Telepolis distanziert sich von früheren Texten

Mehr als 20.000 Artikel betroffen / Online-Magazin verweist auf journalistische Grundsätze / Ex-Chefredakteur äußert Kritik (Update 14.3.)

26. Februar 2024
Hannover.
(multipolar)

Das zur Heise-Gruppe gehörende Online-Magazin Telepolis setzt seit kurzem vor alle Artikel, die vor dem Jahr 2021 erschienen sind, eine Warnmeldung, wonach diese Texte „möglicherweise in Form und Inhalt nicht mehr den aktuellen journalistischen Grundsätzen der Heise Medien und der Telepolis-Redaktion“ entsprächen. Die Warnmeldung („Disclaimer“) betrifft insgesamt geschätzt mehr als 20.000 Artikel, die seit Gründung 1996 bis 2020 erschienen sind.

Der bis 2020 als Chefredakteur tätige Telepolis-Gründer Florian Rötzer kommentiert das als „Abschied vom mündigen Leser“. Es sei „selbstverständlich und muss nicht dokumentiert werden“, dass ein neuer Chefredakteur für das, was vor seiner Zeit veröffentlicht wurde, „nicht geradestehen kann und auch nicht muss“. Es sei aber „absurd“ und entspreche dem Zeitgeist, „alles diffus und nicht näher erläutert unter Pauschalverdacht zu stellen“, so Rötzer am Sonntag (25. Februar) im Overton Magazin.

„Mit diesem Disclaimer“, so der langjährige Telepolis-Autor Marcus Klöckner, „wertet Telepolis die Arbeit aller seiner Autoren, die vor 2021 dort Beiträge publiziert haben, pauschal ab.“ Klöckner führt an, dass das Magazin in den ersten Jahren nach Gründung mehrere Preise für seine journalistischen Leistungen erhalten habe, darunter den Grimme Online Award. „Ein Disclaimer, der als Unterwerfung unter einen woken Zeitgeist verstanden werden kann, hat mit Journalismus nichts zu tun“, kritisierte der Autor am Montag (26. Februar) in einem Kommentar in den NachDenkSeiten.

Auf Multipolar-Nachfrage erklärt der verantwortliche Telepolis-Chefredakteur Harald Neuber, die Warnmeldung habe „technische Gründe“. Sie beziehe sich auf „das Lektorat, aber auch Überschriften, Textleads, Textgliederung und Genretrennung“, erläuterte Neuber. Journalistische Standards seien ihm wichtig. Er könne jedoch „nicht alle Inhalte, die vor meiner Zeit als Chefredakteur erschienen sind, überarbeiten (lassen)“. Deshalb habe er sich für den Disclaimer entschieden. Weitere Nachfragen ließ er unbeantwortet. Ein von ihm angekündigter redaktioneller Beitrag zur Erläuterung der Entscheidung erschien bislang nicht.

Neuber hatte die Redaktionsleitung 2021 von Rötzer übernommen und damals betont, er wolle Telepolis „stärker zu einem Referenzmedium entwickeln“.

Update 14.3.: Der fragliche Disclaimer wurde von Telepolis nach Veröffentlichung dieser Meldung geändert und lautet nun: „Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards.“ Vorher hatte es geheißen: „Der folgende Beitrag ist mehrere Jahre alt und entspricht daher möglicherweise in Form und Inhalt nicht mehr den aktuellen journalistischen Grundsätzen der Heise Medien und der Telepolis-Redaktion.“


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