Sahra Wagenknecht bei der Präsentation ihres Bündnisses am 23.10.2023 | Bild: picture alliance / photothek | Florian Gaertner

„Unsere Idee von Gemeinsinn“

Die am Montag von Sahra Wagenknecht angekündigte neue Partei kommt in einer aktuellen Umfrage aus dem Stand auf 12 Prozent – und bedroht damit vor allem die AfD. Sie steht in einer 150-jährigen Tradition deutscher Sozialdemokratie und knüpft an Ideen eines Ferdinand Lassalle an, dessen bis heute aktuelle gesellschaftliche Analyse in anderen Parteien in Vergessenheit geraten ist – oder bekämpft wird.

PAUL SCHREYER, 24. Oktober 2023, 24 Kommentare, PDF

Wagenknecht und ihre Mitstreiter sind am Montag, parallel zu der in den Medien breit berichteten Pressekonferenz, auf der sie eine Parteigründung für Anfang 2024 ankündigten, mit einer Webseite an die Öffentlichkeit gegangen, auf der ein „Gründungsmanifest“ mit politischen Leitlinien des neuen Bündnisses publiziert wurde. Darin heißt es:

„Unser Land ist in keiner guten Verfassung. Seit Jahren wird an den Wünschen der Mehrheit vorbei regiert. Statt Leistung zu belohnen, wurde von den Fleißigen zu den oberen Zehntausend umverteilt. (…) Eine Gesellschaft, deren mächtigste Akteure nur noch von der Motivation getrieben sind, aus Geld mehr Geld zu machen, führt zu wachsender Ungleichheit, zur Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und zu Krieg. Wir setzen dem unsere Ideen von Gemeinsinn, Verantwortung und Miteinander entgegen, denen wir durch Veränderung der Machtverhältnisse wieder eine Chance geben möchten. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der das Gemeinwohl höher steht als egoistische Interessen und in der nicht Trickser und Spieler gewinnen, sondern diejenigen, die sich anstrengen und gute, ehrliche und solide Arbeit leisten. (…)

[Wir wollen] Marktmacht begrenzen und marktbeherrschende Konzerne entflechten. Wo Monopole unvermeidlich sind, müssen die Aufgaben gemeinnützigen Anbietern übertragen werden. (…) Die Privatisierung und Kommerzialisierung existentieller Dienstleistungen, etwa im Bereich Gesundheit, Pflege oder Wohnen, muss gestoppt werden, gemeinnützige Anbieter sollten in diesen Branchen Vorrang haben. (…)

Notwendig ist ein gerechtes Steuersystem, das Geringverdiener entlastet und verhindert, dass große Konzerne und sehr reiche Privatpersonen sich ihrem angemessenen Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesens entziehen können. (…)

Cancel Culture, Konformitätsdruck und die zunehmende Verengung des Meinungsspektrums sind unvereinbar mit den Grundsätzen einer freien Gesellschaft. Das Gleiche gilt für den neuen politischen Autoritarismus, der sich anmaßt, Menschen zu erziehen und ihren Lebensstil oder ihre Sprache zu reglementieren. (…)

Die Lösung von Konflikten mit militärischen Mitteln lehnen wir grundsätzlich ab. (…) Den Einsatz deutscher Soldaten in internationalen Kriegen lehnen wir ebenso ab wie ihre Stationierung an der russischen Grenze oder im Südchinesischen Meer. (…) Europa benötigt eine stabile Sicherheitsarchitektur, die längerfristig auch Russland einschließen sollte.“

Diese Grundsätze, die Wagenknecht in ihren öffentlichen Auftritten seit langem betont, finden offenbar in einem maßgeblichen Teil der Bevölkerung Widerhall, wie eine am Montagabend von der Bild-Zeitung veröffentlichte Umfrage zeigt. Demnach würden 12 Prozent der Befragten ihr Bündnis wählen (nur noch vier Prozent hingegen die Linke). Die Unterstützer kommen von allen anderen Parteien, am stärksten jedoch von der AfD, die in der Umfrage 5 Prozent verliert.

Das überrascht nicht, profitierte die AfD doch bislang von dem Bonus, praktisch die einzige Oppositionspartei zu sein und damit auch Menschen hinter sich zu versammeln, die, abgesehen vom Protest gegen die Regierung, inhaltlich wenig mit ihr verbindet. Für diese, wie die Umfrage zeigt, offenbar große Gruppe entsteht nun erstmals eine wählbare Alternative. Dies wird absehbar dazu führen, dass die AfD ihre Unterschiede zum Wagenknecht-Bündnis klar herausarbeiten muss. Die Differenzen, insbesondere beim Blick auf die Besteuerung großer Vermögen, gesellschaftliche Solidarität allgemein, aber auch die Rolle des Militärs, dürften deutlicher sichtbar werden. Die politische Debatte im Land wird das erheblich beleben.

Anders als die AfD – die inzwischen zwar eine Volkspartei mit breiter Basis geworden ist, aber als Interessenvertretung finanzstarker Kreise entstand und wahlentscheidende Großspender teils auch geheim hielt – steht das Wagenknecht-Bündnis in der Tradition der von unten gewachsenen Sozialdemokratie. Diese hat mit der heutigen SPD kaum noch etwas zu tun. Ihre Wurzeln finden sich in der Arbeiterbewegung, also dem Versuch, die Unterprivilegierten politisch zu organisieren.

Hauptinitiator dazu war in Deutschland Ferdinand Lassalle, der vor allem für das allgemeine und gleiche Wahlrecht kämpfte. Damals war in vielen Ländern, so auch in Deutschland, ein „Zensus-“ oder „Klassenwahlrecht“ normal, bei dem das eigene Vermögen darüber entschied, ob man wählen durfte und wieviel Gewicht die Stimme hatte. 1862, ein Jahr vor Gründung des SPD-Vorläufers „Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein“, erklärte Lassalle bei einem programmatischen Vortrag mit dem Titel „Das Arbeiter-Programm“:

„Seit lange geht (…) die Entwicklung der Völker, der Atemzug der Geschichte auf eine immer steigende Abschaffung der Privilegien, welche den höheren Ständen diese ihre Stellung als höhere und herrschende Stände garantieren. Der Wunsch nach Forterhaltung derselben oder das persönliche Interesse bringt daher jedes Mitglied der höheren Stände, das sich nicht ein für allemal durch einen großen Blick über sein ganzes persönliches Dasein erhoben und hinweggesetzt hat – und Sie werden begreifen, meine Herren, daß dies nur immer sehr wenig zahlreiche Ausnahmen sein können – von vornherein in eine prinzipiell feindliche Stellung zu der Entwicklung des Volkes, zu dem Umsichgreifen der Bildung und Wissenschaft, zu den Fortschritten der Kultur, zu allen Atemzügen und Siegen des geschichtlichen Lebens.

Dieser Gegensatz des persönlichen Interesses der höheren Stände und der Kulturentwicklung der Nation ist es, welcher die hohe und notwendige Unsittlichkeit der höheren Stände hervorruft. Es ist ein Leben, dessen tägliche Bedingungen Sie sich nur zu vergegenwärtigen brauchen, um den tiefen inneren Verfall zu fühlen, zu dem es führen muß. Sich täglich widersetzen müssen allem Großen und Guten, sich betrüben müssen über sein Gelingen, über sein Mißlingen sich freuen, seine weiteren Fortschritte aufhalten, seine bereits geschehenen rückgängig machen oder verwünschen zu müssen. Es ist ein fortgesetztes Leben wie in Feindes Land — und dieser Feind ist die sittliche Gemeinschaft des eigenen Volkes, in der man lebt, und für welche zu streben alle wahre Sittlichkeit ausmacht. Es ist ein fortgesetztes Leben, sage ich, wie in Feindesland, dieser Feind ist das eigene Volk, und daß es als der Feind angesehen und behandelt wird, muß noch wenigstens auf die Dauer listig verheimlicht und diese Feindschaft mit mehr oder weniger künstlichen Vorhängen bekleidet werden.

Dazu die Notwendigkeit, dies alles entweder gegen die eigene Stimme des Gewissens und der Intelligenz zu tun, oder aber diese Stimme schon gewohnheitsmäßig in sich ausgerottet zu haben, um nicht von ihr belästigt zu werden, oder endlich diese Stimme nie gekannt, nie etwas Besseres und anderes gekannt zu haben als die Religion des eigenen Vorteils! Dieses Leben, meine Herren, führt also notwendig zu einer gänzlichen Geringschätzung und Verachtung alles ideellen Strebens, zu einem mitleidigen Lächeln, so oft der große Name der Idee nur ausgesprochen wird, zu einer tiefen Unempfänglichkeit und Widerwilligkeit gegen alles Schöne und Große, zu einem vollständigen Untergang aller sittlichen Elemente in uns in die eine Leidenschaft des selbstsüchtigen Vorurteils und der Genußsucht.

Dieser Gegensatz, meine Herren, des persönlichen Interesses und der Kulturentwicklung der Nation ist es, der bei den unteren Klassen der Gesellschaft zu ihrem Glücke fehlt. Zwar ist auch in den unteren Klassen leider immer noch Selbstsucht genug vorhanden, viel mehr als vorhanden sein sollte. Aber hier ist diese Selbstsucht, wo sie vorhanden ist, der Fehler der Individuen, der einzelnen, und nicht der notwendige Fehler der Klasse. Schon ein sehr mäßiger Instinkt sagt den Gliedern der unteren Klassen, daß, sofern sich jeder von ihnen bloß auf sich bezieht und jeder bloß an sich denkt, er keine erhebliche Verbesserung seiner Lage für sich hoffen kann.

Insofern aber und insoweit die unteren Klassen der Gesellschaft die Verbesserung ihrer Lage als Klasse, die Verbesserung ihres Klassenloses erstreben, insofern und insoweit fällt dieses persönliche Interesse, statt sich der geschichtlichen Bewegung entgegenzustellen und dadurch zu jener Unsittlichkeit verdammt zu werden, seiner Richtung nach vielmehr durchaus zusammen mit der Entwicklung des gesamten Volkes, mit dem Siege der Idee, mit den Fortschritten der Kultur, mit dem Lebensprinzip der Geschichte selbst, welche nichts anderes als die Entwicklung der Freiheit ist. Oder, wie wir schon oben sahen, Ihre Sache ist die Sache der gesamten Menschheit. Sie sind somit in der glücklichen Lage, meine Herren, daß Sie, statt abgestorben sein zu können für die Idee, vielmehr durch Ihr persönliches Interesse selbst zur höchsten Empfänglichkeit für dieselbe bestimmt sind. Sie sind in der glücklichen Lage, daß dasjenige, was Ihr wahres persönliches Interesse bildet, zusammenfällt mit dem zuckenden Pulsschlag der Geschichte, mit dem treibenden Lebensprinzip der sittlichen Entwicklung.“

Es war also der Urvater der deutschen Sozialdemokratie selbst, der den Unterschied zwischen Volk und Elite nicht nur klar benannte, sondern ins Zentrum seiner Überlegungen rückte. Die Elite – in den Worten Lassalles „die höheren Stände“ – lebt „wie in Feindes Land – und dieser Feind ist die sittliche Gemeinschaft des eigenen Volkes, in der man lebt, und für welche zu streben alle wahre Sittlichkeit ausmacht“. Dieses „wie in Feindes Land“ erinnert stark an die heutigen Debatten etablierter Parteien und Medien, bei denen einer kritischen Bevölkerung vor allem mit Angst und Ablehnung, mit Zensur, Verboten und Ausgrenzung begegnet wird.

Und so sind auch die Reaktionen in Politik und Medien auf Wagenknechts angekündigte neue sozialdemokratische Partei vor allem von Misstrauen, Diffamierung und Widerwillen geprägt. Wer sich die vollbesetzte einstündige Pressekonferenz am Montagmorgen, die live auf Phoenix übertragen wurde, anschaute, für den war dieses Misstrauen und dieser Widerwillen der etablierten Medienvertreter mit Händen greifbar. In nahezu jeder Frage, jeder Wortmeldung schwang die Vorstellung mit, Wagenknecht sei im Grunde eine unredliche Person.

Der Erfolg oder Misserfolg des neuen Bündnisses wird in den kommenden Monaten ausgefochten werden. Die Gegner sind zahlreich, gut munitioniert und bestens vernetzt. Neben der AfD sind hier auch die USA zu nennen, deren Interessen Wagenknechts Pläne für eine größere deutsche Souveränität und eine Wiederannäherung an Russland scharf zuwider laufen.

Angesichts der zahlreichen Widerstände und zu bewältigenden Vorhaben baten die Initiatoren bei der Pressekonferenz am Montag mehrfach um Spenden. Auch auf der Webseite des Bündnisses ist der Spendenaufruf sehr präsent. Ob Wagenknecht und ihre Mitstreiter nun wieder eine sozialdemokratische Partei in Deutschland etablieren können, die viele lange vermissen und für die Oskar Lafontaine 2005 mit der Initiative zum Zusammenschluss der Linkspartei schon einmal einen Impuls gab, wird die Zukunft zeigen. Schon der Versuch dazu kann aber wohl als großer Schritt in der deutschen Parteiengeschichte gelten.

Diskussion

24 Kommentare
HELENE BELLIS, 24. Oktober 2023, 15:10 UHR

»In nahezu jeder Frage, jeder Wortmeldung schwang die Vorstellung mit, Wagenknecht sei im Grunde eine unredliche Person.«

Nun, in gewisser Weise ist sie das ja auch, wagt sie es doch, gegen den »redlichen« Mainstream anzustinken. Wenn man so denkt wie das Gros unserer Politiker, Journalisten und sonstigen Mitläufer, dann kann man eine ehrliche Position wie die von Wagenknecht nur als unredlich oder – ein Synonym – unanständig einstufen. Andernfalls würde man sich ja selber die Maske vom Gesicht ziehen und in der Folge ziemlich nackig dastehen.

PAUL SCHREYER, 24. Oktober 2023, 19:35 UHR

Das sehe ich anders. Man kann alles an Wagenknechts Positionen falsch finden, ohne sie selbst für unredlich zu halten. Nach meiner Wahrnehmung ist es in den letzten Jahren aber immer normaler geworden, politischen Gegnern die Ehrlichkeit und Integrität abzusprechen. Das war nicht immer so normal.

HELENE BELLIS, 25. Oktober 2023, 07:10 UHR

Lieber Herr Schreyer,

das sehen Sie nicht anders, sondern tatsächlich ganz ähnlich wie ich, und es tut mir leid, wenn mein Zynismus nicht deutlich erkennbar wurde. Wenn Sie sagen:

»[es ist] in den letzten Jahren aber immer normaler geworden, politischen Gegnern die Ehrlichkeit und Integrität abzusprechen.«

dann treffen Sie damit sehr genau ins Schwarze. Und wie schon in den Auseinandersetzungen um Corona kann man nur darauf hinweisen, daß es sich hier um die in der Psychologie bekannte Projektion oder Übertragung handelt: ehrlich und integer ist genau der nicht, der dieses dem Gegenüber abspricht, (nur) weil es eine andere Meinung äußert. Er spiegelt mit dieser Ansicht nicht nur seine eigene Borniertheit und Feigheit wider, sondern eben auch seine Unehrlichkeit und Korruptheit.

Und nein, das war nicht immer (so) normal.

LODERER, MARIA, 28. Oktober 2023, 22:50 UHR

Liebe Frau Bellis,
ich schätze überaus Ihren klaren und ausgewogenen Verstand. Ihre Aussage war absolut klar und eigentlich nicht falsch zu verstehen. Sie können sehr gut abwägen und dialektisch denken. Chapeau!

HELENE BELLIS, 29. Oktober 2023, 09:25 UHR

Sehr geehrte Frau Loderer,

für die Komplimente bedanke ich mich. Was den mittleren Satz Ihres Kommentars angeht, habe ich schon vor einigen Jahren festgestellt, daß man sich in der Internetkommunikation – seien es Kommentare, Chats oder E-Mails – ganz gewaltig mißverstehen kann. Die fehlende persönliche Interaktion scheint da eine Menge auszumachen, selbst unterschiedlich interpretierte Smileys haben mir schon Probleme bereitet. Dementsprechend halte ich ein Mißverstehen immer für möglich, auch wenn eine Formulierung noch so klar erscheint. Wobei Ironie, Sarkasmus und Zynismus ohne Tonfall durchaus Anlaß zu unterschiedlicher Interpretation geben können.

Interessanterweise kann ich, die ich auf viele Jahre regen Briefverkehrs zurückblicke, mich nicht daran erinnern, daß ähnliche Mißverständnisse in handgeschriebenen Briefen vorgekommen wären, was ich irgendwie erstaunlich finde. In privaten Mails hingegen – von anderen ganz zu schweigen – habe ich diese Erfahrung weitaus öfters gemacht. Ob da die Handschrift mit hineinspielt, oder was für Gründe es sonst noch geben mag, kann ich nicht sagen. Es ist sicherlich ein interessantes Feld.

Nach dem HomeOffice- und Videokonferenzenboom der letzten drei Jahre gibt es mittlerweile ja Studien, die herausgearbeitet haben, daß diese Art der Kommunikation dem Miteinander in realen, persönlichen Treffen weit unterlegen ist. Und da geht es ja nicht nur um Geschriebenes wie hier, sondern um durchaus »echte« Gespräche. Auch hier scheint es also, daß man noch gar nicht weiß (oder vergessen hat?), wie der Mensch eigentlich tickt.

Insofern ist Toleranz gegenüber anderen Meinungen oft genug auch ein Weg aus möglichen Mißverständnissen.

WOLFGANG FULLER, 24. Oktober 2023, 15:25 UHR

Ich bin (leider?) wie manch andere sehr skeptisch - vermisse beispielsweise bislang im Manifest, in den Presseerklärungen eine Abrechnung mit der Corona-Politik, mit den US- und NATO-Agressionen und eine zumindest EU-kritische Position. Wurde das alles weggelassen, um wählbar(er) zu sein?

PAUL SOLDAN, 24. Oktober 2023, 18:20 UHR

Ich teile die Skepsis bzw. bin zwiegespalten. Natürlich ist die Rhetorik von Sahra Wagenknecht das Beste, was die deutsche Parteienlandschaft zu bieten hat - was aber leider auch nicht schwierig ist. Blickt man jedoch auf die letzte Bundestagswahl zurück, wo die Partei "Die Basis" faktisch totgeschwiegen wurde, offenbar weil sie vom Potenzial her doch zu gefährlich für die etablierten Verhältnisse war, erscheint es seltsam, dass die Neugründung der Wagenknecht-Partei medial so viel Beachtung findet. Möglicherweise, weil am Ende auch sie nicht die etablierten Verhältnisse antasten wird!? Wir werden es sehen ...

HELENE BELLIS, 24. Oktober 2023, 18:45 UHR

@Paul Soldan

»dieBasis« wurde teils totgeschwiegen, teils aber auch öffentlich zu Rechten und Nazis hochstilisiert. Nicht zu vergessen das heiße Eisen Corona, was Letzteres erst möglich machte. Dazu kam, daß es eine komplett neue Partei mit auch (mehr oder weniger) komplett neuem »Personal« war und immer noch ist. Das macht sicherlich einen großen Unterschied zu Sahra Wagenknecht, die ja seit vielen Jahren eine bekannte Politikerin ist. Zum einen muß sie sich nicht erst vorstellen und erklären, zum anderen wäre es schwierig – wenn auch wohl nicht unmöglich – sie zu Unrecht in eine unangenehme Ecke welcher Art auch immer zu stellen. Ihre Parteigründung komplett totzuschweigen, wäre insofern wohl etwas diffiziler geworden als bei »dieBasis«.

Inwieweit sie bzw. ihre Partei nun die etablierten Verhältnisse – so es nötig ist – antasten wird, das kann wohl nur die Zukunft zeigen. Der Gegenwind, den sie bekommt, bringt aber zumindest schon mal sehr notwendiges Leben in die allgemeine Debatte zum Thema.

MICHAEL KARI, 25. Oktober 2023, 20:40 UHR

Tatsächlich muß man sich fragen, warum diese angekündigte Parteiengründung medial so aufgebauscht wird. Christoph Hörstel's Partei "Neue Mitte" bietet viel mehr wirklich akzeptable Programme, die an das systemisch Eingemachte gehen. Sie bleibt aber unter dem Radar. Damit ist die SW-Partei für mich lediglich ein weiterer staatlich akzeptierter Spaltkeil. Welche Rolle Frau Wagenknecht persönlich dabei spielt, wird die Zukunft zeigen.

RALLE, 24. Oktober 2023, 16:50 UHR

in einem anderen Forum hatte ich dies schon geschrieben:
Wir haben eine konservative Opposition (AfD) und nun auch eine Linke (wenn das eine Partei wird). Wenn Wagenknecht jetzt nicht den Fehler begeht und der undemokratischen Brandmauer gegen die zur Zeit noch einzige, demokratische Opposition (AfD, logisch) beitritt, könnte es was werden. Es gibt auch ein linkes Wählerpotential, welches an der demokratischen Willensbildung teilhaben möchte (nein, SPD und Linke sind das nicht). Es gab früher schon öfter Koalitionen zwischen linken und konservativen Parteien. Warum nicht nochmal? Absolute Mehrheit bekommt niemand hier und die Grüne Katastrophe, die dieses Land gerade in Grund und Boden regiert, muß weg. Sollte sie sich aber der "Brandmauer" anschließen, ist diese Partei genau solch ein Rohrkrepierer wie LKR, Bürger in Wut, Bürger (keine Ahnung was noch). In dem Fall verlängert sie nur die Herrschaft der grünen Khmer über dieses Land. Abstieg, Verarmung breiter Bevölkerungsschichten ist dann vorprogrammiert. Alles den USA zu Diensten.

SIGRID PETERSEN, 25. Oktober 2023, 19:20 UHR

@Ralle
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle insofern recht geben, als dass auch ich denke, dass es wichtig wäre, keine Brandmauer zur AfD zu bauen, wenn man tatsächlich eine Veränderung oder besser eine fundierte, nicht ohnmächtige Opposition mit Chancen auf mehr im Ziel hat. Frau Wagenknecht hat aber die Mauer schon aufgestellt in der Pressekonferenz, dass es zu keiner Zusammenarbeit mit der AfD kommen würde. In meinen Augen ist diese Partei dann sozusagen eine Fehlgeburt. Mit einer Verweigerung, in Sachfragen mit der AfD zusammenarbeiten zu wollen (wie wir es ja nun zur Genüge kennen, alles was von da kommt, muss abgelehnt werden), dient die Partei einzig dem Zweck, die AfD zu verhindern und vllt. ein bisschen Opposition zu spielen (wenn auch mit wichtigeren Themen) - also Selbstzweck - und dann irgendwann mit SPD und Grünen koalieren?

Hier möchte ich noch einen Artikel aus der LZ von Dagmar Henn anfügen, die diese Parteigründung, finde ich, recht gut aufgreift. https://linkezeitung.de/2023/10/25/buendnis-sahra-wagenknecht-kein-erwachen-aus-dem-albtraum/

PAUL SCHREYER, 29. Oktober 2023, 00:30 UHR

Es gab früher schon öfter Koalitionen zwischen linken und konservativen Parteien.

@Ralle: Kurze Nachfrage zum Verständnis: Welche meinen Sie?

RALLE, 29. Oktober 2023, 13:05 UHR

@Paul Schreyer Sie schrieben:

"Es gab früher schon öfter Koalitionen zwischen linken und konservativen Parteien."
@Ralle: Kurze Nachfrage zum Verständnis: Welche meinen Sie?

Auch wenn ich äußerst ungern auf diese unseriöse Quelle verweise: In der Weimarer Republik die beiden Kabinette Stresemann I und II und in der Bundesrepublik die Große Koalition 1966–1969
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fe_Koalition#Weimarer_Republik
(Sonderzeichen in der URL kann ich nicht bereinigen).

Auch wenn man das mit der heutigen Situation nicht 1 zu 1 vergleichen kann, geht es hier darum, nicht grundsätzlich die Zusammenarbeit mit einer Partei, die ca. 20% Potential hat, auszuschließen. Das halte ich nicht nur für undemokratisch, sondern auch für absolut kontraproduktiv.

PAUL SCHREYER, 30. Oktober 2023, 00:25 UHR

@Ralle: Diese historischen Beispiele lassen sich wirklich schwer mit der Gegenwart vergleichen. Die beiden Stresemann-Kabinette hielten Ende 1923 insgesamt drei Monate. Damals war die SPD die stärkste Partei im Reichstag. Die spätere Große Koalition unter Beteiligung von Willy Brandts SPD von 1966 bis 1969 kam nur zustande, nachdem eine CDU-FDP-Koalition zerbrochen war. In keinem Fall waren das Koalitionen von systemkritischen Außenseitern links und rechts.

ARNOLD WEIBLE, 6. November 2023, 16:25 UHR

Wer denkt, die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht könnten zusammenarbeiten, lässt sich täuschen. Die AfD und das BSW haben gemeinsam, dass sie anstelle einer Ideologie, die einen unflexiblen Weg vorgibt, ein Ziel haben und dabei einen Weg beschreiten, der der Komplexität der Realität gerechter wird.

Ansonsten jedoch sind die AfD und das BSW Antagonisten! Die AfD vertritt das Kapital. Sie ist, wie Lassalle es schön formuliert, der Feind, der seine Feindschaft listig verheimlicht und diese mit mehr oder weniger künstlichen Vorhängen bekleidet. Das BSW vertritt hingegen tatsächlich die unteren Klassen der Gesellschaft.

FRANK BERNERS, 25. Oktober 2023, 11:45 UHR

Man meint, hintergründig eine "vage" Hoffnung zu spüren, daß mit dieser neuen Partei etwas Besseres, etwas Neues entstehen könnte. Dies ist erst einmal positiv, da anscheinend die Hoffnung auf eine System-Änderung für real genommen wird.

Grund-Prämissen sind allerdings, daß a) das politische System in der BRD in gewisser Weise dann auch "funktioniert", und daß b) dieser Wechsel, diese Neuausrichtung, vom Souverän gewünscht und zugelassen wird.

Dass die Annahme zu a) nicht ausreichend hinterfragt wird, ist seltsam (es sind wieder einmal die selbst auferlegten Schranken sehr gut zu erkennen). Dieses System der Parteien-Oligarchie wird sich eher NICHT der Steuerung durch die sog. Eliten entziehen. Und noch ein Gedanke zu "Eliten": nicht diese haben z.B. in der Corona -Zeit diffamiert, ausgegrenzt, angezeigt, Verordnungen erlassen, Regeln "befolgt", etc. - es sind immer nur die normalen Menschen, die den Eliten ihre vorgebliche Macht verleihen! Was wäre ein Bill Gates, wenn nicht Milliarden Menschen ihn als Oligarch, Philanthrop, unfassbar reichen Mann, etc. betrachten würden, sondern als armseliges, armes und einsames Wesen, als psychisches und menschliches Wrack, was nichts zustande bringt? Gerne mal drüber nachdenken.

Zu b) ist dann die grundlegende Frage zu beantworten, wer denn überhaupt der Souverän im politischen Konstrukt BRD ist. Falls dies nicht das "deutsche Volk" oder die "Wähler" sind, bestände die Möglichkeit, daß es vielleicht andere Kräfte sind? Wie ist die geschichtliche Entstehung der BRD im rechtlichen Sinne zu betrachten? Wieso werden seit fast dreißig Jahren alle hoheitlichen Körperschaften kontinuierlich in privatrechtliche Konstrukte umgewandelt? Es gäbe hierzu noch ausreichend Fragen zu stellen, und vielleicht auch zu beantworten.

Wie immer gilt: die Übernahme von zugrundeliegenden Annahmen (Hypothese) als Fakt, als gegeben, führt zu gewissen Ergebnissen. Die Vorgehensweise erinnert stark an die angebliche, grassierende Wissenschaftlichkeit in allen Bereichen.

JAN HESSE, 25. Oktober 2023, 13:15 UHR

Ich bin skeptisch, Wagenknecht wird die Partei nicht alleine führen können. Es wird sich zeigen, ob es in der Partei noch andere Personen geben wird, die so deutlich die Regierung kritisieren. Die bisher präsentierten Mitgenommenen aus der Linkspartei, wirken auf mich wie Funktionäre. Lukas Schön, Ralph Suikat, Christian Leye oder Amira Mohamed Ali, sind schon bei Themen wie Klimaschutz, Seenotrettung, Migration eher auf Linie der Linkspartei. Ich kann mich während der Pandemie auch kaum an eine kritische Stimme aus der Linken erinnern, außer Wagenknecht und Dehm. Themenfelder für kritische Linke dürften sich in den letzten Jahren genug aufgetan haben, mal abwarten ob die neue Partei mit der nötigen Vehemenz dort reinstößt.

AXEL KLEIN, 25. Oktober 2023, 21:00 UHR

Jede Partei muss sich den Vertrauensvorschuss der Wähler durch Glaubwürdigkeit erarbeiten. Diese Glaubwürdigkeit ergibt sich aus der Kombination von politischen Forderungen und dem diese Forderungen repräsentierenden Personal. Jeder sei aufgerufen, die politischen Prüfsteine zu formulieren, die jede Oppositionspartei (im eigentlichen Sinne) erfüllen muss, um der Hoffnung zu entsprechen, die wichtigste Gemeinsamkeit anzugehen:

Sowohl die eigentliche Umsetzung des Grundgesetzes, als auch die inhaltlich entleerten Teile wieder oder erst richtig mit dem sinngemäßen Inhalt zu füllen, entgegen allen Erfahrungen mit Parteineugründungen - in Deutschland, Frankreich oder Spanien. Dabei sind plakative Forderungen manchmal wichtig, um zu sehen, wie die Beteiligten bei Gegenwind reagieren, wichtiger sind dagegen die strukturellen Forderungen. Die Probeläufe „Wahl zum europäischen Parlament“ und die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen können für die nächste Bundestagswahl entscheidend sein. Es sollten die aktiven Mitglieder und Helfer auch nicht in sinnlosen Wahlkämpfen verschlissen werden (z.B. dieBasis).

Ein Prüfstein könnte z.B. die plakative Forderung sein, RT Deutschland als „normalem“ Nachrichtensender, die normale Ausstrahlung zu ermöglichen (eine Idee von Frau Guérot vom 30.09.2023 in Frankfurt). Schön wäre es gewesen, wenn dieser Gründungsverein der Forderung von Wolfgang Kochanek entsprochen hätte und aus Personen bestehen würde, die weder ein Amt, noch ein Mandat anstreben (in seinen Reden in Berlin und Magdeburg formuliert). Dies wurde bereits versäumt.

Ganz richtig ist der Hinweis hier im Forum, dass diejenigen, die die Spaltung der Gesellschaft überwinden wollen, selbst keine Spaltung betreiben dürfen. Was der Umsetzung des Grundgesetzes im o.g. Sinne dient, muss mit j e d e r Partei im Parlament umgesetzt werden können. Ebenso ist Prüfstein, wie die Nichtwähler angesprochen werden. Daran lässt sich hervorragend erkennen, ob diese Aktion nur geduldet wird, um die, die Macht der Staatsparteien gefährdende, AfD zu reduzieren, oder ob es um wirkliche Veränderungen geht. Der wiederkehrende Appell „gehen Sie wählen, um zu zeigen, dass wir es wert waren, die „Demokratie“ von den USA geschenkt zu bekommen“, zieht schon lange nicht mehr. Hier ist Überzeugungsarbeit in vielen Sprachen erforderlich.

Die zugehörigen breiten Diskussionen können viele Menschen aus der Resignation reißen, wohl wissend, dass mit einer dem System gemäßen Partei kein grundsätzlicher Wandel möglich ist. Ein kurzfristiges Erschrecken vielleicht mit weitreichenden Folgen ist aber möglich, sonst hätten die Staatsparteien und ihre Medienanhängsel nicht solche Angst.

PAUL SCHREYER, 25. Oktober 2023, 23:40 UHR

Ich denke, bei der Kritik an dem neuen Bündnis wird zu wenig der Prozess gesehen, der durch eine solche Gründung in Gang gesetzt wird. Es wird nicht die eine Partei geben, die „es richtet“, noch weniger die eine Person, auch nicht eine hypothetische Zusammenarbeit des neuen Bündnisses mit der AfD. Essentiell dürften aber einzelne Schritte hin zu mehr Vielfalt sein, Schritte, die den Debattenraum erweitern, die die politischen Möglichkeiten vergrößern. Diesen Prozess anzustoßen und voranzutreiben ist in meinen Augen das Entscheidende. Die Heilserwartungen, die einerseits auf der AfD, andererseits auf dem Wagenknecht-Bündnis ruhen, halte ich für überzogen; die Kritik an beiden ebenso. Die Zukunft ist offen – diese Wahrnehmung vermisse ich bei vielen Kritikern auf allen Seiten.

CHRISTIAN SCHANTZ, 26. Oktober 2023, 17:50 UHR

"Die Zukunft ist offen"

Der leider schon verstorbene Sänger von The Clash hat das auch so gesehen.
Joe Strummer - The Future Is Unwritten:
https://www.youtube.com/watch?v=DUHpCDj3-fE

SIGRID PETERSEN, 26. Oktober 2023, 18:25 UHR

Lieber Herr Schreyer,
ich denke letztlich nicht, dass hier irgendjemand davon ausgegangen ist, dass eine Partei oder auch nur die Zusammenarbeit von der „neuen Linken“ mit der AfD irgendetwas „richten“ würde. Aber ist es nicht so, dass solange diese „Blockparteienmentalität“, die derzeit existiert, die Chance hätte, aufgebrochen zu werden, wenn es eine Partei (gerade eine linke Partei) im Bundestag (oder auch in Landesparlamenten) gäbe, die sich über diese „Brandmauer“ hinwegsetzen würde?

Und Frau Wagenknecht wird doch selber nicht glauben, dass sie diejenigen, deren Herz links schlägt, sich aber bei der nächsten Wahl für die AfD entscheiden würden, für ihre Partei entscheiden würden, wenn sie auch diese Brandmauer für „ihre“ Partei aufstellt. Abgesehen davon glaube ich nicht, dass der Debattenraum mit dieser Brandmauer größer, vielfältiger werden würde, denn ein Viertel der „neuen Abgeordneten“ sind jetzt schon Abgeordnete im Bundestag. Wo war die Vielfältigkeit in den letzten Jahren? Die würde m.E. erst überhaupt möglich, wenn die Politik sachbezogen und nicht moralisierend geführt werden würde.

PAUL SCHREYER, 28. Oktober 2023, 11:15 UHR

Soweit ich es wahrgenommen habe, schließt das Bündnis eine Koalition mit der AfD aus und möchte auch keine potenziell wechselwilligen AfD-Abgeordneten bei sich aufnehmen. Inwieweit eine parlamentarische Zusammenarbeit möglich sein wird, also etwa ein Stimmen für AfD-Anträge bei inhaltlicher Übereinstimmung, ist derzeit wohl noch offen, ich habe dazu zumindest noch nichts gelesen.

Amira Mohmmed Ali erklärte im September, es sei "ganz normales parlamentarisches Vorgehen", wenn die AfD Anträge anderer Parteien unterstütze und die dann angenommen würden:

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-09/thueringen-cdu-afd-linke-amira-mohamed-ali

MATTHIAS, 5. November 2023, 21:20 UHR

Lieber Herr Schreyer, vielen Dank für diesen Artikel, den ich erst vor ein paar Tagen gelesen habe. Es ist immer wohltuend, wenn Journalisten die Sache, über die sie berichten, darstellen und nicht nur eine Meinung kundtun. Insofern ist der Artikel wirklich großartig und ersetzt (mindestens) drei Berichte zu dem Thema, wie sie in den Leit- und Staatsmedien zu lesen waren. Dass es bisher 21 Kommentare gibt, ist ein Indiz für die Relevanz des Themas.

Sie schreiben nun in einem Kommentar:

"Essentiell dürften aber einzelne Schritte hin zu mehr Vielfalt sein, Schritte, die den Debattenraum erweitern, die die politischen Möglichkeiten vergrößern."

Das möchte ich ebenfalls so sehen. Aber ich frage mich, wo dieser Debattenraum eröffnet wird und welche politischen Möglichkeiten konkret vergrößert werden könnten.

Tatsächlich finden die entsprechenden Debatten schon seit langer Zeit statt - im Bereich der sog. alternativen Medien (manche sprechen von freien Medien oder Milieumedien). Das Angebot ist reichhaltig, und die Qualität ist seit einigen Jahren merkbar gestiegen. Doch in den Leit- und Staatsmedien scheinen mir solche Debatten weder vorhanden noch erwünscht zu sein.

Oder bin ich zu pessimistisch?

PAUL SCHREYER, 6. November 2023, 13:20 UHR

@Matthias: Eine neue Partei im Bundestag, wie das Wagenknecht-Bündnis, hätte absehbar durchaus strukturelle Auswirkungen auch auf den Debattenraum. Ich zitiere dazu mal einen alten Text von Uwe Krüger über die Indexing-Theorie:

https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/231307/medien-im-mainstream/

"Der Politologe W. Lance Bennett entwickelte dazu eine Hypothese, die er 'Indexing' nannte. Die großen Medien, so besagt diese These, tendierten dazu, die Spanne der Meinungen und Argumente in der offiziellen politischen Debatte, also in Parlament und Regierung, anzuzeigen, zu 'indexieren'. Dies treffe nicht nur auf Nachrichten und Berichte zu, sondern sogar auf Kommentare, in denen die Journalisten ihre eigene Haltung darlegen, denn Journalisten wichtiger Medien suchten meist Rückendeckung aus dem Establishment. Kritik stellt aus dieser Sicht keine Eigenleistung des Journalismus dar, sondern ist auf Gelegenheitsstrukturen im politisch-parlamentarischen Raum angewiesen. Gibt es dort Konflikte, bekommen auch die Mediennutzer eine lebhafte mediale Debatte geboten; besteht aber über ein Thema Konsens, so die Annahme, unterstützen die Medien die Regierungslinie."

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