RKI-Mitarbeiter geht juristisch gegen Multipolar und andere Medien vor

Streit um nachträgliche Änderungen der RKI-Protokolle / Abmahnschreiben an Multipolar, WELT und Berliner Zeitung / Fall geht vor Gericht

29. August 2024
Berlin.
(multipolar)

Ein hoher Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts (RKI) geht derzeit gegen die Berichterstattung mehrerer Medien vor und lässt dazu anwaltliche Unterlassungsverpflichtungserklärungen versenden. Entsprechende Schreiben der Kanzlei Redeker, die häufig für die Bundesregierung tätig ist, gingen in den vergangenen Tagen an Multipolar, die WELT und die Berliner Zeitung. Streitpunkt sind jüngste Artikel dieser Medien, die sich mit dem Vorwurf einer nachträglichen Änderung der RKI-Protokolle befassen. Die Person, in deren Namen die Abmahnschreiben verschickt wurden, sieht Ihre Rolle bei diesen Änderungen falsch dargestellt und beanstandet zudem die öffentliche Nennung ihres Namens. Ihr Persönlichkeitsrecht sei verletzt, die Darstellung sei „reputationsschädlich“, weshalb ein Unterlassungsanspruch bestehe.

Konkret wird erklärt, Multipolar habe in seinem Bericht „RKI-Protokolle und Leak: Offene Fragen“ fälschlich „behauptet“, dass die Person eine politisch brisante Textpassage im Protokoll vom 25. März 2020 nachträglich löschte. Dies sei „frei erfunden“ und finde „auch keine Grundlage in den vorgelegten Dokumenten“. Nach der „Finalisierung“ des fraglichen Protokolls am Abend des 25. März 2020 sei inhaltlich nichts mehr geändert worden. Allerdings hatte Multipolar die unterstellte Behauptung im Artikel nicht getätigt, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass die Person laut einer Analyse der Metadaten offenbar noch später diese Datei bearbeitet hatte. Im Artikel wurde nicht behauptet, der fragliche Satz sei von der Person gelöscht worden. Im Artikel heißt es dazu: „Da das RKI keine Dokumentationssoftware verwendet, die jede Protokollversion mit Zeitstempel und unveränderbar speichert, sondern WORD-Dateien, wird es schwierig bis unmöglich sein, den ursprünglichen Protokollstand vollständig zu rekonstruieren.“

Dem anwaltlichen Schriftsatz beigefügt ist nun der Scan eines Ausdrucks des Protokolls vom 25. März 2020, bei dem es sich laut RKI um die am Abend des Tages finalisierte Version handeln soll, die später nicht mehr inhaltlich geändert wurde. Allerdings ist diese Aussage bislang nicht überprüfbar. Die Bitte von Multipolar ans RKI, die originale digitale Version des Protokolls zu übermitteln, so dass an deren Metadaten das Datum ermittelt werden kann, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Teil des Abmahnschreibens ist auch der Scan eines Ausdrucks einer E-Mail eines anderen RKI-Mitarbeiters, der die Entwurfsversion des Protokolls finalisiert hatte. In dieser Mail vom Abend des 25. März 2020, gerichtet an einen „Verteiler-RKI-Corona“, der offenbar die Teilnehmer der Krisenstabssitzungen umfasste, findet sich der Satz: „Korrekturen und Ergänzungen sind herzlich willkommen, am liebsten direkt im gespeicherten Dokument vornehmen.“ Demnach konnte jeder der Teilnehmer im Protokoll noch nachträglich Änderungen vornehmen. Die Frage, ob diese Änderungen, also welche Person was zu welchem Zeitpunkt geändert hat, in irgendeiner Form dokumentiert und damit nachvollziehbar und überprüfbar sind, wurde bis Redaktionsschluss vom RKI nicht beantwortet.

Die WELT und die Berliner Zeitung, die beide auf Grundlage des Multipolar-Artikels ausführlich berichtet hatten, erhielten ebenfalls Unterlassungsverpflichtungserklärungen. Multipolar hat die Vorwürfe anwaltlich zurückgewiesen, ebenso die WELT, deren Artikel ebenfalls weiter online ist. Der Fall geht nun vor Gericht. Die Berliner Zeitung verzichtet auf eine eigene juristische Auseinandersetzung und hat ihren Artikel „vorsorglich depubliziert“ – also gelöscht –, „bis zur rechtlichen Klärung“, wie es in einer Mitteilung der Zeitung heißt. Die Löschung sage aber noch „nichts über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Vorwürfe aus“.

Eine Anfrage von Multipolar, ob die Anwaltskosten in diesem Verfahren von dem RKI-Mitarbeiter privat getragen, oder vom RKI – und damit vom Steuerzahler – übernommen werden, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.


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