Das Schweigen der Viren
OLIVER MÄRTENS, 21. Juni 2020, 13 KommentareHinweis: Dieser Beitrag ist auch als Podcast verfügbar.
Das Robert Koch-Institut (RKI) verfügt über eine ebenso leistungsfähige wie repräsentative Überwachung und Berichterstattung zu akuten Atemwegsinfektionen. Dazu gehört auch die sogenannte virologische Surveillance. Diese konnte zu keinem Zeitpunkt eine nennenswerte Aktivität des Virus SARS-CoV-2, dem Erreger von COVID-19, in Deutschland verzeichnen. Dennoch bewertet das RKI das Risiko durch COVID-19 als hoch oder sehr hoch.
Diese Risikobewertung ist nicht nur empirisch unbegründet, sondern durch die maßgeblichen Veröffentlichungen der an das RKI angeschlossenen Arbeitsgemeinschaft Influenza statistisch widerlegt. Das Bundesgesundheitsministerium, welches auch für die Fachaufsicht des RKI zuständig ist, hat bis heute auf diesen Widerspruch weder erkennbar reagiert noch ihn beseitigt.
Die aktuellen RKI-Berichte zu COVID-19 weisen sogar überwiegend oder weit überwiegend fälschlicherweise als SARS-CoV-2-positiv bezeichnete Fälle aus. So werden nicht nur längst widerlegte Risikoeinschätzungen des RKI, sondern auch falsche Datenbilder, anscheinend mit Duldung des Bundesgesundheitsministeriums, zur Grundlage anhaltender massiver staatlicher Eingriffe in Grundrechte, Alltags- und Wirtschaftsleben.
1. Die Arbeitsgemeinschaft Influenza: laut RKI "ein Erhebungssystem, das im europäischen Rahmen einen Spitzenplatz einnimmt"
"Halten Sie sich an offizielle Quellen!" So oder ähnlich heißt es, wenn Menschen sich über COVID-19 informieren möchten. Natürlich gilt dies in besonderem Maße, wenn man sich hinterfragend oder kritisch zum Pandemie-Geschehen oder zu den staatlichen Maßnahmen äußern möchte. Eine dieser offiziellen Quellen sind die Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI).
Die AGI entstand 1992. Darauf folgend wurde ein Sentinelsystem (ein Hinweissystem mithilfe angeschlossener Arztpraxen) für "die epidemiologische Situation der akuten Atemwegserkrankungen im Allgemeinen und der Influenza im Besonderen" in der Bundesrepublik aufgebaut. Die Untersuchung der Atemwegsproben von Patienten – die virologische Surveillance – wird durch das Labor des Nationalen Referenzzentrums für Influenzaviren (NRZ) am Robert Koch-Institut (RKI) durchgeführt. Die wissenschaftliche Federführung der AGI liegt seit 2001 beim RKI. Seit 2009 führt das RKI die AGI gemeinsam mit den angeschlossenen Sentinelpraxen durch. Dabei werden mehr als ein Prozent der gesamten primärversorgenden Ärztinnen und Ärzte einbezogen, was laut RKI als repräsentativ für die Abbildung akuter Atemwegserkrankungen in Deutschland angesehen wird. Ziel der AGI ist die "ganzjährige Überwachung und Berichterstattung des Verlaufs und der Stärke der Aktivität akuter Atemwegserkrankungen".
Ist die AGI eine offizielle Quelle? Man sollte denken, ja.
Seit der Veröffentlichung der 10. Berichtswoche 2020 (29.2. bis 6.3.) testet die AGI Proben auch auf SARS-CoV-2, und das sogar rückwirkend bis zu den Abstrichen der 8. Kalenderwoche. In der 10. KW wurde dann das erste Mal eine Probe SARS-CoV-2-positiv getestet. In der gleichen Woche gab es 111 positive Ergebnisse auf Influenzaviren – 111 Mal so viele wie auf SARS-CoV-2. Influenzaviren waren damit in 42 % aller eingereichten Proben in KW 10 nachweisbar, SARS-CoV-2 nur in 0,4 %.
Aufschlussreich ist insbesondere die 13. Kalenderwoche (21.3. bis 27.3.). Sie zeigte das absolute Maximum SARS-CoV-2-positiver Proben im gesamten Berichtszeitraum. In keiner einzelnen Woche davor oder danach wurden von der AGI mehr SARS-CoV-2-Fälle nachgewiesen. Und das waren genau vier (4) positive Proben. Die Summe aller anderen Nachweise von respiratorischen Viren war gut zehn Mal höher als für SARS-CoV-2:
Quelle: RKI Influenza-Wochenbericht Kalenderwoche 14/2020 (28.3.bis 3.4.2020), S. 4
Gut erkennbar ist der starke Abfall eingesandter und positiver Proben ab der 13. KW. Dies war durch das Abebben der Influenzawelle verursacht, deren Ende offiziell für die 12. KW erklärt wurde.
Der jüngste Wochenbericht der AGI umfasst die 20. KW. Das macht insgesamt 13 Wochen (8. bis 20. KW), in denen im Sentinel nach SARS-CoV-2 gesucht wurde. In diesen 13 Wochen wurde SARS-CoV-2 in genau 13 Proben gefunden. Durchschnittlich einmal pro Woche. Die letzte positive Probe stammte dabei aus KW 15. In den fünf Wochen danach gab es auf SARS-CoV-2 nur noch Fehlanzeigen. (Letzteres bestätigt auch der RKI-Situationsbericht zu COVID-19 vom 18.6.)
Quelle: RKI Influenza-Wochenbericht Kalenderwoche 20/2020 (9.5. bis 15.5.2020), S. 4
Wie unauffällig es mit den akuten Atemwegsinfektionen nach der 20. KW weiterging, veröffentlichte die AGI hier.
Eine erste Zusammenfassung:
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Das Sentinel spiegelt "die epidemiologische Situation der akuten Atemwegserkrankungen" in Deutschland wider.
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Das Sentinel umfasst mehr als 1% der primärversorgenden Ärzte und wird vom RKI als repräsentativ bezeichnet.
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SARS-CoV-2 wurde über 13 Wochen bei maximal 3,1% der eingereichten Sentinelproben nachgewiesen. Die Atemwegsinfektionen wurden durchgängig von Influenza-, Rhino- und/oder hMP-Viren dominiert.
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Nach der 15. KW, also nach dem 10.4., lassen sich im Sentinel überhaupt keine Proben mehr finden, die SARS-CoV-2-positiv sind.
Die Viren schweigen.
2. Bundesregierung: "Die rasante Verbreitung des Coronavirus in den vergangenen Tagen in Deutschland ist besorgniserregend"
Dieser Satz findet sich im Protokoll der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder vom 22. März. Das Besprechungsdatum liegt 16 Kalendertage hinter dem Ende der 10. KW, derjenigen Berichtswoche, zu der die Arbeitsgemeinschaft Influenza erstmals repräsentative epidemiologische Daten über akute Atemwegsinfektionen durch SARS-CoV-2 beschrieb. Das veröffentlichte Dokument der AGI wurde laut den Metadaten der pdf-Datei bereits am 11.03.2020, fünf Kalendertage nach dem Ende der 10. Berichtswoche, erzeugt, hatte also zu diesem Zeitpunkt bereits seine endgültige veröffentlichungsfähige Fassung.
Weitere elf Kalendertage später, am 22. März, fand dann die Besprechung mit der oben zitierten Aussage einer "rasanten Coronavirus-Verbreitung" statt. Die repräsentative Faktenlage der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) beim RKI hat diese Behauptung also eineinhalb Wochen im Voraus (!) widerlegt.
Die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag erfolgte wenige Tage später am 25. März. Diese Feststellung widerlegte die AGI also exakt 2 Wochen zuvor!
Direkt am Tag nach der Bundestagssitzung, am 26. März, stellte sich dann heraus, dass der vorangegangene Anstieg der RKI-Fallzahlen im Wesentlichen durch eine Verdreifachung des Testumfanges zwischen der 11. und der 12. Kalenderwoche zustande gekommen war. Der Anteil der positiven Tests am Gesamtumfang stieg dabei nur geringfügig von 6 % auf 7 % an – von einer "rasanten Verbreitung" konnte also keinesfalls die Rede sein.
3. Das Bundesgesundheitsministerium: die Dienst- und Fachaufsicht über das RKI
Multipolar stellte eine Anfrage an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Das BMG hat die direkte Dienst- und Fachaufsicht über das Robert Koch-Institut. Denn letzteres ist eine Bundesoberbehörde und direkt dem BMG unterstellt. Vom BMG wird also erwartet, dass es das RKI fachlich bewerten und bei Bedarf korrigieren kann und dass ihm die massiven Widersprüche zwischen den COVID-19-Situationsberichten und den Risikobewertungen des RKI einerseits, sowie der monatelangen Nichtrelevanz von SARS-CoV-2 für die akuten Atemwegsinfektionen laut AGI andererseits auffallen. Und dass es dagegen einschreitet.
Dem BMG wurden dazu eine Reihe von Fragen übermittelt. Denn es gibt ein Problem mit der Risikobewertung für COVID-19 durch das RKI. Die lautet nämlich am 20. Juni noch immer:
"Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit weiterhin insgesamt als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch."
Dies verwundert, denn:
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SARS-CoV-2 war ja laut AGI kaum existent.
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Wenn SARS-CoV-2 nachgewiesen werden konnte, dann galt dies zeitgleich auch für andere respiratorische Viren, vor allem für Influenzaviren.
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Eine ebenso kritische RKI-Risikobewertung für die Influenza bestand aber nicht.
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Wenn aber Influenzaviren in den einzelnen Wochen regelmäßig häufiger nachweisbar waren als SARS-CoV-2, zur Influenza jedoch keine so kritische Bewertung bestand, wie erklärt sich dann die anhaltend bedrohlich wirkende Risikoeinschätzung für COVID-19?
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Und wie erklärt sich die hohe Zahl "laborbestätigter COVID-19-Fälle" in den Täglichen Lageberichten des RKI?
Antworten des Bundesgesundheitsministeriums auf diese und andere Fragen wären also extrem wichtig. Doch außer den Viren schweigt auch das Ministerium. Die Anfrage von Multipolar wurde innerhalb von mehr als einer Woche noch nicht einmal in Teilen beantwortet. Stattdessen verwies das BMG zwischenzeitlich an das RKI. Da das RKI aber bereits seit Monaten in der öffentlichen Kritik steht, ohne nennenswerte materielle Konsequenzen aus dieser zu ziehen, erschien ein Verweis an die dortigen Ansprechpartner nicht angemessen. Vielmehr steht die Fachaufsicht beim BMG in der Pflicht, die Substanz der Kritik zu prüfen und gegebenenfalls auf das RKI einzuwirken, um dort für Abhilfe zu sorgen.
Doch das Ministerium schwieg anhaltend zu den Fragen. Auch ein Termin, zu dem mit Antworten zu rechnen wäre, wurde nicht verbindlich genannt. Die Antwortfrist von über einer Woche verstrich, ohne dass sich das BMG irgendwie inhaltlich zu den Fragen geäußert hätte.
Und so steht weiterhin die Einschätzung des inzwischen von seinen Dienstpflichten entbundenen Referenten des Bundesinnenministeriums Stephan Kohn in seinem Bericht "Coronakrise 2020 aus Sicht des Schutzes Kritischer Infrastrukturen" (S. 59) nicht nur im Raum, sondern wird durch die AGI und die virologische Surveillance des RKI selbst untermauert:
"Die Bewertungen des RKI sind durch die vorgelegten Daten nicht gedeckt."
4. Der positive Vorhersagewert: Garbage in – garbage out
Eine zentrale Frage bleibt: Woher kommen die vielen "laborbestätigten Fälle", von denen das RKI regelmäßig berichtet? Zuletzt am 17.6. hat das RKI die wöchentliche Anzahl der Testungen und den Anteil positiver Resultate an diesen Tests ausgewiesen: In der jüngsten verfügbaren Berichtswoche, der 24. KW, wurden 320.001 Tests durchgeführt, von denen 2.653 positiv waren – der Anteil der positiv ausgefallenen Tests lag bei 0,8 % (gegenüber einem Maximum von 9,0 % in der 14. KW) – soviel zur anhaltenden "epidemischen Lage" in der Bundesrepublik Deutschland!
Aus rund 2.653 positiven Tests pro Woche ergeben sich tagesdurchschnittlich 379 "neue" Fälle. Wenn also das RKI am 17.6. von 345 "laborbestätigten Fällen" mehr als noch am Vortag spricht, ist das leicht darstellbar – es muss nur häufig genug getestet werden.
Ein Problem dabei sind die Fehlalarme, die ein solcher Test auslösen kann. Das bestätigte am 14.6. sogar Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vor laufender Kamera:
"Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht nachher durch zu umfangreiches Testen zu viele falsch Positive haben. Weil die Tests ja nicht 100 Prozent genau sind, sondern auch eine kleine Fehlerquote haben. Und wenn insgesamt das Infektionsgeschehen immer weiter runtergeht und Sie gleichzeitig das Testen auf Millionen ausweiten, dann haben Sie auf einmal viel mehr falsch Positive als tatsächlich Positive. Das sind so die Dinge, mit denen man konfrontiert wird in der weiteren Folge, und die Erkenntnisse."
Die entsprechende Kennzahl, die aussagt, inwieweit Fehlalarme vermieden werden, ist die sogenannte Spezifität. Und hier gibt es ein massives Problem: Der Ringversuch des Vereins INSTAND e.V., der sich um die Qualitätssicherung bei den Laboren bemüht, die solche Tests durchführen, hat eine Spezifität bei den SARS-CoV-2-Tests von durchschnittlich 98,6 % ermittelt. Die Spezifität streut je nach den Details des Testverfahrens und der Durchführung durch die Labore. Das wären bei 320.001 Tests in KW 24 dann wohl 4.480 Fehlalarme, denen aber nur 2.653 positive Fälle gegenüberstehen.
Die für das Regierungshandeln günstigste Annahme ist, dass bei den positiven Tests der 24. KW die "Fehlalarme" schon abgezogen wurden. (Diese Annahme erscheint realitätsfern, wenn man sich vor Augen führt, wie der PCR-Test als sogenannter "Goldstandard" hochgelobt und gegen Kritik verteidigt wird. Auch hat das BMG auf die diesbezüglichen Klärungsversuche inhaltlich bisher genau so wenig reagiert wie auf die anderen Fragen von Multipolar.) Angenommen wird ferner eine Spezifität von 98,6 % für den Test.
Dann wäre die 0,8 % Positivenquote in der 24. KW die Quote der echten Positivfälle von SARS-CoV-2. Was passiert nun, wenn man bei 0,8 % echtem SARS-CoV-2-"Vorkommen" mit einer Spezifität von 98,6 % testet?
In einem überschaubaren Beispiel werden 1.000 Personen getestet. Davon sind laut Annahme 0,8 %, also 8 Personen wirklich positiv. 992 Personen sind negativ, doch die Spezifität von weniger als 100 % sorgt genau bei denen für Fehlalarme – und zwar rund 14 Mal. Angenommen wird ferner, dass der Test auch alle echt Positiven findet. (Das muss nicht so sein, auch die sogenannte Sensitivität erreicht nicht ganz 100%.)
In eine imaginäre "Lostrommel" gelangen nun also 8 echt positive und 14 falsch positive Fälle – die Trommel füllt sich mit insgesamt 22 Losen. Das Testergebnis für eine Person fällt positiv aus. Wie groß ist jetzt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Person tatsächlich positiv ist?
Für echt positiv beträgt die Wahrscheinlichkeit 8 geteilt durch 22, also 36 %. Die Wahrscheinlichkeit für falsch positiv, also für einen Fehlalarm, liegt bei den komplementären 64 %. Die 36 % nennt man "positiven Vorhersagewert" ("Positive Predictive Value") oder einfach PPV.
36% sind nicht besonders hoch. 36 % PPV bedeuten, diese Person geht eher unnötig in Quarantäne als dass es gerechtfertigt wäre. Das bedeutet auch, dass Kontaktpersonen dieses Menschen eher unnötig behelligt und getestet werden als es erforderlich wäre. Es bedeutet weiterhin, dass viele unnötige Tests gemacht werden, die jemand bezahlen muss und an denen andere verdienen. Und die 36 % PPV bei den Kontaktpersonen bedeuten, dass diese unnötigen zusätzlichen Tests weitere Fehlalarme auslösen können, so dass weitere Personen ohne sachlichen Grund in Quarantäne geschickt werden.
Diese 36% Positiver Vorhersagewert beruhen jedoch auf den günstigsten möglichen und damit leider auch auf sehr unrealistischen Annahmen. Denn es ist nicht bekannt, dass in irgendeinem Zahlenwerk zu COVID-19 jemals falschpositive Ergebnisse zuvor herausgerechnet wurden.
Wenn Fehlerquoten von 1,4 % bis 2,0 % und sogar noch höher genannt werden, die 24. KW aber nur eine positive Testquote von 0,8 % gezeigt hat, ist es dann nicht wahrscheinlich, dass alle oder nahezu alle positiven Ergebnisse falschpositiv sind? Dass ein realistischer positiver Vorhersagewert weit unter 36 % liegen muss und nicht auszuschließen ist, dass er gegen null tendiert? (Siehe dazu auch die Einschätzungen des Deutschen Ärzteblatts, der NachDenkSeiten und von Samuel Eckert.)
Bei dieser durchschnittlichen Spezifität von 98,6 % ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass bei Anwendung der Tests auf zwei weitere Coronaviren (HCoV-OC43 und HCoV-229E) die Quote der falschpositiven Ergebnisse laut INSTAND e.V. durchschnittlich auf 1,9 % bzw. auf 2,2 % steigt. Könnte dies auch daran liegen, dass einige Testvarianten zusätzlich auf andere humanpathogene Coronaviren als SARS-CoV-2 reagieren?
Auch gelten zwei weitere "klassische" Coronaviren als humanpathogen (HCoV-HKU1 und HCoV-NL63). Diese beiden Coronaviren wurden von INSTAND jedoch nicht zur Absicherung der Spezifität herangezogen. Warum nicht? Eine Antwort von INSTAND auf diese Frage des Autors steht auch nach mehrmaliger Nachfrage noch aus.
Die PCR-Tests auf SARS-CoV-2 weisen eine Vielzahl unterschiedlicher Gestaltungen und damit sicher auch wechselnder Spezifitäten auf. Beispielhaft sei hier ein Test erwähnt, bei dem der Hersteller auf Beeinträchtigungen der Ergebnisse durch andere respiratorische Viren wie etwa Influenza- und Adenoviren hinweist. Folgerichtig erklärt der Hersteller auch, dass eine klinische Diagnose von COVID-19 nicht allein auf seinen Test gestützt werden darf.
Die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) beim RKI wendet dagegen einen eigenen Ansatz an, bei dem jede Probe zusätzlich einem hauseigenen Test unterzogen wird, so dass positive Befunde immer durch zwei Tests abgesichert sind – so das Nationale Referenzzentrum für Influenzaviren beim RKI auf Anfrage des Autors. Diese Testkombination scheint die Zahl der Falschpositiven erheblich zu verringern, wofür die äußerst geringen Zahlen von SARS-CoV-2-positiven Proben der AGI sprechen.
Auch prüft die AGI jede Probe des Sentinels auf eine Vielzahl respiratorischer Viren. Dies passiert bei den so klassifizierten COVID-19-Fällen des RKI in der Regel nicht. Auch zu dieser Diskrepanz der Verfahren äußerte sich das BMG auf Nachfrage bislang nicht.
Eine Klassifizierung als COVID-19-Fall durch das RKI aufgrund eines zu wenig spezifischen Tests mit einem demzufolge geringen positiven Vorhersagewert unter Verzicht der Testung auf andere respiratorische Viren erscheint damit differentialdiagnostisch nicht haltbar. Ein fachaufsichtliches Einschreiten des BMG wäre dringend gefordert.
Hier waren und bleiben also bis auf weiteres falsche Datenbilder des Robert Koch-Institutes – wider besseren Wissens des Bundesgesundheitsministers, aber anscheinend mit Duldung seines Ministeriums – die Grundlage für anhaltende massive staatliche Eingriffe in Grundrechte, Alltags- und Wirtschaftsleben.
5. Die Kakophonie der Widersprüche
Die Viren schweigen, das wird von der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) des RKI, der repräsentativen virologischen Surveillance für die Bundesrepublik Deutschland, vom Nationalen Referenzzentrum für Influenzaviren (NRZ) am RKI bestätigt. Doch in seinen Täglichen Situationsberichten und Risikobewertungen widerspricht das RKI den eigenen empirischen Erkenntnissen.
Auch das BMG greift nicht ein, um die Widersprüche zwischen den verschiedenen RKI-Veröffentlichungen zu beseitigen. Es weist das RKI nicht an, nach der behördeneigenen repräsentativen virologischen Evidenz zu bewerten. Die Passivität des Bundesgesundheitsministeriums steht im Widerspruch zum Wissen seines Ministers um die unzureichende Qualität der Testresultate.
Die Bundesregierung gründete ihre Entscheidungen im Zusammenhang mit COVID-19 wesentlich auf "Informationen zur epidemiologischen Lage am 13. März 2020 in Deutschland, in Europa und weltweit (wie) in den Situationsberichten des RKI dokumentiert". Im Widerspruch zum Regierungshandeln stehen bereits seit März die Erkenntnisse der virologischen Surveillance von AGI, NRZ und RKI.
Es wird Aufgabe von Untersuchungskommissionen (die angesichts des derzeitigen Zustands des Parlamentes aktuell noch nicht realistisch erscheinen) und Gerichten sein, das politische Handeln zu COVID-19 vor dem Hintergrund der objektiv gegebenen und seit März 2020 laufend berichteten epidemiologischen Situation der akuten Atemwegserkrankungen in Deutschland gemäß der repräsentativen virologischen Surveillance zu bewerten beziehungsweise zu sanktionieren.
Über den Autor: Oliver Märtens, Jahrgang 1967, ist nach einer Banklehre und einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium in verschiedenen Kreditinstituten der Bundesrepublik in Marketing und Vertriebsunterstützung tätig gewesen. Seit Ende 2018 arbeitet er in der Korruptionsprävention einer Bank.
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