Türkei beantragt BRICS-Mitgliedschaft

Bestätigung durch außenpolitischen Berater des russischen Präsidenten / Internationale Reaktionen fallen unterschiedlich aus

11. September 2024
Ankara / Moskau.
(multipolar)

Der türkische Antrag auf Mitgliedschaft im Staatenbund der BRICS wurde nun von russischer Seite bestätigt. Juri Uschakow, außenpolitischer Berater des russischen Präsidenten Wladimir Putin, erklärte laut der US-Nachrichtenagentur „Associated Press“ (AP), die Türkei habe sich offiziell für eine „Vollmitgliedschaft“ beworben. Der türkische Antrag wird nun geprüft, sagte Uschakow. Eine Woche zuvor hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bereits gesagt, die Türkei solle „gleichzeitig“ Beziehungen zum Osten und zum Westen aufbauen.

Kurz vor der AP-Meldung berichtete bereits die US-Nachrichtenagentur „Bloomberg“ auf Basis anonymer Quellen von der formalen BRICS-Bewerbung der Türkei. (2. September) Die türkische Regierung habe vor einigen Monaten aus Frustration über die mangelnden Fortschritte bei ihrem jahrzehntelangen Versuch, der Europäischen Union (EU) beizutreten, einen Antrag auf Aufnahme in die BRICS gestellt, heißt es vonseiten der anonymen Quellen. Die Bewerbung sei auch das Ergebnis von Meinungsverschiedenheiten mit anderen NATO-Mitgliedern, nachdem die Türkei nach dem Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 enge Beziehungen zu Russland unterhalten habe.

Ömer Celik, Sprecher von Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP), dementierte laut der britischen Nachrichtenagentur „Reuters“ jedoch diese Behauptung eines formalen Beitrittsgesuch. Die Türkei habe keine konkreten Schritte unternommen, um ihren erklärten Wunsch zu erfüllen, der BRICS-Gruppe von Schwellenländern beizutreten. Erdogan habe zwar zu verschiedenen Zeiten die türkische Bereitschaft zur BRICS-Mitgliedschaft erklärt. Der entsprechende Prozess sei auch „in Gange“, erläuterte Celik weiter. „Aber es gibt keine konkrete Entwicklung.“ Bis heute fehlt eine offizielle Bestätigung der türkischen Regierung.

Bereits im Juni hatte der türkische Außenminister Hakan Fidan an einem Treffen seiner Amtskollegen der BRICS-Staaten im russischen Nischni Nowgorod teilgenommen und mit ihnen bilaterale Gespräche geführt. Das staatliche brasilianische Nachrichtenportal Agencia Gov meldete Mitte Juni, Erdogan habe den brasilianischen Präsidenten Lula da Silva am Rande des G7-Gipfels in Italien in einem bilateralen Gespräch um Unterstützung für den BRICS-Beitritt seines Landes gebeten. Lula habe gesagt, er wolle die türkische Forderung unterstützen.

Auch der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, hatte das Beitrittsinteresse der Türkei und anderer Staaten im Juni begrüßt. Das Thema werde auf der Tagesordnung des BRICS-Gipfels im Oktober stehen, sagte er laut einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur „TASS“. Die Russische Föderation führt 2024 den Vorsitz des Bündnisses. Laut der Tageszeitung Malaysia Sun haben aktuell Algerien, Bangladesch, Bolivien, Pakistan, Thailand Simbabwe, Venezuela und Weißrussland einen offiziellen Mitgliedsantrag gestellt, während weitere 20 Staaten ein Beitrittsinteresse geäußert haben.

In russischen Medien sind auch kritische Stimmen zum offiziellen Beitrittsantrag der Türkei zu vernehmen. In einem Beitrag des russischen Onlinemediums „Wsgljad“ (3. September) wird die Türkei als „ein willensstarker und integrierter Akteur des Westens“ bezeichnet. Ihre Teilnahme an BRICS könne „angesichts des Konsenscharakters“ westlicher Entscheidungen die Entwicklung der Organisation in einer Reihe von Bereichen „lähmen“. Natürlich würden die USA versuchen, den Trend des Überlaufens ihrer Verbündeten zu einer „feindlichen Plattform“, zumindest in Bezug auf die Türkei, umzukehren. Der Wunsch, den BRICS beizutreten, sei höchstwahrscheinlich eine Initiative aus Erdogans Gefolge. Die regierende AKP, die Kemalisten und noch mehr die Nationalisten hätten eine „eher kalte Haltung gegenüber den BRICS“. Die Kemalisten seien in vielerlei Hinsicht „pro-westlich“ eingestellt, und für sie sei „eine Abweichung von der NATO-Linie nicht sehr akzeptabel“.

Die chinesische Tageszeitung Global Times stellt hingegen fest, der Westen missverstehe „den BRICS-Mechanismus häufig als Mittel zur Blockkonfrontation“ und befürchte, „dass die Mitgliedschaft der Türkei diese näher an ‚nicht-westliche Länder‘ wie Russland heranbringen und damit das internationale strategische Gleichgewicht stören würde“. Der mögliche Beitritt der Türkei zu den BRICS „sollte nicht als offene Konfrontation mit dem Westen betrachtet werden“. Die türkische Regierung unterstütze den Westen weder vollständig noch lehne sie ihn ab. Tatsächlich sei die BRICS-Bewerbung der Türkei „Ausdruck eines umfassenderen Wunsches nach einer gerechteren internationalen Ordnung“.

Die Frankfurter Allgemeine wertet den Beitrittsgesuch der Türkei als Ausweitung ihres politischen und wirtschaftlichen Spielraums und Absetzung vom Westen. Die EU sei jedoch „der wichtigste Handelspartner der Türkei“. Allerdings zeigt ein Blick auf die türkischen Handelsstatistiken, dass dies nur noch für die Gesamthandelsbilanz mit der EU gilt. Seit Anfang 2024 übersteigt der Wert der Importe aus den BRICS-Staaten in die Türkei denjenigen der Importe aus der EU, während auch die Exporte in die BRICS-Länder anwachsen.


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