Wiesendanger fordert Ächtung der Gain-of-Function-Forschung

Hamburger Physik-Professor: Gefährliche Forschungsmethode verletzt internationale Biowaffenkonvention / Ebola-Ausbruch in Westafrika 2014 wahrscheinlich nicht natürlich – „immer die gleichen Virologen beteiligt“ / Kritik an Forschung in Charité Berlin und an neuem Virenlabor der Uni Marburg

31. März 2025
Berlin / Hamburg.
(multipolar)

Der Physiker Roland Wiesendanger fordert eine weltweite Ächtung der „Gain-of-Function-Forschung“. Die Gefährlichkeit dieser Forschung sei seit Jahrzehnten bekannt und gehöre international auf den Prüfstand, sagte der Professor von der Universität Hamburg in einem Interview mit dem Online-Sender „NuoViso“ Anfang März. „Gain of Function“ bedeutet, dass die Fähigkeiten von Viren durch Manipulationen im Labor erhöht werden. Die Viren werden dadurch oft ansteckender oder tödlicher. Wiesendanger kritisierte zudem konkret die Gain-of-Function-Forschung mit MERS-Viren an der Charité Berlin unter Leitung von Christian Drosten. Andere Forscher diskutierten die MERS Gain-of-Function-Forschung kürzlich auch im Zusammenhang mit einem möglichen Laborursprung von SARS-CoV-2. Drosten selbst bestreitet, gefährliche Forschung durchzuführen.

Wiesendanger sieht in der Gain-of-Function-Forschung mit pandemiefähigen Erregern eine „Verletzung der internationalen Biowaffenkonvention“. Diese Arbeiten dürften „nicht länger als reine Grundlagenforschung“ angesehen werden. „Jeder, der diese Forschung weiter betreibt, macht sich schuldig“, sagte er. Wiesendanger verdeutlichte im Gespräch, dass diese Forschung nicht erst seit der Corona-Krise problematisch sei. Bereits 2011 habe es einen „Aufschrei“ in der Wissenschaft gegeben, weil im Labor die Übertragbarkeit von Vogelgrippeerregern auf Säugetiere – und somit potentiell auch auf den Menschen – demonstriert worden sei. Ein sich anschließendes Moratorium sei vom damaligen US-Regierungsberater Anthony Fauci torpediert worden. Er habe die Forschung in andere Länder ausgelagert – etwa nach China, Georgien und in die Ukraine.

Fauci sei darüber hinaus verantwortlich für „hochproblematische Experimente mit Ebola-Viren in Westafrika“. Der Ausbruch im Jahr 2014 sei „mit ganz, ganz großer Wahrscheinlichkeit auch nicht natürlichen Ursprungs“, sondern durch „Missmanagement in einem Biolabor“ entstanden, das unter US-amerikanischer Aufsicht gestanden habe, sagte Wiesendanger. Es sei auffällig, dass seit mindestens 25 Jahren „immer wieder die gleichen Virologen“ in die „Vertuschung“ derartiger Ereignisse involviert seien. Mögliche Laborunfälle würden ohne ausreichende Untersuchung als Zoonosen deklariert.

Wiesendanger forderte eine „Bestandsaufnahme“ der weltweiten Labore. Allein in den USA sei von 60 Laboren die Rede. Auch im Virenlabor der chinesischen Metropole Wuhan werde weiter geforscht, obwohl bereits 2018 US-Diplomaten vor „nicht adäquaten Sicherheitsbedingungen“ gewarnt hätten. Wiesendanger machte darauf aufmerksam, dass das Labor in Wuhan auch mit Nipah-Viren arbeite, den „tödlichsten Viren überhaupt“. Da die Krankheit bei Infizierten mit einem gewissen Zeitverzug ausbreche, könne sich das Virus zugleich leicht verbreiten. Aus diesen Gründen stünde es auf der „Topliste der Biowaffenforschung“.

Auch in Deutschland werde gefährliche Forschung betrieben. Wiesendanger sei erst kürzlich von Bürgern aus dem hessischen Marburg kontaktiert worden. Dort wird an der örtlichen Philipps-Universität ein neues Hochsicherheitslabor (BSL4) gebaut. Die Bevölkerung werde kaum informiert und habe Probleme bei der Informationsbeschaffung, kritisierte der Hamburger Professor. Auch an der Charité, „mitten im Zentrum von Berlin“, finde unter der Leitung des Virologen Christian Drosten Gain-of-Function-Forschung mit MERS-Viren statt. Drosten habe „allein seit 2020 eine dreistellige Millionensumme bekommen für diese Forschung und für seine Aktivitäten an der Charité“.

Andere Wissenschaftler beunruhigt die Forschung an der Charité ebenfalls. Der US-Forscher Jim Haslam hatte Anfang des Jahres einen Gastbeitrag eines „besorgten, aber anonymen Wissenschaftlers“ auf seiner Seite veröffentlicht. Gegenstand der Besorgnis ist der Forschungsverbund RAPID (Risk Assessment in Pre-pandemic Respiratory Infectious Diseases), den Christian Drosten koordiniert. Eines der Forschungsprojekte habe sich zwischen 2017 und 2022 mit MERS-Gain-of-Function-Forschung und der „Erprobung von Pandemiepotenzialen“ beschäftigt. Ferner seien Forschungsarbeiten in Kooperation mit einer „Spezialeinheit für infektiöse Erreger“ („Special Infectious Agents Unit“) am King Fad Medical Research Center in Saudi-Arabien durchgeführt worden. Drosten wird noch heute auf der Seite dieser Spezialeinheit als Mitglied genannt. Die saudischen Biolabore seien „von unabhängiger Seite mit den international niedrigsten Werten für Biosicherheit und Dual-Use-Forschung beurteilt worden“.

Der Gastbeitrag wirft die Frage auf, ob diese Forschungsarbeiten in einem Zusammenhang zur Corona-Krise stehen könnten. Einzelne Bestandteile von SARS-CoV-2 – konkret handelt es sich um die Furinspaltstelle des Spikeproteins – seien aus der MERS-Gain-of-Function-Forschung bekannt und könnten Teil des „präpandemischen Rezepts für SARS-CoV-2“ gewesen sein. Die Annahme stützt sich auf eine wissenschaftliche Arbeit (peer-reviewed) von Andreas Lisewski, Hochschullehrer und Forscher im Bereich Bioinformatik an der privaten Constructor University in Bremen (Dezember 2024). Lisewski identifizierte eine seit 2017 bekannte MERS-Furinspaltstelle als „präzise molekulare Blaupause für SARS-CoV-2“.

Auf Nachfrage von Multipolar teilte Christian Drosten mit, er führe keine Gain-of-Function-Forschung durch, insofern damit Arbeiten gemeint seien, „die die krankmachende Wirkung oder die Übertragbarkeit von Krankheitserregern gezielt erhöhen“. Zur Zusammenarbeit mit den Forschern aus Saudi-Arabien schreibt Drosten, die Aufgabe der dortigen Partner sei die „Gewinnung von Proben“ gewesen, „die in unserem Labor weiter analysiert wurden“. Ihm sei nicht bekannt, dass die saudische Gruppe Gain-of-Function-Forschung im beschriebenen, gefährlichen Sinne durchführe. Das betreffende Forschungsprojekt sei abgeschlossen. Er sei kein Mitglied der dortigen Universität und unterliege auch keinem sonstigen vertraglichen oder nicht-vertraglichen Verhältnis. Die wissenschaftliche Arbeit von Lisewski enthalte aus Drostens Sicht eine „interessante Hypothese“, jedoch „keinerlei Beleg für einen nichtnatürlichen Ursprung“ von SARS-CoV-2.


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