Kiew 2014: Der ukrainische Politiker Vitali Klitschko spricht in zahlreiche Mikrofone. Bild: Shutterstock

Der Gleichklang und das Narrativ – Wie Medien Auslandskonflikte strukturieren. Das Beispiel Maidan

Proteste, Krisen, Kriege: Konflikte in anderen Ländern werden von klassischen Medien nach immer wiederkehrenden Mustern präsentiert. Die hiesige Berichterstattung über die ukrainischen Maidanproteste 2013/14 löste nicht nur eine allgemeine „Vertrauenskrise“ bei deutschen Mediennutzern aus, sondern kann auch als Blaupause zur Erzeugung einer krass-selektiven Medienrealität gelten. Ein exklusiver Auszug aus dem neuen Sammelband „Macht. Wie die Meinung der Herrschenden zur herrschenden Meinung wird“.

STEFAN KORINTH, 14. Mai 2021, 6 Kommentare, PDF

Der Ukraine-Konflikt ist in den vergangenen Jahren mehr und mehr aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden – erst recht in der »Corona-Zeit«. Das ist unangebracht, denn die sowohl militärisch als auch politisch und ökonomisch ausgetragene Auseinandersetzung existiert nach wie vor und fordert viele Opfer. Sie ist für alle Weltmächte geopolitisch höchst relevant.

Gerade für die Menschen in Deutschland besitzt der Ukraine-Konflikt aber noch eine weitere wichtige Facette: Die Berichterstattung hierzulande über die Maidanproteste im Winter 2013/2014 und über die Folgeereignisse löste in Deutschland eine veritable Vertrauenskrise in die etablierten Medien aus, die bis heute vorhanden ist und sich eher noch verschärft hat. In bemerkenswertem Gleichklang wählten die führenden Medien in ihren Berichten vom Maidan fast ausschließlich die Ereignisse und Informationen aus, die die Protestbewegung in Kiew in einem guten und die damalige ukrainische Staatsführung in einem schlechten Licht erscheinen ließen.

Seinerzeit merkten aber viele Mediennutzer in Deutschland, dass ihnen hier bestenfalls die halbe Wahrheit präsentiert wurde. Der Journalismusforscher Uwe Krüger schrieb, der Ärger über die Ukraine-Berichterstattung sei zu einer »Fundamentalkritik« an den Medien angeschwollen, die in ganz verschiedenen gesellschaftlichen Milieus geteilt werde. (1) Der Journalist David Goeßmann bezeichnete die Maidan-Berichterstattung als einen »Tiefpunkt im deutschen Journalismus«. (2)

In den etablierten Medien wurde damals nur selten direkt gelogen, aber regelmäßig ein grob unvollständiges und damit falsches Gesamtbild des Konflikts vermittelt. (siehe diese zweiteilige Auflistung solcher Fehlleistungen: Teil1 , Teil 2) Das konnten vor allem die Mediennutzer feststellen, die ihre Informationen auch aus anderen Quellen als nur den großen Sendern und Zeitungen bezogen.

Die in den Leitmedien dominierenden Szenen waren zwar nicht gestellt – es gab sie ja wirklich, die blumenbekränzten Studentinnen, die betenden Priester und die prügelnden Polizisten auf den Straßen Kiews – aber die Bilder sind einseitig ausgewählt worden. Es gab eben auch die anderen Aufnahmen von den bewaffneten Nationalisten, den verprügelten Gegendemonstranten und den brennenden Polizisten – diese Bilder fehlten in den Nachrichten jedoch größtenteils.

Repräsentativ für medialen Umgang mit Auslandskonflikten

Die Berichterstattung über den Maidan, der in der Ukraine als »Revolution der Würde« bezeichnet wird, soll hier nicht nur stellvertretend für zahlreiche andere pro-westliche Proteste und »Farbrevolutionen « des 21. Jahrhunderts betrachtet werden (3), sondern kann durchaus als repräsentativ für den Umgang des Medien-Mainstreams mit Konflikten im Ausland gelten – also etwa auch hinsichtlich (relevanter) Wahlkämpfe, Krisen oder Kriege. Die mediale Berichterstattung zu solchen Konflikten funktioniert nach immer wiederkehrenden und erschreckend simplen Mustern.

Das Grundmuster lässt sich seit Jahrzehnten empirisch nachweisen: Der Medien-Mainstream versucht mit nahezu allen Mitteln Sympathie für bestimmte Konfliktparteien herzustellen und Antipathie gegen bestimmte andere Beteiligte zu erzeugen. Regelmäßig geschieht dies in inhaltlicher Übereinstimmung mit den Positionen der Bundesregierung und in kooperativer Wechselwirkung mit Regierungsvertretern wie dem jeweils amtierenden deutschen Außenminister.

Die Leitmedien legen ihren Nutzern oft implizit manchmal aber auch ganz explizit nahe, wer als guter und wer als bösartiger Akteur in dem Konflikt zu gelten hat und sie können diese Deutung mithilfe ihrer erheblichen öffentlichen Definitionsmacht auch gesellschaftlich durchsetzen. Durch ihre Allgegenwart und ihre Oligopol-Stellung, aber vor allem durch ihren enormen inhaltlichen Gleichklang errichten die großen Sender (ARD, ZDF, RTL, ProSiebenSat.1) sowie die Verlagshäuser und Mediengruppen (Bertelsmann, Springer, Bauer, Burda, Holtzbrinck, Funke, DuMont, Madsack) gemeinsam eine Medienrealität, die weder Bevölkerung noch Politiker ignorieren können.

Würden die etablierten Medien zum jeweiligen Konflikt ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis divergierender Positionen präsentieren, so wäre es gar nicht möglich, eine in der Breite wirksame Medienrealität zu erschaffen. Doch widerstreitende Debattenstandpunkte werden faktisch nicht oder nur völlig verzerrt abgebildet. In der Regel dominiert eine Deutung absolut, andere Positionen werden delegitimiert und ausgeschlossen. Die Massenmedien agieren als Schwarm. Mit dieser Macht erzeugen sie die jeweils dominante Meinung.

Freund- und Feindmarkierung: Wir sind die Guten

Zuerst werden die beteiligten Konfliktparteien mithilfe eines geo- und bündnispolitischen Rasters eingeordnet. Dies geschieht intuitiv und zugespitzt nach dem einfachen Leitsatz: »Wir sind die Guten«. Diese vorbewusste Freund-Feind-Kennung läuft laut dem Dortmunder Journalistik-Professor Günther Rager ohne Steuerung von außen, denn in den Redaktionen der großen etablierten Medien dominiert eine pro-westliche Weltanschauung von der viele Redakteure ehrlich überzeugt sind.

Diese Weltanschauung leitet sich aus der Zugehörigkeit des eigenen Landes zu wirtschaftlichen und militärischen Bündnissystemen sowie aus kultureller Nähe zu Bündnispartnern und etwaigen Konfliktakteuren ab, hat also auch etwas mit der Sozialisation der Journalisten zu tun. (4) Dementsprechend ist die Konfliktdarstellung in den hiesigen Medien in der Regel monoperspektivisch und der Sichtweise der eigenen Regierung angenähert.

Auf den Maidan bezogen, war die Selbst-Positionierung schnell klar. Mit dem konfliktauslösenden Assoziierungsabkommen sollte die Ukraine fester an die Europäische Union (EU) gebunden werden. Wer gegen dieses Abkommen opponierte, musste aus Sicht deutscher Leitmedien als feindseliger Akteur betrachtet werden. Durch die Ablehnung seiner Unterschrift unter den Vertrag Ende November 2013 wurde der ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch so zum personifizierten Feindbild, das zeitweise sogar Wladimir Putin den Rang ablief.

Hilfreich dabei war die Tatsache, dass er in dieser Rolle für deutsche Journalisten kein Unbekannter war. Janukowytsch wurde in westlichen Leitmedien bereits während der »Orangen Revolution« zehn Jahre zuvor als korrupter, moskauhöriger Wahlbetrüger dargestellt. Anlässlich der Fußball-Europameisterschaft im Sommer 2012 wurde er medial erneut in die Rolle des Schurken gedrängt, weil seine politische Konkurrentin Julia Timoschenko im Gefängnis saß, wofür die Medien ihn persönlich verantwortlich machten. An diesen bewährten Interpretationsrahmen konnten die etablierten Medien eineinhalb Jahre später zu Beginn des Maidan sofort anknüpfen.

Konflikte werden ins vorherrschende Narrativ integriert

In der westlichen Medien-Öffentlichkeit herrschte bereits ein transatlantisches Narrativ, das heißt eine politisch-mediale Erzählung, die einen grundsätzlichen weltpolitischen Konflikt zwischen Russland und dem Westen behauptet und diesen ausdeutet. Es handelt sich also um die sich selbst rechtfertigende Interpretation einer Konfliktpartei. Die Proteste in Kiew wurden in den erzählerischen Rahmen dieses Grundkonflikts eingeordnet. Diese Erzählung wird prinzipiell auch zur Grundierung vieler anderer Konflikte weltweit verwendet – Russland kann entsprechend durch China ersetzt werden.

Das transatlantische Narrativ beschreibt Russland als machtbesessenen, zwielichtigen und gewaltbereiten Akteur der Weltpolitik, der dauerhaft global mit dem Westen (USA und EU) in Auseinandersetzung steht, da Letzterer selbstlos die Völker der Welt in ihrem Kampf für Demokratie und Menschenrechte unterstützt. »Moskau ist kein ehrlicher Makler wie die EU«, brachte Tagesspiegel-Korrespondent Christoph von Marschall diese bei vielen etablierten Journalisten verinnerlichte Haltung auf den Punkt. Russland schüre Konflikte, um seinen Einfluss auszudehnen, während die EU »es gut meint« und »zu vertrauensselig« agiere.

Trotz einiger differenzierter Stimmen zu Beginn galt der Maidan medial mit fortlaufender Dauer nur als ein weiteres Kapitel der neuen Ost-West-Auseinandersetzung und wurde dementsprechend erzählerisch weiter ausgestaltet. Sozioökonomische Ursachen für den Protest sowie eine Charakterisierung des Maidan als vor allem innerukrainischer Konflikt spielten kaum eine Rolle.

Die Journalisten teilten auch alle beteiligten Akteure vor Ort nach dem bewährten Muster ein. So wurden etwa ukrainische Politiker oder Gruppierungen, die das Abkommen mit der EU und die Maidan-Proteste ablehnten, in den deutschen Medien als »pro-russisch« bezeichnet, obwohl es bei den Protesten dieser ukrainischen Akteure gar nicht um Russland sondern vor allem um die Wiederherstellung von Ordnung und Stabilität in der Ukraine ging.

Die mediale Rollenverteilung funktioniert nach einem erschreckend simplen Gut-Böse-Schema – auch wenn niemand der beteiligten Journalisten das so nennen würde. Günther Rager resümiert zum Maidan: »Damals war der Journalismus in der Verteilung von Gut und Böse sehr großzügig, sehr schnell und erschreckend eindeutig.« Der Begriff der Rollenverteilung erinnert dabei nicht zufällig ans Theater. Rager sagt, Chefredakteure agierten wie »Regisseure« und »inszenierten« den Konflikt für ihr Publikum als Erzählung mit klarer Rollenverteilung. Den übergeordneten Rahmen setzten Eigentümer und Intendanten. Politische Steuerung sei dafür nicht nötig, vorherrschende Weltbilder und wirtschaftliche Abhängigkeiten genügten.

No News: Unpassende Informationen werden aussortiert

Sobald die medialen Rollen von Freund und Feind verteilt sind, beginnt die journalistische »Schere im Kopf« zu arbeiten. Informationen zum Fortgang des Konflikts im Allgemeinen oder zu bestimmten Ereignissen und Akteuren im Speziellen werden ab diesem Zeitpunkt in den Redaktionen etablierter Medien nicht mehr nach journalistischen Qualitätskriterien wie Relevanz, Aktualität und Neuigkeitswert gewichtet, sondern nach politischer Nützlichkeit.

Sind Informationen dem transatlantischen Gut-und-Böse-Narrativ dienlich, so werden sie veröffentlicht; oft sogar gezielt gepusht und prominent platziert. Schaden Informationen jedoch der westlichen Mainstream-Erzählung, so werden sie in aller Regel stiefmütterlich behandelt, kritisch-ablehnend »eingeordnet« oder komplett ignoriert. Sie werden zu »No News«. Faktisch handelt es sich hierbei um freiwillige mediale Selbstzensur, um der vermeintlichen Informationspolitik »des Gegners« nicht in die Hände zu spielen. Der Vergleich zu propagandistischer Nachrichtenunterdrückung in Kriegszeiten drängt sich geradezu auf. (5)

Je mehr sich ein Konflikt zuspitzt, desto stärker dringt dieses politische Bewertungsmuster von Informationen in den Medien durch. Hierbei kommt auch ein quasi staatstragendes Verantwortungsgefühl führender Journalisten zum Ausdruck, die wichtige politische Erfolge »der eigenen Seite« nicht durch Veröffentlichung zwar wahrer, aber regierungskritischer Informationen gefährden wollen. Uwe Krüger bezeichnet dieses Phänomen als »Verantwortungsverschwörung«. (6)

Bei der Maidan-Berichterstattung war dies durchgängig zu beobachten, besonders extrem jedoch während des gewalttätigen Machtwechsels Ende Februar 2014. Als am 20. Februar dutzende Menschen auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz und auf der angrenzenden Institutska-Straße von unbekannten Heckenschützen ermordet wurden – unter den Todesopfern übrigens vier Polizisten – stand für deutsche und andere westliche Leitmedien schnell und bis heute unumstößlich fest, dass die Täter Polizisten waren.

Dies konnte bei der vorherrschenden Gut-Böse-Rollenverteilung gar nicht anders sein. Manche Korrespondenten fügten sogar die Behauptung hinzu, der damalige Präsident habe selbst den Schießbefehl zu dem Blutbad gegeben. So schrieb Spiegel-Reporter Benjamin Bidder, Janukowytsch habe Scharfschützen auf Demonstranten »Jagd machen lassen«.

Schützen in ZDF-Hotelzimmer

Alle vorhandenen Informationen zu dem bis heute nicht aufgeklärten Maidan-Massaker wurden medial danach beurteilt, ob sie der politisch festgezurrten Behauptung vom präsidial angeordneten Massenmord stützen oder nicht. Aussortiert wurden alle Informationen, die die Täterfrage anders beantworten und damit dem abzulehnenden Narrativ Moskaus entgegenkamen.

Dazu gehört etwa die Tatsache, dass mehrere Maidankämpfer mit Gewehren ein Zimmer des ZDF im Hotel Ukraina am Maidan besetzten und während des Massakers aus dem Fenster in Richtung der Todeszone auf der Institutska-Straße feuerten. Das ZDF-Team filmte diese Vorgänge sogar bis ein Befehlsgeber kam und die Männer aus dem Hotelzimmer abzog.

Kaum zu glauben, aber diese Informationen wurden den deutschen Fernsehzuschauern trotz zahlreicher Live-Schaltungen und trotz mehrerer ZDF- und ARD-Korrespondenten in Kiew weder am 20. Februar noch an den Folgetagen mitgeteilt. Solche Bilder hätten Politiker und Zuschauer der öffentlich-rechtlichen Medien in ihrer Beurteilung dieser heißen Phase verunsichern können.

„Das Weglassen dessen, was nicht in den ›Frame‹ passt, kann man mit unbewusstem Reflex nicht erklären — das sind aktive Entscheidungen und die bedeuten, dass man sich einem Narrativ unterwirft, das man als richtig akzeptiert hat. Das ist beunruhigend“, sagte die Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffer zum öffentlich-rechtlichen Umgang mit diesem Vorfall.

Erst zwei Wochen nach dem Massaker wurden die Bilder aus dem Hotel einmal und danach nie wieder für wenige Sekunden in einem »ZDF spezial« zur Krimkrise (!) gezeigt.

Auch Informationen wie das mehrfache öffentliche Eingeständnis des nationalistischen Maidankämpfers Ivan Bubentschik, am 20. Februar mit einer Kalaschnikow zwei Polizisten auf dem Maidan gezielt erschossen und dutzende weitere verletzt zu haben, wurden von den deutschen Leitmedien aussortiert.

Genauso unter den Tisch fielen die im italienischen und israelischen Fernsehen getätigten Selbstbezichtigungen fünf georgischer Männer gegen Geld als Schützen auf dem Maidan angeheuert worden zu sein, um sowohl auf Polizisten als auch auf Demonstranten zu schießen.

Dasselbe gilt für all die Informationen, die der ukrainisch-kanadische Politikwissenschaftler Ivan Katchanovski von der Universität Ottawa in einer Studie zu dem Blutbad aufgelistet hat und die nicht zum transatlantischen Narrativ passen wollen. (7)

Tatsächlich machte nur das ARD-Magazin »Monitor« im April 2014 mit einem Beitrag auf Beweise für andere Täter und auf den mangelnden Aufklärungswillen der neuen ukrainischen Regierung aufmerksam. Weitere Recherchen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fanden jedoch trotz zahlreicher neuer Beweise und trotz vieler möglicher Anlässe nicht statt.

Für die transatlantischen Akteure in Medien und Politik ist es erkennbar wichtig, dass das Massaker weiterhin Janukowytsch und damit den »pro-russischen« Kräften als Tätern zugeschrieben wird. Schützen im Hotel Ukraina seien nichts weiter als eine »Obsession Moskaus«, meinte die ARD-Russland-Korrespondentin Golineh Atai im März 2018 auf Twitter – vier Jahre nachdem das ZDF-Team diese Schützen im Hotel selbst gefilmt hatte.

Illegaler Machtwechsel

Ein weiteres Beispiel für das politisch motivierte Aussortieren von Informationen durch deutsche Leitmedien ist die Verfassungswidrigkeit des ukrainischen Machtwechsels und wie wohlwollend die Bundesregierung und andere westliche Akteure dies akzeptierten. Nach Morddrohungen (»Operation Ceaușescu«) und einem Ultimatum bewaffneter Rechtsextremer gegen ihn, war Wiktor Janukowytsch ins ostukrainische Charkiw geflogen und wurde nur wenige Stunden später, am 22. Februar 2014, im nationalen Parlament seines Präsidentenamtes enthoben.

Dieses Vorgehen war durch die ukrainische Verfassung in keiner Weise gedeckt. Bei einem sauberen Ablauf nach Artikel 111 der Verfassung hätte Janukowytsch vorher durch eine Untersuchungskommission und einen Gerichtsprozess Hochverrat nachgewiesen werden und daraufhin eine Dreiviertel-Mehrheit der Parlamentarier seiner Absetzung zustimmen müssen.

Tatsächlich wurde er in einer manipulierten Abstimmung, bei der laut Sitzungsprotokoll mehr Stimmen abgegeben wurden (328) als Abgeordnete anwesend waren (248), mit einfacher Mehrheit für abgesetzt erklärt – das Ganze begleitet von bewaffneten Maidankämpfern im Parlamentsgebäude. Ein beispielloser Vorgang.

Nutzern etablierter Medien in Deutschland ist die krasse Verfassungswidrigkeit des Machtwechsels jedoch weder damals noch später prominent vor Augen geführt worden. Ein gewaltsamer Staatsstreich rechtsextremer Paramilitärs im Dienste NATO-treuer Politiker hätte auch so gar nicht zum hierzulande vorherrschenden Narrativ von der mehrheitlich friedlichen Revolution im Namen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gepasst. Im Mainstream hieß es deshalb regelmäßig nur stark verkürzt: Janukowytsch sei »geflohen« und »abgesetzt« worden. Manche Medien machten aus dem Putsch sogar einen »Rücktritt«.

Akteure werden in Schablonen gepresst

Die »Schere im Kopf« arbeitet aber nicht nur im Umgang mit Sachinformationen sondern auch bei der Darstellung von Personen. Zur medialen Strukturierung von Auslandskonflikten werden Akteuren wie oben bereits erwähnt, bestimmte Rollen zugeteilt. Dies gilt sowohl für politische Akteure als auch für die einfachen Beteiligten auf der Straße. So existiert eine mediale Schablone des guten Demonstranten: friedlich, kreativ, tolerant, pro-westlich. Alles, was in diese Schablone passt, wird hervorgehoben. So war es auch auf dem Maidan.

Deutsche Mediennutzer sahen in den Berichten häufig nur singende Rentnerinnen, lächelnde junge Frauen, einen Student, der auf der Straße Klavier spielte oder Priester, die die Polizei beschwichtigen. Wutbürger, Neonazis und vermummte Gewalttäter wurden in der Berichterstattung hingegen nur vereinzelt gezeigt oder ganz verschwiegen. »Die unsympathische Seite der Maidan-Bewegung kommt so gut wie nicht vor«, schreiben Uwe Krüger und Anna Mundt (8) in ihrer Sourcing-Analyse der deutschen Fernsehberichterstattung zum Euromaidan.

Die Medienwissenschaftler hatten 153 Beiträge aus Tagesschau, heute, RTL aktuell und SAT.1 Nachrichten zum Maidan ausgewertet. Ihr Fazit: Gewalttätige Demonstranten wurden zwar teilweise gezeigt, weil man sie in der Masse nicht aussparen konnte, doch der organisierte Hintergrund der Gewalt auf Seiten der Demonstranten – etwa die rechtsradikale Partei Swoboda oder die Neonazi-Kampforganisation »Rechter Sektor« – sind »unsichtbar« geblieben.

Akteure der Gegenseite wurden ebenfalls in mediale Schablonen gepresst. Die Polizei musste brutal und gesichtslos bleiben. Verletzte oder getötete Polizisten durften nicht in den Mittelpunkt der Berichterstattung rücken. Angriffe auf die Polizei kamen medial kaum vor, anschließende Reaktionen der Sicherheitskräfte dienten hingegen aus dem Kontext gerissen immer wieder zur Illustration von Brutalität.

Zudem wurde die Existenz von zehntausenden Gegendemonstranten (»Anti-Maidan«) in deutschen Medien fast völlig ausgeblendet. »Es gab keine ernstzunehmende andere Seite des Konflikts mit legitimen Interessen und Argumenten«, schreiben Krüger und Mundt im Fazit ihrer Analyse. Und das obwohl unabhängigen Umfragen zufolge gut die Hälfte der ukrainischen Bevölkerung die Maidan-Proteste ablehnte. »Anti-Maidan-Leute waren [in den deutschen Nachrichtensendungen] höchstens ›herbeigekarrt‹ und ›bezahlt‹ vom Regime oder hatten einfach ›Angst vor Veränderungen‹.«

Eine weitere Schablone ist die des »Machthabers«: korrupt, verschlagen, brutal, anti-westlich. Jede Handlung und Aussage, die dem widerspricht, musste auch beim Maidan verschwiegen oder ins Negative umgedeutet werden. So wurde es Wiktor Janukowytsch niemals positiv ausgelegt, dass er mitten in der Hauptstadt drei Monate lang massive Proteste duldete, obwohl hierbei auch Ministerien und andere öffentliche Gebäude besetzt und geplündert wurden.

Die ukrainischen Sicherheitskräfte hätten im November 2013 jeden Protest bereits im Keim mit Gewalt ersticken und die Demonstranten beispielsweise mit Wasserwerfern »beregnen« lassen können. Der Präsident gab seinem Innenminister jedoch nicht den Befehl dazu. Die Medien legten sein Verhalten trotzdem negativ aus: Janukowytsch wolle die Proteste »aussitzen«, hieß es wortgleich etwa bei Spiegel Online, in der Süddeutschen Zeitung oder bei der Deutschen Welle.

Janukowytschs mehrmalige Verhandlungsangebote an die Oppositionsführer wurden ebenfalls nicht als Lösungsvorschlag oder Kooperationsversuch aufgefasst, sondern von etablierten deutschen Medien übereinstimmend mit den Anführern des Maidan als »vergiftetes Geschenk« interpretiert.

Wie entsteht der bemerkenswerte mediale Gleichklang?

Diese kleine Auswahl zeigt auch, dass sich die politische Übereinstimmung zwischen westlichen Medien und westlich orientierten Akteuren in Auslandskonflikten nicht zuletzt in identischen Sprachregelungen (Wording) ausdrückte. Antisemiten und Neonazis auf dem Maidan wurden quer durch die Medien nicht als solche, sondern als »Ultranationalisten« bezeichnet. Gewalttäter wurden durchgehend als »Aktivisten« tituliert. Putschende Oppositionelle hießen in den Medien »Übergangsregierung«.

Allerdings geht die Nutzung bestimmter Begriffe und Interpretationen nicht allein von den Journalisten aus, sondern geschieht in wechselseitiger Übernahme von Deutungsrahmen (Frames) und Teil-Narrativen durch Politiker, Stiftungen, PR-Agenturen, Nachrichtendienste, NGOs sowie durch große westliche Nachrichtenagenturen.

Im Hotel Ukraina direkt am Maidan, in dem zahlreiche Journalisten untergebracht waren, hielt das »Ukraine Crisis Media Center«, das wesentlich durch den Putingegner und US-Oligarchen George Soros finanziert wurde, täglich Pressekonferenzen ab. Organisatoren solcher Angebote wissen, dass Korrespondenten aus Zeitgründen kaum die Möglichkeit für tiefergehende Recherchen haben und füttern diese deshalb bequem vor Ort mit Dokumenten, O-Tönen, Sprachregelungen, Kontakten und politischen Einschätzungen. Dass dieses Material weder neutral noch unabhängig ist, liegt in der Natur der Sache. Für die mediale Nutzung bedeutsam ist dies jedoch nicht. Es gilt die Faustregel: Je plausibler und mundgerechter die Informationshäppchen, desto wahrscheinlicher deren Verbreitung über etablierte Medien.

Sowohl die räumliche Nähe der westlichen Korrespondenten als auch ihre Nutzung identischer Quellen sind wichtige Aspekte zur Erklärung des auffälligen und einseitigen Gleichklangs der Medienberichte über Auslandskonflikte.

Noch bedeutsamer als die bekannten Fernsehgesichter sind hierfür die Korrespondenten der großen westlichen Nachrichtenagenturen Reuters (Toronto), Associated Press (New York), Agence France-Presse (Paris) oder der Deutschen Presseagentur (Hamburg/Berlin). Redakteure nahezu aller Medien in den Heimatländern nutzen vor allem das von diesen Agenturen angebotene Text- und Bildmaterial um über Auslandskonflikte zu berichten. Reuters und Co. funktionieren auf diese Weise wie ein Flaschenhals für die heimische Nachrichtenlage. Nur was dort durchgeht, kommt letztlich »unten« bei den Mediennutzern an. Sie bestimmen damit faktisch über Auswahl und Deutung zu berichtender Ereignisse.

Dies könnten Medien zwar durch die Nutzung des Materials nicht-westlicher Nachrichtenagenturen abmildern. Aber das fällt in deutschen Redaktionen wegen der vorherrschenden Feindlage aus – bloß keine »russische Propaganda« bringen. Die permanente Dauerbeschallung einfacher Redakteure nahezu aller Medien mit den immer gleichen pro-westlichen Deutungen durch Politiker, Experten, Agenturen, Korrespondenten und Chefkommentatoren führt dazu, dass es dem Eindruck der Redakteure nach gar keine andere »seriöse« Perspektive mehr auf den jeweiligen Konflikt geben kann als diese.

Personalisierung, Oberflächlichkeit, Parteilichkeit

Weitere Mechanismen und Aspekte zur medialen Strukturierung von Auslandskonflikten können hier aus Platzgründen nur angedeutet werden. Redezeit: In den deutschen Fernsehnachrichten erhielten Maidankräfte mehr als viermal so viel Redezeit wie die Gegenseite. (9) Personalisierung: Ereignisse werden in der heutigen Medienlogik kaum inhaltlich-sachlich, sondern sehr stark personell erklärt. Alles wirkt dann wie das Kräftespiel einiger weniger Politiker. (10)

Oberflächlichkeit: Auch ein hoher Ausstoß von Medienbeiträgen zu einem Thema, wie bei der mehr als dreimonatigen Begleitung des Maidan, sorgt nicht für inhaltliche Tiefe, um einen Konflikt zu verstehen. Parteilichkeit: In Auslandskonflikten wird regelmäßig die persönliche Anteilnahme der Berichterstatter deutlich. Kai Gniffke, damals Chefredakteur von »ARD aktuell«, drückte dies vorsichtig so aus:

"In der ersten Phase – nennen wir sie die Schlacht um den Maidan in Kiew – haben wir uns nicht auf eine Seite geschlagen, aber sehr stark die damalige Opposition in den Blick genommen und deren Perspektive beleuchtet." (11)

Klarer sagte es ARD-Moskau-Korrespondentin Golineh Atai. Gefragt nach ihrer etwaigen Parteilichkeit während des Maidan erklärte sie im Oktober 2014 in einer TV-Debatte: Als Journalist*in sympathisiere man immer mit Freiheitskämpfern.

Oberflächlichkeit, Parteilichkeit, Personalisierung, identisches Wording, No News, Verweigerung kritischer Recherchen – all diese Aspekte und Mechanismen sind miteinander verwoben und dienen sowohl der Erzeugung und Pflege von Feindbildern als auch der Durchsetzung eines Narrativ. Zudem haben sie den problematischen Effekt, sich wechselseitig zu verstärken. Da alle etablierten Medien mit diesen Mitteln in einem gemeinsamen Feld systemischer Abhängigkeiten arbeiten, entsteht der extreme Gleichklang nach außen, den manche Kritiker mit der historisch belasteten Vokabel »Gleichschaltung« bezeichnen.

Folgen: tiefe Spaltung aber auch neue Vielfalt

Zentrale Folge der einseitigen Konfliktberichterstattung ist die Erzeugung ganz neuer Konflikte, die sich unter dem Begriff »Spaltung der Gesellschaft« zusammenfassen lassen. Die einen Mediennutzer sehen den Gleichklang als Beweis für die Unbestreitbarkeit und Faktizität des präsentierten Narrativ. Alle berichten gleich? Dann muss es ja »die Wahrheit« sein. Die anderen erkennen im medialen Gleichklang politische Absichten, die ihnen übergestülpt werden sollen, und wenden sich ab.

Da nicht erkennbar ist, dass der Medien-Mainstream seine Art der Berichterstattung ändern wird, ist die Ausdifferenzierung der Medienlandschaft durch neue, unabhängige Angebote notwendig. Sie können mit professioneller journalistischer Arbeit die fehlenden Informationen zu Auslandskonflikten recherchieren ohne selbst Narrative zu produzieren.

Durch den Ukraine-Konflikt seit 2013 erhielten die damals bereits bestehenden unabhängigen Medien einen großen Schub, zudem entstanden neue Magazine. So kann mittelfristig eine vielfältige Medienlandschaft entstehen, die Nutzern wieder eine möglichst objektive Meinungsbildung erlaubt. Dies wird eine große gesellschaftliche Aufgabe, da die neuen Magazine sich gegen die Dämonisierung durch etablierte Medien und gegen die Macht global agierender Social-Media-Konzerne behaupten müssen. Das geht nur mit seriöser sachlicher Arbeit, wird aber langfristig zum Erfolg führen.

Klaus-Jürgen Bruder, Almuth Bruder-Bezzel: „Macht. Wie die Meinung der Herrschenden zur herrschenden Meinung wird“, 256 Seiten, Westend Verlag

Anmerkungen

(1) Krüger, Uwe (2016). Mainstream. Warum wir den Medien nicht mehr trauen. München: C. H. Beck. Seite 7

(2) Goeßmann, David (2014). Berichterstattung mit Schlagseite. Halbwahrheiten, Doppelstandards und Schweigen. In: Ronald Thoden; Sabine Schiffer (Hg.). Ukraine im Visier. Russlands Nachbar als Zielscheibe geostrategischer Interessen. Frankfurt am Main: Selbrund Verlag. Seite 256

(3) Bröckers, Mathias; Schreyer, Paul (2019). Wir sind immer die Guten. Ansichten eines Putinverstehers oder wie der Kalte Krieg neu entfacht wird. Frankfurt am Main: Westend. Seite 65 ff.

(4) Klöckner, Marcus B. (2019). Sabotierte Wirklichkeit. Oder: Wenn Journalismus
zur Glaubenslehre wird. Frankfurt am Main: Westend.

(5) Teusch, Ulrich (2019). Der Krieg vor dem Krieg. Wie Propaganda über Leben
und Tod entscheidet. Frankfurt am Main: Westend. Seite 33 ff.

(6) Krüger, Uwe (2016). Mainstream. Warum wir den Medien nicht mehr trauen. München: C. H. Beck. Seite 105 ff.

(7) Katchanovski, Ivan (2015). The »Snipers’ Massacre« on the Maidan in Ukraine. School of Political Studies University of Ottawa; Katchanovski, Ivan (2019). The far right, the Euromaidan, and the Maidanmassacre in Ukraine. In: Labor and Society, S. 1–25. Katchanovski, Ivan (2020). The Maidan Massacre in Ukraine: Revelations from Trials and Investigations. School of Political Studies University of Ottawa.

(8) Krüger, Uwe; Mundt, Anna (2020). Wie objektiv war die Ukraine-Berichterstattung? Eine Sourcing-Analyse zum Euromaidan 2013/14 im deutschen Fernsehen. In: Hans-Jürgen Bucher (Hg.). Medienkritik zwischen ideologischer Instrumentalisierung und kritischer Aufklärung.Köln: Herbert von Halem Verlag, Seite 324.

(9) Krüger; Mundt 2020, S. 326

(10) Meyen, Michael (2018). Breaking News: Die Welt im Ausnahmezustand. Wie uns die Medien regieren. Frankfurt am Main: Westend. Seite 12

(11) zitiert nach Gellermann, Uli (2014). Ukraine, ARD & ZDF. In: Peter Strutynski (Hg.).
Ein Spiel mit dem Feuer. Die Ukraine, Russland und der Westen. Köln: PapyRossa. Seite 191

JAMES BARRANTE, 15. Mai 2021, 16:20 UHR

Sehr gute Zusammenfassung! Reuters' Hauptsitz ist aber nicht in Toronto, sondern im zweitbonzigsten Londoner Viertel Canary Wharf.

Ein nicht unwesentlicher Aspekt fehlt explizit: Die Darstellung von Protestgegnern (oder Gegnern der "transatlantischen Integration") als dumm. Und da ließe sich ein wundervoller Bogen vom Maidan über die Berichterstattung des Trump-Lagers bis hin zur Heimkehr unsäglicher journalistischer Spaltkräfte in die deutsche Innenpolitik spannen: Flüchtlinge, Klima, Corona. Vielleicht in einem zweiten Teil :-)

STEFAN KORINTH, 15. Mai 2021, 18:20 UHR

Hallo Herr Barrante,

Reuters' Hauptsitz ist seit der Fusion mit dem kanadischen Medienunternehmen Thomson (2008) in Toronto.

https://www.thomsonreuters.com/en/locations/location-detail.html/toronto-bay-street-location-headquarters

https://www.britannica.com/topic/Thomson-Reuters

Offiziel heißt die Agentur seitdem auch "Thomson-Reuters", wobei "Reuters" bis heute der gängige Name ist, deswegen habe ich ihn benutzt. Ich möchte aber nicht bestreiten, dass das von Ihnen genannte Büro in London als inoffizielles Hauptquartier dienen könnte.

Könnten Sie den Aspekt der Darstellung von Maidangegnern als "dumm" bitte erläutern? Meiner Wahrnehmung nach wurden diese eher als bezahlte Schläger oder herangekarrte Putinfans dargestellt – wenn man sie überhaupt mal erwähnte.

JAMES BARRANTE, 16. Mai 2021, 19:45 UHR

Hallo Herr Korinth,

die englische Wikipedia nennt als Sitz der Nachrichtenagentur (nicht des neuen Mutterkonzerns) unverändert Canary Wharf (https://en.wikipedia.org/wiki/Reuters). Aber das ist eher unwichtig.

Könnten Sie den Aspekt der Darstellung von Maidangegnern als "dumm" bitte erläutern?

Die Darstellung erfolgt idealerweise nicht direkt, sondern mittels Strohmann und purer Oberflächlichkeiten. Man führt Straßeninterviews, und irgendwann hat man genug Äußerungen im Kasten, bis die gewünschten dabei sind, die man kontrastreich gegeneinander ausspielen kann. Entsprechend holzschnittartig geht das so: einerseits der junge, adrett gekleidete Student/Anzugträger oder die junge Anwältin/Lehrerin, welche das gewünschte Narrativ vertreten — egal, ob es um den Maidan, Brexit, Flüchtlinge, Klima oder Corona geht. Die andere Seite stellt sich rein äußerlich als eher ungebildet dar, und sei es nur durch Holzfällerhemd, fehlende Zähne oder "einfache", "populistische" Wortwahl.

Ein anderes beliebtes Mittel: der Experte, der bedarfsgerecht untermauert, die Regierung (oder die zu propagierende Seite) hätte nicht klar genug kommuniziert. Oder die Gegner hätten Angst, abgehängt zu werden — durch wen oder was, bleibt gerne offen. Der Übergang vom nur angedeuteten bis zum letztlich plumpen Vorwurf der Bildungsferne ist fließend.

Ich erinnere mich noch an die unsäglich emotionalisierende Golineh Atai, die eines Abends in einer Live-Schalte aus Kiew über die »Putin-Unterstützer« fabulierte, es seien die einfachen Leute, die die großen Chancen der neuen Verhältnisse einfach nicht verstehen könnten. Link fehlt mir leider.

Da dieses Propagandamittel jedoch immer noch en vogue ist, um den Keil noch weiter reinzutreiben: Achten Sie beim nächsten Straßeninterview zu einem polarisierenden Thema einfach darauf, wer wie interviewt wird, um welche Haltung von sich zu geben.

MARIE, 16. Mai 2021, 18:25 UHR

Ein genialer Artikel, in dem mir viele Zusammenhänge noch klarer geworden sind – denn sobald ein Muster verstanden wird, ist die Möglichkeit der Erkenntnis viel komfortabler. Ich denke, diese Art der Betrachtung muss ein Basiswissen, wie auch die Psychologie, werden.

Herzlichen Dank.

DK, 19. Mai 2021, 10:45 UHR

Stefan Korinth liefert hier wahrlich eine gute Analyse massenmedialer Funktionsmechanismen und journalisitischer Selbstläufer. Gerade der 'banale' Aspekt der pro-westlichen Sozialisation der Journalisten der etablierten großen Medienhäuser ist meines Erachtens nicht zu unterschätzen. Es ist ja nicht so, dass es sich hier um ein böses mediales Spiel vermeintlicher pro-westlicher Machthaber handelt – obgleich selbsternannte (westliche) Philanthropen wie George Soros freilich mitmischen, wie am Beispiel des vom selbigen im Hotel Ukraina platzierten "Ukraine Crisis Media Center" deutlich wird.

Es ist wohl eher so, wie im Artikel ja auch brillant aufgezeigt wird, dass komplexe mediale und politische Strukturen und personelle wie ökonomische Verästelungen eine kritische, unparteiische und vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung des politischen Geschehens beinahe unmöglich machen. Die frucht- wie zeitlosen Freund-Feind-Konstellationen werden durch ebendiese Strukturen von Anbeginn der Berichterstattung über ein bestimmtes, in den Fokus gerücktes Geschehen in Druck und Funk gemeißelt und von da an tagtäglich zementiert. Sukzessive Spaltung allenthalben. Der Versuch einer Annäherung kann wohl nur durch die neuen Medien geleistet werden...

STRUPPI, 25. Mai 2021, 10:50 UHR

Ganz aktuell passend dazu: Während über die Verurteilung eines Oppositionellen in der Ukraine, der nicht nur über eine vermeintliche Machtposition verfügt, sondern über einen Stimmenanteil von 13 % bei den letzten (Kommunal-)wahlen hatte, nicht berichtet wird, ist die Verhaftung eines Bloggers eine Dauernachricht bei den Propagandasendern der NATO.

Interessant ist es auch, wie Medwtschedtschuk bei Wikipedia dargestellt wird. In seinem Personenartikel steht: "sein politischer Einfluss tendierte laut einer Einschätzung von Serhij Leschtschenko im Frühjahr 2019 gegen Null" (Leschtschenko ist ein Jounalist, der in der Poroschenko-Partei ist und mal für diese Abgeordneter). Das zeigt, wie selektiv Wikipedia Personen darstellt. Und das, obwohl die Partei 44 Sitze im Parlament hat und in aktuellen Umfragen gleichauf mit der Partei des Präsidenten ist.

Über solche und ähnliche Skandale in der Ukraine erfahren wir nichts in den Narrativmedien, denen es vor allem darum geht Stimmungen zu befeuern. Von Nachrichten hören wir nichts mehr.

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