Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Büttner

Die Nord-Stream-Story

Nord Stream war ein Projekt, um die Energiesicherheit in Europa vor dem Hintergrund des langjährigen russisch-ukrainischen Gasstreits zu erhöhen. Widerstand kam von osteuropäischen Ländern sowie vor allem von den USA. Der Anschlag auf die Pipeline ist der vorläufig letzte Akt in dieser langjährigen Auseinandersetzung. Eine Chronologie.

KARSTEN MONTAG, 28. September 2022, 9 Kommentare, PDF

Vorbemerkung der Redaktion: Der folgende Text wurde vor den Terroranschlägen auf die Nord Stream-Pipelines fertig gestellt. Deren Hintergründe sind bislang unklar. Aktuell wird berichtet, deutsche Sicherheitsbehörden gingen davon aus, dass die beschädigten Pipelines Nord Stream 1 und 2 – sollten sie nicht schnell repariert werden – „für immer unbrauchbar“ sein würden, da Salzwasser einlaufe und die Pipelines korrodieren lasse.

Die Anschläge ereigneten sich östlich der dänischen Insel Bornholm, wenige Tage nachdem in diesem Gebiet US-Kriegsschiffe an einem Manöver teilnahmen. Die Ostsee-Zeitung berichtete dazu am 23.9.: „Seit Anfang August hatte die 'Amphibious Ready Group' in der Ostsee Manöver abgehalten (...). Diese Übungen endeten jetzt. Deshalb sammelte sich der Kampfverband am Mittwoch [dem 21.9.] östlich von Bornholm (...). Seit einigen Tagen läuft das Manöver 'Northern Coasts' (nördliche Küsten), an dem auf der ganzen Ostsee mehrere Einheiten teilnehmen.“ Bei einer weiteren Nato-Großübung in der Ostsee im Juni (Baltops 2022) wurden von den USA deren neueste Unterwasser-Drohnen in der Ostsee getestet, auch dies „vor der Küste von Bornholm“.

Verschiedene Medien bringen derzeit Russland als verantwortlich für die Sabotageakte ins Spiel. Andere Kommentatoren sprechen hingegen mit Blick auf die mögliche Rolle der USA davon, dass mit den Anschlägen auf die Pipelines ein „Krieg gegen Deutschland gerade in seine heiße Phase“ trete.

Das Leck an der Nord-Stream-2-Pipeline am 27. September 2022 | Bild: picture alliance / AA | Danish Defence

Bereits der Bau der beiden ersten Stränge der Ostseepipeline Nord Stream, die im April 2005 zwischen dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Russlands Präsidenten Wladimir Putin beschlossen und 2011 in Betrieb genommen wurde, war darauf ausgelegt, den Transit von Erdgas durch die Ukraine zu reduzieren und die Versorgungssicherheit Deutschlands und Europas zu erhöhen. Betreiber war die Nord Stream AG mit ihren Eigentümern Gazprom (51 Prozent), den deutschen Energieunternehmen Wintershall und E.ON (je 15,5 Prozent), der niederländischen Gasunie und dem französischen Energieversorger Engie (je 9 Prozent).

Ukraine als Risikofaktor beim Gastransport

Ausschlaggebend für den Bau der Erdgastrasse war unter anderem die ukrainische Präsidentschaftswahl im Jahr 2004, der sich daraus ergebende politische Richtungswechsel des Landes hin zum Westen sowie der darauf folgende im März 2005 ausgebrochene russisch-ukrainische Gasstreit. In diesem noch immer andauernden Konflikt ging es um den Preis, den die Ukraine für russisches Importgas bezahlt, die Gebühren für die Weiterleitung russischen Gases nach West- und Südosteuropa sowie die jährliche Menge der Durchleitung.

Als ehemaliger Teil der Sowjetunion bezog die Ukraine noch bis 2005 russisches Gas zu Preisen weit unter dem Weltmarktniveau. Zudem erhielt sie einen Teil der Lieferungen als Gegenleistung zur Durchleitung an die übrigen europäischen Staaten umsonst. Mit der Abwendung der ukrainischen Staatsführung von Russland unter dem Präsidenten Wiktor Juschtschenko sowie den Bestrebungen des Landes, EU- und Nato-Mitglied zu werden, forderte Russland eine Angleichung des Preises, den die Ukraine für die russischen Gaslieferungen bezahlen musste, an den Weltmarktpreis. Im Zuge des Konflikts, der daraus zwischen den beiden Ländern entstand, kam es immer wieder zu Lieferstopps in die Ukraine und zu reduzierten Durchleitungsmengen nach Westeuropa, die in einigen Ländern zu Versorgungsengpässen und Ausfällen führten.

Im Juni 2015, ein Jahr nach dem Euromaidan und der gewaltsamen Absetzung des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch, unterzeichneten die Unternehmen Gazprom, Royal Dutch Shell, E.ON, OMV und Engie eine Vereinbarung, die Ostseepipeline um zwei weitere Erdgasstränge – Nord Stream 2 – zu erweitern. Nord Stream 2 wurde geplant, um eine größere Unabhängigkeit von unsicheren Transitländern wie der Ukraine und damit eine Sicherung der Gasversorgung Deutschlands und Europas zu erreichen. Die dem Innenministerium unterstellte Bundeszentrale für politische Bildung schrieb hierzu noch 2018:

„Die Verlagerung von Gaslieferungen vom UGTS [ukrainisches Gastransitsystem] auf die Ostseepipelines erhöht Europas Energiesicherheit, weil statt der modernisierungsbedürftigen Leitungen und Kompressorstationen aus sowjetischer Produktion neue und moderne Ausrüstungen eingesetzt werden. Außerdem entfällt die Möglichkeit der Lieferunterbrechung durch Transitstaaten.“

Breites europäisches Bündnis für Nord Stream 2

Im April 2017 schlossen fünf europäische Energieunternehmen eine Finanzierungsvereinbarung mit der mittlerweile gegründeten, 100-prozentigen Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG mit Sitz in der Schweiz:

  • Wintershall Dea (Deutschland, im Mehrheitsbesitz der BASF)
  • Engie (Frankreich)
  • OMV (Österreich)
  • Shell (Grossbritannien/Niederlande)
  • Uniper (damals noch E.ON-Tochter, ab 2020 im Mehrheitsbesitz des finnischen Energiekonzerns Fortum)

Gazprom übernahm 50 Prozent der Finanzierungskosten des 10 Milliarden Euro-Projekts, die übrigen Unternehmen jeweils 10 Prozent.

Abbildung 1 zeigt, dass Nord Stream 2 die Kapazität gehabt hätte, nicht nur die Ukraine als Transitland zur Belieferung Europas mit russischem Gas überflüssig zu machen, sondern auch eine Reduzierung der Liefermengen über die Jamal-Europa-Pipeline ermöglicht hätte.

Abbildung 1: (für größere Darstellung Bild anklicken) Kapazitäten der Pipelines zwischen Russland und Europa sowie Liefermengen 2021, Datenquelle: Wikipedia, Nord Stream, Reuters, CEENERGY NEWS

Nachdem die deutschen Behörden Anfang 2018 die Verlegung durch den deutschen Teil der Ostsee genehmigt hatten, begannen die Bauarbeiten im Mai desselben Jahres. Mit der Fertigstellung wurde bis Ende 2019 gerechnet. Allerdings fehlte zu diesem Zeitpunkt noch die Zustimmung Dänemarks, Schwedens, Finnlands und Russlands für den Bau der Trasse durch den jeweiligen Teil ihrer Hoheitsgewässer.

Internationaler Widerstand

Widerstand gegen die Erweiterung der Pipeline kam aus verschiedenen Richtungen: von den Anrainerstaaten der Ostsee, von Ländern, die befürchteten, durch Nord Stream 2 zukünftig auf Transiteinnahmen verzichten zu müssen, von der EU-Kommission, die lieber eine größere Diversifizierung der Gaslieferungen vorantreiben und die Ukraine in die Europäische Union aufnehmen wollte, und letztendlich auch vom grünen Koalitionspartner der aktuellen deutschen Bundesregierung. Doch ausschlaggebend für die Verzögerung der Fertigstellung und die Nichtinbetriebnahme der Erdgastrasse waren die Interventionen der USA.

Widerstand aus Dänemark

Nachdem alle anderen betroffenen Anrainerstaaten der Ostsee der Verlegung der beiden Rohrleitungen von Nord Stream 2 durch ihre Hoheitsgewässer zugestimmt hatten, erteilte Dänemark erst im Oktober 2019 seine Genehmigung, nachdem der Routenverlauf der Pipeline geändert wurde. Die dänische Energiebehörde begründete die Entscheidung mit Auswirkungen auf den Schiffsverkehr und Naturschutzbedenken. Tatsächlich hatte es in der über zweijährigen dänischen Bearbeitungszeit des Antrages von Nord Stream 2 Bestrebungen gegeben, die Zustimmung aus verteidigungs- und außenpolitischen Gründen zu untersagen.

Widerstand aus Polen

Polen, das sich schon gegen den Bau von Nord Stream 1 ausgesprochen und 2016 ein Veto gegen die Erweiterung eingelegt hatte, verhängte im Oktober 2020 Bußgelder in Höhe von 6,5 Milliarden Euro gegen Gazprom sowie von 58 Millionen Euro gegen die übrigen fünf Finanziers der Pipeline. Rechtliche Schritte zur Eintreibung der Gelder blieben aus. Als Begründung nannte der Präsident der polnischen Wettbewerbsbehörde, dass die Fertigstellung von Nord Stream 2 die Abhängigkeit von russischem Erdgas verstärke und Preiserhöhungen drohten. Da dies auch Konsequenzen für Polen hätte, wäre eine Zustimmung des Landes für den Bau der Pipeline notwendig gewesen, auch wenn die Trasse nicht durch polnische Hoheitsgewässer verlaufe.

Widerstand aus der Ukraine

Die Staatsführung in Kiew sah im Bau von Nord Stream 2 von Anfang an ein anti-ukrainisches Projekt, das den Staatshaushalt um Transitgebühren schmälern würde. So würde das Land anfälliger für russische Aggressionen. Tatsächlich musste die Ukraine bereits durch die Inbetriebnahme von Nord Stream 1 auf Einnahmen aus Gebühren für die Weiterleitung von russischem Gas nach Europa in Höhe von circa zwei Milliarden Euro pro Jahr verzichten. Seit 2015 schwanken die verbliebenen Transit-Einnahmen des Landes zwischen einer und zweieinhalb Milliarden Euro pro Jahr. Da die Ukraine auch Aufwendungen hat, um das Gasnetz in ihrem eigenen Land zu betreiben, liegt der Gewinn aus dem Gastransit deutlich niedriger. Laut des staatlichen ukrainischen Energiekonzerns Naftogaz beträgt er seit 2015 zwischen 10 Millionen und 1,2 Milliarden Euro jährlich. Abhängig von den jeweiligen Gaspreisen und den durchgeleiteten Mengen lag der Anteil der Transitgebühren an den Kosten für die weitergeleiteten Mengen demnach zwischen 6 und 27 Prozent. Der Anteil des Gewinns der Ukraine lag zwischen 0,1 und 9,3 Prozent. Letzteres sind schlussendlich die Kosten, die sich durch den Bau von Nord Stream 2 beim Gaspreis einsparen ließen.

Ähnlich wie die Ukraine verdient auch Polen an der Weiterleitung russischen Gases über die Jamal-Europa-Pipeline nach Westeuropa mit. Da den polnischen Abschnitt der Gastrasse jedoch Gazprom finanziert hatte, wurde nur ein geringer Profit aus den Transitgebühren vereinbart.

Widerstand der EU-Kommission

Die EU-Kommission hatte bereits sehr früh deutlich gemacht, dass Nord Stream 2 kein Projekt von gemeinsamen europäischem Interesse sei. Bereits im Oktober 2017 kündigte sie an, an die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 andere Bedingungen zu knüpfen als noch an Nord Stream 1. Unter anderem dürften Gaslieferanten nicht gleichzeitig auch Betreiber eine Leitung sein.

Zuletzt war es Mitte November 2021 auf Druck der EU-Kommission zu einer Aussetzung der Zertifizierung von Nord Stream 2 aus formalen Gründen durch die Bundesnetzagentur gekommen. Die Betreiberfirma müsse erst nach deutschem Recht organisiert sein, um zugelassen werden zu können. Danach hätte die EU-Kommission noch zustimmen müssen, die wahrscheinlich die Frist von vier Monaten für ihre Stellungnahme voll ausgeschöpft hätte.

Widerstand der Grünen

Sowohl Bundesaußenministerin Annalena Baerbock als auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatten sich früh gegen die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 ausgesprochen. Baerbock sah die Pipeline schon vor der Bundestagswahl im September 2021 als Gefahr für die Sicherheit der Ukraine. Sie sei zudem klimapolitisch und geostrategisch falsch, da sie unter anderem auf eine Spaltung der EU abziele. Habeck äußerte in einem Interview im Februar 2022, dass es klüger gewesen wäre, Nord Stream 2 erst gar nicht zu bauen. Die sicherheits- und geopolitische Seite der Ostseepipeline sei zu wenig berücksichtigt worden.

Widerstand und Sanktionen der USA

Im August 2017 unterzeichnete der damalige US-Präsident Donald Trump den Countering America's Adversaries Through Sanctions Act (CAATSA) (zu Deutsch: Gesetz zur Bekämpfung von Amerikas Widersachern durch Sanktionen), der sich auch explizit gegen den Bau von Nord Stream 2 richtete und gegen europäische Firmen zur Anwendung kommen sollte. Im Gesetz heißt es:

„Es ist die Politik der Vereinigten Staaten, sich weiterhin (...) gegen die Nord Stream 2-Pipeline auszusprechen, da sie sich nachteilig auf die Energiesicherheit der Europäischen Union, die Entwicklung des Gasmarktes in Mittel- und Osteuropa und die Energiereformen in der Ukraine auswirkt; und dass die Regierung der Vereinigten Staaten dem Export von Energieressourcen der Vereinigten Staaten Vorrang einräumen sollte, um amerikanische Arbeitsplätze zu schaffen, Verbündete und Partner der Vereinigten Staaten zu unterstützen und die Außenpolitik der Vereinigten Staaten zu stärken.“

Zwei Monate zuvor hatten der damalige österreichische Bundeskanzler Christian Kern und der damalige deutsche Außenminister Sigmar Gabriel diesen Gesetzentwurf in einer gemeinsamen Stellungnahme scharf kritisiert:

„In bemerkenswerter Offenheit beschreibt der US Gesetzentwurf, worum es eigentlich geht: um den Verkauf amerikanischen Flüssiggases und die Verdrängung russischer Erdgaslieferungen vom europäischen Markt. Ziel sei es, Arbeitsplätze in der Erdgas- und Erdölindustrie der USA zu sichern. Politische Sanktionsinstrumente sollten nicht mit wirtschaftlichen Interessen in Verbindung gebracht werden. Und Unternehmen in Deutschland, Österreich und anderen europäischen Staaten auf dem US Markt mit Bestrafungen zu drohen, wenn sie sich an Erdgasprojekten wie Nord Stream II mit Russland beteiligen oder sie finanzieren, bringt eine völlig neue und sehr negative Qualität in die europäisch-amerikanischen Beziehungen. Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit unserer energieintensiven Industrie und um tausende von Arbeitsplätzen.“

Die damalige Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries verurteilte das Gesetz sogar als völkerrechtswidrig.

Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft erklärte in der ARD-Sendung Panorama 2018:

„Die Nord-Stream-2-Gasleitung ist ein sehr gutes Projekt nicht nur für Deutschland, sondern für Europa insgesamt. Russland: direkt vor der Haustür, sehr günstig, mit kurzem Transportwegen. Europa ist da in einer sehr, sehr günstigen Versorgungslage.“

Ende 2019 unterzeichnete Trump dann den Protecting Europe’s Energy Security Act (PEESA) (zu Deutsch: Gesetz zum Schutz der europäischen Energiesicherheit). Darin wurden Unternehmen und Personen, die sich konkret am Bau von Nord Stream 2 und Turk Stream sowie etwaiger Nachfolgeprojekte beteiligten, ab Januar 2020 Sanktionen angedroht. Als Begründung führte die US-Regierung an, Russland würde Nord Stream 2 als Werkzeug missbrauchen, um seine Aggressionen gegen die Ukraine fortzusetzen und eine engere Integration des Landes mit den USA und Europa zu verhindern. Des Weiteren würde die Pipeline die Abhängigkeit Europas von russischem Gas erhöhen und damit ökonomische und politische Verwundbarkeiten bei den US-amerikanischen Partnern und Alliierten in Europa schaffen.

Die Sanktionen richteten sich gegen Schiffe, die Pipelines verlegen, sowie gegen Personen, die derartige Schiffe verkaufen, zur Verfügung stellen, finanzieren, versichern oder umrüsten. Zudem sollten Personen sanktioniert werden, die Dienstleistungen für die Prüfung, Inspektion oder Zertifizierung der Pipeline erbringen. Letztere Androhungen bezogen sich somit auch auf Mitarbeiter deutscher Behörden wie der Bundesnetzagentur.

2021 wurde das Gesetz um Sanktionen erweitert, die sich auf Aktivitäten rund um die Verlegung der Pipelines bezogen, wie „die Vorbereitung des Standorts, des Aushebens von Gräben, des Vermessens, des Platzierens von Steinen, des Verfüllens, des Verlegens von Strängen, des Biegens, des Schweißens, des Beschichtens und des Absenkens von Rohren“. Vor der Verhängung von Sanktionen sollten die Regierungen Norwegens, der Schweiz, des Vereinigten Königreichs und der EU-Mitgliedstaaten konsultiert werden.

Die Sanktionsdrohungen wurden von der Bundesregierung mit dem Hinweis, dass sie deutsche und europäische Unternehmen treffen würden und eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands darstellen, bedauernd zur Kenntnis genommen.

US-Sanktionen verzögern Fertigstellung um zwei Jahre

Im Dezember 2019, kurz bevor die US-Sanktionen in Kraft traten, verließen die beiden weltweit größten Rohrverlegeschiffe „Pionieering Spirit“ und „Solitaire“ des schweizerischen Unternehmens Allseas die Baustelle in der Ostsee. Der Bau war zum damaligen Zeitpunkt zu 90 Prozent fertiggestellt. Die restlichen 160 Kilometer Pipeline wurden ab Februar 2021 von den russischen Rohrverlegeschiffen „Akademik Cherskiy“ und „Fortuna“ verlegt, die jedoch vorher aufwändig umgerüstet werden mussten.

Medien meldeten im Februar 2021, dass mindestens 18 europäische Unternehmen ihre Teilnahme an dem Projekt beendet oder ihren Rückzug zugesichert hätten, darunter der Industriedienstleister Bilfinger aus Mannheim und der zur Münchner Rück gehörende Versicherer Munich Re Syndicate Limited.

Die neue US-Regierung unter Joe Biden verzichtete im Mai 2021 zunächst auf weitere Sanktionen, insbesondere gegen die Betreibergesellschaft der neuen Ostseepipeline, die Nord Stream 2 AG, obwohl sowohl Biden selbst als auch sein Außenminister Anthony Blinken sich deutlich gegen den Bau der Erdgastrasse ausgesprochen hatten. Im Juli 2021 gelangten Deutschland und die USA schließlich zu einer Einigung im jahrelangen Streit um die Pipeline. In einer gemeinsamen Erklärung bekundete die Bundesregierung ihre Absicht, sich auch zukünftig dafür einzusetzen, dass die Ukraine ein Gastransitland bleibt – obwohl dies dem eigentlichen Zweck von Nord Stream 2 widerspricht.

Trotz des vehementen Widerstands der USA war im Juni 2021 der Bau des ersten Stranges von Nord Stream 2 abgeschlossen. Im September 2021 folgte die Fertigstellung des zweiten Stranges. Die Test-Befüllung des ersten Stranges erfolgte im Oktober 2021, die Test-Befüllung des zweiten Stranges war im Dezember 2021 abgeschlossen.

Ende November 2021 kündigten die USA, trotz ihrer Einigung mit der Bundesregierung wenige Monate zuvor, neue Sanktionen gegen die Inbetriebnahme an. Acht Personen und 17 Schiffe seien nunmehr mit Strafmaßnahmen belegt.

Die Eskalation Anfang 2022

Vier Wochen vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine machte das US-Außenministerium deutlich, dass im Falle einer Invasion Russlands Nord Stream 2 gestoppt werden würde. Ein Sprecher erklärte am 26. Januar:

„Ich möchte sehr deutlich werden: Falls Russland auf die ein oder andere Art in die Ukraine einmarschiert, dann wird Nord Stream 2 gestoppt werden. Ich werde nicht in die Details gehen. Wir werden mit Deutschland arbeiten um sicherzustellen, dass das Projekt gestoppt wird.“

Am 7. Februar erklärte US-Präsident Biden gleichen Sinnes:

„Wenn Russland einmarschiert, wenn Panzer oder Truppen wieder die Grenze zur Ukraine überschreiten, dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.“

Der Ökonom Michael Hudson sah in solchen Aussagen eine Strategie der USA, Russland zu einem Krieg zu provozieren um durch den darauf folgenden politischen Druck die schon fertige Pipeline doch noch in letzter Minute stoppen zu können. So schrieb Hudson am 7. Februar, mehrere Wochen vor Beginn des Krieges in einem Artikel mit dem Titel „Amerikas echte Widersacher sind seine europäischen und anderen Alliierten. Ziel der USA ist es, sie vom Handel mit China und Russland abzuhalten“:

„Die einzige Möglichkeit, die den US-Diplomaten bleibt, um die europäischen [Gas-]Käufe zu blockieren, besteht darin, Russland zu einer militärischen Reaktion zu veranlassen und dann zu behaupten, dass die Rache für diese Reaktion schwerer wiegt als jedes rein nationale wirtschaftliche Interesse. (…) Das Problem besteht darin, einen angemessenen Vorfall zu schaffen und Russland als Aggressor darzustellen.“

Der Autor Mike Whitney präsentierte am 11. Februar eine ähnliche These, die die kommenden Ereignisse präzise vorwegnahm:

„Das Biden-Team will Russland 'zu einer militärischen Reaktion veranlassen', um Nord Stream zu sabotieren. Das bedeutet, dass es eine Art Provokation geben wird, die Putin dazu veranlassen soll, seine Truppen über die Grenze zu schicken, um die ethnischen Russen im östlichen Teil des Landes zu verteidigen. Sollte Putin den Köder schlucken, würde die Reaktion schnell und hart ausfallen. Die Medien werden die Aktion als Bedrohung für ganz Europa anprangern, während führende Politiker in aller Welt Putin als 'neuen Hitler' anprangern werden. Das ist die Strategie Washingtons, und die ganze Inszenierung ist auf ein Ziel ausgerichtet: Es dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz politisch unmöglich zu machen, Nord Stream durch das endgültige Genehmigungsverfahren zu winken.“

Am 22. Februar, zwei Tage vor Kriegsbeginn, wurde Nord Stream 2 dann tatsächlich gestoppt. Bundeskanzler Olaf Scholz teilte diese Entscheidung mit und begründete sie mit der russischen Anerkennung der Volksrepubliken Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten am gleichen Tag. Eine Sprecherin der US-Regierung kommentierte den Beschluss umgehend:

„Wir haben uns im Lauf der Nacht eng mit Deutschland abgestimmt und begrüßen die Ankündigung.“

Hohe Gaspreise nicht erst durch den Krieg

Die Preise für Erdgas auf dem europäischen Markt sind nicht erst mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar sowie den nachfolgenden Sanktionen gegen Russland gestiegen. Bereits seit Mitte 2021 befindet sich der Gaspreis in Europa auf einem bisher nie dagewesenen Höhenflug. Abbildung 2 zeigt die Endwicklung des durchschnittlichen monatlichen Preises für Erdgas-Termingeschäfte am niederländischen Handelspunkt Title Transfer Facility (TTF).

Abbildung 2: (für größere Darstellung Bild anklicken) Durchschnittlicher monatlicher Preis für Erdgas-Termingeschäfte am niederländischen Handelspunkt TTF, Datenquelle: Investing.com, abgerufen am 20.09.2022

Demnach ist bereits im August 2021 der Preis für Erdgas in Europa über das Niveau der Vorjahre gestiegen und hat sich in den Folgemonaten noch deutlich erhöht. In den Medien fanden sich Ende 2021 vielerlei Spekulationen über die Gründe für den enormen Anstieg. Der wichtigste Auslöser dürfte jedoch die ausgebliebene Gaslieferung aus Russland gewesen sein. Abbildung 3 zeigt, wie seit Mitte August 2021 die Übertragung von Erdgas über die Jamal-Europa-Pipeline deutlich zurückgeht.

Abbildung 3: (für größere Darstellung Bild anklicken) Gaslieferungen aus Russland je Pipeline, Datenquelle: Bruegel, abgerufen am 20.09.2022

Zunächst war ein Feuer in einer Erdgasaufbereitungsanlage in Sibirien der offizielle Grund für eine Reduzierung der Gasflüsse über die Erdgasleitung, die durch die Transitländer Weißrussland und Polen führt. Tatsächlich hatte das teilstaatliche russische Gasunternehmen Gazprom jedoch bereits im August 2021 weniger Übertragungskapazitäten über die Jamal-Europa-Pipeline und das ukrainische Transitnetzwerk reserviert, um Gas nach Europa zu liefern.

Ganz offensichtlich ist das Unternehmen davon ausgegangen, dass mit der damals kurz bevorstehenden Inbetriebnahme von Nord Stream 2 diese Kapazitäten, welche hohe Zahlungen an die Transitländer Weißrussland, Polen und Ukraine verursachen, nicht mehr nötig wären. Dieses Vorgehen wurde von der damaligen Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, als Erpressung gewertet.

An Abbildung 3 ist auch erkennbar, dass Gazprom die Gaslieferungen über Nord Stream 1 erst dann signifikant reduziert hatte, als die deutsche Bundesregierung Ende April die Belieferung der Ukraine mit schweren Waffen angekündigt hatte.

Die hohen Gaspreise in Europa sind keine direkte Folge höherer Produktionskosten, sondern dem freien Handel an den europäischen Börsen und in Direktverträgen geschuldet. Während sich der durchschnittliche monatliche Gaspreis in Europa im Vergleich zum Mittelwert der vorangegangen drei Jahre seit Mitte 2021 zeitweise verzehnfacht hat, stieg der entsprechende Gaspreis in den USA im selben Zeitraum nur um maximal das Dreifache an. Die hohe Nachfrage in Europa und das geringe Angebot aufgrund mangelnder Gaslieferungen aus Russland trieben die Preise in die Höhe und sorgen für außerordentlich hohe Gewinne bei den Gasproduzenten und Händlern.

Geopolitische Interessen der USA

Aus geopolitischer Sicht sind die USA bestrebt, grundsätzlich eine enge wirtschaftliche Kooperation zwischen Europa, Russland und China zu verhindern. Der einflussreiche polnisch-amerikanische Politikwissenschaftler und Politikberater Zbigniew Brzeziński schrieb bereits 1997 in seinem Buch „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ (S. 15, englischer Originaltitel: „The Grand Chessboard. American Primary and Its Geostrategic Imperative“):

„Inwieweit die USA ihre globale Vormachtstellung geltend machen können, hängt (...) davon ab, wie ein weltweit engagiertes Amerika mit den komplexen Machtverhältnissen auf dem eurasischen Kontinent fertig wird – und ob es dort das Aufkommen einer dominierenden, gegnerischen Macht verhindern kann. Folglich muss die amerikanische Außenpolitik den geopolitischen Aspekt der neu entstandenen Lage [nach dem Ende der Sowjetunion] im Auge behalten und ihren Einfluss in Eurasien so einsetzen, daß ein stabiles kontinentales Gleichgewicht mit den Vereinigten Staaten als politischem Schiedsrichter entsteht. Eurasien ist somit das Schachbrett, auf dem sich auch in Zukunft der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird.“

Vor diesem Hintergrund gefährden Projekte wie die Neue Seidenstraße oder Nord Stream 2 grundsätzlich die geopolitischen Interessen der USA auf dem eurasischen Kontinent.

Über den Autor: Karsten Montag, Jahrgang 1968, hat Maschinenbau an der RWTH Aachen, Philosophie, Geschichte und Physik an der Universität in Köln sowie Bildungswissenschaften in Hagen studiert. Er war viele Jahre Mitarbeiter einer gewerkschaftsnahen Unternehmensberatung, zuletzt Abteilungs- und Projektleiter in einer Softwarefirma, die ein Energiedatenmanagement- und Abrechnungssystem für den Energiehandel hergestellt und vertrieben hat.


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JAMES B., 28. September 2022, 23:40 UHR

Massenhafte Unternehmens- und Privatinsolvenzen, zuhause erfrorene Alte, längere Stromausfälle, Treibstoffmangel, leere Supermarktregale und Heerscharen zusätzlicher Arbeitsloser — man muss den Teufel nicht an die Wand malen, und außerdem hat Scholz versprochen, dass wir durch den Winter kommen.

Dieser ganz offene Akt US-polnischen Staatsterrorismus gegen kritische zivile Infrastruktur, welche keine Flotte an LNG-Tankern ersetzen kann, ist bestimmt nichts weiter als ein ganz besonderer transatlantischer Liebesbeweis für ein nibelungentreu unterwürfiges Deutschland. Das beste Deutschland aller Zeiten, in dem wir alle gut und gerne leben, und völlig widerstandslos noch und nöcher für Energie bezahlen. Bis der letzte Hochofen, die letzte Autofabrik und der letzte Verpackungshersteller ihren Betrieb einstellt haben.

Für einen guten Zweck — "Slava Ukraini!!1" — sind wir Deutschen für ALLES bereit, auch wenn das Gefühl haushoch überlegener Moral weder Brennholz noch Klopapier besorgt. /Sarkasmus

RIPPLE, 29. September 2022, 11:50 UHR

Ist auch nur rein theoretisch eine noch kriegerischere Handlung denkbar als das Zerstören einer wichtigen Lebensader eines Landes?

Mit US Präsident Bidens Ankündigung, die Nord Stream Pipelines zu zerstören, hat die USA erst vor kurzem Deutschland ganz offen den Krieg erklärt. Jetzt hat die USA mit der physischen und unwiederbringlichen Zerstörung unserer Lebensader einen extrem massiven Erstschlag gegen die Existenz Deutschlands gesetzt. Die Reaktion der westlichen Politiker (nicht nur Von der Leyen) ist die Ankündigung von Sanktionen – gegen Russland (wegen unerlaubt demokratischen Verhaltens in vier Regionen des Donbass)!

Ich bin nur Laie und fern von jeder Beherrschung juristischen Vokabulars, aber kann sich der gesunde also juristenferne Menschenverstand einen klareren Fall von Hochverrat vorstellen, als einen deutschen Politiker oder gelenkten Medienpropagandisten*, der den kriegerischen Angreifer unterstützt, der ganz offen und mit Ankündigung Deutschlands Vernichtung herbeiführt?

Eine Diskussion darüber, wie mit den über 700 Hochverrätern im Bundestag für den Fall zu verfahren ist, dass Deutschland überleben will, haben die Hochverräter verboten, obwohl es (noch) im Grundgesetz steht, im Artikel 20 Absatz 4.


*Zur Lenkung der Medienpropagandisten, ganz aktuell:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=88618

BERNHARD MÜNSTERMANN, 29. September 2022, 13:25 UHR

Anselm Lenz, der bei Apolut unwidersprochen als einer der bedeutendsten Journalisten der Gegenwart apostrophiert wurde (wobei unklar blieb, ob das vielleicht ausschließlich seine eigene Einschätzung war), weiß mehr als die Kollegen in den anderen alternativen Medien der Gegenöffentlichkeit, unter ihnen vernünftigerweise auch Karsten Montag bei multipolar.

Veröffentlicht am: 28. September 2022 bei Apolut
https://apolut.net/usa-zerstoerten-versorgungsleitungen-in-der-ostsee-von-anselm-lenz/

Anselm Lenz gibt in seinem verlinkten Artikel bereits in der Überschrift coram publico endgültigen Bescheid. Woher er das weiß und was seine exklusiven Quellen sind, das geruht er der Öffentlichkeit nicht zu offenbaren. Vielmehr stellt er eine sehr plausible, aber bislang eben noch unbewiesene Vermutung als Tatsachenbehauptung dar. Das kennzeichnet kein vertrauenerweckendes Bild vom sorgfältig, nach den bewährten Regeln des seriösen Journalismus arbeitenden Journalisten der Gegenöffentlichkeit. Es schadet eher. Es ist vielmehr Haltungsjournalismus wie im Mainstream und unter Verletzung der einfachsten Regeln für serösen Journalismus.

Ich möchte deshalb unbedingt anregen, das vorsichtigere Vorgehen von Karsten Montag und anderen Autoren zu beherzigen. Selbst die russische Regierung, respektive deren Gesandter bei den UN, beantragte, die USA als der Tat verdächtig einzuordnen, nennt aber klugerweise kein Endergebnis als ihr Urteil.

Wir erinnern uns, dass im Falle von 9/11 über mehr als 20 Jahre nach handfesten und gerichtsfesten Beweisen gesucht wurde und diese einschlägigen Indizien erdrückend deutlich die US-Administration belasten, die eigenen Bürger mit diesem Terrorakt angegriffen zu haben. Leider fehlt es bis heute am Erfolg vor US-Gerichten. Beim Mord an US-Präsident John F. Kennedy ist der Fall seit November 1963 offiziell nicht durch die Justiz aufgeklärt.

Auch im Falle der Beschädigung der Gas-Pipelines wird sich der Kampf um die Deutungshoheit und Schuldzuweisung eine Weile hinziehen. Bis dahin gewinnt man skeptische Zeitgenossen am ehesten dadurch, dass man in den Medien der Gegenöffentlichkeit noch unbewiesene Tatsachenbehauptungen von ausgesprochen plausiblen Indizien und Vermutungen so gut als möglich für den Leser erkennbar trennt.

RIPPLE, 29. September 2022, 16:20 UHR

Wir erinnern uns, dass im Falle von 9/11 über mehr als 20 Jahre nach handfesten und gerichtsfesten Beweisen gesucht wurde...

Daran erinnern Sie Sich vielleicht, ich erinnere mich daran, dass von Anfang an mit katholischer Intensität in jede Richtung gesucht wurde, die das regierungsamtliche 9/11-Narrativ ganz sicher nicht gefährden würde. Gefunden hat man dann so Beweise wie Attas hängengebliebenes Gepäck mit großen roten "Ich war's"-Aufklebern, Ausweisen der Terrorists auf den qualmenden Trümmern des WTC und ähnlich Überzeugendes.

Leider fehlt es bis heute am Erfolg vor US-Gerichten.

Ja. Und? Ist das ein Grund dafür, dass wir unseren Verstand abschalten bis dass ein US-Gericht uns erlaubt, zwei und zwei zusammenzuzählen? Für eine vernunftkonforme Realitätskonstitution haben Aussagen von US-Gerichten zu 9/11 die exakt gleiche Relevanz wie Aussagen unseres Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Harbarth zur Verfassungsmäßigkeit von z.B. Coronafoltermaßnahmen oder Protesten gegen eben jene.

Die Timeline:

(1) Die USA verbieten Deutschland, eine zweite Lebensader zwischen Russland und Deutschland zu bauen.

(2) Deutschland baut trotzdem. Die USA toben mit Schaum vor dem Mund.

(3) Der US Präsident und die CIA kündigen an, beide Lebensadern Deutschlands zu zerstören.

(4) Die USA führen im Gebiet der Lebensadern Deutschlands Manöver durch, bei denen sie das Zerstören der Lebensadern Deutschlands "üben". Erinnern Sie Sich an all die Übungen kurz vor und an 9/11, und die zeitgleichen Übungen in London etc...

(5) Die Lebensadern Deutschlands werden entsprechend dieser Übungen durch Bomben und Unterwasserdrohnen zerstört.

(6) Und wir sollen mit dem Verstehen der Vorgänge jetzt warten, bis irgendein Regimerichter des westlichen Kapitals das westliche Kapital als Täter entlarvt? Weil es ja auch Andorra gewesen sein könnte? Oder die schweizer Marine?

(7) In der Zwischenzeit erregt sich die Presse des Kapitals über irgendeine Handbewegung eines trällernden Ballermann-Trinchens namens Müller (auch noch Melanie – kann man sich gar nicht ausdenken!), um deutlich zu machen, dass Deutschland gerade eben NICHT von den USA angegriffen wurde und man hierzu ja nichts sicher wissen könne, solange nicht ein US-Richter gesagt hat, dass es die USA waren und weil es – wie ich in den Medien gelesen habe – eine "langwierige Ermittlung" werden wird. So langwierig bis es niemanden mehr interessiert? Wie bei 9/11?

Nein, ich bin ganz und gar nicht Ihrer Meinung, Herr Münstermann. Wir dürfen bei der kriegerischen Zerstörung der Pipelines ebenso unseren Verstand gebrauchen wie beim Einsturz des WTC7 abends um 17:20 Uhr Ortszeit, bei dem über 8 Stockwerke (2,25 Sekunden) freie Fallbeschleunigung erreichten. Wir dürfen wissen, dass freie Fallbeschleunigung nur erreicht werden kann, wenn das Gebäude auf einer Höhe von 8 Stockwerken dem fallenden Gebäudeteil exakt genau den gleichen Widerstand entgegen setzt wie Luft. Und wir dürfen wissen, welche Vorbereitungen hierzu notwendig sind, auch wenn uns kein US-Regimerichter die Erlaubnis dazu erteilt hat.

An der Sprengung der Pipelines klebt ein noch deutlich größerer "Ich war's"-Zettel als an Attas Gepäck. Und, ja, wir dürfen diesen Zettel wahrnehmen und entsprechend handeln und schreiben, auch wenn die Medien unseren Blick mit katholischer Intensität zum Ballermann und sonst überall hin lenken, wo keine Lebensadern Deutschlands nach entsprechender Ankündigung und nach entsprechender Übung aufgeschlitzt wurden.

BERNHARD MÜNSTERMANN, 29. September 2022, 21:35 UHR

@Ripple.

Sie erinnern sich vermutlich auch, dass die 4 verwitweten Jersey Girls einen Untersuchungsbericht forderten und auch durchgesetzt haben. Der war im Ergebnis und der personellen Zusammensetzung nach ähnlich vertrauenerweckend wie die Warren Kommission in der Mordsache JFK, der der CIA Chef Allen Dulles höchstselbst angehörte.

Sie erinnern vermutlich, dass der Physiklehrer David Chandler den für die Untersuchung verantwortlichen Ingenieuren von NIST einige peinliche Fragen stellte und an den in Videodokumenten von David Chandler messbaren Zeitverlauf des fallenden WTC7, um die Beschleunigung des freien Falls sicher nachzuweisen. Sie erinnern sicher später die Bemühungen von Steven Earl Jones, das hochenergetische Material in Staubproben und seine Eigenschaften bei exothermer Reaktion nachzuweisen. Der Physiker Steven E. Jones formulierte, methodisch richtig vorgehend, danach seine Hypothese und veröffentlichte das mit seinen Co-Autoren. 2009 z.B. in den Europhysics News.

Prof. Leroy Hulsey untersuchte an der Hochschule in Alaska mit zwei seiner Doktoranden im Auftrag von AE911truth 2015 die modellierte Statik von WTC 7 unter Hitzeeinwirkung von Bürobränden, um den Nachweis zu führen, dass ein Bürobrand im Gebäude nicht die Ursache für den Kollaps von WTC7 gewesen sein kann. Den Schluss, dass es eine kontrollierte Sprengung gewesen sei, findet man in diesem Gutachten nicht. Allerdings gibt es erdrückend viele andere Indizien dafür. Bei zahlreichen Terrorereignissen ist das gleiche Muster zu sehen: immense Anstrengungen der Zivilgesellschaft zur Aufklärung einerseits, unter Verschluss gehaltene Akten und Obstruktion der Nachforschungen seitens der Zivilgesellschaft durch staatliche Behörden andererseits.

Die Schlüsse daraus soll aber der Leser selbst ziehen. Oder der Journalist soll es als seine Sicht der Dinge in einem Kommentar veröffentlichen. Das ohne sichere Beweise als Tatsachenbehauptung zu publizieren widerspricht journalistischen Regeln. Ich schätze an dem Artikel von Karsten Montag und dem multipolar Magazin, dass hier kein Haltungsjournalismus mit umgekehrten Vorzeichen gepflegt, sondern möglichst sorgfältig gearbeitet wird. Das vermute ich bei Ihnen ebenso, da Sie ja zum Kreis der regelmäßigen Leser zählen, wie man an Ihren Leserbriefen ablesen kann.

RIPPLE, 30. September 2022, 10:50 UHR

@ Bernhard Münstermann

Haltungsjournalismus ist ja gerade eben dadurch gekennzeichnet, dass er ideologische Vorgaben vor Plausibilitätsabwägungen und Beweise (z.B. freie Fallbeschleunigung über 2,25 Sekunden) setzt. Dass z.B. Anselm Lenz Plausibilitätsabwägungen nicht beachtet habe, können auch Sie ihm nicht vorwerfen. Auch mir nicht, wenn Sie Sich meinen Abschnitt "Timeline" nochmal anschauen.

Ihr Vorwurf "Haltungsjournalismus" ist hier also nicht angebracht. "Verschwörungstheoretiker" dürfen Sie Lenz, mir und vielen anderen gerne vorwerfen, obwohl ich "Verschwörungsanalytiker" vorziehen würde. Aber die Auszeichnung als Verschwörungstheoretiker ist inzwischen ja ehrbarer als die Auszeichnung mit einem Friedensnobelpreis, oder mit einem Grimme Preis (u.a. Drosten und Mai Thi Nguyen-Kim).

Ich habe z.B. noch nie einen sicheren Beweis (wie definieren Sie "sicheren Beweis"?) für die Existenz Neuseelands gesehen. Es sind Plausibilitätsabwägungen, die mich die Existenz Neuseelands als gesichert annehmen lassen. Wie sehr Plausibilitätsabwägungen ganz allgemein die Grundlage einer vernunftkonformen Realitätskonstitution sind, erkennen Sie an Menschen, die auf diesem Gebiet versagen, also z.B. Flacherdler, Menschen, die glauben ein unsichtbares Gespenst habe das Universum grad so gebracht wie der Klapperstorch die kleinen Kinder bringt, oder Menschen, die alleine im Auto sitzend sich selbst mit einer an die Ohren gehängten Vollidiotenberuhigungswindel knebeln.

Nein, ich werde mir wegen schlecht verdautem Positivismus ("Sichere Beweise?") nicht verbieten lassen, mein Aude zu saperen – um mit Kanye West zu sprechen oder wie der alte Senfrührer gleich noch mal hieß. Und Anselm Lenz sollte das auch nicht. Auch darüber schreiben, dass es Neuseeland wirklich gibt, dass WTC7 gesprengt wurde (ich zähle Nanothermit jetzt mal ganz frech zu den Sprengmitteln in weiterem Sinn), dass die Pipelines von den USA gesprengt wurden (bzw. in deren Auftrag), dass Lauterbach schlechte Zähne und eine kalte Lötstelle im Netzteil seines Menschlichkeitssimulationsmoduls hat (daher auch sein wiederholter Sekundenschlaf), darf Anselm Lenz. Oder ich. Oder sonst eben jeder, der sein Aude saperet.

Gutes Beispiel, das mit Lauterbachs Zähnen gerade: Würden Sie Fotos und Videos, in denen man Lauterbachs Gebiss deutlich sehen kann, als sicheren Beweis dafür akzeptieren, dass Lauterbach schlechte Zähne hat? Ja? Vielleicht sogar "selbstverständlich"? Der gemessene freie Fall von WTC7 ist ein um mehrere Erkenntniskategorien sichererer Beweis, dass der Einsturz von WTC7 ein Abriss mit sogar überdimensioniertem Sprengmitteleinsatz war, als Fotos von Lauterbach ein Beweis für den Zustand seines Gebisses sind. Aber trotzdem akzeptieren Sie beim WTC7 erst dann eine Erkenntnis als sicheren Beweis, wenn ein Regimerichter ihn als gerichtsfesten Beweis (gegen sein Regime) akzeptiert hat!

Warum der Unterschied? Warum darf ein Journalist schreiben "Da, schau, Foto, schlechte Zähne!" aber nicht "Da, schau, Messdaten, Sprengung!" oder "Da, schau, Ankündigung der Tat, Übung der Tat, Ausführung der Tat!"? Weil auch ein jähzorniges, blutrünstiges und günstigerweise unsichtbares Gespenst an der Pipeline geknabbert haben könnte? Sie haben recht! Ich habe keinen sicheren Beweis, dass es kein Gespenst, sondern eine US-Unterwasserdrohne war. So what? Ich habe auch keinen sicheren Beweis für die Existenz Neuseelands.

HELENE BELLIS, 30. September 2022, 00:00 UHR

@Ripple

»Vollidiotenberuhigungswindel«

Danke. So herzlich und langanhaltend habe ich schon länger nicht mehr gelacht. Wenn man diesen ganzen Wahnsinn nicht mit wenigstens ein bißchen Humor nimmt, kann man ja gleich von der nächsten Brücke springen. Oder in der Nähe einer russischen Gaspipeline herumlungern, das kommt wohl aufs gleiche heraus...

MICHAEL KARI, 1. Oktober 2022, 18:35 UHR

@Ripple

Nur als Tipp am Rande: Die Plausibilität einer blauen Murmelerde, die sich mit Überschallgeschwindigkeit dreht und mit 16.000 km/h um die Sonne kreist, ist bis heute nicht erwiesen.

Alle sinnvollen Aspekte dagegen, wurden mit neuen Weisheiten "wissenschaftlich" schlicht repariert. Gravitation, Schwarze Löcher, Relativitätstheorie sind Erklärungsversuche bzw. Beispiele dafür. Ich würde Flacherdler nicht als Idioten hinstellen, solange es nicht genug Bewiese dafür gibt. Selbst Galileo hat von einer mathematischen Theorie gesprochen. Also einem Modell! Die katholische Kirche war letztendlich der größte Verfechter der Kugelerde. Warum wohl?

HELENE BELLIS, 1. Oktober 2022, 15:30 UHR

Zuerst einmal vielen Dank an Karsten Montag für die Erstellung dieser Chronologie. Nicht alles davon war mir bewußt, und ich bezweifle, daß ich es in dieser Zusammenstellung in den Mainstreammedien hätte lesen können. Obwohl ich mich seit meiner Jugend als einen politisch interessierten Menschen betrachte, habe ich immer mehr das Gefühl, politisch kaum noch informiert zu werden. Wenngleich ich das Fernsehen und damit Tagesschau & Co. schon mehr als 20 Jahre meide, war ich doch bis März 2020 regelmäßige Tageszeitungsleserin (ehemals qualitativ hochwertiger Blätter). Aber auch hier ist in den letzten 15+ Jahren mehr und mehr die Luft rausgegangen.

Für mich war der definitive Abschied von einer freien Debattenkultur (passend übrigens zur hier stattfindenden Diskussion zwischen Ripple und B. Münstermann) bereits im September 2001. Einige Tage nach 9/11 gab es durchaus noch Talkrunden über das Thema, in denen gestandene Flugkapitäne öffentlich anzweifeln durften, daß ein blutiger Anfänger wie Atta fähig wäre, am Ende einer geflogenen Kurve zielgenau irgendwo hineinzusteuern, wo er doch bereits an einer Cessna gescheitert war. Aber spätestens Ende September war es dann vorbei mit irgendwelchem gedanklichen Austausch zum Thema: Deckel drauf, und von da an galt nur noch das offizielle Narrativ. Nie hätte ich mir vorstellen können, daß sogar ein namhafter Politiker und ehemaliges MdB wie Andreas von Bülow komplett mundtot gemacht werden konnte. Der Mann bekam das Etikett »Verschwörungstheoretiker«, und als er immer noch nicht klein beigeben wollte, war's das mit seiner Karriere und seinem guten Ruf.

Mag sein, daß es in den Jahren vor 2001 schon anfing, in diese Richtung zu gehen, aber damals habe ich es zum ersten Mal, und mit Erschrecken, ganz deutlich festgestellt – freie Meinungsäußerung war in Deutschland öffentlich nicht mehr erwünscht. Bis dato kannte ich das zumindest nur vom Nahostkonflikt, wo es ja im großen und ganzen auch nie erlaubt war, mal Tacheles zu reden. Na ja, so waren die Menschen immerhin schon ein bißchen trainiert für das, was später kommen würde. Und bei später wären wir dann wohl jetzt. Leider. Heute würde man Herrn von Bülow wohl auch aus der SPD ausschließen. Natürlich erst, nachdem man ihn öffentlichkeitswirksam einen Verräter genannt hätte. Wenn schon, denn schon.

Zum Thema NordStream, in allen seinen Facetten, könnte man vielleicht noch sagen: es geht hier zu wie im Kindergarten. Von gestandenen Politikern sollte man eigentlich mehr erwarten als ein trotziges »Ich will aber!« und ein Umsichhauen mit der Sandschaufel. Nur daß die Sandschaufel jetzt Papas Klappspaten aus dem Auto ist, der ein bißchen mehr weh tut, wenn man ihn an den Kopf bekommt. Ansonsten ähnelt alles den Wutanfällen von Vierjährigen in der Trotzphase, und denen sollte man bekanntlich weder alle Wünsche erfüllen noch sie über die Familiengeschicke entscheiden lassen.

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