US-General MacArthur (2. v. r.) beobachtet den Beschuss der südkoreanischen Stadt Incheon im September 1950 | Bild: US National Archives

China, die USA und der Kampf um Korea

Vor 70 Jahren führten China und die USA einen Stellvertreterkrieg in Korea. Mao Zedong brachte durch seine Unterstützung Nordkoreas den Krieg in Gang, US-Oberbefehlshaber MacArthur wollte ihn mit Atombomben gewinnen: Ein Lehrbeispiel der Eskalation, das für den gegenwärtigen Konflikt als Warnung dienen sollte.

KURT GRITSCH, 15. Juli 2020, 4 Kommentare

Wie ein regionaler Konflikt beinahe zum dritten Weltkrieg wurde (1)

„Die USA und Nordkorea verbindet eine lange blutige Geschichte.“ (2) (Süddeutsche Zeitung)

Am 25. Juni 1950 begann in Korea der erste große Stellvertreterkampf des Kalten Krieges, bei dem nordkoreanische und chinesische Truppen mit sowjetischer Ausrüstung südkoreanischen Soldaten und einer von den USA geführten UN-Koalition aus 22 Staaten gegenüberstanden. Während Stalin zögerte, provozierten die Präsidenten Süd- und Nordkoreas Syng-man Rhee und Kim Il-sung zusammen mit den sie unterstützenden Mächten USA und China eine Konfrontation mit hohem Eskalationspotenzial. Und wäre es nach US-General Douglas MacArthur gegangen, dann hätten Atombomben den militärischen Sieg gebracht.

Doch ausgerechnet Präsident Truman, der den Abwurf der Bomben auf Hiroshima und Nagasaki genehmigt hatte, verweigerte sich einer solchen Eskalation und entließ den beliebten General. Doch trotz Trumans Konzept des begrenzten Krieges forderte der dreijährige Konflikt nach wechselseitigen militärischen Offensiven rund viereinhalb Millionen Tote, von denen mehr als die Hälfte Zivilisten waren. 1953 wurde die Grenze zwischen Süd- und Nordkorea wie vor Beginn der Auseinandersetzungen wieder am 38. Breitengrad festgelegt. 70 Jahre später sind die Fronten noch immer dieselben. Die Frage der Verantwortung für das millionenfache sinnlose Sterben wird bis heute kontrovers diskutiert.

„God too, has sinned, that's what I used to think. He looked down on this blazing hell, and he remained silent.“ – „Gott selbst hatte gesündigt, so dachte ich. Er schaute herunter auf diese Flammenhölle und schwieg.“ (3) (Hwang Sŏk-yŏng)

Wie hatte es so weit kommen können, dass Korea zur Flammenhölle eines schweigenden Gottes wurde, wie es der 1943 geborene südkoreanische Autor Hwang Sŏk-yŏng in seinem Buch Der Gast beschreibt? Der Konflikt war weder schicksalhaft noch gottgewollt, sondern menschengemacht.

Als am 25. Juni 1950 nordkoreanische Truppen die Demarkationslinie am 38. Breitengrad, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Korea in einen sowjetisch orientierten Norden und einen US-unterstützten Süden trennte, überschritten, sah es zunächst nach einem weiteren kleinen Grenzzwischenfall aus. Es war nicht das erste Mal, dass nordkoreanische Soldaten ein paar Kilometer nach Süden oder südkoreanische Truppen ein paar Kilometer nach Norden vorgedrungen waren. Doch sehr bald zeigte sich, dass es diesmal anders war. Am 31. Juli 1950 griff nämlich die UNO ein und entsandte eine unter US-Führung stehende Armee aus 22 Staaten zur Befreiung Südkoreas.

Der Konflikt wurzelt in der japanischen Besetzung Koreas ab 1905. Während des Zweiten Weltkriegs hatten koreanische Soldaten vereinzelt unter dem Kommando der Alliierten gegen Japan gekämpft, und zwar meist entweder auf Seiten der USA oder der UdSSR, wie beispielsweise der spätere erste Herrscher der Volksrepublik Korea Kim Il-sung, Großvater des aktuellen Machthabers Kim Jong-un. Als Japan in Korea am 15. August 1945 kapitulierte, mussten sich seine Truppen wie von den Alliierten vereinbart nördlich des 38. Breitengrads der Roten Armee und südlich dieser Linie den US-Truppen ergeben.

Analog zur Besetzung Deutschlands sollte nun auch Korea von den Alliierten (ohne Briten und Franzosen) verwaltet werden. Wie in Deutschland durch den Alliierten Kontrollrat, geschah dies auch in Korea unmittelbar nach Kriegsende gemeinsam, wie in Deutschland führte der Kalte Krieg zwischen UdSSR und USA dazu, dass am Ende kein wiedervereintes Korea in die Selbstverwaltung entlassen wurde, sondern zwei Staaten entstanden. Im Unterschied zu Deutschland führte der Weg dahin jedoch über einen Krieg.

Da Mao Zedong trotz des 1949 gewonnenen Bürgerkriegs den chinesischen Sitz im Sicherheitsrat dem von den USA unterstützten Tschiang Kai Schek auf Taiwan überlassen musste und Moskau seinen UN-Botschafter aus Protest dagegen aus der UNO abgezogen hatte, gab es gegen die US-geführte UN-Koalition auch kein Veto. Doch was als lokale Grenzverletzung begonnen hatte, eskalierte binnen Wochen zu einem riesigen Feldzug: Zuerst drängte die nordkoreanische Armee den Gegner tief in den Süden, wobei die zahlenmäßig ebenbürtigen südkoreanischen Truppen eine eher verhaltene Gegenwehr lieferten und sich rasch bis nach Pusan zurückzogen. Am 15. September 1950 landeten dann dort die unter Befehl des US-Generals Douglas MacArthur stehenden UN-Truppen und schlugen die Nordkoreaner zurück an den 38. Breitengrad, überschritten diesen, eroberten am 19. Oktober Pjöngjang und marschierten in der letzten Oktoberwoche auf den nordkoreanisch-chinesischen Grenzfluss Yalu zu.

Bereits hier wird klar, dass es den USA längst nicht mehr um die UN-Mission der Befreiung Südkoreas ging, sondern um eine Expansion ihrer Macht. Doch angesichts der amerikanischen Bedrohung an der chinesischen Grenze – Washington hatte im 22-jährigen Bürgerkrieg lange Mao Zedongs Gegner unterstützt – setzte nun Beijing seine Armeen in Bewegung. Der nächste Eskalationsschritt war erfolgt: Am 27. Oktober strömten rund 200.000 chinesische Soldaten nach Nordkorea, befreiten am 5. Dezember Pjöngjang und schlugen die US-geführten UN-Truppen wieder nach Süden zurück. Doch auch Mao war nun gewillt, eine gewaltsame Wiedervereinigung Koreas militärisch zu erzwingen, so dass eine weitere Eskalationsrunde einsetzte: Am ersten Weihnachtstag 1950 überschritten die von Beijing als „Freiwillige“ bezeichneten Truppen (so genannt, weil China aus diplomatischen Gründen jede Verantwortung für den Krieg in Korea ablehnte) ihrerseits den 38. Breitengrad.

Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Zehntausende Soldaten ums Leben gekommen, Hunderttausende Zivilistinnen und Zivilisten waren von massiven Bombardements vor allem durch die USA getötet worden. Doch es drohte noch eine weitere Eskalationsrunde: Angesichts der militärischen Patt-Situation suchte US-General MacArthur den Sieg über den Einsatz der Atombombe. War Mao hinsichtlich der Frage von Kriegsopfern ein Zyniker, der einer Halbierung der Bevölkerung durchaus Positives abgewinnen konnte, (4) so stand ihm MacArthur in nichts nach.

„Im Krieg gibt es keinen Ersatz für Sieg“, (5) sagte er am 19. April vor dem US-Kongress, weshalb auch der Einsatz jeder Waffe, über die man verfüge, legitim sei. MacArthur wollte den Krieg um jeden Preis gewinnen. Dazu war er bereit, mehrere Dutzend Atombomben auf chinesische Stellungen in der Mandschurei und auf sowjetische Truppenflugplätze abzuwerfen, die Landung einer halben Million Nationalchinesen (Tschiang Kai Scheks Truppen aus Taiwan) unter Führung der USA in Korea zu organisieren und einen radioaktiven Kobaltgürtel südlich des Yalu-Flusses zu errichten, der auf Jahrzehnte einen neuen Einfall der Chinesen verhindern sollte. (6)

Dies hätte auch bedeutet, dass der innerkoreanische Konflikt, dessen Ursprung in der am Ende des Zweiten Weltkriegs erfolgten Besetzung durch die UdSSR im Norden und die USA im Süden lag, zum Anlass geworden wäre, den nach 22 Jahren 1949 beendeten chinesischen Bürgerkrieg erneut zu entfachen und Maos Kommunisten mithilfe der Nationalchinesen zu vertreiben. Doch Präsident Truman wollte keinen großen Krieg gegen China, weil er um die Balance in Europa fürchtete. Es war zu befürchten, dass Moskau angesichts eines noch größeren Krieges zwischen Washington und Beijing als lachender Dritter aus dem Chaos hervorgehen würde. Da MacArthur Trumans Strategie des begrenzten Kriegs öffentlich kritisierte, entließ der Präsident den beliebten General am 11. April 1950 und ersetzte ihn durch General Matthew Bunker Ridgway.

MacArthur probte bei seiner Rückkehr in die USA den Aufstand, ließ sich wie ein Konsul feiern und veranstaltete wahrhaft römische Triumphzüge: (7) In San Franzisco jubelten ihm 500.000 Menschen zu, in Chicago mehr als drei Millionen, (8) und in New York warf ein weiteres Millionenpublikum 2.859 Tonnen Papierkonfetti für den Helden des Zweiten Weltkriegs. (9) Republikanische Medien forderten den Rücktritt Trumans, (10) der zu wenig entschieden den Kommunismus bekämpfe – ein Vorwurf, der durch keinerlei Fakten belegt ist, wenn man die US-amerikanische Kriegsführung betrachtet, die auch ohne Einsatz der Atombombe äußerst brutal war.

Rückblickend sollte darauf hingewiesen werden, dass „begrenzter Krieg“ angesichts der eingesetzten Mittel des Massenbombardements auf wirtschaftliche Einrichtungen und Städte mit der Folge von Millionen Toten weniger beschreibend denn verschleiernd wirkt. Truman war kein Friedensbringer, er war nur der etwas weniger skrupellose Befehlshaber in einem Umfeld von antikommunistischen Hardlinern. Aber natürlich war er letztlich das geringere Übel, denn ein Einsatz von Atombomben, wie es MacArthur forderte, hätte die Opferzahlen noch weiter dramatisch erhöht.

Doch es war die Zeit des McCarthyismus, eine Zeit, in der populistische Hetze gegen jedermann salonfähig wurde, dem man auch nur im Entferntesten vorwerfen konnte, kommunistenfreundlich zu sein. Dahinter stand ein manichäisches Weltbild von Gut und Böse, das auf jegliche Art von Differenzierung verzichtete und den bedingungslosen Kampf gegen „den Kommunismus“ zur notwendigen Überlebensstrategie erklärte. Dass es zwischen Moskau und Beijing mehr als nur knarzte, dass Pjöngjang in seinem Versuch der gewaltsamen Wiedervereinigung Koreas Seoul allenfalls zuvorgekommen war, all das fiel dem McCarthyismus zum Opfer. Über eine Mitverantwortung Washingtons an der Eskalation des Krieges nachzudenken, war in den USA in diesem geistigen Klima ganz und gar unvorstellbar.

Letzten Endes setzte sich aber Truman durch, MacArthur musste zähneknirschend seine Entlassung akzeptieren. Er kandidierte wie schon 1948 nochmals für die republikanische Partei für die Wahl zum Präsidenten, scheiterte aber erneut in den Vorwahlen. Präsident wurde ein anderer General, MacArthurs Parteifreund Dwight D. Eisenhower.

Der Korea-Krieg fiel in eine Zeit, in der die Militärs auf allen Seiten großen Einfluss ausübten. Während dies bei China mit Mao, in der UdSSR mit Stalin und in Nordkorea mit Kim Il-sung offensichtlich war, wird es hinsichtlich des südkoreanischen Despoten Syng-man Rhee oder in den USA mit MacArthurs Einfluss und Eisenhowers Wahl, aber auch in Europa mit Charles de Gaulle gerne übersehen.

In Korea ging indes der Krieg weiter. Es folgten noch einige Militäroffensiven und Gegenoffensiven, bis sich die Weltmächte letzten Endes dann doch diplomatisch annäherten. Die Voraussetzungen dafür waren die Rückkehr der UdSSR in den UN-Sicherheitsrat im August 1950 und die militärische Patt-Situation ab 1951. Am 10. Juli des Jahres begannen dann die Waffenstillstandsgespräche, während der Krieg unvermindert weiterging. Erst zwei Jahre später, am 27. Juli 1953, wurde ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen.

Einen Friedensvertrag zwischen Nord- und Südkorea gibt es indes bis heute nicht. Nach Schätzungen von Historikern verlor Südkorea, ähnlich wie China, eine Million Menschen, Nordkorea mehr als doppelt so viele (zweieinhalb Millionen Menschen), während die USA mit 36. 914 Gefallenen die geringsten Verluste aufwiesen. (11) Von den insgesamt rund viereinhalb Millionen Opfern waren mehr als drei Millionen Zivilistinnen und Zivilisten.

Wer trägt die Verantwortung für den Korea-Krieg?

Die Antwort darauf muss wohl lauten, dass alle Beteiligten eine Mitverantwortung tragen. Zwar wollte niemand jene Eskalation, die letzten Endes zum Tod von viereinhalb Millionen Menschen führte, doch nahmen alle Beteiligten ein Ausufern des Krieges billigend in Kauf.

Einen wichtigen Einfluss hatte die Systemfrage: Anstelle von freien Wahlen im gesamten Land hatte nur der Süden 1948 unter US-Führung Wahlen abgehalten, aus denen unter dem Boykott der linken Kräfte Syng-man Rhee als Sieger hervorging. Er orientierte sich wirtschaftlich an der Open-door-Policy der USA, herrschte aber zunehmend autoritär. Im Norden hatte Kim Il-sung mit Unterstützung der UdSSR als Reaktion auf die Wahl im Süden die Volksrepublik Korea ausgerufen. Beide Politiker hatten ihre Macht noch nicht gefestigt und versuchten dies durch eine Wiedervereinigung Koreas zu erreichen.

Während sich der immer autoritärer herrschende Syng-man Rhee im Süden nur dank US-Unterstützung an der Macht halten konnte, baute Nordkoreas Diktator Kim Il-sung auf die Hilfe Moskaus, um nicht nur dem Druck aus Seoul und Washington, sondern auch aus Beijing etwas entgegenzusetzen. Doch nachdem ihm Stalin keine Unterstützung für einen Angriff auf Südkorea zusichern wollte, um nicht mit den USA in einen großen Konflikt zu geraten, versuchte es Kim 1949 in Beijing, und es gelang ihm, die beiden kommunistischen Großmächte gegeneinander auszuspielen.

Zwar fühlte sich Mao Zedong nach dem gewonnenen chinesischen Bürgerkrieg noch nicht unmittelbar in der Lage, einen Krieg zur Wiedervereinigung Koreas zu führen, er sicherte aber Kim Il-sung für 1950 die Unterstützung chinesischer Soldaten zu, wobei er fälschlicherweise davon ausging, dass die USA den Unterschied zu den Koreanern nicht merken würden. (12) Diese Entwicklungen führten in Moskau zu einem Umdenken, und so entschloss sich Stalin, Nordkorea und China im bevorstehenden Krieg mit Waffen und Ausrüstung zu versorgen.

In der öffentlichen Debatte im Westen wurde der nordkoreanische Angriff pauschal als Versuch „des Kommunismus“ dargestellt, „unabhängige Nationen“ mit Waffengewalt zu erobern. (13) Für die kommunistischen Länder wiederum handelte es sich um einen Verteidigungskampf gegen die kapitalistischen Expansionsbestrebungen. In Washington war man sich intern durchaus im Klaren darüber, dass man es zuerst mit nordkoreanischen Truppen und später mit chinesischen Soldaten, ausgerüstet mit modernster sowjetischer Waffentechnologie, zu tun hatte.

Dass es sich beim Verbündeten Südkorea kaum um eine unabhängige Nation handelte, lag ebenfalls auf der Hand. Zudem hatte US-Außenminister Dean Acheson noch am 12. Januar 1950 in einer Rede Südkorea nicht in die für die Sicherheit der USA wichtigen Gebiete im Fernen Osten mit eingeschlossen, (14) was Pjöngjang noch ermutigt haben dürfte, seine Pläne zu verwirklichen. Seoul hingegen setzte auf die Aussage des außenpolitischen Sprechers der Republikaner und Truman-Beraters John Foster Dulles, der am 18. Juni 1950 vor dem südkoreanischen Parlament seine Unterstützung im Kampf gegen die kommunistische Bedrohung zusicherte („you are not alone“). (15)

Kurzum, sowohl die Herrschenden in Pjöngjang als auch in Seoul hätten von einem Sieg im Bürgerkrieg und von einem wiedervereinten Korea profitiert – aber eben zugleich geopolitisch auch die jeweiligen Unterstützer USA, UdSSR und China. Im Norden war Kims Macht noch nicht gefestigt, ein Sieg des Südens hätte sein politisches Ende bedeutet. Aber auch ein erstarktes demokratisches (faktisch autoritär regiertes) und wirtschaftsliberales Südkorea würde als Referenzpunkt für die nationalistische und antikommunistische Opposition weiterhin Einfluss auf den Norden nehmen – eine Befürchtung, die 2020 in der jüngsten Auseinandersetzung um Flugblätter südkoreanischer Aktivistinnen und Aktivisten, die im Norden verteilt wurden, erneut zur Realität wurde.

Doch auch Syng-man Rhee konnte von einem unter seiner Führung geeinten Korea nur profitieren. Nach nur zwei Jahren an der Macht war er bereits politisch am Ende, trotz massiver Wahlfälschungen hatte er bei den Parlamentswahlen im Mai 1950 nur 47 von 250 Sitzen errungen. (16) Ein militärischer Sieg hätte seine Position gefestigt, eine Niederlage zum Eingreifen der USA und damit wiederum innenpolitisch zu seiner Stärkung geführt. Tatsächlich war eine Einmischung der westlichen Weltmacht jene Trumpfkarte, auf die Rhee schließlich setzte. So räumte er „Stadt um Stadt aus taktischen Gründen, in der Hoffnung, amerikanische Verstärkungen würden rechtzeitig genug eintreffen, um eine Offensive zu starten.“ (17)

Für die UdSSR stand ebenso wie für die USA der Systemkampf im Mittelpunkt. Es galt aus beider Sicht, alles zu unternehmen, um den eigenen Einfluss zu vergrößern oder, sofern dies nicht gelang, zumindest dem anderen zu schaden. So wurde letzten Endes der Kampf zwischen Kommunismus und Kapitalismus auf dem Rücken Koreas ausgetragen, dessen Bevölkerung vor allem durch die massiven Luftangriffe – die USA warfen in den drei Kriegsjahren mehr Bomben ab als im Zweiten Weltkrieg auf Japan – zum Hauptleidtragenden dieses zynischen Spiels wurde.

Bis heute haben sich indes die Grundkonstanten des Konflikts nicht wesentlich verändert, sieht man von den 1990er-Jahren mit dem Zusammenbruch der UdSSR und der außenpolitischen Schwächephase ihres Nachfolgestaates Russland ab. Bis in die Gegenwart setzt Südkorea auf US-amerikanische Militärhilfe, um sich vor einem befürchteten Angriff des Nordens zu schützen. Dieser wiederum betrachtet, aus der Erfahrung des Krieges zwischen 1950 und 1953 nachvollziehbar, die in Südkorea stationierten US-Truppen als potenzielle Invasoren und rechtfertigt die eigene Aufrüstung unter Hinweis auf die angebliche oder tatsächliche Bedrohung. Wirtschaftlich ist Seoul weit überlegen, militärisch erweist sich Pjöngjang als hochgerüsteter Konfliktpartner.

Korea heute als Nebenschauplatz eines neuen Kalten Krieges

„Dass es [die US-Sanktionen] eine so mächtige chinesische Firma wie die CNNC betrifft, ist ein Hinweis darauf, dass es den USA beim Andrehen der Schrauben nicht nur um den Iran, sondern auch um China geht.“ (18)

Gegenwärtig erleben wir eine Art Kalten Krieg zwischen Washington und Bejing um Einflusssphären, Macht und Vorherrschaft. (19) Allerdings unterscheidet er sich in einigen wesentlichen Punkten vom Ost-West-Konflikt der Vergangenheit, wie Zhao Minghao, Forscher des nach eigener Darstellung 2009 als regierungsunabhängigen Think Tank gegründeten Charhar Institute in Beijing, (20) festhält:

So operierten China und die USA im Unterschied zu den Antagonisten des historischen Kalten Kriegs nicht in getrennten ökonomischen Sphären, sondern innerhalb desselben internationalen Systems mit engen Beziehungen und gegenseitiger Abhängigkeit. Zugleich stehe aktuell (noch) der geo-ökonomische Wettbewerb gegenüber der militärischen Konfrontations- und Rüstungsspirale im Vordergrund. Aber auch die Verschiebung weg vom Kampf der Ideologien zu einem Wettbewerb um unterschiedliche Entwicklungsmodelle, zum Beispiel hinsichtlich von Social Media, zeige einen wichtigen Unterschied. Und zudem hätten im Kalten Krieg klare Fronten geherrscht, während heute wirtschaftliche Verbündete zugleich Rivalen auf dem Gebiet der Sicherheit sein könnten und umgekehrt. (21)

So wird der neue Kalte Krieg zwar bisher nicht militärisch geführt, aber die Geschichte zeigt, dass eine Eskalation nie auszuschließen ist. Der Handelskrieg zwischen den beiden Weltmächten, ihre Stellvertreterkonflikte wie in Hongkong, im Iran oder in Nordkorea, aber auch die Propagandaschlachten sind ein Hinweis darauf, dass sich der Konflikt auf beiden Seiten hochschaukelt. Während Beijing zur Kontrolle über das Internet die sogenannte Great Firewall installiert hat, mit der US-Konzerne wie Facebook, Google und Amazon aus dem eigenen Markt ausgeschlossen werden, hat Twitter erst vor Kurzem auf Druck aus Washington 170.000 chinesische Accounts mit dem Hinweis darauf, dass sie Propaganda und Fake News verbreiteten, gelöscht. (22) Mit den besagten Konten – 23.750 davon sehr aktive – seien für die Kommunistische Partei Chinas günstige Sichtweisen verbreitet worden. (23)

Zwar hat der Konzern im selben Zeitraum auch erstmals gegen offensichtliche Unwahrheiten von US-Präsident Donald Trump durch Hinzufügen eines kurzen Hinweises, man solle den Inhalt überprüfen, Stellung bezogen sowie ein Wahlkampfvideo gesperrt. Die groß angelegte Aktion der Löschung von chinesischen sowie einigen russischen und türkischen Accounts sollte vermutlich aber nicht bloß der Bekämpfung von Falschnachrichten dienen, sondern zugleich auch Washington etwas beruhigen.

Propaganda und Fake News verbreiten nicht bloß chinesische Accounts, sondern Profile von Nutzern oder künstlicher Intelligenz (sogenannte Bots) auf allen Seiten. Auch das erinnert an den Kalten Krieg, wo der mitunter etwas plump anmutenden sowjetischen Propaganda teilweise subtilere US-amerikanische PR-Aktivitäten gegenüberstanden.

Aktuell torpediert Washington immer wieder Kooperationen im Digitalbereich, wie beispielsweise die Nutzung eines Seekabels, das Google, Facebook und die Dr. Peng Telecom & Media Group mit Sitz in Beijing gemeinsam betreiben wollten. (24) Aber auch der globale Konflikt um Huawei ist Teil dieser Konfrontationslogik. (25)

Dahinter steckt bei vielen Entscheidungsträgern der alte Glaube, mit dem eigenen System auf der Seite der Guten und damit im Recht zu sein. Solche Erklärungen, so Stephen M. Walt, Professor für internationale Beziehungen an der Universität Harvard, griffen jedoch zu kurz. Denn wer daran glaube, auf der richtigen Seite zu sein, nur weil sein eigenes politisches System auf Rechtsnormen und moralischen Prinzipien basiere, der tendiere dazu, die Verantwortung für internationale Konflikte automatisch dem Gegner zuzuschreiben. (26)

Die populistische Lösung dazu lautet, den „bösen Staat“ oder den schlechten Anführer der Gegenseite loszuwerden, also einen Regime-Change anzustreben. (27) Da dies aber für China nicht realisierbar ist, während auch umgekehrt Beijings Einfluss auf die innenpolitischen Verhältnisse der USA nie nennenswert war, stellen sich beide Seiten zunehmend auf eine dauerhafte Konfrontation ein.

Dabei hatten sich die Beziehungen zwischen China und den USA, die seit Maos Sieg im Bürgerkrieg 1949 auf dem Gefrierpunkt waren, ab 1971 mit der Pingpong-Diplomatie, (28) der Unterstützung von Beijings Übernahme des chinesischen Sitzes im UN-Sicherheitsrat und der geheimen China-Reise von Außenminister Henry Kissinger wesentlich verbessert. Der Besuch von US-Präsident Richard Nixon in Beijing 1972 läutete dann auch offiziell das Ende der Blockadepolitik und eine neue Ära der Zusammenarbeit ein. Hintergrund des Ganzen war allerdings, dass sich Washington im Kampf gegen die UdSSR mit deren kommunistischem Rivalen verbünden wollte.

Allerdings verpasste das Massaker auf dem Tian‘anmen-Platz 1989, bei dem das Regime einen Studentenaufstand mit Gewalt niederschlug, dem Verhältnis einen Dämpfer. Als sich 1991 Warschauer Pakt und UdSSR auflösten, änderte sich auch das US-amerikanische Verhältnis zu China, da Washington nicht länger auf Beijings Kooperation gegen Moskau angewiesen war. China wiederum zog seine eigenen Schlüsse daraus, um für die neue Rivalität besser gerüstet zu sein als die Sowjetunion. So begann es, zahlreiche Staaten durch wirtschaftliche Initiativen und Kredite an sich zu binden (wie im Projekt Neue Seidenstraße), auch wenn diese Strategie, die auch bei traditionellen US-Verbündeten wie zum Beispiel Australien oder Großbritannien angewendet wurde, gegenwärtig bereits Risse zeigt. (29)

Kampf bis aufs Blut oder kompetitive Koexistenz?

„The left says it’s U.S. arrogance. The right says it’s Chinese malevolence. Both are wrong.” – „Die Linke sagt, es sei US-amerikanische Arroganz. Die Rechte meint, es sei chinesische Böswilligkeit. Beide irren sich.“ (Stephen M. Walt) (30)

Der Politologe Stephen M. Walt erklärt die Spannungen zwischen China und den USA durch den unvermeidbaren Gegensatz zwischen den beiden Staaten, der unabhängig vom gemeinsamen kapitalistischem Wirtschaftssystem vor allem darin liegt, dass beide für den jeweils anderen die größtmögliche Gefahr darstellten. (31) Diese Sichtweise wird auch von zahlreichen chinesischen Wissenschaftlern geteilt. (32)

Man denkt unweigerlich an die Metapher des Historikers Louis J. Halle zurück, der den (ideologisch weit stärkeren) Systemgegensatz zwischen USA und UdSSR 1969 am Beispiel eines Skorpions und einer Tarantel, die unter einem Glas vereint sind, dargestellt hatte. (33) Beide Tiere seien durch ihren Selbsterhaltungstrieb gezwungen, mangels Rückzugsoptionen den anderen bis auf das Blut zu bekämpfen, und zeige einer Schwäche, werde er vom anderen getötet. Allerdings hat der weitere Verlauf des Kalten Krieges gezeigt, dass menschliche Gesellschaften anders als zwei Spinnentiere durchaus in der Lage sind, zu einer friedlichen Koexistenz zu finden.

Im neuen Kalten Krieg wetteifern USA und China als Hegemonen um Einflusszonen, Macht und Verbündete, weil beide um jeden Preis eine Situation vermeiden wollen, in welcher der andere die Sicherheit, den Wohlstand oder den Way of Life des eigenen Landes ernsthaft bedrohen kann. Es sei, so Harvard-Politologe Walt weiter, durchaus nachvollziehbar, dass China die USA als weltgrößte Militärmacht aus sicherheitspolitischen Überlegungen am liebsten aus seiner Nachbarschaft verdrängen möchte. Gleichzeitig hätten aber auch die USA gute Gründe dafür, in Südostasien zu bleiben, denn dadurch werde Beijing gezwungen, sich weiterhin mit Gebieten in seiner unmittelbaren Umgebung zu beschäftigen und könne sich so weniger in anderen Teilen der Welt engagieren. Letzten Endes bleibe es aber selbst bei einem (derzeit schwer vorstellbaren) chinesischen Systemwandel Richtung mehr Liberalismus ein Nullsummenspiel, da keine Seite kriegen könne, was sie wolle, ohne es der anderen wegzunehmen. (34)

In Korea zeigt sich die geopolitische Seite des Kampfes der beiden Hegemonialmächte, die Kompromisse als Niederlagen interpretieren und ihre Unterstützung an der Kalten-Kriegs-Logik „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ orientieren. Dadurch sind weder Pjöngjang noch Seoul in ihrer Außenpolitik frei, egal, ob es eine Friedens- oder Konfrontationspolitik ist.

Entsprechend haben sich angesichts der aktuellen Spannungen zwischen China und den USA auch die koreanischen Friedensbemühungen wieder zerschlagen. Das Abkommen vom September 2018 in Pjöngjang zwischen Südkoreas Präsident Moon Jae-in und Nordkoreas politischem Leader Kim Jong-un, das den Weg für ein Atomabkommen freigemacht hätte, (35) ist einstweilen Makulatur.

Nun dominieren wieder feindselige Töne, in der westlichen Presse in der Regel Nordkorea zugeschrieben, (36) so dass die Idee der atomwaffenfreien Halbinsel oder gar jene von zwei militärisch und politisch neutralen Staaten (an einen gemeinsamen, wiedervereinten Staat ist schlicht nicht zu denken) wieder in weite Ferne gerückt ist.

Nach wie vor geht es um geopolitische Überlegungen, um eine geografisch etwas verschobene Neuauflage dessen, was vor dem Ersten Weltkrieg „Great Game“ hieß (damals zwischen Russland und Großbritannien). Während die USA Südkorea und Taiwan als Verbündete brauchen, um ihre Stellung als Seemacht im Südchinesischen Meer aufrechtzuerhalten, die sie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs innehaben, sind die beiden kleineren Staaten auf US-Unterstützung angewiesen, um sich gegenüber Beijing zu emanzipieren. Gleichzeitig versucht China, die Amerikaner aus dem als „hauseigenes“ Meer betrachteten geographischen Raum zu verdrängen und benutzt Nordkorea, das auf den Verbündeten angewiesen ist, für seine Ziele.

In den letzten Jahren hat sich neben Korea noch ein weiterer Stellvertreterkampf zwischen den beiden Weltmächten USA und China aufgetan, nämlich jener um den Iran. Die Hartnäckigkeit, mit der Washington das Atomabkommen zwischen dem Iran, China, Russland und der EU sabotiert, erinnert an alte ideologische Grabenkämpfe. (37) Inzwischen leidet der Iran nicht nur unter US-Sanktionen und begrenzter Kooperation mit der EU, sondern wird zunehmend auch von seinen wirtschaftlichen Verbündeten China, Indien, Japan und Südkorea im Stich gelassen. (38)

Ein neuer Kalter Krieg ist, wie erwähnt, ein Nullsummenspiel, das sich auch auf andere Staaten ausweitet. Um also eine solche Lose-Lose-Lose-Situation zu vermeiden, sollten sich, so Minghao Zhao vom Charhar Institute, beide Seiten stärker um neue Wege in Richtung einer zwar konkurrierenden, aber konstruktiven Koexistenz bemühen. (39) Auch hier ist man wieder unweigerlich an den historischen Kalten Krieg erinnert, an Chruschtschows Doktrin der friedlichen Koexistenz, neu nun erweitert zur kompetitiven Koexistenz.

Xi Jingping braucht Kim Jong-un, Donald Trump braucht Moon Jae-in, und Kim Jong-un braucht Donald Trump

Die zerfahrene Situation in Korea heute hängt also einerseits mit den Wurzeln des Konflikts im Zweiten Weltkrieg und mit der schrecklichen Erfahrung des Korea-Krieges zusammen, durch den die Halbinsel auf Jahrzehnte gespalten wurde. Und während die Vergangenheit noch immer schwer lastet, wirkt sich andererseits die gegenwärtige Systemkonfrontation der beiden Weltmächte hemmend auf die Lösung des Konflikts aus. Denn weder Beijing noch Washington sind willens oder fähig, ihren Einfluss zugunsten jener Selbstbestimmung einzuschränken, welche der koreanischen Bevölkerung von den Alliierten bereits bei Kriegsende 1945 zugesichert worden war: ein freies, selbstverwaltetes und vereintes Korea zu erreichen.

So nutzt der Dauerkonflikt nicht nur der Kim-Dynastie als Herrschaftsrechtfertigung, sondern sorgt auch dafür, dass die USA ihren Einfluss aufrechterhalten können, weil Südkorea ihre Unterstützung braucht. Doch auch Chinas Macht wäre in einem vereinten und neutralen Korea geringer als angesichts der aktuellen Situation, in der Pjöngjang auf seine Hilfe angewiesen ist, auch wenn die Umarmung des chinesischen „Freundes“ Nordkorea mitunter die Luft abzudrücken droht.

Im Wesentlichen befinden sich sowohl Süd- als auch Nordkorea nach wie vor zwischen Hammer und Amboss, und verschärft wird die Situation durch inzwischen historisch gewachsene unterschiedliche politische Systeme, eine jahrzehntelange Konfrontationspolitik und nicht zuletzt durch westliche Wirtschaftssanktionen.

Zarte Fäden gegenseitiger Annäherung, wie die Errichtung eines gemeinsamen Verbindungsbüros zwischen Nord- und Südkorea (2017 in Kaesong im Norden eingeweiht), sind nach wie vor wieder schnell zerrissen, wie die jüngste Sprengung des Verbindungsbüros durch den Norden als Reaktion auf eine Herrscher-kritische Flugblattaktion aus dem Süden sowie auf die anhaltenden Sanktionen gezeigt hat. (40)

Schlussendlich – und das ist die gute Nachricht – sollte aber auch nicht vergessen werden, dass die beiden geopolitischen Rivalen USA und China auch einiges eint, wie das Interesse an funktionierenden internationalen Handelsregelungen, die Bekämpfung des Klimawandels oder die Pandemieprävention. (41) Es ist zwar davon auszugehen, dass der amerikanisch-chinesische Gegensatz dauerhafter Natur ist, aber es ist zugleich auch gut möglich, dass der Kampf innerhalb bestimmter Grenzen bleibt und mit diplomatischen und ökonomischen Mitteln geführt wird.

Dies wäre vor allem auch im Interesse der beiden Koreas, deren Sicherheit nach wie vor eng mit den Beziehungen zwischen den Weltmächten zusammenhängt. In einer kompetitiven Koexistenz anstelle eines Kalten Krieges würden Beijing zwar weiterhin auf Nordkorea und Washington auf Südkorea setzen, aber da militärische Mittel von beiden Seiten ausgeschlossen blieben, könnte die koreanische Halbinsel vielleicht endlich zu einem Friedensvertrag finden, der den Weg zu konstruktiven Nachbarschaftsbeziehungen öffnet.

Über den Autor: Dr. Kurt Gritsch, Jahrgang 1976, ist Historiker und Konfliktforscher. Seine 2010 als Buch erschienene Dissertation "Inszenierung eines gerechten Krieges? Intellektuelle, Medien und der 'Kosovo-Krieg' 1999" ist laut WDR ein "Standardwerk zum Kosovokrieg". 2016 erschien „Krieg um Kosovo. Geschichte, Hintergründe, Folgen“.

Für weitere Informationen zum Thema siehe auch dieser Artikel des Autors:

Anmerkungen

(1) Vgl. dazu Bruce Cumings, The Origins of the Korean War, Princeton 1990.

(2) SZ, Amerikas vergessener Krieg in Korea, in: Süddeutsche Zeitung, 6.11.2017, zit. nach https://www.sueddeutsche.de/politik/koreakrieg-amerikas-vergessener-krieg-in-korea-1.3732412, 2.7.2020.

(3) Hwang Sŏk-yŏng, The Guest, New York 2007, S. 142 (dt. Der Gast, München 2007), zit. nach https://www.goodreads.com/quotes/tag/korean-war, 2.7.2020.

(4) Mao Zedong, Rede auf dem Kongress der Kommunistischen Partei am 17. Mai 1958, zit. nach Jung Chang/Jon Halliday, Mao. The Unknown Story, London 2007, S. 535.

(5) General Douglas MacArthur, Farewell Address to Congress, delivered 19 April 1951, zit. nach https://www.americanrhetoric.com/speeches/douglasmacarthurfarewelladdress.htm, 2.7.2020.

(6) Die ZEIT, Die Zeitzünder des Feldherrn Mac Arthur, in: Die ZEIT 16/17.4.1964, zit. nach https://www.zeit.de/1964/16/die-zeitzuender-des-feldherrn-mac-arthur, 13.6.2020.

(7) Vgl. die Biographie des Historikers William Manchester, American Caesar: Douglas MacArthur, 1880-1964, Boston/Toronto 1978.

(8) John R. Schmidt, Chicago greets the General, in: WBEZ, 26.4.2013, zit. nach https://www.wbez.org/stories/chicago-greets-the-general/ce56fb48-eab1-4956-b101-234cb20094e3, 2.7.2020.

(9) Vgl. Rainer Blasius, Stalins unerklärter Krieg, in: FAZ, 18.7.2006, zit. nach https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/politik/stalins-unerklaerter-krieg-1359099.html, 2.7.2020.

(10) Weiterführend vgl. die 1.120 Seiten umfassende und 1993 Pulitzer-preisgekrönte Biographie des Historikers David McCullough, Truman, New York 1992.

(11) Vgl. Blasius, FAZ, 18.7.2006.

(12) Jung Chang/Jon Halliday, Mao. The Unknown Story, London 2007, S. 436.

(13) „The attack upon Korea makes it plain beyond all doubt that communism has passed beyond the use of subversion to conquer independent nations and will now use armed invasion and war.“ Harry S. Truman, Statement by the President on the Situation in Korea. Online by Gerhard Peters and John T. Woolley, The American Presidency Project, zit. nach https://www.presidency.ucsb.edu/documents/statement-the-president-the-situation-korea, 2.7.2020.

(14) Vgl. Robert L. Beisner, Dean Acheson: A Life in the Cold War, Oxford 2006, S. 327.

(15) Vgl. Priscilla Roberts, Kim Sae Sun, in: Spencer C. Tucker/Paul G. Pierpaoli Jr.et al. (Hg.), The Encyclopedia of the Korean War: A Political, Social, and Military History, Vol 1 A-L, Second Edition, Santa Barbara 2010, S. 415f, S. 416.

(16) Rolf Steininger, Entscheidung am 38. Breitengrad. Die USA und der Korea-Krieg, in: Amerikastudien 1 (1981), S. 40-76, S. 46.

(17) Ebd., S. 47.

(18) Vgl. Gudrun Harrer, USA wollen iranischen Atomdeal killen, in: Der Standard, 29.5.2020, zit. nach https://www.derstandard.at/story/2000117766398/usa-wollen-iranischen-atomdeal-killen, 2.7.2020.

(19) Vgl. Ulrich Speck, China gegen Amerika: die neue bipolare Weltordnung, in: NZZ, 22.2.2018, zit. nach https://www.nzz.ch/meinung/kolumnen/china-gegen-amerika-die-neue-bipolare-weltordnung-ld.1359297?reduced=true, 2.7.2020.

(20) Vgl. http://en.charhar.org.cn/index.php?a=lists&catid=9, 2.7.2020.

(21) Zhao Minghao, Are China and the US in a New Cold War?, in: China US Focus, 29.6.2018, zit. nach https://www.chinausfocus.com/foreign-policy/are-china-and-the-us-in-a-new-cold-war, 2.7.2020.

(22) Vgl. SZ.de/dpa/Reuters, Kurznachrichtendienst: Twitter löscht mehr als 170 000 chinesische Propaganda-Accounts, in: Süddeutsche Zeitung, 12.6.2020, zit. nach https://www.sueddeutsche.de/digital/twitter-propaganda-china-loeschaktion-1.4933976, 2.7.2020.

(23) Marc Püschel, Digitaler Feldzug, in: Junge Welt, 15.6.2020, zit. nach https://www.jungewelt.de/artikel/380210.china-usa-digitaler-feldzug.html, 2.7.2020.

(24) Achim Sawall, Google will wegen Handelskrieg Seekabel nach Singapur bauen, 24.6.2020, zit. nach https://www.golem.de/news/china-google-will-wegen-handelskrieg-seekabel-nach-singapur-bauen-2006-149278.html, 2.7.2020.

(25) Alexander Armbruster, Der Streit um Huawei zeigt den Riss in der Welt, in: FAZ, 7.3.2019, zit. nach https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitec/der-streit-um-huawei-zeigt-den-riss-in-der-welt-16076449.html, 2.7.2020.

(26) Stephen M. Walt, Everyone Misunderstands the Reason for the U.S.-China Cold War, in: Foreign Policy, 30.6.2020, zit. nach https://foreignpolicy.com/2020/06/30/china-united-states-new-cold-war-foreign-policy/, 2.7.2020.

(27) Ebd.

(28) Der Name kommt daher, dass das chinesische Pingpong-Team Mitglieder des US-Teams für den 6. April 1971 nach China eingeladen hatte. Die amerikanische Mannschaft wurde von Journalisten begleitet, die erstmals seit 1949 nach China einreisen konnten. Vgl. https://www.cfr.org/timeline/us-relations-china, 2.7.2020.

(29) Vgl. Salvatore Babones, Bullied by Beijing, America’s Closest Allies Regret Saying ‘Yes’ to China, in: Foreign Policy, 27.6.2020, zit. nach https://foreignpolicy.com/2020/06/27/china-bullying-australia-new-zealand-canada-britain-trump/, 2.7.2020.

(30) Walt, Foreign Policy, 30.6.2020.

(31) Ebd.

(32) Minghao Zhao, Is a New Cold War Inevitable? Chinese Perspectives on US-China Strategic Competition, in: The Chinese Journal of International Politics, Vol. 12, Issue 2, Autumn 2019, S. 371-394, zit. nach https://doi.org/10.1093/cjip/poz010, 2.7.2020.

(33) Louis J. Halle, Der Kalte Krieg. Ursachen, Verlauf, Abschluß, Frankfurt 1969, S. 27.

(34) Walt, Foreign Policy, 30.6.2020.

(35) jj/fw/kle (dpa, afp, rtr, sid), Nord- und Südkorea unterzeichnen Atomvereinbarung, in: Deutsche Welle, 19.9.2018, zit. nach https://www.dw.com/de/nord-und-südkorea-unterzeichnen-atomvereinbarung/a-45550338, 2.7.2020.

(36) Vgl. Matthias Müller, Nordkorea bricht den Kontakt mit Südkorea ab und bezeichnet das Bruderland als ‚Feind‘, in: NZZ, 9.6.2020, zit. nach https://www.nzz.ch/international/nordkorea-bricht-den-kontakt-mit-suedkorea-ab-ld.1560312?reduced=true, 2.7.2020.

(37) Vgl. Harrer, Der Standard, 29.5.2020.

(38) So der Direktor des Iran-Programms des Middle-East-Instituts in Washington D.C., Alex Vatanka, The East Fails Iran, in: Foreign Policy, 24.6.2020, zit. nach https://foreignpolicy.com/2020/06/24/iran-united-states-sanctions-economic-crisis-china-india-japan-south-korea/, 2.7.2020.

(39) Zhao, Is a New Cold War Inevitable?, zit. nach https://doi.org/10.1093/cjip/poz010, 2.7.2020.

(40) SZ, Südkorea meldet Sprengung von Verbindungsbüro durch Nordkorea, in: Süddeutsche Zeitung, 16.6.2020, zit. nach https://www.sueddeutsche.de/politik/nordkorea-suedkorea-korea-1.4937532, 2.7.2020; vgl. auch Andrea Spalinger, Nordkorea sprengt ein gemeinsames Verbindungsbüro und droht mit der Besetzung der demilitarisierten Zone an der Grenze zu Südkorea, in: NZZ, 17.6.2020, zit. nach https://www.nzz.ch/international/nordkoreas-militaer-prueft-wiedereintritt-in-entmilitarisierte-zonen-ld.1561464, 2.7.2020.

(41) Walt, Foreign Policy, 30.6.2020.

CARSTEN FORBERGER, 26. Juli 2020, 21:25 UHR

Der Autor schreibt: „Der Konflikt wurzelt in der japanischen Besetzung Koreas ab 1905. Während des Zweiten Weltkriegs hatten koreanische Soldaten vereinzelt unter dem Kommando der Alliierten gegen Japan gekämpft, und zwar meist entweder auf Seiten der USA oder der UdSSR, wie beispielsweise der spätere erste Herrscher der Volksrepublik Korea Kim Il-sung, Großvater des aktuellen Machthabers Kim Jong-un. Als Japan in Korea am 15. August 1945 kapitulierte, mussten sich seine Truppen wie von den Alliierten vereinbart nördlich des 38. Breitengrads der Roten Armee und südlich dieser Linie den US-Truppen ergeben.“

Hier muss ich widersprechen. Auch wenn es im Artikel nicht primär um die Vorgeschichte des Koreakrieges geht, ist es wichtig, diese in den richtigen Kontext zu setzen, um den Koreakrieg selbst zu verstehen. Bereits die Äußerung, „nordkoreanische Truppen“ hätten am 25.06.1950 fremdes Territorium betreten, lässt sich überhaupt nur dann aufstellen, wenn man sich innerhalb des herkömmlichen und auch von Kurt Gritsch als gegeben unterstellten Deutungsrahmens bewegt, wonach die Sowjetunion und die USA die koreanische Halbinsel durch gemeinsame Absprache in zwei Besatzungszonen geteilt hätten. Aus diesem Frame folgt dann die weitere Annahme, es seien zwei Staaten entstanden und der eine Staat habe den Krieg gegen den anderen Staat am 25.06.1950 begonnen. Soweit ich dies überblicken kann, entspricht diese Sichtweise eher einem westlichen Mythos als den Fakten:

Auf der Konferenz von Jalta (03.-11.02.1945) verpflichtete sich die Sowjetunion gegenüber den USA und dem Vereinigten Königreich, spätestens drei Monate nach Ende des Krieges in Europa in den Krieg gegen Japan einzutreten. Bis dahin bestand zwischen der UdSSR und Japan ein Nichtangriffsbündnis, welches im Gegensatz zu dem mit Hitlerdeutschland auch eingehalten wurde. Die Westalliierten drängten im Februar 1945 auf das sowjetische Eingreifen aus 3 Gründen:

Erstens befürchteten sie im Winter 44/45, dass Japan noch lange Widerstand leisten wird. Und wie schmerzlich und verlustreich militärischer Widerstand war, hatten sie u.a. beim zähen Inselhopping im Pazifik und bei der mühsamen Ardennenoffensive erleben müssen. Es ging also um echte militärische Hilfe zur Verkürzung und Beendigung des Pazifikkrieges.

Zweitens war bei der Konferenz von Jalta die Bombe noch nicht fertig. Die das Manhattan-Projekt mittlerweile allein betreibenden US-Amerikaner wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, ob sie die Bombe überhaupt technisch umsetzen können, so dass die atomare Bedrohung als Machtfaktor noch nicht bestand. Dass die Bombe funktionieren würde, war erst mit dem Trinity-Test klar, der lange nach der Konferenz von Jalta und auch erst nach der Befreiung Europas, nämlich während der Potsdamer Konferenz im Juli 1945, durchgeführt wurde.

Und Drittens verfolgte zumindest Churchill den durchtriebenen Plan (Stichwort: Operation Unthinkable), mit deutscher Hilfe die Sowjetunion zu erledigen, sobald deren Armee weit im Osten gebunden ist. Was auf der Konferenz von Jalta und auch bis zum Beginn der sowjetischen Offensive in der Mandschurei, die am 08.08.1945 und damit wie in Jalta vereinbart exakt 3 Monate nach Kriegsende in Europa begann, nicht abgesprochen war, war eine immer wieder kolportierte „Aufteilung Koreas in zwei Besatzungszonen“. Wenn Kurt Gritsch diesbezüglich andere Informationen vorliegen, bitte ich um Benennung der entsprechenden Quellen. Und zwar von solchen, die das nicht einfach behaupten (davon gibt es genug), sondern die die vermeintliche Abmachung über die Aufteilung Koreas vor Beginn des sowjetischen Kriegseintritts belegen. Ich habe diesbezüglich mit meinen beschränkten Mitteln recherchiert und nichts gefunden. Die Konferenz von Kairo, die in dem Zusammenhang immer wieder genannt wird, hilft jedenfalls nicht weiter. An der nahm die Sowjetunion nicht teil.

Wichtig ist nun zu erkennen, dass sich gegenüber der Situation auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 Grundlegendes verändert hatte, als die Sowjetarmee am 08.08.1945 ihr Versprechen einlöste und in der japanisch besetzten Mandschurei einmarschierte: Truman war mittlerweile Präsident der Vereinigten Staaten und im Gegensatz zum großen Roosevelt von eher schlichtem Weltbild. Und die USA hatten das mit der Bombe inzwischen tatsächlich hinbekommen. O.k., eigentlich waren es zwei verschiedene Atombomben, wobei die Uranvariante nur zwei Tage zuvor, am 06.08.1945, an lebenden Objekten, zynischerweise auch an tausenden koreanischen Gefangenen und Zwangsarbeitern, die sich in Hiroshima befanden, getestet wurde.

Die technisch kompliziertere, aber noch zerstörerische Plutoniumvariante folgte am Tag nach dem sowjetischen Einmarsch. Die Botschaft der Bomben, und dies scheint sich in der Wissenschaft durchzusetzen, galt daher nicht Japan und sie wirkten auch nicht kriegsverkürzend. Dies lässt sich schon daran festmachen, dass die konventionelle Bombardierung Tokios mehr Opfer kostete, dies aber die skrupellose japanische Führung nicht zur Kapitulation veranlasste. Adressat der beiden Atombomben waren die Sowjets. Und zwar nicht nur in dem Sinne: „Seht her, wir sind stärker als ihr“, sondern auch mit der Botschaft: „In Jalta haben wir euch noch anbetteln müssen, uns zu helfen. Jetzt brauchen und wollen wir euch hier nicht mehr. Das ist unser zukünftiges Einflussgebiet. Macht die Schlitzaugen für uns fertig und wenn ihr euch in genügend großer Zahl wechselseitig abgeschlachtet habt, verschwindet ihr wieder, sonst bekommt Moskau Besuch von little boy oder fat man.“

Die Sowjets rückten also wie in Jalta vereinbart ab 08.08.1945 ein und es passierte aus Sicht der US-Amerikaner das, was keinesfalls passieren durfte: Die sowjetische Offensive kam rasend schnell voran. Die Rote Armee war technisch überlegen und derart kampferprobt, dass die Japaner nichts entgegen zu setzen hatten. Die Rote Armee, und das ist der alles entscheidende Punkt, kam entgegen der Erwartungen (oder Hoffnungen?) der US-amerikanischen Führung viel schneller bis nach Korea vor als die eigenen Truppen, die noch im Pazifik festhingen.

Folgende Daten sind dabei essentiell für das Verständnis: Bereits am 14.08.45 erreichte die Rote Armee den Yalu, den Grenzfluss zu Korea. An diesem Tag kapitulierte Japan, was am Folgetag verkündet wurde, aber nicht alle japanischen Truppenteile mitbekamen oder akzeptierten. Die Rote Armee rückte deshalb auch nach der Kapitulation weiter vor, und zwar bis 23.08.1945, dabei aber trotz jedes fehlenden Hindernisses nicht auf die gesamte koreanische Halbinsel. Warum machten sie es nicht, obwohl sie es problemlos hätten machen können?

Gab es zwischen Beginn der Offensive am 08.08.1945 und deren Stopp am 23.08.1945 eine in der historischen Forschung bislang unbekannte, geheime Abmachung mit den USA? Oder hatte die Rote Armee entgegen der landläufigen Meinung vielleicht gar nicht vor, Korea zu besetzen, um eine „kommunistische Diktatur“ zu errichten? Wollten die Soldaten, auch unter dem Eindruck der empfangenen atomaren Botschaft, einfach nur den Krieg beenden und endlich nach Hause gehen, wo es angesichts des rassenideologischen deutschen Vernichtungskrieges mit heute fast vergessenen 27 Millionen Toten genug wieder aufzubauen und zu betrauern galt?

Am 11.08.45, also am dritten Tag nach Beginn der rasend schnell voranschreitenden sowjetischen Offensive, sahen jedenfalls die USA ihre Beute entgleiten und legten eigenmächtig, also nach der mir bekannten Quellenlage nicht in Absprache mit der Sowjetunion und erst Recht nicht in Absprache mit autorisierten Vertretern des koreanischen Volkes, fest, dass ihnen das Gebiet südlich des 38. Breitengrades gehöre. Und erst am 08.09.45, also mehr als zwei Wochen nach dem Stopp des sowjetischen Vormarschs und mehr als drei Wochen nach der japanischen Kapitulation, betraten US-amerikanische Soldaten erstmals koreanischen Boden.

Diese zeitliche Lücke zwischen japanischer Kapitulation (14. bzw. 15.08.45) und Eintreffen der US-Truppen in Korea (08.09.45) ist so offensichtlich, dass es verwundert, warum in der Forschung nicht danach gefragt wird, was die Amis in Korea eigentlich noch zu suchen hatten und warum kontrafaktisch behauptet wird, auch die USA hätten Korea befreit. Man darf in dem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass es zwischen dem besetzten Deutschland und Korea einen ganz entscheidenden Unterschied gab und sich deshalb die gern bemühte Analogie von den im kalten Krieg geteilten Völkern verbietet: Korea war Opfer und nicht Täter. Wieso gestanden die USA dem geschundenen und bereits befreiten koreanischen Volk nicht zu, sein Schicksal selbst zu bestimmen?

Es hatten sich nach der japanischen Kapitulation, wie im November 1918 in Deutschland, spontan Rätestrukturen gebildet, in denen Kims Kommunisten noch nicht dominant waren und die begannen, das Land neu zu gestalten. Die USA traten also schlicht als Besatzer und als kolonial handelnder Vormund des koreanischen Volkes auf. Hierzu setzten sie der (süd-)koreanischen Bevölkerung ihren Proxy, Syngman Rhee, vor die Nase. Der hatte mit Demokratie so viel am Hut wie der Papst mit der Ehe. Zudem bauten sie, auch personell, auf die Verwaltungsstrukturen aus der japanischen Besatzungszeit. Hiergegen gab es massiven Widerstand der Bevölkerung, der brutal niedergeschlagen wurde.

Es entstanden zwei gegenläufige Fluchtbewegungen, wobei im Westen meist nur die zweite gesehen wird: Die Armen und Mittellosen aus dem Süden zog es in den Norden, wo u.a. die eingeleitete Bodenreform ein besseres und freieres Leben versprach. Dass aus der wundervollen Idee von Selbstbestimmung und Räten auch im Norden nicht viel wurde und letztlich die autoritären Kommunisten mit Hilfe Moskaus die Führung übernahmen, ist auch aus der äußeren Bedrohung heraus zu erklären.

Eine historisch parallele Entwicklung war 1936 in Spanien festzustellen, als unter der äußeren Bedrohung durch Francos Faschisten der wahrhaft anarchistische Traum mit der Übernahme der Republik durch Moskau-treue Kommunisten zerplatzte (Literaturtipp hierzu: Enzensberger, Der kurze Sommer der Anarchie und Orwell, Mein Katalonien) Doch zurück zur zweiten, gegenläufigen Fluchtbewegung: Diejenigen, die im Norden enteignet wurden oder mit den japanischen Besatzern kollaboriert hatten, zog es in der Folge in den Süden. Aus Sicht der großen Mehrheit der koreanischen Bevölkerung war der 38. Breitengrad also keine Staatsgrenze, sondern eine Trennlinie, hinter welcher der immer noch widerrechtlich besetzte Teil des unteilbaren Koreas begann. Die USA hatten dem im Süden lebenden Teil des koreanischen Volkes nicht Demokratie, Menschenrechte und die Idee der freien Welt gebracht, sondern nach einer kurzen Phase tatsächlicher Freiheit (15.08.45 bis 08.09.45) schlicht und einfach die japanische Fremdherrschaft durch ihre eigene abgelöst.

Dem Frame vom Überfall des kommunistischen Nordens auf den von den USA besetzten Süden kann man also mit mindestens ebenso guten Gründen folgenden Frame gegenüberstellen: Das koreanische Volk wollte die Souveränität über sein teilbesetztes und vom US-Vasallen Syngman Rhee brutal unterdrücktes Land herstellen und verstand die Auseinandersetzungen an der von einer fremden Macht willkürlich gezogenen „Demarkationslinie“ als einen rein innerkoreanischen Konflikt.

In diesen innerkoreanischen und damit den Regeln des Völkerrechtes entzogenen Konflikt mischten sich sodann, und ab diesem Punkt kann ich Kurt Gritsch wieder voll und ganz folgen, die Volksrepublik China und die Sowjetunion zur Durchsetzung eigener imperialer Interessen ein. Am Anfang steht aber nicht die gemeinsame Aufteilung Koreas durch die Sowjetunion und die USA, nachdem diese gemeinsam Korea vom japanischen Joch befreit hätten. Am Anfang steht vielmehr die grundlose und damit verbrecherische Besetzung eines bereits befreiten Landesteiles durch die USA.

Dies lässt die weitere Entwicklung in einem gänzlich anderen Licht erscheinen und erinnert stark an das, was gegenwärtig auch in Syrien passiert: Idlib und die Gebiete nördlich des Euphrat werden, wie einst Südkorea, de facto als staatliche Einheiten etabliert. In dieser Logik ist das Bemühen von Assad, die Souveränität über ganz Syrien wieder herzustellen, ein Angriff auf fremdes Gebiet, wobei den Angegriffenen im Kampf gegen den Aggressor „Hilfe“ des Westens zur Seite gestellt wird. Schaffe ein Problem und biete die Lösung an. So funktioniert imperiale Machtpolitik.

PAUL SCHREYER, 26. Juli 2020, 21:35 UHR

Siehe dazu auch die 8-teilige Artikelreihe zum Korea-Krieg von Peter Frey:

https://peds-ansichten.de/2018/03/koreakrieg-ursachen-vorgeschichte-propaganda-uno/

Danke für den Hinweis darauf an Carsten Forberger!

KURT GRITSCH, 27. Juli 2020, 18:35 UHR

Sehr geehrter Herr Forberger,

vielen Dank für Ihre Erweiterung meines Artikels. Ich hatte mit der Redaktion vereinbart, weniger auf die Vorgeschichte des Krieges denn auf seine Folgen und auf die gegenwärtigen Spannungen zwischen China und den USA einzugehen. Ich gehe aber mit Ihnen d'accord, dass eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Geschichte Koreas wichtig ist, um den Konflikt zu verstehen. Dass es hierzu verschiedene Narrative gibt, habe ich in einem anderen Artikel auf Telepolis dargelegt, nämlich in Teil 3 einer Kurzserie über die Geschichte des Konflikts:

https://www.heise.de/tp/features/Was-bleibt-vom-Korea-Krieg-4837646.html

Ich nehme Ihre Anregungen dankend auf und werde sie für künftige Texte berücksichtigen. In einem Punkt möchte ich allerdings noch etwas ergänzen: Es gibt kein wie von Ihnen suggeriertes "westliches Narrativ". Innerhalb der englischsprachigen und deutschsprachigen Korea-Forschung gibt es mindestens drei unterschiedliche Sichtweisen, die Historikerinnen und Historiker über die Jahrzehnte weiterentwickelt haben. Darüber schreibe ich im obgenannten Telepolis-Artikel. Wer heute eine Darstellung des Korea-Kriegs (oder irgendeines Konflikts) erwartet, die in allen Punkten seinen Erwartungen gerecht wird, der kann von der modernen Geschichtswissenschaft nur enttäuscht werden: Unter Historikerinnen und Historikern gilt seit längerem der Konsens, dass die wissenschaftliche Geschichtsschreibung weniger Vergangenheit konstruieren denn herrschende Geschichtsbilder dekonstruieren soll. Die Zeiten einer Meistererzählung, darin herrscht Einigkeit, sind vorbei. Dass gleichwohl nach wie vor der Wunsch danach besteht, ist eine andere Geschichte.

Mit freundlichen Grüßen
Kurt Gritsch

CARSTEN FORBERGER, 29. Juli 2020, 16:20 UHR

Vielen Dank für Ihre Antwort. Dass seriöse Geschichtsforschung keine Erwartungen zu bedienen, sondern nach dem wirklich Geschehenen – auf das es je nach Position des Betrachters immer unterschiedliche Blickwinkel geben wird – zu fragen hat, dürfte selbstverständlich sein. Mir ging es vorrangig um die am Anfang aller Erzählungen stehende Behauptung, die USA und die Sowjetunion hätten gemeinsam eine Aufteilung Koreas vereinbart. Und weil diese Behauptung immer und immer wieder und ohne jeden mir bekannten Beleg wiederholt wird, bezeichnete ich sie als „Mythos“.

Von daher nochmals meine Frage an Sie als Historiker: Wann wurde von welchen Vertretern der USA und der Sowjetunion eine Aufteilung Koreas vereinbart? Welche konkreten Pläne hatte die Sowjetunion in Bezug auf Korea, nachdem sie auf Jalta zusagte, in den Krieg gegen Japan einzutreten? Gibt es Quellen, aus denen sich ergibt, dass die Rote Armee bereits vorhatte, (Nord-)Korea dauerhaft zu besetzen, als sie am 14.08.1945 den Yalu überquerte? Oder taumelte die Sowjetunion eher unbeabsichtigt in die koreanische Tragödie, indem die Rote Armee aus rein militärtaktischen Gründen ihre „Operation Auguststurm“ gegen die japanische Kwantung-Armee auch auf koreanischen Boden ausdehnte? Erteilte die Sowjetunion in diesem Zusammenhang ihre Zustimmung zu einer „treuhänderischen Verwaltung“ Nordkoreas im Dezember 1945 nur unter dem Eindruck der Fakten, welche die USA mit der am 08.09.1945 begonnenen Besatzung des Südens bereits geschaffen hatten? Oder wurden zwischen dem Eintreffen auf koreanischem Boden am 14.08.1945 und der Zustimmung zur „Treuhandverwaltung“ im Dezember 1945 sowjetische Besatzungspläne erstellt und/oder entsprechende Vereinbarungen mit den US-Amerikanern getroffen?

Ich denke, dass es wichtig ist, die genaue zeitliche Reihenfolge und damit die korrekte Abfolge von Ursache und Wirkung zu untersuchen. Denn wenn bereits der Beginn der Geschichte nicht stimmt, führt dies zu einer verzerrten Wahrnehmung der nachfolgenden Ereignisse, selbst wenn diese, für sich betrachtet, zutreffend wiedergegeben werden. In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich und in gespannter Erwartung Ihrer geschätzten Antwort.

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