Warum die Pandemie nicht endet
KLAUS PFAFFELMOSER, 24. Mai 2020, 21 Kommentare, PDFVorbemerkung der Redaktion: Die Fehlerquote (Falsch-Positiv-Rate) der verwendeten PCR-Tests beträgt laut aktuellen Untersuchungen mindestens 1,4 %. Auf 100.000 durchgeführte Tests werden also durchschnittlich mindestens 1.400 Menschen fälschlich als „Corona-Infizierte“ ausgewiesen (Ergänzung 3.6.: sofern alle Getesteten "gesund" sind, sprich, kein durch den Test messbares Virusmaterial in sich tragen). Das ist in der aktuellen Situation deshalb dramatisch, da in Kalenderwoche 20, also im Zeitraum vom 11. bis 17. Mai, nur noch 1,7 % der Untersuchten überhaupt positiv getestet wurden, also 1.700 von 100.000 Menschen. (Ergänzung 3.6.: In KW 22 sind es laut RKI sogar nur noch 1,0 %!)
Wenn man diesen 1.700 nun die 1.400 als potenziellen Messfehler gegenüberstellt, wird klar, dass den Zahlen kaum noch Aussagekraft zukommt. Schlimmer noch: Die Ergebnisse lassen sich bei Bedarf leicht manipulieren, je nachdem, wieviele Tests durchgeführt werden – was politisch beeinflusst werden kann. Der von Politikern diskutierte Grenzwert von 35 Infizierten auf 100.000 Einwohner ließe sich beispielsweise auch ganz ohne tatsächlich Infizierte allein schon durch Ausnutzung des Messfehlers erreichen, indem man 2.500 Tests je 100.000 Menschen durchführt. Das entspräche einer Verfünffachung der aktuellen Testanzahl.
Aus dem Fazit des Artikels: „Die derzeit als Kenngrößen für die Verhängung von Maßnahmen verwendeten Werte, die Anzahl der gemessenen akut Infizierten pro 100.000 Einwohner und der R-Wert haben bei einem geringen Anteil von akut Infizierten an der Gesamtbevölkerung keinen Aussagewert bezüglich der epidemiologischen Entwicklung der Krankheit. Der R-Wert tendiert bei Verschwinden der Krankheit grundsätzlich gegen 1, also gegen den derzeit als kritisch betrachteten Wert. Durch Änderung der Anzahl der Messungen können die Kenngrößen so beeinflusst werden, dass die willkürliche Verhängung von Maßnahmen möglich ist.“
1. Kriterien für die Maßnahmen
Die derzeitigen Kriterien für die Maßnahmen sind zum einen der sogenannte R-Wert und zum anderen die Anzahl der akut Infizierten pro 100.000 Einwohner. Die Maßnahmen können gelockert werden, wenn der R-Wert unter 1 liegt. Liegt er bei 1 oder darüber, werden die Lockerungen zurückgenommen. In den einzelnen Städten und Landkreisen werden die Maßnahmen anhand der Anzahl der akut Infizierten pro 100.000 Einwohner bestimmt. Die Grenzwerte für die Lockerung bzw. Wiedereinführung liegen bei 50 bzw. 35 akut Infizierten pro 100.000 Einwohner.
2. Fehlerquote des PCR-Tests
Die Messungen mit dem PCR-Test sind grundsätzlich mit Fehlern behaftet. Die Güte des Tests wird durch zwei Werte spezifiziert:
- Sensitivität: Anteil der infizierten Personen, bei denen der Test positiv ist
- Spezifität: Anteil der nicht infizierten Personen, bei denen der Test negativ ist
Neben diesen beiden Gruppen gibt es die, bei denen der Test falsche Ergebnisse liefert:
- Falsch negativ: Anteil der infizierten Personen, bei denen der Test negativ ist
- Falsch positiv: Anteil der nicht infizierten Personen, bei denen der Test positiv ist
Es gelten dann folgende Gleichungen:
- Sensitivität + falsch negativ = 100%
- Spezifität + falsch positiv = 100%
Ein Test ist umso genauer, je näher Sensitivität und Spezifität bei 100% liegen. Der Anteil der gemessenen Infizierten in Abhängigkeit von den tatsächlich Infizierten ist in folgender Abbildung dargestellt, wobei zum besseren Verständnis ein relativ ungenauer Test angenommen wird mit Sensitivität 90% und Spezifität 80%.
Abbildung 1: Anteil der Gemessenen in Abhängigkeit von den tatsächlich Infizierten
Der Test von Dr. Drosten wurde in einem Ringversuch von INSTAND e.V., Gesellschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien, zertifiziert. Die Ergebnisse wurden am 2. Mai veröffentlicht. Im Rahmen des Versuchs wurden die Sensitivität für vier und die Spezifität für drei verschiedene Testszenarien festgestellt.
Tabelle 1: Sensitivität des SARS-CoV-2 PCR-Tests
Tabelle 2: Spezifität des SARS-CoV-2 PCR-Tests
Da sich der Anteil der Infizierten unter den getesteten Personen im einstelligen Prozentbereich bewegt (zuletzt 1,7 %, siehe Tabelle 3), interessiert für diese Untersuchung vor allem die Spezifität des Tests, also die Inhalte von Tabelle 2.
Für die Tests werden sogenannte Lyseprodukte (Zerfallsprodukte) von Zellen verwendet. In Tabelle 2 sind die Proben aus Zellen gewonnen, die nicht mit Viren infiziert waren bzw. mit den (mit SARS-CoV-2 verwandten) Viren HCoV OC43 bzw. HCov 229E infiziert waren. Die Lyseprodukte infizierter Zellen sind durch Lyseprodukte nicht infizierter Zellen im jeweils angegebenen Verhältnis verdünnt.
Im Fall der nicht infizierten Proben werden 1,4 % als infiziert („falsch positiv“) getestet, in den Fällen der mit HCoV OC43 bzw. HCov 229E Proben ist dieser Anteil 2,2 % bzw. 7,6 %.
Die genaue Güte des Tests in der Praxis lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Im Folgenden wird mit einer Sensitivität von 98,8 % und einer Spezifität von 98,6 % eine sehr hohe Güte angenommen. Für den Anteil der gemessenen Infizierten in Abhängigkeit von den tatsächlich Infizierten ergibt sich dann folgende Grafik.
Abbildung 2: SARS-CoV-2: Anteil der Gemessenen in Abhängigkeit von den tatsächlich Infizierten
Das bedeutet, dass selbst wenn SARS-CoV-2 verschwunden ist, bei 100.000 Tests immer noch 1.400 Infizierte gemessen werden.
3. Werte des RKI
Die folgende Tabelle ist dem täglichen Lagebericht des Robert Koch-Instituts (RKI) vom 20. Mai 2020 entnommen (Tabelle 5, S. 11).
Tabelle 3: Anzahl der SARS-CoV-2-Testungen in Deutschland (Stand 19.05.2020)
Der Anteil der positiv Getesteten bewegt sich bereits auf den Anteil der zu erwartenden falsch positiv Getesteten zu.
4. Kenngrößen zur Bestimmung der Maßnahmen
Die Güte des PCR-Tests zur Bestimmung von SARS-CoV-2 hat Auswirkungen auf die Kenngrößen, die zur Bestimmung der politischen Maßnahmen herangezogen werden. Im Folgenden wird beispielhaft die Entwicklung des R-Werts und der Anzahl der Neuinfizierten für zwei Szenarien betrachtet. Im ersten wird angenommen, dass es keine Infizierten mehr gibt, im zweiten, dass die Anzahl der Neuinfizierten exponentiell abnimmt. Dies entspricht derzeit nicht der Realität, soll aber aufzeigen, welche Auswirkungen die Anzahl der Tests auf die Kenngrößen hat, wenn SARS-CoV-2 ganz verschwunden ist.
Wie oben wird mit einer Sensitivität von 98,8% und einer Spezifität von 98,6% eine sehr hohe Güte des PCR-Tests angenommen.
Für die beispielhaften Modellrechnungen zum zeitlichen Verlauf des R-Werts wird der Zeitraum vom 22. Mai bis 31. Juli betrachtet. Die zu erwartende Anzahl der positiv Getesteten wird direkt aus der Anzahl der Tests bei konstanter Güte des PCR-Tests berechnet. Eine durch Messfehler oder Messungenauigeiten bedingte Streuung der Werte ist nicht berücksichtigt.
Der R-Wert gibt an, ob die Anzahl der als infiziert Getesteten
- steigt: R-Wert > 1
- gleich bleibt: R-Wert = 1
- fällt: R-Wert < 1.
Bei dem „sensitiveren“ Verfahren des RKI wird die Summe der gemessenen Neuinfizierten der letzten 4 Tage (0, 1, 2 und 3 Tage zuvor) durch die Summe der Neuinfizierten 4, 5, 6 und 7 Tage zuvor geteilt. Um beispielsweise den („sensitiveren“) R-Wert für den 08.06.2020 zu bestimmen, wird die Anzahl der Neuinfizierten vom 05. bis 08.06. durch die Anzahl der Neu-Infizierten vom 01. bis 04.06. geteilt.
Die verwendete Formel gemäß den Erläuterungen des RKI vom 15.05. ist (siehe S. 3):
4.1. SARS-CoV-2 nicht mehr vorhanden
Betrachtet man den Fall, dass es keine Infizierten mehr gibt, dann hängt sowohl die Anzahl der gemessenen Infizierten als auch der R-Wert nur von der Anzahl der Tests ab. Die Anzahl der gemessenen Infizierten beträgt bei der angenommenen Güte des Tests 1400 Infizierte pro 100.000 Tests.
Um den Grenzwert von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner zu erreichen, sind über den durchschnittlichen Zeitraum der aktiven Infektion (6 – 10 Tage) ca. 3.500 Tests pro 100.000 Einwohner erforderlich, für den Grenzwert 35 sind es entsprechend ca. 2.500 Tests.
Für den R-Wert werden bezüglich der Anzahl der Tests folgende vier Szenarien betrachtet:
- Anzahl konstant
- Anzahl fallend
- Anzahl steigend
- Anzahl alternierend
Die folgenden Abbildungen zeigen jeweils in der oberen Hälfte den zeitlichen Verlauf der Anzahl der Tests. In der unteren Hälfte sind die Anzahl der positiv Getesteten und der R-Wert zu sehen. Die Anzahl der tatsächlich Infizierten ist immer 0.
Abbildung 3: R-Wert ohne tatsächlich Infizierte bei konstanter Anzahl der Tests
Abbildung 4: R-Wert ohne tatsächlich Infizierte bei fallender Anzahl der Tests
Abbildung 5: R-Wert ohne tatsächlich Infizierte bei steigender Anzahl der Tests
Abbildung 6: R-Wert ohne tatsächlich Infizierte bei alternierender Anzahl der Tests
In folgender Tabelle ist das Verhalten des R-Werts in Abhängigkeit vom Verlauf der Anzahl der Tests beschrieben.
Tabelle 4: Verhalten des R-Wertes in Abhängigkeit vom zeitlichen Verlauf der Anzahl der Tests
4.2. Anzahl der Infizierten abnehmend gegen 0
Betrachtet man den Fall, dass die Anzahl der Neuinfizierten abnimmt und schließlich auf 0 zurückgeht, dann hängt sowohl die Anzahl der gemessenen Infizierten als auch der R-Wert zunehmend von der Anzahl der Tests ab. Die Anzahl der gemessenen Infizierten beträgt bei der angenommenen Güte des Tests mindestens 1.400 Infizierte pro 100.000 Tests.
Der Grenzwert von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner wird mit ca. 3.500 Tests pro 100.000 Einwohner über den durchschnittlichen Zeitraum der aktiven Infektion (6 – 10 Tage) erreicht, für den Grenzwert 35 sind entsprechend ca. 2.500 Tests erforderlich.
Für den R-Wert werden bezüglich der Anzahl der Tests wieder vier Szenarien betrachtet:
- Anzahl konstant
- Anzahl fallend
- Anzahl steigend
- Anzahl alternierend
Die folgenden Abbildungen zeigen jeweils in der oberen Hälfte den zeitlichen Verlauf der Anzahl der Tests. In der unteren Hälfte sind die Anzahl der positiv Getesteten und der R-Wert zu sehen. Die Anzahl der tatsächlich Neuinfizierten nimmt ab und geht gegen 0.
Abbildung 7: R-Wert mit abnehmender Anzahl der Infizierten und konstanter Anzahl der Tests
Abbildung 8: R-Wert mit abnehmender Anzahl der Infizierten und fallender Anzahl der Tests
Abbildung 9: R-Wert mit abnehmender Anzahl der Infizierten und steigender Anzahl der Tests
Abbildung 10: R-Wert mit abnehmender Anzahl der Infizierten und alternierender Anzahl der Tests
In folgender Tabelle ist das Verhalten des R-Werts in Abhängigkeit vom Verlauf der Anzahl der Tests beschrieben.
Tabelle 5: Verhalten des R-Wertes in Abhängigkeit vom zeitlichen Verlauf der Anzahl der Tests
Das in Tabelle 4 und Tabelle 5 beschriebene Verhalten gilt grundsätzlich auch für andere Verläufe der Abnahme der (Neu-)Infektionen und für die anderen, in den Erläuterungen des RKI beschriebenen Verfahren zur Berechnung des R-Wertes.
5. Fazit
Die derzeit als Kenngrößen für die Verhängung von Maßnahmen verwendeten Werte, die Anzahl der gemessenen akut Infizierten pro 100.000 Einwohner und der R-Wert haben bei einem geringen Anteil von akut Infizierten an der Gesamtbevölkerung keinen Aussagewert bezüglich der epidemiologischen Entwicklung der Krankheit. Der R-Wert tendiert bei Verschwinden der Krankheit grundsätzlich gegen 1, also gegen den derzeit als kritisch betrachteten Wert. Durch Änderung der Anzahl der Messungen können die Kenngrößen so beeinflusst werden, dass die willkürliche Verhängung von Maßnahmen möglich ist.
Diese Aussagen würden auch dann gelten, wenn die ganze Bevölkerung zu 100% wirksam gegen Covid 19 geimpft wäre.
Für eine objektive Beurteilung der epidemiologischen Lage ist es erforderlich, den Messfehler der Tests aus den Ergebnissen heraus zu rechnen. Um die Abhängigkeit von der Anzahl der Tests zu beseitigen, müsste jeweils mit den relativen Werten der Infizierten in Bezug auf die Anzahl der Tests gerechnet werden, nicht mit den absoluten Zahlen der Infizierten. Jedoch ist auch in diesem Fall eine Relevanz des R-Werts bei ausklingender Krankheit nicht erkennbar.
Über den Autor: Dr. Klaus Pfaffelmoser, Jahrgang 1956, ist promovierter Mathematiker und arbeitete seit 1990 überwiegend in der Funkplanung für Rundfunk und Mobilfunk. Er steuerte bei verschiedenen Studien zur Bestimmung des Einflusses von Witterung und Schadstoffimmissionen auf das Waldwachstum die statistischen Arbeitsteile bei.
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