Deutscher Bundestag, Umbau während der Sommerpause | Bild: picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm

Die Positionen der Parteien zur „epidemischen Lage nationaler Tragweite“ und die Zukunft der Corona-Politik

Es zeichnet sich ab, dass die Große Koalition nach der Bundestagswahl, wenn überhaupt, nur noch über eine sehr knappe Mehrheit verfügen wird. Was dies für die zukünftige Corona-Politik bedeutet, lässt sich am bisherigen Abstimmungsverhalten der Parteien zur Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite sowie der zugehörigen Begründungen erahnen.

KARSTEN MONTAG, 21. September 2021, 5 Kommentare, PDF

Am 25. März 2020 brachte die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD den Entwurf des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite zur Abstimmung in den Bundestag und beantragte die erstmalige Feststellung dieser Notlage durch das Parlament. Mit Handzeichen und Aufstehen der Abgeordneten stimmte der Bundestag unter Enthaltung der Fraktionen der AfD und DER LINKEN sowohl für das Gesetz als auch für die Feststellung der Notlage (Video hier ab 41:40 min).

Bis auf die Abstimmungen am 25. März 2020 sowie am 4. März 2021 fanden alle weiteren Abstimmungen namentlich statt, so dass zu erkennen ist, welche Abgeordneten dafür oder dagegen gestimmt beziehungsweise sich enthalten oder ihre Stimme nicht abgegeben haben. Die Erkenntnisse, die sich daraus gewinnen lassen, sind zum Teil überraschend und lassen Rückschlüsse auf die weitere Corona-Politik in Deutschland nach der Wahl zu.

Schwindende Mehrheiten für die Corona-Politik der Bundesregierung

Bei der Betrachtung der Abstimmungsergebnisse fällt zunächst auf, dass die Zustimmung für die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite in den namentlichen Abstimmungen kontinuierlich abgenommen hat.

Abbildung 1: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.

Zu beachten ist, dass die hohen Zustimmungswerte am 25. März 2020 sowie am 4. März 2021 in der oben stehenden Abbildung daraus resultieren, dass die Abstimmungen nicht namentlich, sondern mit Handzeichen durchgeführt wurden. Im Diagramm wurde das jeweilige Votum der Fraktion mit den Stimmen aller Abgeordneten der Partei gewertet.

Auf den zweiten Blick ist zu erkennen, dass die Abgeordneten, die am 25. August 2021 ihre Stimme nicht abgegeben haben, mit ihrem Votum theoretisch das Ergebnis hätten verändern können. Die hohe Anzahl von nicht abgegebenen Stimmen am 25. August lässt sich teilweise darauf zurückführen, dass diese Sitzung außerplanmäßig in der Sommerpause des Bundestages abgehalten wurde und die Abgeordneten andere Terminverpflichtungen hatten. Auffällig ist jedoch, dass mit sinkender Zahl der Enthaltungen die Anzahl der nicht abgegebenen Stimmen gestiegen ist.

Sahra Wagenknecht antwortete am 28. August auf der Plattform Abgeordnetenwatch auf die Frage, warum sie nicht gegen die Verlängerung der epidemischen Lage gestimmt hat, die Bundestagssitzung hätte außerplanmäßig in der sitzungsfreien parlamentarischen Sommerpause stattgefunden und bei ihre wäre es zu einer Terminkollision gekommen.

Auch Wolfgang Kubicki, einer der prominentesten Kritiker der Corona-Politik der Bundesregierung, wurde mehrere Male auf Abgeordnetenwatch die Frage gestellt, warum er bei der namentlichen Abstimmung am 25. August 2021 seine Stimme nicht abgegeben hat. Bis heute hat er darauf nicht geantwortet.

Die schwindende Zustimmung zur Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite liegt in einem veränderten Abstimmungsverhalten der Oppositionsparteien, jedoch auch in einer wachsenden Ablehnung der Notlage bei den Abgeordneten der Regierungsparteien, insbesondere bei der Fraktion der CDU/CSU, begründet. Wie sich die Abstimmungsverhältnisse im Laufe der Corona-Krise bei den einzelnen Parteien verändert hat und welche Begründungen dafür angeführt wurden, soll im Folgenden näher beleuchtet werden.

CDU/CSU: Immer mehr Abweichler vom Regierungskurs

Abbildung 2: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.

Der Großteil der Abgeordneten der Fraktion der CDU/CSU hat am 25. August 2021 für die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gestimmt. Auf der Webseite von CDU/CSU begründete der Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus die Zustimmung mit den Argumenten, „dass es zwei fachliche Voraussetzungen für diese Verlängerung der epidemischen Lage gäbe: Erstens, die Weltgesundheitsorganisation gehe noch immer von einem Notstand aus, zweitens, es läge weiterhin eine dynamische Entwicklung des Infektionsgeschehens vor. Zudem, so Brinkhaus, benötigten die Bundesländer diese Feststellung der epidemischen Lage als rechtliche Grundlage für ihre eigenen Verordnungen.“

Die Zustimmung für die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite ist jedoch in der Bundestagsfraktion der CDU/CSU seit Beginn der Corona-Krise sukzessiv gesunken, während die Gegenstimmen stetig zugenommen haben. Die Liste der Abgeordneten der CDU/CSU, die am 25. August 2021 gegen die Verlängerung gestimmt beziehungsweise ihre Stimme nicht abgegeben haben, jedoch bereits am 11. Juni 2021 dagegen votiert haben, zählt 19 Parlamentarier. Einige dieser Abgeordneten der CDU/CSU haben auf ihrer Homepage Begründungen für ihre Entscheidung angegeben. Die Argumente klingen durchweg sehr ähnlich:

  • „Die Hälfte der Bundesbürger und fast alle Risikogruppen sind vollständig geimpft und die Intensivstationen leer. (…) Bei genauer Betrachtung der zur Zeit vorliegenden neuen Daten besteht kein Grund zur Panik. (…) Weitere Kennziffern zur Bewertung, wie z. B. die Belegungsqote der Intensivstationen in den Krankenhäusern, müssen berücksichtigt werden.“ – Michael von Abercron

  • „Derzeit liegt meines Erachtens keine Notlage nationaler Tragweite mehr vor, die Grundrechtseinschränkungen rechtfertigen und das Regieren über die parlamentarische Mitwirkung durch Regierung per Verordnung ersetzen.“ – Veronika Bellmann

  • „Die Anzahl der in Deutschland an Corona Erkrankten, aber auch die Bettenbelegung in den Krankenhäusern lassen schon seit längerem keine Notlage mehr erkennen.“ – Jens Koeppen

  • „Während zu Beginn der Pandemie keinerlei Erkenntnisse und Daten darüber vorlagen, wie ansteckend das Virus ist und welche medizinischen Folgen es für die Bevölkerung und die Gesellschaft nach sich zieht, wissen wir heute, dass die Krankheit in den allermeisten Fällen glücklicherweise einen milden Verlauf nimmt.“ – Saskia Ludwig

  • „Wir wollten unser Gesundheitssystem vor Überlastungen schützen, eine Überlastung ist derzeit nicht erkennbar und deutet sich auch nicht an.“ – Sylvia Pantel

  • „Allgemein anerkanntes Ziel der mit der 'epidemischen Lage von nationaler Tragweite' einhergehenden Maßnahmen war es stets, eine Überlastung des deutschen Gesundheitssystems zu vermeiden. Von einer solchen Überlastung sind wir heute weit entfernt.“ – Jana Schimke

  • „Angesichts des bislang erreichten großen Impffortschritts, der niedrigen Inzidenzwerte und der geringen Hospitalisierung sowie der geringen Anzahl an coronabedingten Sterbefällen kann (...) zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr von einer ‚epidemischen Lage von nationaler Tragweite‘ gesprochen werden.“ – Ingo Wellenreuther

Des Weiteren haben fünf dieser Abgeordneten, namentlich Albert Weiler, Sylvia Pantel, Dietlind Tiemann, Veronika Bellmann und Hans-Jürgen Irmer sowie Florian Post, Mitglied der SPD-Fraktion, am 10. Juni 2021 einen Aufruf an ihre Kolleginnen und Kollegen im Bundestag veröffentlicht, am Folgetag gegen die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite zu stimmen:

„Wir müssen im Sinne des Volkes handeln. Der Schutz der Gesundheit ist lange genug die einzige Leitlinie der politischen Entscheidungen gewesen. Wir haben die Gesundheit der Menschen geschützt – zumindest die körperliche. Jetzt muss es um den Schutz der seelischen Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands und um den Zusammenhalt in der Gesellschaft gehen.“

Auffällig sowie für zukünftige Abstimmungen im Bundestag zu Verlängerungen der Notlage möglicherweise ausschlaggebend ist die Tatsache, dass 18 der 19 CDU/CSU-Abgeordneten, die gegen den Regierungskurs gestimmt haben, über Direktmandate in den Bundestag eingezogen sind. Sie müssen nicht befürchten, aufgrund ihrer abweichenden Meinung von ihrer jeweiligen Partei auf einen schlechteren Listenplatz „strafversetzt“ zu werden, so dass sie nach der Wahl nicht mehr in den Bundestag einziehen können.

SPD: bis auf zwei Ausreißer auf Linie der Bundesregierung

Abbildung 3: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.

Bis auf die Abgeordneten Marcus Held und Florian Post, der sich in der Bild-Zeitung öffentlich gegen die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite geäußert hat, stimmten die Mitlieder der SPD-Bundestagsfraktion für die jeweiligen Verlängerungen, gaben ihre Stimme nicht ab oder enthielten sich. Die Verlängerung der Notlage am 25. August 2021 begründet die SPD-Fraktion so:

„Die hohe Zahl an Neuinfektionen, eine steigende 7-Tage-Inzidenz und eine zunehmende Auslastung der Krankenhäuser sprechen eine deutliche Sprache: Die Corona-Pandemie ist noch nicht überwunden. Im Gegenteil: In Deutschland, aber auch weltweit breitet sich das Virus dynamisch aus – vor allem in Form der stark ansteckenden Delta-Variante.“

AfD: Von Beginn an Skepsis und Ablehnung

Abbildung 4: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.

Die AfD enthielt sich gemeinsam mit der Fraktion DIE LINKE am 25. März 2020 bei der Abstimmung über die erste Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Danach stimmten die Abgeordneten der AfD konsequent gegen eine Verlängerung.

Die Ablehnung der Verlängerung am 25. August 2021 wird mit dem Argument begründet, dass die Einstufung der WHO, es läge eine Pandemie vor, sowie die Gefahr der Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit nicht ausreichten, um weiterhin eine epidemische Lage von nationaler Tragweite in Deutschland auszurufen. Die Krankheit hätte sich längst in Deutschland ausgebreitet, und es bestehe keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit in Deutschland. Wegen COVID-19 sei weder das Gesundheitswesen überlastet noch stehe der Öffentliche Gesundheitsdienst an der Überlastungsgrenze.

In einem Antrag, den die Fraktion der AfD am 25. August 2021, am Tag der Abstimmung über die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite, in den Bundestag eingebracht hatte, forderte die Partei zudem ein sofortiges und bedingungslose Ende der Notlage sowie die Entwicklung eines Konzeptes, wie zukünftig auf wissenschaftlicher Basis ein erneutes Herunterfahren des öffentlichen Lebens verhindert werden kann.

FDP: Wende von Befürwortung über Skepsis zum Gegner der Regierungspolitik

Abbildung 5: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.

Die Fraktion der FDP hat seit dem Beginn der Corona-Krise eine 180 Grad-Wende hinsichtlich der Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vollzogen. Zu Beginn haben die Parlamentarier dieser Partei dafür gestimmt, Ende 2020 und Anfang 2021 haben sie sich enthalten, und bei den letzten beiden Abstimmung votierten sie dagegen.

In zwei Reden vor dem Bundestag begründete die FDP ihre Ablehnung am 25. August 2021 mit den Argumenten, dass die Pandemie zwar nicht vorbei sei, durch die Impfungen sich jedoch eine neue Situation ergeben hätte und die Entscheidung über weitere Maßnahmen nicht pauschal an die Bundesregierung abgetreten werde dürfe und zurück ins Parlament gehöre. Zudem läge eine Überlastung des deutschen Gesundheitswesens nicht vor (siehe hier, Seite 65 und Seite 77).

Die Ablehnung der Verlängerung der Notlage am 25. August 2021 war zudem geknüpft an einen Antrag der Fraktion der FDP, den sie einen Tag zuvor in den Bundestag eingebracht hatte. Darin wird eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes gefordert, um niedrigschwellige Maßnahmen des Infektionsschutzes wie Testungen an Schulen oder die Anordnung der Verarbeitung von Kontaktdaten auch nach dem Ende der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite fortsetzen zu können. Hintergrund ist ein geordneter Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen, welcher inzidenzgekoppelte, automatisierte Grundrechtseinschränkungen auch bei einer unerwarteten Entwicklung der pandemischen Lage ausschließen soll.

Zick-Zack-Kurs bei der LINKEN

Abbildung 6: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.

Wie die Fraktion der AfD hat sich DIE LINKE bei der ersten Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Trageweite der Stimme enthalten. Auch bei der namentlichen Abstimmung am 18. November 2020 zur Verlängerung der Notlage haben sich die Abgeordneten DER LINKEN größtenteils enthalten. Ein kleiner Teil hat gegen die Verlängerung gestimmt.

Bei der Abstimmung am 4. März 2021 hat jedoch die Fraktion per Handzeichen für die Verlängerung gestimmt (Video hier ab 02:46:10). Dies ist verwunderlich, da kurz vor der Abstimmung die Abgeordnete der LINKEN Susanne Ferschl in der Aussprache explizit geäußert hatte: „Der Bundestag soll nun die epidemische Lage im Dreimonatsrhythmus beschließen. […] Regieren per Verordnung bleibt weiter möglich. Das ist mit uns nicht zu machen, und deshalb lehnen wir das ab.“ (PDF hier, Seite 16 und Video hier ab 00:25:45)

Nach mehreren unbeantworteten Anfragen an die Fraktion DIE LINKE und die Abgeordnete Susanne Ferschl äußerte sich der LINKEN-Abgeordnete und europapolitische Sprecher der Partei Andrej Hunko zum Abstimmungsverhalten seiner Fraktion am 4. März 2021 gegenüber Multipolar wie folgt:

„[Den] Gesetzentwurf der Koalition zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen […] hat DIE LINKE [...] per Handzeichen [am 25.08.2021] abgelehnt. Ein Problem ist jedoch, dass an die Feststellung der ELNT [Epidemische Lage von nationaler Tragweite, Anm. d. Verf.] auch durchaus positive Maßnahmen gekoppelt sind, wie beispielsweise Hilfsgelder, Überbrückungshilfen etc. Wir haben diese Kopplung immer kritisiert. In der Fraktion gab es unterschiedliche Ansichten darüber, wie eine Ablehnung der Verlängerung interpretiert würde. Einerseits war ein Argument, dass dadurch der Eindruck erweckt würde, es gäbe keine Pandemie mehr. Andererseits wurde befürchtet, dass man durch eine Ablehnung auch die Hilfsmaßnahmen ablehnen würde. Ich habe diese Sicht nicht geteilt, Mehrheitsmeinung war jedoch, dass man die Gesetzesänderung ablehnen müsse, aber dem Fortbestehen der ELNT zustimmen.“

Andrej Hunko war einer der wenigen Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE, die bereits am 18. November 2020 gegen die Verlängerung der Notlage gestimmt haben. Bei der nächsten Abstimmung zur Fortsetzung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite am 11. Juni 2021 haben die Abgeordneten der LINKEN bis auf 17 nicht abgegebene Stimmen hingegen geschlossen gegen eine Verlängerung gestimmt. Eine ausführliche Begründung für dieses Abstimmungsverhalten sucht man jedoch auf der Webseite der Bundestagsfraktion der Partei vergeblich. In einem Newsletter vom 16. Juni 2021 steht in der Überschrift eines weiterführenden Textes über die Abstimmung:

„Auch in der Krise geht es nur demokratisch, bekräftigte Gesine Lötzsch in der Debatte zur Fortsetzung der epidemischen Lage nationaler Tragweite am vergangenen Freitag. ‚Die Bundesregierung hat anschaulich bewiesen, dass ohne eine effektive Kontrolle des Parlaments alles völlig aus dem Ruder läuft‘, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.“

Klickt man auf „Weiterlesen“, erhält man eine Fehlermeldung, dass die zugehörige Seite nicht auffindbar ist. Die Seite wurde also wahrscheinlich gelöscht, ohne die entsprechenden Verweise darauf zu entfernen.

Über die Auseinandersetzungen, die hinsichtlich der Corona-Politik bei den LINKEN hinter verschlossenen Türen geführt werden, kann man nur mutmaßen. Auch im Vorfeld der Abstimmung zur Verlängerung der Notlage am 25. August 2021 ist die offensichtliche Zerstrittenheit der Fraktion hinsichtlich der Bewältigung der Corona-Krise an den unterschiedlichen Äußerungen der LINKEN-Politiker ablesbar. Während der LINKEN-Abgeordnete und parlamentarische Geschäftsführer der Partei Jan Korte, der ebenso wie 17 weitere Abgeordneten der LINKEN bereits im November 2019 für eine Masern-Impfpflicht für Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen stimmte, eine Herdenimmunität gegen SARS-CoV-2 mithilfe von Massenimpfungen anstrebt, kritisiert die Abgeordnete Sahra Wagenknecht den Druck, der auf Ungeimpfte ausgeübt wird, und schreibt auf Twitter, dass kostenpflichtige Tests falsch sind, da auch Geimpfte infektiös seien.

Die mehrheitliche Ablehnung der Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite am 25. August 2021 durch die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE wird offiziell nicht mit einer mangelnden Wirksamkeit der Maßnahmen, sondern mit der Unfähigkeit der Bundesregierung im Umgang mit der Pandemie begründet.

Grüne: Ehrliche Wende oder taktisches Abstimmungsverhalten?

Abbildung 7: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag. Bei den mit Stern gekennzeichneten Datumsangaben fand die Abstimmung mittels Handzeichen statt, daher sind dort jeweils die Stimmen der Abgeordneten der gesamten Fraktion angegeben.

Bis auf wenige Enthaltungen und nicht abgegebene Stimmen haben die Abgeordneten der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen vier Mal in Folge für die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gestimmt. Am 25. August votierten die Abgeordneten der Partei das erste Mal gegen die Verlängerung der Notlage. Auf ihrer Webseite gibt die Fraktion dafür folgenden Grund an:

„Die Covid-19-Pandemie ist noch längst nicht zu Ende. Vorsicht ist weiter geboten. Aber die Situation hat sich geändert, insbesondere durch die Zahl der Geimpften. Deshalb haben wir gegen die unveränderte erneute Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gestimmt. Für die Einschränkung von Freiheitsrechten setzt das Grundgesetz enge Grenzen.“

Die Ablehnung ist jedoch verbunden mit dem Vorschlag einer rechtssicheren Übergangsregelung, welchen die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen am 24. August in den Bundestag eingebracht hat. Darin wird eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes gefordert, um nach dem Ende der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite Maßnahmen wie Abstandsgebote, Maskenpflicht, Hygienekonzepte in Betrieben und für Ansammlungen von Menschen, Zugangsbeschränkungen für nicht Geimpfte oder nicht Getestete sowie Kontaktdatenverarbeitung weitere sechs Monate aufrecht zu erhalten.

Die Ablehnung der Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ist also eine Mogelpackung. Tatsächlich will die Partei die Dauer für einen Großteil der Maßnahmen, die durch die Notlage legitimiert werden, von drei auf neun Monate verlängern.

Nicht abgegebene Stimmen wegen Fraktionsdruck?

Ein Fraktionszwang bei Abstimmungen ist in Deutschland verfassungswidrig. Gemäß Artikel 38, Absatz 1 des Grundgesetzes sind Volksvertreter „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Andererseits ist Fraktionsdisziplin bei Entscheidungen in den Parlamenten gang und gäbe und sogar Gegenstand von Koalitionsverträgen. Am 12. März 2018 legten CDU/CSU und SPD in einem dieser Verträge fest (PDF, S. 173):

„Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“

Eine Möglichkeit, Abgeordnete, die sich nicht an die Fraktionsdisziplin halten, zu sanktionieren, ist eine Verbannung auf einen unteren Listenplatz bei der nachfolgenden Wahl. Dadurch verringern sich die Chancen, erneut ins Parlament einzuziehen. Die Listenwahl mag zwar die personelle Planbarkeit der Fraktionen erleichtern, führt womöglich jedoch dazu, dass Abgeordnete eben doch nicht allein nach ihrem Gewissen entscheiden, sondern der Verbleib im Bundestag über eine Wahlperiode hinaus mit samt seinen Vorzügen wie hohem gesellschaftlichen Ansehen, entgeltlicher Vergütung, Pensionen und ähnlichem das Abstimmungsverhalten beeinflusst.

Es ist daher möglich, dass einige Abgeordnete sich dem Druck ihrer Fraktion, für oder gegen einen Antrag im Bundestag zu stimmen, durch die Nichtabgabe ihrer Stimme entziehen, sowohl in der Regierungskoalition als auch bei der Opposition. Ob der Bundestag jedoch ohne Fraktionsdruck am 25. August 2021 gegen die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gestimmt hätte, ist hochspekulativ.

Ausblick

Gemäß Wahltrend vom 17. September 2021 würde die aktuelle Große Koalition aus CDU/CSU und SPD nur noch über eine knappe Mehrheit von neun Stimmen im Bundestag verfügen.

Abbildung 8: Eigene Darstellung, Datenquelle: Bundestag

Sollte die Große Koalition nach der Wahl fortgeführt werden, könnten die insgesamt 21 Abweichler aus den beiden derzeitigen Regierungsparteien eine zukünftige Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite unter den aktuellen gesetzlichen Voraussetzungen verhindern. Alle anderen Oppositionsparteien im Bundestag haben sich für einen geordneten Ausstieg aus der Notlagen-Politik ausgesprochen. Die AfD will das sofortige Ende aller Maßnahmen, die FDP will lediglich noch niedrigschwellige Maßnahmen und fordert, ebenso wie die LINKE und Bündnis 90/die Grünen, jede einzelne Maßnahme nur noch im Bundestag zu entscheiden.

Es ist also abzusehen, dass sich für eine Corona-Politik auf Basis von Notverordnungen nach der Wahl am 26. September höchstwahrscheinlich keine Mehrheit mehr im Bundestag finden lässt. Wie schnell wir in Deutschland dann ein Ende der Maßnahmen wie derzeit in Schweden, Dänemark und Großbritannien erfahren, hängt stark davon ab, ob es weiterhin bei einer großen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD bleibt und welche Partei eventuell als dritter Koalitionspartner hinzustößt.

Über den Autor: Karsten Montag, Jahrgang 1968, hat Maschinenbau an der RWTH Aachen, Philosophie, Geschichte und Physik an der Universität in Köln sowie Bildungswissenschaften in Hagen studiert. Er war viele Jahre Mitarbeiter einer gewerkschaftsnahen Unternehmensberatung, zuletzt Abteilungs- und Projektleiter in einer Softwarefirma, die ein Energiedatenmanagement- und Abrechnungssystem für den Energiehandel hergestellt und vertrieben hat.

DIRK GINTZEL, 21. September 2021, 21:10 UHR

Bei welchen Zahlen ist die Pandemie vorbei? Bei 51% für dieBasis! Allen anderen Parteien wollen Corona-Panik und Impferpressung offen fortführen oder haben mit geringer Besetzung alibimäßig gegen die „pandemische Lage“ gestimmt. An der hysterischen Lage nationaler Tragweite sind sie aber alle schuld und hinter der Impfagenda stehen sie auch alle. Kinder impfen ohne die geringste Idee, welche Langzeitwirkungen drohen, ist unverantwortlich und wird von allen forciert. Die unglaubliche Korruption und die Macht der Konzerne, die hier sichtbar werden, müssen endlich gebrochen werden. Dies ist auch meine dringende Bitte an alle Nichtwähler, diesmal etwas zu tun. Politik braucht eine neue Basis.

BERNHARD MÜNSTERMANN, 22. September 2021, 18:55 UHR

Heute finde ich rechts in der Spalte dieser Seite weiter unten einen Link zur Plattform NORDBAYERN. Thema des verlinkten Artikels ist das Ignorieren der 3-G Regel von Seiten der Gastwirte. Rufe ich die Seite über den Link auf, kann ich den Artikel nicht lesen. Suche ich über Google die betreffende Seite und rufe sie auf, wird ebenfalls ein Text übergeschoben, der die Lektüre dieses Artikels von NORDBAYERN unmöglich macht. Kommenden Sonntag sind Wahlen. Da wäre eine gewisse Nervosität der Regierung in Sachen Corona Maßnahmen für mich durchaus plausibel. Bei den bayerischen Wirten rumort es offenbar, es fehlt an Subordination, ungeimpfte Durstige den Vorgaben gemäß abzuweisen. Das wäre ein erfreuliches Zeichen aus der Zivilgesellschaft, bei dem Irrsinn solcher Regeln nicht mehr länger zu gehorchen. Die Basis muckt auf.

PAUL SCHREYER, 22. September 2021, 20:40 UHR

Anmerkung: Bei uns funktioniert der Link ohne Probleme.

DIRK BOTSCHEN, 22. September 2021, 23:20 UHR

Zur Verifikation: Der Link funktioniert auch aus Köln ;-). Beim lesen war ich erschüttert über das Vorgehen in Nürnberg und kann die Maßregelung dort im Ansatz bestätigen, da ich vor drei Wochen für eine Woche dort war. Die Gastwirte dort halten sich strikter an die Vorgaben der Landesfürsten, als z. B. in meiner Heimat Köln.

AYU, 22. September 2021, 23:05 UHR

Zitat aus dem Artikel:

"Der Großteil der Abgeordneten der Fraktion der CDU/CSU hat am 25. August 2021 für die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gestimmt. Auf der Webseite von CDU/CSU begründete der Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus die Zustimmung mit den Argumenten, ,dass es zwei fachliche Voraussetzungen für diese Verlängerung der epidemischen Lage gäbe: Erstens, die Weltgesundheitsorganisation gehe noch immer von einem Notstand aus, zweitens, es läge weiterhin eine dynamische Entwicklung des Infektionsgeschehens vor. Zudem, so Brinkhaus, benötigten die Bundesländer diese Feststellung der epidemischen Lage als rechtliche Grundlage für ihre eigenen Verordnungen.' “

"Die Verlängerung der Notlage am 25. August 2021 begründet die SPD-Fraktion so: ,Die hohe Zahl an Neuinfektionen, eine steigende 7-Tage-Inzidenz und eine zunehmende Auslastung der Krankenhäuser sprechen eine deutliche Sprache: Die Corona-Pandemie ist noch nicht überwunden. Im Gegenteil: In Deutschland, aber auch weltweit breitet sich das Virus dynamisch aus – vor allem in Form der stark ansteckenden Delta-Variante.' “

Die redliche, von Weltpolitikstreben und Weltkapitalscheuheit geläuterte WHO geht von etwas aus... etwas, was bewirkt, dass unterernährte, kriegstraumatisierte Kinder ohne Heimat ab jetzt nur noch mit Maske verhungern oder ertrinken dürfen (und nicht mehr bei "uns") - und dem deutschen Volksvertreter reicht das schon fast als "Begründung"...

Die in ihrer Anzahl und Durchführung dynamischst selbstgesteuerten Test-Anwendungen [hier nicht orientiert gemäß der WHO-Richtlinien] können eine Infektion "im Sinne des Gesetzes" nicht zweifelsfrei, nicht eindeutig und nicht vergleichbar genug anzeigen und erzwingen den Wert der "Inzidenz" geradezu; die "Ergebnisse" dieser Prozedur als "rechtliche Grundlage" sowie Rechtfertigungsgrundlage für mehrjährigen Grundrechtentzug von Millionen von Menschen zu etablieren, wurde von den amtierenden Politikern und gleichlaufenden Medien ermöglicht!

Für die ethische Bewertung einer Handlung ist die Frage, ob deren Instrumente durch staatliche oder zwischenstaatliche Behörden zugelassen sind, unerheblich. [...] Das heißt, dass jetzt eine perverse Verkehrung von Grund und Begründetem stattfindet: man behauptet gegen jede Evidenz, dass der Grund weiter bestehe, nur um das aufrechtzuerhalten, was man damit begründen möchte.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=75165

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