Wirtschaftsminister Robert Habeck am 8. Mai 2023 auf einer Pressekonferenz | Bild: picture alliance / SZ Photo | Mike Schmidt

Gebäudeenergiegesetz auf der Kippe: Die große Milchmädchenrechnung

Die Bundesregierung treibt die Installation von Wärmepumpen massiv voran. Doch der Widerstand wächst, zuletzt auch beim Koalitionspartner FDP. Eine der Fragen: Ist diese Heiztechnologie im Vergleich zu modernen Gasheizungen überhaupt rentabel und senkt sie effektiv den Verbrauch von fossilen Energieträgern? Multipolar hat nachgerechnet und kommt auf erstaunliche Ergebnisse. Viel hängt davon ab, ob der geplante rasante Ausbau der erneuerbaren Energien kurzfristig überhaupt umsetzbar ist – woran erhebliche Zweifel bestehen – und ob der Strompreis vom Gaspreis entkoppelt wird.

KARSTEN MONTAG, 18. Mai 2023, 4 Kommentare, PDF

Im April hatte das Bundeskabinett die zweite Novelle des Gebäudeenergiegesetzes beschlossen, das nach dem Willen von Wirtschaftsminister Robert Habeck noch vor der Sommerpause vom Bundestag bestätigt werden soll. Nach der Entlassung von Habecks Staatssekretär Patrick Graichen in dieser Woche steht dieser Termin aber auf der Kippe. Die FDP erklärte, man habe noch rund 100 Fragen an Robert Habeck: „Solange die nicht beantwortet sind, können die Beratungen über das Gesetz gar nicht beginnen“.

Die von Habeck gewünschte Gesetzesnovelle, die hauptsächlich die Rahmenbedingungen für den Einsatz von Heiztechnologien regelt, soll eigentlich ab 2024 gelten. Dazu gehört ein Verbot der Nutzung von Heizungen mit fossilen Brennstoffen ab 2045 sowie die Pflicht, dass jede neu eingebaute Heizung, in Neubauten wie in Bestandsgebäuden, ab 2024 mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen muss.

Die Regelung soll zwar „technologieoffen“ sein, doch praktisch sind Gasheizungen letztendlich ausgeschlossen. Denn diese dürfen nur noch installiert werden, wenn sie auf 100 Prozent Wasserstoffnutzung umrüstbar sind und es einen „rechtsverbindlichen Investitions- und Transformationsplan für Wasserstoffnetze“ gibt. Derartige Heizungen sind derzeit jedoch noch überhaupt nicht auf dem Markt erhältlich. Und ob die Gasnetzbetreiber bereit sind, ihre Gasnetze wasserstofffähig zu machen, ist auch fragwürdig. Denn dafür sind Investitionen von rund sieben Milliarden Euro notwendig, die letztendlich auf immer weniger Abnehmer umgelegt werden müssen, da die bisherigen Gaskunden auf alternative Heiztechnologien umstellen.

Es ist bereits seit 2020 erkennbar, dass immer mehr Hausbesitzer Wärmepumpen installieren. Dieser Trend hat sich 2022 sogar noch verstärkt.

Abbildung 1: Jährlicher Absatz von Wärmepumpen in Deutschland, Quelle: Bundesverband Wärmepumpe e.V.

Doch viele, die von einer modernen Gasheizung mit Brennwerttechnologie auf eine Luft-Wasser-Wärmepumpe umgerüstet haben, werden festgestellt haben, dass letztere sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb teurer ist.

Luft-Wasser-Wärmepumpen sorgen für höhere Heizkosten als Gasheizungen mit Brennwerttechnik

Der Preis für eine Kilowattstunde Gas lag für Endkunden Anfang 2021 noch bei ungefähr 5 Cent, aktuell, im April 2023 bei etwas über 10 Cent. Zwischendurch stieg er auf bis zu knapp 40 Cent an. Der Preis für eine Kilowattstunde Strom lag für Endkunden Anfang 2021 noch bei knapp 24 Cent, aktuell, im April 2023 bei knapp 32 Cent. Zwischendurch stieg er auf über 70 Cent an. Der Strompreis ist über das Merit-Order-Prinzip an den Gaspreis gekoppelt. Das bedeutet, dass auch Besitzer von Wärmepumpen von höheren Gaspreisen betroffen sind. Eine Entkoppelung wurde von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen bisher nur in Aussicht gestellt.

Wärmepumpen entziehen, je nach Wärmequelle, der umgebenden Luft, dem Boden oder dem Grundwasser Energie und können so im günstigsten Fall über das Jahr verteilt im Schnitt aus einer Kilowattstunde Strom zwischen 2,5 bis 3 (Luft-Wasser-Wärmepumpe), 4 (Sole-Wasser-Wärmepumpe) oder 5 Kilowattstunden (Wasser-Wasser-Wärmepumpe) Heizenergie erzeugen. Dieser Faktor wird auch Jahresarbeitszahl genannt. Je größer die Jahresarbeitszahl, desto höher sind die Investitionskosten für die Anschaffung und Montage der Wärmepumpe. Hinzu kommt, dass nicht überall der Boden oder das Grundwasser als Wärmequelle genutzt werden kann.

Aktuelle Gas-Brennwertkessel haben einen Wirkungsgrad von annähernd 100 Prozent. Bei einer benötigten jährlichen Heizenergie von beispielsweise 20.000 Kilowattstunden fallen bei dem aktuellen Gaspreis also circa 2.000 Euro Heizkosten an. Bei einer Luft-Wasser-Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von 2,5 bis 3 liegen die Heizkosten bei derselben Heizenergie zum aktuellen Strompreis jedoch bei circa 2.500 beziehungsweise 2.100 Euro. Erst bei einer Jahresarbeitszahl von 3,2 sind die Heizkosten einer Wärmepumpe bei den aktuellen Strom- und Gaspreisen ungefähr vergleichbar mit denjenigen einer Gasheizung mit Brennwerttechnik.

Nun könnte man argumentieren, dass bei steigenden Gaspreisen Wärmepumpen in Zukunft rentabler sein werden. Doch es ist durchaus möglich, wie in den nachfolgenden Abschnitten dargestellt wird, dass der Strompreis noch auf Jahrzehnte abhängig vom Gaspreis sein wird, so dass bei steigenden Gaspreisen auch die Strompreise in die Höhe gehen werden. Daran ändert auch die CO2-Abgabe, die ab 2026 zwischen 55 und 65 Euro je Tonne Kohlendioxid liegen soll, nicht viel. Denn sie bewirkt eine Erhöhung des Gaspreises höchstens um 1,2 Cent pro Kilowattstunde.

Häufiger hört man das Argument, dass man mit Solarthermie oder Photovoltaik die Kosten einer Wärmepumpe senken kann. Doch das Gleiche gilt auch für Heizungen, die andere Energieträger verwenden. Denn mit Solarthermie kann man im Sommer die Kosten für die Warmwasseraufbereitung senken, und mit Photovoltaik die Stromkosten in der warmen Jahreszeit reduzieren oder die so erzeugte Energie sogar gewinnbringend verkaufen. Doch ausgerechnet im Winter, wenn die Heizenergie benötigt wird, sind die Erträge aus Sonnenenergie in unseren Breitengraden zu niedrig, um die Kosten für eine Wärmepumpe im Vergleich zu Heizungen mit anderen Energieträgern wirksam zu reduzieren.

Investitionsfalle Wärmepumpe

Wärmepumpen sind in der Anschaffung inklusive Montage deutlich teurer als Gasheizungen mit Brennwerttechnik. Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe ist bereits mindestens doppelt so teuer wie eine vergleichbare Gasheizung. Wärmepumpen, die den Boden oder das Grundwasser als Wärmequelle verwenden, sind um mindestens das Dreifache teurer. Die staatliche Förderung für die Installation von Wärmepumpen liegt zwischen 25 und 40 Prozent und kompensiert damit nur einen Teil der Mehrkosten.

Doch für Eigentümer vornehmlich älterer Gebäude kommen noch weitere Investitionskosten hinzu. Denn im Gegensatz zu Gasheizungen, die auch mit herkömmlichen Heizkörpern effizient für ausreichend Wärme in den Wohnräumen sorgen können, benötigen Wärmepumpen aufgrund ihrer Funktion niedrige Vorlauftemperaturen und damit Flächenheizungen wie Boden- oder Wandheizungen sowie eine möglichst gute Isolation der Außenwände, um auf eine Jahresarbeitszahl von mindestens 2,5 zu kommen.

Die Nachrüstung beispielsweise einer Fußbodenheizung schlägt mit zwischen 30 und 70 Euro pro Quadratmeter zu Buche. Diese Investition ist förderfähig, wenn sie im Zuge der Installation einer Wärmepumpe erfolgt. Deutlich teurer ist eine Dämmung der Außenwände, des Dachs und der Kellerdecke sowie der Einbau von Fenstern mit Dreifachverglasung. Eine derartige Investition kann trotz Förderung leicht das Zehnfache der Kosten für die Nachrüstung einer Fußbodenheizung übersteigen.

Doch eine nachträgliche Dämmung ist trotzdem sehr sinnvoll, unabhängig davon, ob eine Wärmepumpe, eine Gasheizung oder Heizsysteme mit anderen Energieträgern verwendet werden. Denn eine gute Isolierung reduziert generell die Heizkosten und trägt damit zur Senkung des Energieverbrauchs sowie zu einer größeren Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern bei.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich bei den derzeitigen Gas- und Strompreisen nur die Kosten einer Sole-Wasser-Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von 4 und einer Wasser-Wasser-Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von 5 zusammen mit einer ausreichenden Dämmung und einer Flächenheizung im Laufe der Zeit amortisieren. Luft-Wasser-Wärmepumpen mit einer maximalen Jahresarbeitszahl von 3 sind derzeit im Vergleich zu Gasheizungen mit Brennwerttechnik nicht ökonomischer und sorgen für höhere Investitions- und Heizkosten. Zudem tragen sie, volkswirtschaftlich betrachtet, auf unabsehbare Zeit nur kaum zur Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern bei, wie der nachfolgende Abschnitt zeigt.

Fehlkalkulation durch mangelnden Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung

Theoretisch klingt der Ansatz gut: Man ersetzt die Gasheizung durch eine Wärmepumpe, betreibt diese mit erneuerbarer Energie und reduziert so den Verbrauch an fossilen Energieträgern. Doch so einfach ist die Rechnung nicht. Wie oben gezeigt, benötigen Wärmepumpen trotz der Entnahme von Wärmeenergie aus der Umgebung für ihren Betrieb im Gegensatz zu Heizsystemen auf Basis anderer Energieträger einen nicht unerheblichen Anteil elektrischer Energie, der abhängig von der Jahresarbeitszahl ist. Jede Wärmepumpe, die beispielsweise eine Öl- oder Gasheizung ersetzt, sorgt also für einen höheren Stromverbrauch in Deutschland. Doch der Anteil der erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung lag 2022 erst bei knapp 45 Prozent.

Abbildung 2: Anteil erneuerbarer Energien, Erdgas und Braunkohle an der Bruttostromerzeugung, Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V.

Jede Wärmepumpe, die den Stromverbrauch in Deutschland erhöht, wird also im Endeffekt derzeit mit fossilen Energieträgern betrieben, vorzugsweise mit Erdgas. Denn im Gegensatz zu Kohlekraftwerken, die seit Jahren immer weiter abgebaut werden, nimmt der Ausbau an Gaskraftwerken zu. Warum dies so ist, wird im nächsten Abschnitt erläutert.

Gaskraftwerke haben jedoch, je nach Bauart, einen Wirkungsgrad von 40 bis 60 Prozent. Das bedeutet, dass ein beträchtlicher Anteil der Energie, die bei der Stromerzeugung mit Erdgas aufgewendet wird, als Abwärme an die Umgebung verpufft. Im ungünstigsten Fall ersetzt man also eine Gasheizung mit Brennwerttechnik mit einem Wirkungsgrad von annähernd 100 Prozent durch eine Luft-Wasser-Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von 2,5, die mit elektrischer Energie betrieben wird, die wiederum in einem Gaskraftwerk mit einem Wirkungsgrad von 40 Prozent erzeugt wurde. Die Reduktion des Gasverbrauchs ist in diesem Fall rein rechnerisch gleich null.

Nur Sole-Wasser- sowie Wasser-Wasser-Wärmepumpen, die eine deutlich höhere Jahresarbeitszahl aufweisen, können in Kombination mit Gas-und-Dampf-Kombikraftwerken mit einem Wirkungsgrad von bis zu 60 Prozent den Gasverbrauch in Deutschland effektiv senken. In dieser Betrachtung ist nicht eingerechnet, dass kurzfristig weitere Gaskraftwerke gebaut sowie die Stromnetze erweitert werden müssen, um den zusätzlichen Bedarf an elektrischer Energie für die Wärmepumpen auszugleichen, während auf der anderen Seite ein gut ausgebautes Netzwerk an Gasleitungen existiert, das die deutschen Häuser und Wohnungen mit ausreichend Gas versorgen kann.

Stromerzeugung ist noch lange auf Energie aus Gaskraftwerken angewiesen

In Abbildung 2 im letzten Abschnitt ist zu erkennen, dass der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in 2021 deutlich zurückgegangen ist. Der Grund dafür liegt nicht in einem Rückbau der Erneuerbaren, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern daran, dass das Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr windärmer war. Dass 2021 und 2022 auch der Anteil der Stromerzeugung aus Erdgas zurückgegangen ist, lag an den Gaspreisen, die zum Herbst 2021 deutlich anzogen. Kompensiert wurden diese Defizite mit den zu dieser Zeit noch nicht abgeschalteten, verbliebenen Kernkraftwerken und den noch immer in Betrieb befindlichen Braunkohlekraftwerken. Letztere stoßen je erzeugter Energieeinheit doppelt so viel Kohlendioxid aus wie Gaskraftwerke.

Die 2021 und 2022 installierten Wärmepumpen sind also vornehmlich mit der Energie aus Kernkraft- und Braunkohlekraftwerken betrieben worden. Im übrigen bedeutet dies auch, dass jedes Elektroauto, das derzeit in Betrieb genommen wird, letztendlich mit der Energie aus Gas- und Braunkohlekraftwerken versorgt wird.

Der Rückgang des Anteils der Erneuerbaren trotz fortschreitenden Ausbaus zeigt deutlich das Problem dieser Energieform auf. Sie liefert nur unbeständig Energie, denn ohne Wind und Sonne kann keine elektrische Energie aus Windkraft und Photovoltaik erzeugt werden. Da in ein Stromnetz immer genau so viel elektrische Energie eingespeist werden muss, wie gleichzeitig entnommen wird, bedarf es zusätzlicher Energiequellen, die kurzfristig einspringen, wenn die Erneuerbaren aufgrund von Windflauten oder mangelnden Sonnenlichts nicht genug Strom erzeugen.

Die Turbinen in Pumpspeicherkraftwerken können die zuvor mithilfe von Erneuerbaren gespeicherte potentielle Energie des Wassers kurzfristig in elektrische Energie zurück verwandeln. Auch Batterie-Großspeicher können als schnell verfügbare Kurzzeitspeicher helfen, große Mengen an zuvor gespeicherter erneuerbarer Energie ins Stromnetz zu integrieren. Doch die zukünftig benötigten hohen Kapazitäten an Energiespeichern müssen noch ausgebaut werden.

Letztendlich kompensieren derzeit hauptsächlich einfache Gasturbinenkraftwerke mit einem Wirkungsgrad von 40 Prozent, die innerhalb von Minuten hochgefahren werden und ihre volle Leistung entfalten können, die schwankende Stromerzeugung der Erneuerbaren. Und das ist auch sinnvoll, da jede Umwandlung der elektrischen Energie aus Erneuerbaren in andere Energieformen mit Verlusten behaftet ist.

Erst wenn Windkraft- und Photovoltaikanlagen mehr elektrische Energie erzeugen, als gleichzeitig abgenommen werden kann, macht die verlustbehaftete Umwandlung in Wasserstoff, Treibstoffe oder potentielle Energie in Pumpspeicherwerken Sinn. Der Zeitpunkt, ab wann an eine derartige Umwandlung mit großen Energiemengen möglich ist, hängt stark davon ab, wann der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung annähernd die 100-Prozent-Marke erreicht.

Da Deutschland noch immer weit von dieser Marke entfernt ist, befinden sich derzeit noch mehrere Gaskraftwerke mit jeweils bis zu 1.300 Megawatt Leistung in Planung oder im Bau. Diese Kraftwerke werden zum Teil mit Turbinen ausgestattet, die auch Wasserstoff verbrennen können. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass auch bei einer dauerhaft überschüssigen elektrischen Energie aus erneuerbaren Energien bei Windflauten und Sonnenmangel Gaskraftwerke kurzfristig einspringen müssen, um die Stromversorgung zu garantieren.

Ausbau der Erneuerbaren ging bislang nur schleppend voran

Aus Abbildung 2 im vorletzten Abschnitt wird auch deutlich, dass es mehr als 30 Jahre gedauert hat, um den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 4 auf knapp 45 Prozent zu erhöhen. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll der Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch bis 2030 – also in den nächsten sieben Jahren – auf 80 Prozent gesteigert werden – und das sogar bei einem erwarteten höheren Bedarf an elektrischer Energie. Dazu soll die installierte Leistung der Windkraft auf See von derzeit 8 auf 30 Gigawatt sowie die installierte Leistung der Windkraft an Land von derzeit 59 auf 115 Gigawatt jeweils bis 2030 ausgebaut werden. Die Leistung der Solaranlagen soll von derzeit 70 auf 215 Gigawatt bis 2030 gesteigert werden. Es ist anhand des Ausbaus in der Vergangenheit äußerst zweifelhaft, ob diese Ziele erreicht werden können.

Abbildung 3: Installierte Leistungen erneuerbarer Energien in Gigawatt, Quelle: Energy Charts

Wie aus Abbildung 3 ersichtlich ist, haben sowohl der Ausbau der Leistung von Windenergie an Land als auch auf See in den letzten Jahren eine deutliche Verlangsamung erfahren. Lediglich beim Ausbau der Leistung der Solaranlagen ist derzeit eine signifikante Steigerung erkennbar. In der Summe hat sich die Geschwindigkeit des Ausbaus der Erneuerbaren seit Antritt der Ampelkoalition bisher nicht signifikant geändert. Seit 2022 ist eher wieder eine Verlangsamung zu verzeichnen.

Die Bundesregierung steuert gegen diesen Trend mit dem „Wind-an-Land-Gesetz“ und der dritten Novelle des „Windenergie-auf-See-Gesetzes“ an. Doch diese Gesetzestexte regeln letztendlich nur die Rahmenbedingungen für den Ausbau der Windkraftanlagen. Im Wind-an-Land-Gesetz sind insbesondere die Bundesländer in der Pflicht, geeignete Flächen für den Ausbau der Windkraftanlagen bereitzustellen. Bis Ende 2032 müssen die Länder zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie ausweisen. Bis 2027 sollen 1,4 Prozent der Flächen für Windenergie bereitstehen.

Ob die Länder ihren Verpflichtungen rechtzeitig nachkommen und ob die Windkraftbetreiber tatsächlich ihre Kapazitäten innerhalb einer so kurzen Zeit erweitern können und wollen, ist mit diesen Gesetzen nicht garantiert. Und so spricht Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, in der Pressemitteilung zur „Offshore-Realisierungsvereinbarung“ zwischen dem Bund, den norddeutschen Bundesländern sowie drei Übertragungsnetzbetreibern lediglich von einem „starken gemeinsamen Bekenntnis zum 30 Gigawatt Ausbauziel bis 2030“.

Die langfristigen ambitionierten Pläne einer Bundesregierung mit einer Beteiligung der Partei Bündnis 90/Die Grünen sind in der Vergangenheit schon einmal von Nachfolgeregierungen gekippt worden, beispielsweise beim Atomausstieg. Es wäre auch nicht das erste Mal, dass die unterschiedlich zusammengesetzten Bundesregierungen der letzten zwei Jahrzehnte ehrgeizige Klimaziele nicht erreicht haben.

Sollte der Ausbau der Erneuerbaren in der Zukunft weiterhin in der Geschwindigkeit vorangehen wie im Schnitt der letzten 15 Jahre, wird der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung 2030 lediglich bei 63 Prozent liegen. 80 Prozent werden erst 2038 erreicht sein. Dies alles jedoch unter den Annahme, dass zukünftig der Bruttostromverbrauch weiterhin bei derzeit circa 600 Terawattstunden bleibt. Sollte der Verbrauch bis 2030 auf 750 Terawattstunden ansteigen, wovon die Bundesregierung aktuell ausgeht, dann wird der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung bei einer Ausbaugeschwindigkeit wie im Schnitt der letzten 15 Jahre in 2030 lediglich bei knapp 50 Prozent liegen.

Sollte der Strombedarf im Jahr 2045 mehr als doppelt so hoch sein wie heute, wovon die deutschen Netzbetreiber ausgehen, dann läge der Anteil der Erneuerbaren in 2045 bei gerade einmal circa 55 Prozent, wenn sich der Ausbau nicht beschleunigt.

Riskanter Weg der Bundesregierung

Wer schon einmal in größere Projekte involviert war, weiß, dass der Flaschenhals bei der Umsetzung meist in einem Mangel an qualifizierten Fachkräften sowie in Lieferengpässen bei Zulieferern von Rohstoffen und Halbzeugen zu finden ist. Um in nur sieben Jahren so viel Windkraftleistung zu installieren wie in den gesamten 30 Jahren zuvor, bedarf es eines Mehrfachen der bisher eingesetzten Materialien und Fachkräfte. Die Arbeitskräfte müssen rekrutiert und ausgebildet werden, zusätzliche Fertigungshallen müssen errichtet werden. Mehr Straßen müssen gebaut werden, um die Windkraftanlagen an ihren vorgesehenen Standort zu bringen, mehr LKWs werden benötigt, um sie zu transportieren. Es bedarf eines Mehrfachen der bisherigen Monteure, welche die Anlagen installieren und warten. Stromleitungen müssen modernisiert und erweitert werden.

Bereits in der Vergangenheit haben deutsche Bundesregierungen hinsichtlich der Energiewende den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht. Statt den Ausbau der Erneuerbaren zu forcieren, um möglichst schnell deren Anteil bei der Stromerzeugung auf 100 Prozent zu steigern, haben sie Produkte wie Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen gefördert, die erst dann effektiv den Verbrauch fossiler Energien reduzieren, wenn diese Marke annähernd erreicht ist. Davon sind beispielsweise auch Gaskraftwerke und Gasheizungen, die Wasserstoff verbrennen können, abhängig. Denn die Erzeugung von Wasserstoff aus Wind- oder Solarkraft hat einen Wirkungsgrad von maximal 75 Prozent. Wird der Wasserstoff weiter zu Methan oder wieder in elektrische Energie umgewandelt, ist der Effizienzgrad noch geringer. Eine Umwandlung der erneuerbaren Energie ist also erst dann ökonomisch, wenn deutlich mehr davon produziert wird, als über das Stromnetz abgenommen wird.

Mit der geplanten zweiten Novelle des GEG schwenkt die bisherige Förderung von Wärmepumpen nun in eine Pflicht zu Heiztechnologien mit einem Anteil von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien sowie in ein Verbot der Nutzung fossiler Energie beim Heizen ab 2045 um. Dies erhöht damit noch einmal den Bedarf an elektrischer Energie. Wenn die ehrgeizigen Ziele der aktuellen Bundesregierung scheitern und der Ausbau der erneuerbaren Energien doch deutlich mehr Zeit beansprucht, als Habeck sich dies wünscht, dann verlängert sich die Abhängigkeit von Erdgas nicht nur um weitere Jahrzehnte. Auch Technologien, die Wasserstoff benötigen, bleiben auf lange Sicht überflüssig.

Fazit: Eine unsoziale Milchmädchenrechnung

Die geplante Novelle des GEG trägt also ein nicht geringes Risiko in sich, die Abhängigkeit von fossilen Energien bei der Stromerzeugung eher zu verlängern als sie zu verkürzen – wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien sich nicht in dem Maße beschleunigen lässt, wie die derzeitige Bundesregierung es geplant hat.

Leidtragende einer solchen Fehlentwicklung wären insbesondere diejenigen Hausbesitzer, die auf eine teure Luft-Wasser-Wärmepumpe umgerüstet haben und die möglicherweise die gesamte Lebensdauer ihrer neuen Heizung höhere Betriebskosten zu tragen haben, als bei einer modernen Gasheizung angefallen wären. Sie könnten sich noch nicht einmal damit trösten, dass sie zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beigetragen haben, da die Energie für den Betrieb ihrer Heizung letztendlich weiterhin aus Gas- oder gar Braunkohlekraftwerken stammen würde.

Aus ökonomischer und ökologischer Sicht macht zumindest die Umrüstung auf eine Luft-Wasser-Wärmepumpe derzeit wenig Sinn. Die Änderungen des GEG könnten jedoch dazu führen, dass Hausbesitzer sich aufgrund einer defekten Gas- oder Ölheizung gezwungen sehen, genau solch eine Heizung zu installieren. Die höheren Kosten, die dann durch die Anschaffung und den Betrieb entstehen, stellen eine zusätzliche finanzielle Belastung für die Eigentümer oder die Mieter dar, auf welche die Kosten umgelegt werden – was die Maßnahme sozial ungerecht macht. Denn nur die deutlich höheren Investitionen in Sole-Wasser-, Wasser-Wasser-Wärmepumpen oder in Hybridheizungen aus Gas und Wärmepumpe, eventuell gekoppelt mit einer Photovoltaikanlage, haben bei den derzeitigen Strom- und Gaskosten auf Dauer überhaupt eine Chance sich zu amortisieren.

Über den Autor: Karsten Montag, Jahrgang 1968, hat Maschinenbau an der RWTH Aachen, Philosophie, Geschichte und Physik an der Universität in Köln sowie Bildungswissenschaften in Hagen studiert. Er war viele Jahre Mitarbeiter einer gewerkschaftsnahen Unternehmensberatung, zuletzt Abteilungs- und Projektleiter in einer Softwarefirma, die ein Energiedatenmanagement- und Abrechnungssystem für den Energiehandel hergestellt und vertrieben hat.

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RALLE, 18. Mai 2023, 13:10 UHR

Dies Gebäudeenergiegesetz ist nicht nur eine Milchmädchenrechnung, es ist auch zutiefst unsozial. Wer sich an frühere Empfehlungen der ehemaligen Bundesregierungen gehalten hat und bei seiner Altersvorsorge selber Hand angelegt hat ("schaffe, schaffe Häusle baue") steht dann als Rentner oftmals vor dem Nichts. Staatliche Förderung bekommt nur, wessen Rente unter 1000 € liegt, Kredite in erforderlicher Höhe bekommt man als Renter nicht. Wenn jetzt die Heizung kaputt geht, war es das. Aber egal, wie schaut es denn mit den "erneuerbaren Energien" generell aus? Dazu hat Prof. Sinn schon 2013 einen Vortrag gehalten (Energiewende ins Nichts), der noch immer aktuell ist:
https://www.youtube.com/watch?v=jm9h0MJ2swo

Da entgegen unserer "Völkerrechtlerin" elektrische Energie nicht in Stromleitungen gespeichert werden kann, braucht man andere Speichermöglichkeiten. Die hier im Artikel erwähnten Pumpspeicherwerke sind sicherlich eine nützliche Methode. Die Anzahl der benötigten Pumpspeicherwerke liegt bei weit über 3.000. Wo wollen wir die in Deutschland bauen? Wer soll die bezahlen? Unabhängig davon sind diese "Vogelschredderanlagen" nicht der Weisheit letzter Schluß. Wohin mit dem Sondermüll nach Ende der Laufzeit? Was passiert mit den Betonfundamenten und der dadurch erfolgten Bodenversiegelung? Ich kann nur empfehlen, sich diesen Vortrag von Prof. Sinn anzuschauen.

Ich möchte hier nicht gegen erneuerbare Energien mosern, aber das kann nur eine Ergänzung zu unserer Energieversorgung darstellen. Die Lösung (in Deutschland entwickelt, dann aber nach Kanada ausgewandert) durfte aus politischen Gründen nicht gefördert werden. (https://www.youtube.com/watch?v=wRdYrLeXrJA) Das kommt davon, wenn Politik in diesem Land von Leuten verantwortet wird, die oftmals nicht mal über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen.

ALEXANDER KRAUS, 18. Mai 2023, 23:35 UHR

Solche Milchmädchenrechnungen sind komplett sinnlos, so lange Legenden und Aberglaube - also das Narrativ „Klimakiller CO2 und Treibhausgasreduktion“, „grüne erneuerbare Energie“ und nicht-regenerative „fossile Brennstoffe“ - die Prämisse bildet.

JÖRG G, 19. Mai 2023, 11:05 UHR

Danke für die gute Zusammenfassung. Ich möchte noch einen wichtigen Effekt hinzufügen: Je mehr Energie aus Kraftwerken mit geringem Erntefaktor (Wind, Solar) kommt, desto höher sind die Strompreise. Man könnte es auch anders formulieren: Je mehr „Erneuerbare“ desto unrentabler sind die Wärmepumpen.

Der Erntefaktor (auch EROI genannt) ist das Verhältnis zwischen „geernteter“ Energie zur investierten Energie (Bau, Betrieb, Abbau). Auf Wikipedia findet man einen guten ersten Eindruck dafür, wie schlecht der Erntefaktor für Wind- und Solarkraft im Vergleich zu Gas-, Kohle- und Kernkraft ist. Korrekterweise findet sich dort der wichtige Hinweis: „Der Aufwand für Speicherkraftwerke, saisonale Reserven oder konventionelle Kraftwerke zum Lastausgleich ist nicht mit berücksichtigt.“ Das bedeutet, dass der Erntefaktor bei 100% „Erneuerbaren“ (hauptsächlich Wind & Solar) noch viel niedriger ist als angegeben, da ohne Energiespeicher und Reservekraftwerke keine Versorgungsstabilität gewährleistet werden kann.

Der naive Gedanke, dass ja alles in Butter sei, solange der Erntefaktor über 1 sei, ist leider schlicht falsch. Es ist wie in der Landwirtschaft:

Zwei geerntete Kartoffeln für eine gesetzte, das ist sicher zu wenig. Das wäre ein Erntefaktor von zwei. Eine braucht der Bauer im nächsten Frühling als Saatkartoffel und mit dem Ertrag aus der zweiten muss er finanzieren, was mit dem Anbau zusammenhängt: den Traktor, den Dünger, das Pflanzenschutzmittel, die Unkraut-Vertilgung. Wahrscheinlich braucht er dafür sogar mindestens zwei zusätzliche Kartoffeln, also einen Erntefaktor von drei. Damit hat er aber noch nichts verdient und er hat noch nichts gegessen. Damit sich der Anbau von Kartoffeln lohnt, muss der Erntefaktor bedeutend größer sein als drei.

(Zitat von https://www.energieclub.ch/de/wissen/artikel-3~erntefaktor)

Eine Energieversorgung, die vollständig aus „Erneuerbaren“ (hauptsächlich Wind, Solar, Biomasse) besteht und auch Speicher und Reserven bereithält, hat einen Erntefaktor von unter 4. Das liegt unter der ökonomischen Schwelle. Mit solch einem niedrigen Erntefaktor kann keine Gesellschaft mit entwickelter Infrastruktur und Wohlstand bestehen. Damit gehört die Energiewende (auf Basis etablierter Technologien) in die Welt der Utopien – so romantisch die Vorstellung auch ist.

Solange allerdings unsere Kriegs-, Konsum- und Wegwerfgesellschaft nicht infrage gestellt wird, wo Produkte nicht hergestellt werden, um (echte) Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um des Profits willen, solange halte ich Diskussionen um Energiesparen für unglaubwürdig. Mit einer firedlichen Kreislaufwirtschaft könnten effizient Energie und Rohstoffe eingespart und die Umwelt geschont werden – ohne Wohlstandsverlust. „Cradle to Cradle“ ist dafür ein interessanter Ansatz:
https://c2c.ngo/umgestalten/

Dass solcherart wirklich nachhaltige Konzepte bei unserem aktuellen Wirtschafts- und Machtgefüge realisierbar sind, muss ich leider bezweifeln. Ein Bewusstsein dafür zu schaffen lohnt sich jedoch allemal.

MICHAEL KARI, 19. Mai 2023, 12:45 UHR

Vielen Dank für die umfangreiche Zusammenfassung. Hinzufügen möchte ich, dass der Umstieg auf 100% Elektroenergie beim Heizen sowie bei der Mobilität ein beträchtliches Gefahrenpotential in sich birgt. Die Gefahr der absoluten staatlichen Kontrolle und Steuerung von außen! Die gesetzlich angeordnete Vernetzung macht's möglich. Des Weiteren wird es viele Wohnungseigentümer finanziell überfordern und zum Verkauf ihres Wohneigentums zwingen.

Der Great Reset wird damit weiter vorangetrieben. So der Plan. Ob er funktioniert ist die andere Frage und hängt von vielen unberechenbaren Faktoren ab. Zur Zeit läuft es wohl nicht so gut, denn den Ausführenden rennt die Zeit davon und die Planer werden zunehmend nervös.

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