Wall Street Journal: Deutsche Stellen waren vorab über Nord-Stream-Sprengung informiert

CIA informierte Bundesnachrichtendienst laut Zeitungsbericht im Vorfeld / Wagenknecht fordert Untersuchungsausschuss – Vorwissen wäre „Jahrhundertskandal“ / CDU-Politiker: Ob Ukraine Nordstream gesprengt hat, ist „egal“

17. August 2024
Washington / Berlin.
(multipolar)

Laut eines Berichts der US-Zeitung „Wall Street Journal“ (14. August) wussten Verantwortliche des Bundesnachrichtendienstes (BND) bereits im Vorfeld von den geplanten Sprengstoffanschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines. Demnach habe der US-Geheimdienst CIA seine deutsche Partnerbehörde über die ukrainischen Planungen informiert, nachdem die CIA selbst vom niederländischen Militärgeheimdienst MIVD davon erfahren haben soll. Dies bestätigten der Zeitung sowohl deutsche als auch US-amerikanische Beamte, heißt es in dem Bericht.

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht forderte aufgrund dessen die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. „Wenn es sich herausstellen sollte, dass deutsche Stellen vorab von dem Anschlagsplan gewusst haben, dann hätten wir einen Jahrhundertskandal in der deutschen Politik.“ Wagenknecht zufolge habe die deutsche Bundesregierung bislang nichts zur Aufklärung der Nord-Stream-Anschläge unternommen. Ein Ausschuss müsse herausfinden, welche deutschen Akteure wann was über die Anschlagspläne gewusst hätten.

Dem Zeitungsbericht zufolge versorgte die CIA den BND wenige Tage nach dem Anschlag ein zweites Mal – nun mit detaillierten Informationen über den Ablauf der Tat. Demnach habe der BND diese Informationen jedoch aufgrund von „Vorschriften über die Weitergabe von geheimen Informationen“ nicht an die zuständigen deutschen Ermittlungsbehörden weitergegeben. Allerdings hätten Geheimdienstmitarbeiter die Ermittler trotzdem auf den Bericht „aufmerksam gemacht“. In Folge dessen seien die deutschen Behörden der ukrainischen Tätergruppe auf die Spur gekommen, erklärt der Bericht des „Wall Street Journal“.

Der frühere Präsident des BND August Hanning, der am 15. August vom TV-Sender „Welt“ interviewt wurde, thematisierte das mutmaßliche Vorabwissen des BND nicht. Stattdessen warf er neben der ukrainischen Staats- und Militärführung auch polnischen Stellen, darunter dem amtierenden Präsidenten Andrzej Duda, nicht nur Vorwissen sondern auch Komplizenschaft bei den Anschlägen vor und bezeichnete diese als „Staatsterrorismus“.

Ein anonym bleibender hochrangiger deutscher Beamter sagte dem „Wall Street Journal“: Ein Angriff dieses Ausmaßes sei ein ausreichender Grund, um die kollektive Verteidigungsklausel der NATO auszulösen. Problematisch sei jedoch, dass „unsere kritische Infrastruktur von einem Land in die Luft gesprengt [wurde], das wir mit massiven Waffenlieferungen und Milliarden an Bargeld unterstützen“. Einige deutsche Politiker seien vermutlich bereit, Beweise zu ignorieren, die auf die Ukraine als Täter deuten.

Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter erklärte in einem aktuellen Interview mit „Welt“, es sei „egal“ ob die Ukraine die Nordstream-Pipelines zerstört habe, die Sicherheit der Ukraine sei trotzdem „in unserem Interesse“. Der Oberst a.D. Ralph Thiele sagte dem Magazin „Focus“ (16. August): „Warum sollten wir ein Land unterstützen, das für den größten Angriff auf die kritische Infrastruktur Deutschlands in der Geschichte der Bundesrepublik verantwortlich ist?“ Die Bundesregierung müsse sich fragen, warum sie bei diesem „außerordentlichen Vorfall“ kein „deutliches Zeichen“ gesetzt habe, dass man solche Angriffe nicht zulasse, sondern sanktioniere.

Der frühere Spiegel-Chefredakteur und heutige Regierungssprecher Wolfgang Büchner hatte am 14. August erklärt, die Beziehungen zur Ukraine würden durch Ermittlungen gegen ukrainische Tatverdächtige nicht belastet. Deutschland werde die Ukraine weiterhin militärisch und finanziell unterstützen. Laut Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung steht in der aktuellen Haushaltsplanung der Bundesregierung jedoch ab sofort kein neues Geld mehr für die Ukraine zur Verfügung. Nur „bereits bewilligtes Material“ solle noch geliefert werden, weitere Anträge aus dem Verteidigungsministerium sollen „auf Verlangen von Bundeskanzler Olaf Scholz“ nicht mehr genehmigt werden.


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