Bundesregierung wusste offenbar schon im März, dass Gefahr übertrieben dargestellt wurde
DIRK GINTZEL, 5. Mai 2020, 9 Kommentare, PDFHinweis: Dieser Beitrag ist auch als Podcast verfügbar.
Datenupdate 18.5.: Seit dem 9. Mai stellt das RKI nun auch die mit COVID-19 Gestorbenen nach Sterbedatum geordnet zur Verfügung. Dies bestätigt im Wesentlichen den ersten Teil der Arbeit, wo diese Daten noch rekonstruiert werden mussten. Offensichtlich beträgt aber der zugunsten des RKI und der Bundesregierung geschätzte durchschnittliche Meldeverzug nicht 3 sondern 6 Tage. Dies legt sowohl die RKI-Grafik im Lagebericht, wie auch dieser Artikel nahe. Daraus folgt, dass die Neuinfektionen noch 3 Tage weiter in der Vergangenheit liegen und ihr Maximum tatsächlich schon am 18. März hatten. Entsprechend verschieben sich die Werte für R. Dies alles führt zu einer Verschärfung der gemachten Schlussfolgerungen, denn der Beginn des Lockdowns liegt nun noch deutlicher hinter dem Maximum. Die Behauptung, man müsse exponentielles Wachstum stoppen, wird damit vollends absurd. An dieser Stelle soll noch kurz die am häufigsten gestellte Frage beantwortet werden, wie das RKI das denn hätte wissen können. Die Antwort ist, dass nur noch durch Ausweitung der Tests ein Zuwachs an positiv Getesteten möglich war und genau dies wurde konsequent gemacht (siehe Artikel).
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Aus den Tagesberichten des Robert Koch-Instituts (RKI) lassen sich wichtige Schlüsse ziehen. In der vorliegenden Arbeit soll dies unter anderem anhand von Grafiken nachvollziehbar gemacht werden. Einleitend ein paar Worte zur Methodik: Die grundlegende Idee dieser Analyse beruht darauf, dass das Verhältnis von Infizierten zu Toten nach der Zählung des RKI konstant sein sollte und man ausgehend von der Zahl der täglichen Todesfälle den Verlauf der Epidemie verlässlicher darstellen kann, als anhand der Zahl der positiv Getesteten.
Prof. Streeck hat in seiner Heinsberg-Studie angegeben, dass 0,37% der Infizierten gemäß RKI-Zählung mit Covid-19 gestorben sind. Diese Prozentrate wird auch als "infection fatality rate" (IFR) bezeichnet. Wie groß die IFR tatsächlich ist, spielt bei dieser Betrachtung keine Rolle, weil hier mit den RKI-Zahlen der Covid-19-Todesfälle gearbeitet wird.
Die durchschnittliche Zeit von der Infektion bis zum Tod eines Covid-19-Patienten beträgt 23 Tage. Multipliziert man die Zahl der Toten an einem Tag mit 270 (=1/0,0037) ergibt das ungefähr die Anzahl der Menschen, die sich 23 Tage zuvor infiziert haben. Zu den 23 Tagen kommt ein durchschnittlicher Meldeverzug von mind. 3 Tagen, auf den weiter unten eingegangen wird.
Auf diese Weise kann die Covid-19-Welle wesentlich genauer geschätzt werden, als dies mit der Zahl der positiv Getesteten möglich wäre. Dies wird im Folgenden gezeigt. Erstmals erhält man dadurch auch eine gute Schätzung der tatsächlich Infizierten. Dies erlaubt auch einen Blick (ab 9. Februar) auf den Beginn der Welle, bevor in größerem Maße getestet wurde. Es lassen sich außerdem eine Reihe weiterer Schlüsse ziehen.
Die blaue Kurve ist, wie oben beschrieben, die Zahl der Toten (laut den RKI-Lageberichten), multipliziert mit 270 und zeitverschoben um 26 Tage. Sie enthält eine Störung im 7-Tage-Rhythmus, da offensichtlich Meldungen vom Wochenende später nachgeholt werden. Weiterhin ist anzunehmen, dass der Mittelwert der Krankheitsdauer bis zum Tod eine Standardabweichung von einigen Tagen hat. Die rote Kurve ist das 7-Tage-Mittel der blauen Kurve (270 * Summe der 23-29 Tage später laut RKI-Bericht Gestorbenen/7), wodurch die Störung durch das Wochenende numerisch beseitigt wird.
Derzeit (4. Mai) kann so der Mittelwert bis zum 5. April berechnet werden. Dieser Wert liegt offensichtlich bereits deutlich hinter dem Maximum der täglichen Neuinfektionen.
Dieses Maximum liegt am 21. März bei ca. 61.000 Neuinfektionen pro Tag. Dies passt gut zur RKI-Schätzung, wonach seit dem 21. März die Reproduktionszahl bei 1 bzw. darunter liegt. Seit dem Erreichen des Maximums am 21. März liegt R bei 1 oder darunter. Dies stimmt mit den RKI-Angaben überein.
Das RKI selbst gibt an, dass es Meldeverzögerungen von einigen Tagen gibt, was an den Wochenenden auch offensichtlich ist. Ein Tag ergibt sich allein dadurch, dass die Zahlen aus den Berichten bereits den ganzen Tag schon im RKI-Dashboard dargestellt werden. Die aufgezählten Todesfälle können sich also nicht am Berichtstag ereignet haben. Zudem gibt es eine Meldekette über die Gesundheitsämter. Vor der Meldung muss zum Teil auf Tests gewartet werden, außerdem werden am Wochenende ohnehin deutlich weniger Fälle gemeldet. Der durchschnittliche Meldeverzug ist mit 3 Tage vorsichtig geschätzt.
Schweden hingegen führt die Toten, anders als Deutschland, in seiner Statistik geordnet nach dem Sterbedatum, weshalb die schwedische Statistik zum Beispiel auch von den Daten der Johns Hopkins University abweicht. Der Vorteil für Johns-Hopkins und das RKI ist, dass die Tagesberichte nicht mehr geändert werden müssen. Dies geht allerdings auf Kosten der Transparenz. Wie sich weiter unten zeigen wird, ist dies gerade bei Covid-19 ein wichtiges Thema.
Überprüfung der Methode und Vergleich mit Schweden
Die staatlichen Daten der Covid-19-Toten in Schweden stehen zum Download zur Verfügung. Auf diese Daten wurde zum Vergleich der selbe Algorithmus angewandt. Allerdings beziehen sich die Daten, wie bereits erwähnt, auf den Todestag (Verschiebung = 23 Tage). Abbildung 2 zeigt, die Anzahl der Neuinfizierten pro Tag in Schweden und Deutschland. Zum besseren Vergleich wurden beide Kurven so normiert, dass ihr Maximum den Wert 100% hat.
Der Vergleich ist erstaunlich. Es gibt praktisch keine Zeitverschiebung in der Welle, die Kurven sind fast deckungsgleich. In Schweden und in Deutschland beginnt die Covid-19- Welle zeitgleich und mit identischen Steigungen. In beiden Ländern liegt das Maximum auf dem 21. März. Der etwas stärkere Abfall der Kurve zum Schluss in Schweden hängt auch damit zusammen, dass für diese Tage noch Nachmeldungen zu erwarten sind, wie
weiter unter erläutert wird. Die deutsche Kurve hat eine auffällige Delle einige Tage vor dem Maximum. Die Untersuchung der Rohdaten (siehe Abbildung 1 und 3) zeigt, dass diese Delle durch das Osterwochenende verursacht wurde.
Über mehrere Tage wurden insgesamt ca. 120 Todesfälle mehr verspätet gemeldet, als sonst an Wochenenden. Der 7-Tage-Mittelwert funktioniert nur, wenn die Wochenenden vergleichbare Meldeausfälle haben. Die Ursache ist eindeutig und der Datenfehler leicht zu korrigieren, indem von 15. bis 17. April jeweils 40 verspätet gemeldete Todesfälle um drei Tage auf das Osterwochenende zurückverlegt werden. Die Daten werden entsprechend korrigiert, damit für die Analyse die bestmögliche Schätzung zur Verfügung steht. Die Korrektur ist allerdings so minimal, dass sich auch so dieselben Schlüsse ergeben würden. Die schwedischen Daten werden ebenfalls korrigiert. Obwohl die Daten auf den Todestag genau in die Statistik eingehen, gibt es einige Wochen lang Nachmeldungen.
So sind zum Beispiel 3 Tage nach dem Todestag im Schnitt erst 60 % der Meldungen eingegangen (siehe Tabelle). Die noch zu erwartenden Meldungen, dies betrifft nur die letzten Werte, wurden gemäß Tabelle ergänzt. Mit diesen Korrekturen ändert sich Abbildung 2 wie folgt:
Ein hilfreicher Einfluss des Lockdowns sowie der Schul- und Kitaschließungen – dies gab es in der Form in Schweden nicht – ist beim besten Willen nicht zu erkennen. Die in der Presse immer wieder zu findende „Explosion“ der schwedischen Sterbezahlen ist ebenfalls nicht zu erkennen. Es ergeben sich deckungsgleiche symmetrische Kurven, die am 6. April beide auf 50 % des Maximums abgesunken sind. R beträgt zu diesem Zeitpunkt ca. 0,78.
Zu ähnlichen Erkenntnissen gelangte auch der israelische Mathematiker und Ex-General Isaac Ben-Israel:
"Ein ähnliches Muster – mit raschem Anstieg der Infektionen bis zu einem Höchststand in der sechsten Woche und Rückgang ab der achten Woche – ist überall zu beobachten, unabhängig von den politischen Maßnahmen."
Folgende Fehler wären denkbar:
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Einige Veröffentlichungen legen nahe, dass es RKI-Meldungen gibt, die viele Wochen verspätet eintreffen. Dies würde dazu führen, dass die Form der Welle deformiert wird. Sie würde insbesondere gegen Ende in die Länge gezogen. Beispiel: Wenn aus der Woche des Maximums 1 % der Meldungen verschoben würde auf einen Zeitraum, in dem die Aktivität bis auf 1 % des Maximums abgefallen ist, so würde dieser Wert scheinbar verdoppelt. Solange die Werte groß sind (>30 % des Maximums) fallen diese Effekte allerdings kaum ins Gewicht. Wie groß dieser Effekt ist, wird sich in den letzten Tagen der Welle, die Ende Mai errechnet werden kann, durch den Vergleich mit Schweden zeigen.
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Die Schätzung eines IFR von 0,37 % bezogen auf die wohl zu große RKI-Zahl der Covid-19-Toten erscheint realistisch. Sollte sie zwischen 0,1 % und 1 % liegen, würde sich die Zahl der Infizierten maximal um den Faktor 3 vergrößern oder verkleinern, wodurch sich die Aussagen der Analyse nicht ändern. Es wird von einem konstanten Faktor ausgegangen, wobei nicht so entscheidend ist, welchen Wert er hat.
Keine der im folgenden gemachten Aussagen werden durch diese denkbaren Fehler in Frage gestellt. (Stand der Daten: 4. Mai, 14 Uhr)
Die schwarze Kurve in Abbildung 5 zeigt die Anzahl der infektiösen Menschen. Dem RKI zufolge sind dies insbesondere Patienten zwischen Tag 3 und 7 (jeweils einschließlich) nach der Infektion. Sicherlich gibt es auch viele zusätzliche Fälle, die Zahl soll hier aber nach unten abgeschätzt werden. Die grüne Kurve zeigt die sicher Genesenen, bei denen die Infektion länger als 14 Tage zurückliegt. Die Zahl der schweren Komplikationen und der Toten wird nicht dargestellt, weil sie unterhalb der Strichdicke liegt. Die rote Kurve ist die Anzahl der Neuinfizierten pro Tag aus Abbildung 4.
Die Entwicklung der Covid-19-Welle zeigt, dass spätestens nach der ersten März-Woche ein Wendepunkt liegt und die Kurven wieder abflachen. Von exponentiellem Wachstum kann nach Anfang März keine Rede mehr sein. Wäre dies doch der Fall gewesen, müsste es sich in der Zahl der Toten spiegeln. Dies ist nicht zu sehen.
Es wäre mit repräsentativen Tests, die RKI-Chef Lothar Wieler noch am 3. April als „nicht zielführend“ bezeichnet hat, von Anfang März bis zum Lockdown erkennbar gewesen, dass die Covid-19-Welle bereits ohne jede Einschränkungen für die Bevölkerung deutlich abflacht und vor dem Höhepunkt steht.
Zu dieser Zeit waren zwischen 100.000 und 800.000 Menschen in Deutschland aktuell infiziert. Dieses Geschehen haben die veröffentlichten RKI-Zahlen in keiner Weise abgebildet. Ebenfalls hätte so schon vor dem Lockdown geklärt werden können, dass das Gesundheitssystem keinesfalls gefährdet war. Schweden und Weißrussland haben anschließend dafür den Beweis angetreten.
Auswirkung der Testaktivität
Die Tests konnten, wie Abbildung 6 zeigt, aus dem um 2 Größenordnungen größeren Pool der infektiösen Menschen schöpfen. Eine Vervielfachung der Tests hat entsprechend auch zu einer Vervielfachung der positiv Getesteten geführt. Dies ist ein wesentlicher Kritikpunkt und er ist, wie sich hier zeigt, völlig berechtigt.
Die rote und die blaue Kurve sind nur schwach korreliert und unterscheiden sich um mindestens eine Größenordnung. Die blaue Kurve hängt vor allen von der Testaktivität und damit der Zahl der wöchentlichen Tests und dem Wochentag ab. Ihr ist weiterhin zu entnehmen, dass es seit Ende März ständig weniger positive Covid-19-Tests gibt, denn trotz Steigerung der Testaktivität, nimmt ab diesen Zeitpunkt die Zahl der infektiösen Menschen stark ab. Unklar ist allerdings die Auswahl der Getesteten, die sicherlich einen großen Einfluss hat. Aus der blauen Kurve weitere Aussagen über die Steigung der roten Kurve zu machen ist nicht möglich. Die blaue Kurve hängt eher von der schwarzen Kurve ab (der Zahl der Infektiösen), wenn auch nur sehr schwach.
Abbildung 7 zeigt die Wahrscheinlichkeit für einen infektiösen Menschen, durch einen Test gefunden zu werden. Hier wurde für jeden Tag die Anzahl der positiv getesteten durch die Anzahl der infektiösen Menschen geteilt. Die Wahrscheinlichkeit steigt von 0 am 1. März bis ca. 2,6 % Anfang April.
Dies zeigt, dass die Testaktivität wesentlich stärker zunahm als Covid-19.
Die Ausweitung der Tests ist vernünftig, allerdings darf dann nicht mit der Zahl der positiv Getesteten und deren Zunahme als wesentlichem Argument gearbeitet werden ohne genau dies zu betonen. Das so entstehende Bild ist offensichtlich verfälschend.
Auf diese Weise wird die Grafik in Abbildung 8 deutlich deformiert. Die Kurve steigt viel schneller an und fällt flacher ab, als dies tatsächlich der Fall ist. Wie Abbildung 4 zeigt, ist das Maximum deutlich klarer gekennzeichnet und die Kurve insgesamt wesentlich symmetrischer zum Maximum, als dies das Diagramm aus dem RKI-Dashboard (Abbildung 8) nahelegt. Man könnte auch sagen, dass das Ende der auslaufenden Welle wie mit einer Lupe vergrößert wird. Trotz enorm ausgeweiteter Testaktivität finden sich Anfang Mai allerdings kaum mehr Neufälle. Die Welle ist vorbei.
Das steile Ansteigen und das langsame Abflachen, beides offensichtlich Test-Artefakte, wurden jeweils vom RKI und der Politik als Problem identifiziert und führten zu folgenschweren Maßnahmen.
Prinzipiell hätte hier durch Steuerung der Testaktivität jeder beliebige Verlauf modelliert werden können, da zu jedem Zeitpunkt eine sehr große Reserve (siehe Abbildung 6) an infektiösen Menschen zur Verfügung stand. Ende April gehen allerdings scheinbar die verfügbaren Virusträger aus.
Ergänzende Anmerkung zur Grafik: Wie in dieser RKI-Tabelle zu sehen, entnommen aus dem Lagebericht der Behörde vom 29. April, hat sich das RKI bei der Testanzahl zudem um einen Wert von 120.000 "verrechnet", wie man fünf Tage später einräumte.
Dass eine Analyse der Reproduktionszahl R, abgeleitet aus der Veränderung der positiven Tests, zu keinem sinnvollen Ergebnis führen kann, dürfte jetzt einleuchten. Da dies aber von der Politik als entscheidendes Instrument verwendet wird, wird darauf im Folgenden ausführlich eingegangen.
R ist beliebig über die Testaktivität steuerbar. Wird mehr getestet, steigt R und umgekehrt.
Die Reproduktionszahl R
Wie bereits festgestellt, lag R um den 21. März bei 1. Dies ist am Maximum der Neuinfektionen pro Tag auch zu erwarten. Vergleicht man die täglichen Neuinfektionen mit der Zahl der täglich neu positiv Getesteten, so muss man feststellen, dass diese Werte nur sehr schwach korreliert sind. Aus der Zahl der positiven Tests gar den R-Wert tagesaktuell noch dazu mit einem so engen Vertrauensintervall zu bestimmen, wie unten angegeben, ist völlig ausgeschlossen, wie zuvor gezeigt wurde. Selbst aus der wesentlich aussagekräftigeren Kurve der Neuinfizierten (Abbildung 4) ergeben sich nur die folgenden Informationen:
- Der R-Wert verändert sich nur langsam.
- Um den 21. März liegt R bei 1.
- Vom 6. März bis 6. April fällt R gleichmäßig von ca. 1,5 auf etwa 0,78.
Dies wurde als Korrekturvorschlag in das folgende RKI-Diagramm eingetragen.
Die vom RKI angegebene enorme Dynamik ist erstaunlich, da sich innerhalb weniger Tage das Verhalten der Covid-19-Welle stark geändert haben müsste. Das ist an Hand der Zahlen der Gestorbenen in keiner Weise nachvollziehbar, denn im gesamten Zeitraum verkleinert sich die Steigung monoton. Die Nowcast-Schätzung des RKI kann nicht stimmen und beruht auf der Zahl der positiv Getesteten, die wenig Information über den Infektionsverlauf enthält, wie oben gezeigt wurde. Man kann auch mit den besten statistischen Methoden keine Aussagen machen, wenn die gesuchte Information in den Rohdaten überhaupt nicht enthalten ist.
Das Testverhalten des RKI (erst wenig, dann permanent eskalierend) bringt eine scheinbare Dynamik in die Zahlen, wenn nur die Zahl der positiv Getesteten betrachtet wird. Dies wurde nach Aussage des RKI selbst nicht korrigiert. Solange sich das alles aber in der Zahl der Toten nicht widerspiegelt, handelt es sich offensichtlich um Testeffekte und nicht um eine Eigenschaft der Covid-19-Welle. Die Zahl der Neuinfizierten hat einen Wendepunkt am 4. März. Es gab zu dieser Zeit und auch danach kein exponentielles Wachstum mehr.
Zitat aus dem Epidemiologischen Bulletin des RKI 17/2020 S. 15:
„Die R-Schätzung ergibt für Anfang März Werte im Bereich von R = 3, die danach absinken, und sich etwa seit dem 22. März um R = 1 stabilisieren (s. Abb. 4). Am 9. April lag der Wert von R bei 0,9 (95 %-PI: 0,8 – 1,1). Unter Anderem die Einführung des bundesweit umfangreichen Kontaktverbots führte dazu, dass die Reproduktionszahl auf einem Niveau unter 1/nahe 1 gehalten werden konnte. Gelingt das dauerhafte Niedrighalten der Reproduktionszahl unter 1 nicht, so setzt sich der anfängliche exponentielle Anstieg wieder fort.“
Der Vergleich mit der Schweiz (siehe Abbildung 9) zeigt, dass sich dort aus völlig anderen Daten „rein zufällig“ der fast identische Verlauf des R-Wertes ergibt, der nahezu wortgleich interpretiert wird, jeweils nach dem Motto: „Unsere Maßnahmen haben den exponentiellen Verlauf gestoppt, aber es bleibt gefährlich.“ Das vermittelt den Eindruck, das Diagramm sei auf Absprache konzipiert und politisch motiviert. Eine Korrelation mit dem Verlauf der Covid-19-Welle ist nicht zu erkennen und kann auf Basis der Tests auch nicht seriös konstruiert werden.
Die Überschreitung des Maximums der Neuinfektionen um den 21. März ist die einzige sichere Information, die dem R-Wert-Diagramm des RKI zu entnehmen ist. Weiterhin muss dem RKI klar gewesen sein, dass die scheinbare Dynamik in den Tagen zuvor durch die Ausweitung der Tests induziert wurde, ohne die es keinen weiteren Anstieg mehr gab.
Das heißt: RKI und Bundesregierung haben zum Zeitpunkt des Lockdowns wissen müssen, dass keine gravierende Gefahr bestand, weil die Zahl der Neuinfektionen bereits rückläufig war und keinesfalls „exponentiell wuchs“.
Eine zweite Welle?
Zunächst muss festgestellt werden, dass die prognostizierte erste Welle mit vielen Millionen Toten nicht stattgefunden hat, völlig unabhängig davon, ob überhaupt Gegenmaßnahmen getroffen wurden. Diese haben sich als ineffektiv und unnötig erwiesen. Weiterhin muss gefragt werden, warum sich die erste Welle seit März europaweit von allein abgeschwächt hat und innerhalb eines Monats vollständig verschwunden ist.
Dafür sind zwei Gründe denkbar:
- das jahreszeitlich normale Verschwinden von Corona-Viren, die grundsätzlich von
Mai bis einschließlich November keine Rolle spielen - eine inzwischen ausreichende Immunität in der Bevölkerung
(Es darf in diesem Zusammenhang gefragt werden, warum Apotheken mit 30.000 € Strafe bedroht sind, falls sie es wagen, Antikörpertests zu verkaufen.)
Egal welcher Grund zum Verschwinden der erste Welle führte, kann in beiden Fällen eine zweite Welle vor Dezember ausgeschlossen werden. Sollte sie dann tatsächlich auftreten, kann sie wegen der nun gestiegenen Immunität nur schwächer ausfallen. In keinem Fall werden irgendwelche Gegenmaßnahmen notwendig, die bereits bei der ersten Welle schon unsinnig waren. Am Ende werden nach RKI-Zählweise etwa 7.500 Tote in Deutschland zu beklagen sein. Die Obduktionen aus Hamburg sowie Auswertungen aus Italien legen allerdings nahe, dass diese Zahlen überhöht sind.
Sollte eine zweite Welle tatsächlich kommen, stellt sie keine gravierende Gefahr dar, da sie schwächer sein muss.
Zusammenfassung
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Die Covid-19-Welle ist in Deutschland und in Schweden beendet. Eine Infektion ist derzeit fast unmöglich.
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In Deutschland wurden etwa 2 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert.
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Die Infektionswelle flaute bereits ab dem 4. März (Wendepunkt) vor Einführung
irgendwelcher Maßnahmen ab, als weniger als 400.000 Menschen, also etwa
0,5 % der Bevölkerung, infiziert waren. -
Durch die Art zu testen (erst sehr wenig, dann ständig zunehmend) entstand der
Eindruck einer enormen Dynamik, die mit den Zahlen nicht bestätigt werden kann. Die Anzahl der Infektionen stieg scheinbar schneller an und fiel scheinbar flacher ab, als dies in Wirklichkeit der Fall war. -
Alle Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Welle waren offensichtlich unsinnig. Sie kamen erst, als die Welle von selbst zurückging. Schweden zeigt deutlich, dass ein Lockdown unnötig war. In Weißrussland wurde Covid-19 sogar weitgehend ignoriert, ohne dass dies zu sichtbaren Konsequenzen geführt hätte.
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Die Fiktion, man könne Infektionswege verfolgen und die Krankheit eindämmen, in dem man einzelne Menschen in Quarantäne steckt, kann bei Covid-19 nicht aufrechterhalten werden. Bereits am 1. März muss es in Deutschland etwa 15.000 Infizierte gegeben haben, sonst hätten Ende März nicht täglich 60 bis 70 Menschen mit Covid-19 sterben können. Erst am 4. März wurde der erste Lagebericht veröffentlicht, zu diesem Zeitpunkt gab es laut RKI 262 positiv Getestete. Dies zeigt, dass eine Verfolgung der Infektionswege, sowohl durch Gesundheitsämter, wie auch durch eine App, völlig unmöglich gewesen wäre. Es gab nicht Tausende, sondern Millionen, die infiziert waren. Die Infektionswege sind bereits im Februar völlig unkontrollierbar geworden.
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Das RKI und die Bundesregierung mussten vor Beginn aller Maßnahmen wissen, dass keine gravierende Gefahr bestand. Das Ausmaß der Welle und die Gefährlichkeit der Krankheit lagen im Bereich einer mittleren Grippewelle, die nicht eindämmbar ist und auch nicht eingedämmt werden muss.
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Eine 2. Welle ist allenfalls in geringerer Ausprägung zu befürchten.
Bereits Mitte März, vor Beginn der Schulschließungen und des Lockdowns wurde erkennbar, dass die Corona-Welle vor ihrem Höhepunkt stand. Das anfängliche exponentielle Wachstum war ohne Regierungsmaßnahmen bereits längst beendet. Daraus folgt, dass das Gesundheitssystem ersichtlich nicht gefährdet war. Dies muss das RKI gewusst haben.
Leider hat die Behörde trotzdem mit irreführenden Zahlen und in seinen täglichen Briefings den Eindruck erweckt beziehungsweise auch regelmäßig klar gesagt, dass große Gefahr drohen würde. Die Zahlen des RKI suggerierten ein enormes exponentielles Wachstum der Epidemie und führten zu einer erheblichen Überschätzung der Gefahr sowie zur Verängstigung der Bevölkerung. Anstatt Anfang Mai endlich Entwarnung zu geben, wurde die Fiktion einer Gefahr aufrecht erhalten und zusätzlich auch noch eine Maskenpflicht eingeführt.
Insbesondere die Zahl der positiv Getesteten sagt so gut wie nichts aus. Ihr Verlauf, sowohl die absolute Größe, wie auch ihre Ableitung, die mit R korrespondiert, kann durch entsprechende Testaktivität nahezu beliebig modelliert werden.
Hilfreich wäre gewesen, bereits frühzeitig repräsentative Test durchzuführen, was sehr früh ein klares Bild über das Ausmaß der Welle und die tatsächliche IFR-Höhe verschafft hätte. Dies wurde vom RKI verweigert. Nicht hilfreich war die Informationspolitik des RKI und alle Maßnahmen der Regierung.
Notwendige Konsequenzen
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Alle Corona-Schutzmaßnahmen sollten nicht etwa stufenweise, sondern sofort und vollständig eingestellt werden.
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Es sollten dringend in ganz Deutschland repräsentative Antikörpertests durchgeführt werden (min. > 1 Mio). Dies ist notwendig zur Bestimmung des exakten Umfangs der Welle und zur Beweissicherung. Dies darf nicht in den Händen des RKI liegen, sondern sollte von den Gesundheitsämtern auf Kreisebene durchgeführt werden.
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Die Tatsache, dass die Opposition sich in der Krise der Regierung weitgehend anschloss, hat zu einem völligen Versagen der Politik und in Folge dessen auch der öffentlich rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten geführt. Es wurden Grundrechte (zum Beispiel Artikel 8) eingeschränkt und kritische Meinungen diskreditiert. Regierung und Medien erschienen wie Partner, die Exekutive verselbstständigte sich.
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Das Politikbild, das sich offenbart, zeigt die Demokratie als Schönwetter-Staatsform. Niemand soll mehr prüfen, ob der sachliche Grund für all die Maßnahmen jemals bestand oder immer noch besteht. Der notwendige öffentliche Diskurs nach der besten Problemlösung wird behindert. Wie sich zunehmend herausstellt, waren die unterdrückten Argumente die richtigen. Dies wäre nicht einmal in Kriegszeiten akzeptabel. Tiefgreifende Veränderungen in Politik und Medien sind nötig, damit Demokratie und Meinungsvielfalt auch in solchen Situationen gesichert bleiben.
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Es muss eine umfassende politische und juristische Aufarbeitung der gesamten Vorgänge um den Corona-Komplex stattfinden.
Über den Autor: Dipl.-Ing. Dirk Gintzel, Jahrgang 1963, arbeitete nach dem Universitätsabschluss einige Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum, danach Tätigkeit als selbstständiger Softwareentwickler. Seit 2002 ist er Lehrer an einem Berufskolleg mit den Schwerpunkten Softwareentwicklung und Maschinentechnik.
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