Brandenburg prüft künftig „Verfassungstreue“

Verfassungsschutz soll Beamte durchleuchten / Brandenburger Opposition kritisiert neuen „Radikalenerlass“ / Verfassungsrechtler warnen vor ähnlichen Plänen der Bundesinnenministerin

13. März 2024
Potsdam.
(multipolar)

Die Regierungskoalition im Brandenburger Landtag aus SPD, CDU und Grünen hat sich in der vergangenen Woche auf ein neues Disziplinarrecht für Beamte geeinigt. Anwärter auf eine Verbeamtung sollen demnach künftig auf ihre „Verfassungstreue“ getestet werden, wozu auch die Überprüfung von Äußerungen auf Social-Media-Kanälen gehören könne. Zudem könnten „gravierende Verstöße“ zum Ende bereits bestehender Dienstverhältnisses führen. Das soll nach Aussage der Parteien dazu dienen, Extremisten nicht in den Staatsdienst aufzunehmen beziehungsweise entsprechende Verstöße gegen die Treuepflicht disziplinarisch und rechtsstaatlich ahnden zu können.

Der Journalist Norbert Häring vergleicht die Maßnahmen mit dem „Radikalenerlass“, der 1972 von der Bundesregierung eingeführt und von 1985 bis 1991 von den Bundesländern wieder abgeschafft wurde. Der Erlass gelte „nicht gerade als Sternstunde der Demokratie“, erläuterte Häring. Er betont zudem, dass der brandenburgische Verfassungsschutz künftig auch die Finanzen von regierungskritischen Bürgern und Organisationen „ausforschen“ dürfe. Während die Regierungsbehörde bisher nur tätig wurde, wenn ein Gewaltbezug nachgewiesen werden konnte, reicht laut einem Tagesschau-Bericht nun die Bedrohung der freiheitlich demokratischen Grundordnung „beispielsweise durch Fehlinformation, kämpferisch aggressives Verhalten oder Einschüchterung“.

Der Brandenburger SPD-Fraktionsvorsitzende Daniel Keller will gegenüber „Verfassungsfeinden“ eine Nulltoleranz-Strategie verfolgen und Organisationen und Strukturen stärker kontrollieren. Sein CDU-Kollege Jan Redmann spricht von „Unterwanderungsstrategien“ durch Rechtsextremisten, denen ein Riegel vorgeschoben werden müsse. Die beiden Fraktionsvorsitzenden der Grünen sehen wiederum im Kompromiss, der nach etwa zweijährigen Verhandlungen gefunden wurde, eine durch „Augenmaß“ gekennzeichnete Lösung.

Kritik kommt derweil von der Opposition: „Mein Vertrauen in den Verfassungsschutz geht gegen null“, sagt Linksfraktionschef Sebastian Walter der Tageszeitung „nd“. Eingriffe in Grundrechte seien kaum geeignet, um gegen Rechtsextremismus vorzugehen. Die AfD kritisiert die Pläne der Regierung als „Schlag gegen die Demokratie“.

Beobachter stellen die Maßnahmen in Brandenburg in eine Reihe mit den Versuchen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), bestimmte Meinungsäußerungen zu delegitimieren. Laut Norbert Häring gehe der Brandenburger „Verfassungstreue-Check“ noch über Faesers Pläne hinaus. Diese möchte Menschen, „die den Staat verhöhnen“, einen starken Staat entgegenstellen.

Der Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler sieht in Faesers Position eine „erschreckende Negierung der Meinungsfreiheit“. Ihm werde Angst und Bange um die Demokratie, sagte der Professor von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. (10. März) Der Augsburger Professor Josef Franz Lindner kritisiert in der gleichen Sendung den Begriff der „Delegitimierung des Staates“, den der Verfassungsschutz neuerdings verwendet. Dieser Begriff sei unbestimmt und schwammig. Es bestehe die Gefahr, dass bereits pointierte Kritik an Staat und Regierung als Delegitimierung begriffen würde und damit unzulässig wäre. Dem Staat stehe an dieser Stelle keine Deutungshoheit zu.

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