ("Arria-Formula Meeting") statt, bei dem erneut über die FFMs der OPCW in Syrien und über die Duma-Untersuchung debattiert wurde und an dem auch der ehemalige OPCW-Inspektor Ian Henderson teilnahm. Und Anfang Oktober wurde bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates eine Erklärung des Ersten Generaldirektors der OPCW, José Bustani, verlesen, in der erneut Bedenken zur Durchführung der OPCW-Duma-Untersuchung geäußert wurden.

Zweifel sind legitim

Jedem einfachen Beobachter sollte vollkommen klar sein, dass die Aktivitäten und Ergebnisse der WGSPM legitim sind. Unsere Arbeit stand an vorderster Front bei einer Angelegenheit, die von Journalisten großer Medien diskutiert und durch Informationen von Personen innerhalb der OPCW selbst bestätigt wurde.

Warum haben dann die Times of London und die Huffington Post in zwei Jahren etwa 20 Artikel (darunter drei Leitartikel in der Times) veröffentlicht, die uns angreifen?

Allgemein gesagt ist das Verhalten sowohl der Times als auch der Huffington Post beunruhigend und deutet auf eine bewusste Kampagne hin, die darauf abzielt, die öffentliche Debatte sowohl über den Krieg in Syrien als auch über die Beteiligung der britischen Regierung an der Unterstützung von Aktivitäten zum Sturz der syrischen Regierung zu unterdrücken.

Die Verwicklung des Vereinigten Königreichs in den Krieg in Syrien schloss die direkte Unterstützung oppositioneller Gruppen ebenso ein wie potentiell kriminelle Aktivitäten im Zusammenhang mit der OPCW und im Zusammenhang mit der Inszenierung angeblicher Chemiewaffenangriffe.

Eine Kampagne der "Integrity Initiative"?

In den letzten Wochen ist eine große Menge von Dokumenten des britischen Außenministeriums durchgesickert, die eine umfangreiche "strategische Kommunikationsoperation" zur Unterstützung des Krieges gegen Syrien dokumentieren. Ben Norton von The Grayzone fasst zusammen:

„Praktisch jedes große westliche Konzernmedium wurde durch eine von der britischen Regierung finanzierte Desinformationskampagne beeinflusst, was in einem wahren Schatz an geleakten Dokumenten aufgedeckt wurde. Von der New York Times bis zur Washington Post, von CNN bis zum Guardian, von der BBC bis Buzzfeed.“

Tatsächlich gibt es einige Anzeichen dafür, dass die Medienangriffe das direkte Ergebnis einer bewussten Annäherung der Medien an die Position der britischen Regierung gegenüber Syrien und ihrer gut etablierten Politik zum Sturz der bestehenden syrischen Regierung sein könnten. Insbesondere zwei der Autoren (Dominic Kennedy und Deborah Haynes) des ursprünglichen Angriffs der Times auf die Akademiker werden in geleakten Dokumenten mit der Integrity Initiative in Verbindung gebracht, einer von der britischen Regierung finanzierten Propagandaoperation.

Die geleakten Dokumente der Integrity Initiative verschafften deutliche Einblicke, wie Propaganda-Operationen um "Cluster" aus Journalisten herum aufgebaut wurden. Haynes hat daraufhin eine Beteiligung an dem Artikel bestritten, während Kennedy sich wiederholt geweigert hat, Fragen bezüglich der Beziehung zwischen seinen Artikeln und der Integrity Initiative zu beantworten.

Bemerkenswerterweise hat der Kolumnist der Times, Oliver Kamm, öffentlich erklärt, dass der verstorbene James Le Mesurier "sich an diese Zeitung wandte, um uns zu drängen, an ihrem Fall [dem der Akademiker] festzuhalten".

Was die Huffington Post betrifft, so ist Chris Yorks Vorgesetzter, Jess Brammar, ein Mitglied des Defence and Security Media Advisory Committee (DSMA), das mit der britischen Regierung bei der Beeinflussung und Kontrolle der Medienberichterstattung zu verteidigungs- und sicherheitspolitischen Themen zusammenarbeitet. Weitere Informationen über die organisatorischen Einzelheiten und den Umfang der medienbezogenen Aktivitäten, die darauf abzielen, Kritik an der Politik Großbritanniens in Syrien zu unterdrücken, werden noch untersucht und zu gegebener Zeit von der WGSPM veröffentlicht.

Doch selbst wenn bis jetzt noch unklar ist, ob die Angriffe im Auftrag jener erfolgten, die in der britischen Regierung bzw. im Außenministerium für strategische Kommunikationsoperationen mit Blick auf Syrien zuständig sind, so ist es sicher so, dass sie sich nachteilig auf eine freie öffentliche Debatte und die akademische Forschung auswirken. Bürger können vernünftigerweise erwarten, dass die Mainstream-Medien die Forschung und Debatte unterstützen, verteidigen und fördern, und nicht ehrliche Akademiker verleumden, die einfach ihre Arbeit tun.

Ermordung von Zivilisten

Noch schwerwiegender ist, dass die verfügbaren Beweise darauf hindeuten, dass der angebliche Angriff in Duma die Ermordung von gefangenen Zivilisten beinhaltete. Das bedeutet, dass es sich bei dem Ereignis in Duma wahrscheinlich um ein äußerst schwerwiegendes, ja schreckliches Kriegsverbrechen handelt. Wer in diesem Zusammenhang versucht, andere bei der Suche nach der Wahrheit zu behindern, der läuft Gefahr, sich wissentlich oder unwissentlich an einem Kriegsverbrechen zu beteiligen und sich damit auch rechtlich in Gefahr zu begeben.

Eine letzte Anmerkung. Der verstorbene Julian Perry Robinson, einer der weltweit führenden Experten für chemische und biologische Waffen, stand mit der Arbeitsgruppe in Verbindung. In einer vergangenen Ära spielte Robinson eine Schlüsselrolle bei der Anfechtung der falschen Behauptung der US-Regierung, dass von den Sowjets unterstützte Streitkräfte in Laos und Kambodscha Giftstoffe einsetzen hätten. Zum Zeitpunkt seines Todes war er dabei, eine Chronologie über chemische Waffen und den Krieg in Syrien zu erstellen. Er schrieb über die Ereignisse im Zusammenhang mit angeblichen Chemiewaffenangriffen in Syrien und den bösartigen Angriffe gegen die WGSPM:

"Aus ihren Verlautbarungen geht nicht unmittelbar hervor, dass die soeben zitierten Kritiker der WGSPM die Veröffentlichungen der Gruppe tatsächlich ausreichend studiert haben. Sicherlich scheinen sie ihre Lektüre nicht mit der Sorgfalt vorgenommen zu haben, wie vor solch bösartigen Verunglimpfungen zu erwarten gewesen wäre.

Wird die Gruppe also einfach ein Opfer der gefälschten Nachrichten und anderer Akte der Informationskriegsführung, die sie selbst zu bekämpfen versucht hat? Wird die WGSPM in böswilliger Absicht von Feinden ins Visier genommen, die ihre prinzipientreue Forschung und Öffentlichkeitsarbeit offenbar geschaffen haben?"

(Part 8: The Chemical Warfare Reported From Syria: a documented chronology detailing reports of events in Syria since 1982 said to have involved use of chemical weapons, by Julian Perry Robinson)

Es war Julian Perry Robinson, der daraufhin das WGSPM-Mitglied Professor Paul McKeigue einlud, um beim Roundtable-Gespräch des Harvard-Sussex-Programms im März 2020 einen Vortrag über chemische und biologische Waffen zu halten.

Wenn eine Persönlichkeit von solchem Ansehen und solcher Brillanz wünscht, dass Kollegen unsere Analyse hören, was sagt das dann über die Times und die Huffington Post, die so unerbittlich versucht haben, uns durch Rufmord und Verleumdung zum Schweigen zu bringen?

Ich würde sagen, nichts Gutes.

Anmerkung: Dieser Artikel erschien zuerst am 6. Oktober unter dem Titel "The War on Truth, Dissent and Free Speech" im OffGuardian. Wir danken dem Autor und der Redaktion für ihr freundliches Einverständnis, den Text zu veröffentlichen. Übersetzung: FritztheCat / Multipolar

Über den Autor: Dr. Piers Robinson, Jahrgang 1970, forscht und schreibt über Propaganda. Er ist Co-Direktor der Organisation for Propaganda Studies, Initiator der Working Group on Syria, Media and Propaganda und lehrte an den Universitäten Sheffield, Manchester und Bristol. Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen gehört „The Routledge Handbook of Media, Conflict and Security“. Er schreibt hier seine persönliche Meinung. Weitere Einzelheiten finden sich auf seiner Website.

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