Weltgesundheitsversammlung verabschiedet Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften
6. Juni 2024Die Weltgesundheitsversammlung hat am 1. Juni Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) verabschiedet. Darüber hinaus hat sie beschlossen, die Verhandlungen zum Pandemievertrag weiterzuführen. Die Verabschiedung soll spätestens bei der Weltgesundheitsversammlung in einem Jahr oder wenn möglich bei einer früheren außerordentlich einberufenen Gesundheitsversammlung erfolgen. Wie die einzelnen Staaten abgestimmt haben, ist nicht bekannt.
Als wichtigste Errungenschaften der geänderten IGV verweist die Pressemeldung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf die Einführung der Kategorie der pandemischen Notlage, einen neuen Finanzierungsmechanismus, der Entwicklungsländer beim Aufbau von Kapazitäten zur Überwachung von Krankheitsereignissen und zur Vorbereitung und Reaktion auf Pandemien unterstützen soll, sowie neue Gremien, die die Einführung der IGV kontrollieren und sicherstellen sollen.
Mit der pandemischen Notlage wird eine Zwischenstufe zwischen Öffentlichem Gesundheitsnotstand (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC) und Pandemie eingeführt. Eine pandemische Notlage wird in Artikel 1 definiert als eine übertragbare Krankheit, die eine weite geografische Ausbreitung in mehreren Staaten hat oder bei der ein hohes Risiko dafür besteht. Zudem muss sie das Risiko beinhalten, die Kapazitäten der Gesundheitssysteme zu übersteigen sowie erhebliche soziale oder wirtschaftliche Störungen zu verursachen. Ebenso muss die betreffende Krankheit ein schnelles internationales Handeln der Regierungen erfordern, um als pandemische Notlage eingestuft zu werden.
Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring kritisiert die unklare Bedeutung dieser neuen Kategorie, „weil sie an keiner der 21 Stellen nach der Einführung des Begriffs eine eigenständige Konsequenz entfaltet.“ Nirgends werde erläutert, was folge, wenn ein gesundheitlicher Notfall von internationaler Tragweite zusätzlich als „pandemische Notlage“ eingestuft werde, schreibt Häring. Eine Möglichkeit bestehe darin, dass die pandemische Notlage erst durch den noch zu beschließenden WHO-Pandemievertrag mit einer Bedeutung versehen werden könnte.
Im Anhang der geänderten IGV sind die Pflichten der Staaten zur Prävention und Reaktion auf öffentliche Gesundheitskrisen aufgeführt. Staaten müssen demnach nationale Notfallpläne aufstellen, Laboranalysen und Überwachungsmaßnahmen sowie Strukturen zur raschen Genehmigung und Umsetzung von Eindämmungs- und Kontrollmaßnahmen vorsehen.
Die Juristin Laura Kölsch, vom Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte (KRISTA), erläutert in ihrer Analyse der IGV-Änderungen, dass die Vertragsstaaten nun als Kernkompetenz eine Risikokommunikation entwickeln sollen, die auch die Bekämpfung von Fehl- und Desinformationen beinhaltet. „Die Vertragsstaaten verpflichten sich damit zur Informationskontrolle.“ Forderungen nach der Verbindlichkeit von Empfehlungen des WHO-Generaldirektors konnten sich bei den Verhandlungen hingegen nicht durchsetzen, erklärt Kölsch.
In seiner Stellungnahme bei der Weltgesundheitsversammlung am 28. Mai warb der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für einen Vertragsabschluss. „Wir sind es unseren Kindern schuldig, wenn die nächste Pandemie, die mit Sicherheit kommen wird, kommt.“ Die IGV und das Pandemieabkommen seien „unsere wichtigsten Waffen“, um in Zukunft besser vorbereitet zu sein, sagte Lauterbach.
Juristin Laura Kölsch kritisiert hingegen: Die Verhandlungen drehten sich vor allem um Profitmöglichkeiten mit Pharmaprodukten, wobei die neuartigen mRNA-Präparate im Zentrum stünden. Inzwischen seien mRNA-Produkte gegen zahlreiche Krankheiten in Vorbereitung. Die Änderungen an den IGV würden in Zukunft „mehr Panik und freiheitseinschränkende Maßnahmen durch Informationskontrolle“ verursachen, vermutet Kölsch. Zudem sorgten die neuen Regeln für eine Verfestigung der Rolle von Pharmaprodukten als „gewinnträchtigstem Ausweg“ aus öffentlichen Gesundheitskrisen.
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