Europarat zeichnet unvollständiges Bild bedrohter Pressefreiheit in Europa

Fokus auf Berichterstattung zum Ukrainekrieg / Einschränkung oppositioneller Medien in Deutschland nicht thematisiert / Bericht stammt von regierungsfinanzierten Organisationen

7. März 2025
Straßburg.
(multipolar)

Der Europarat hat die „Risiken“ bei der Berichterstattung zum Ukraine-Krieg als das „drängendste Problem“ für die Sicherheit von Journalisten in Europa bezeichnet. Einer Pressemitteilung vom 5. März zufolge stützt sich diese Bewertung auf den jährlichen Bericht der Partnerorganisationen der „Safety of Journalists Platform“. Die Plattform beruht auf einer Kooperation von Europarat und einem Netzwerk verschiedener journalistischer Organisationen. Eine politische Einflussnahme auf die Meinungs- und Pressefreiheit durch die EU und ihre Mitgliedsländer selbst, wie sie etwa US-Vizepräsident J.D. Vance in seiner Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz beklagte, thematisiert der Bericht ebenso wenig wie Einschränkungen oppositioneller Medien im EU-Mitgliedsland Deutschland.

Unter dem Titel „2024: Politischem Druck, Desinformation und der Erosion der Unabhängigkeit der Medien entgegentreten“ konstatiert der Bericht eine „länderübergreifende Unterdrückung von Journalisten“, die insbesondere aus Russland und Weißrussland zu beobachten sei. So habe Russland in den besetzten Gebieten der Ukraine „konsequent“ den völkerrechtlich garantierten Schutz von Journalisten missachtet und mindestens 28 ukrainische Journalisten inhaftiert. Nahezu alle Fälle verwundeter oder getöteter Journalisten seien russischem Beschuss zuzurechnen. Im eigenen Land unterdrücke Russland unabhängigen Journalismus durch „Kriegszensur“ und „drakonische Gesetze, die Kritik an den staatlichen Behörden unter Strafe stellen“. In der Ukraine seien Journalisten mit „Herausforderungen“ wie staatlicher Zensur und Einflussnahme auf den Rundfunk konfrontiert, heißt es im Bericht. Unabhängige Sender würden vom Präsidialamt in Kiew unter Druck gesetzt, investigative Journalisten eingeschüchtert und mit hohen Haftstrafen bedroht.

Keine Erwähnung finden hingegen Sanktionen und Bedrohungen gegen oppositionelle Medien in EU-Staaten wie Deutschland. Darunter fallen etwa Kündigungen von Bankkonten, wie sie sich zuletzt im Falle des Radiosenders „Kontrafunk“ ereigneten oder auch Interventionen der Landesmedienanstalten, in deren Fokus nach Multipolar unter anderen kürzlich auch das Online-Medium des Journalisten Alexander Wallasch geriet.

Ein EU-Sprecher erklärte auf Multipolar-Anfrage nach den Gründen für diese Auslassungen: „Es ist nicht Sache des Rates, sich zu länderspezifischen Fragen zu äußern, die Sie mit Ihrer Anfrage aufwerfen.“ Allerdings enthält der Bericht ein Kapitel unter dem Titel „Länder im Fokus“, in welchem er sich gezielt mit der Lage in Georgien, Italien und der Slowakei befasst. Die Europäische Kommission werde sich voraussichtlich im Oktober oder November 2025 gezielt mit der „Rechtslage“ in Deutschland beschäftigen, erklärte der Sprecher weiter. Von den Organisationen „Safety for Journalists Platform“ und „Reporter ohne Grenzen“ erhielt Multipolar keine Antwort.

Dem Bericht vorangestellt sind eine Reihe von Empfehlungen an Rat und Kommission, um „ein sichereres und angenehmeres Umfeld für den Journalismus zu schaffen und die Pressefreiheit und die Demokratie zu stärken.“ Darunter findet sich die Ahndung von Verstößen gegen das Europäische Gesetz über die Medienfreiheit (EMFA), ebenso der Schutz vor staatlicher Überwachung von Journalisten und vor Missbrauch des Rechtsweges in Form strategischer Klagen zur Einschüchterung kritischer Berichterstatter („SLAPP“). Auch „Initiativen zur Bekämpfung von Desinformation“ werden erwähnt. Als Instrumente zur Umsetzung dieser Empfehlungen nennen die Autoren unter anderem den Digital Services Act (DSA) und das European Democracy Shield (EUDS), die ihrerseits – zumeist von konservativer Seite – als Bedrohung der Pressefreiheit kritisiert werden.

Unter den Organisationen, die den Bericht verantworten, finden sich mit der „Justice for Journalists Foundation“ und dem „Index on Censorship“ zum einen Organisationen, die ihren Fokus speziell auf Länder der ehemaligen Sowjetunion richten. Zum anderen sind Gruppierungen beteiligt, die Förderungen des „National Endowment for Democracy“ (NED) erhalten haben, darunter die „Reporter ohne Grenzen“ (RSF) sowie das „European Centre for Press and Media Freedom“ (ECPMF). Die Trump-Regierung hatte Mitte Februar wegen „Korruption“ die Geldmittel des NED eingefroren, die wegen ihrer mutmaßlichen Einflussnahme auf ausländische Regierungen in der Kritik steht. Einige der für den Bericht verantwortlichen Organisationen erhalten außerdem Geld von der EU und einzelnen Staaten – so wird etwa das „ECMPF“ eigenen Angaben zufolge unter anderem vom Deutschen Außenministerium finanziert, die Organisation „Free Press Unlimited“ wird (Stand: 2022) durch die dänische, die schwedische und die US-Regierung bezahlt.

Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring, der die Bedrohung oppositioneller Medien und anderer regierungskritischer Akteure dokumentiert, sagt auf Anfrage von Multipolar, der Bericht des Europarats enthalte zwar „viele richtige Analysen und unterstützenswerte Forderungen, wo es um den Schutz von Journalisten geht“. Die „völlig unkritischen Übernahme des Desinformationsbegriffs“, den auch die Regierungen der Nato-Staaten nutzten, „um die eigenen alternativen Publizisten und Medienorgane zu zensieren“ sowie die Empfehlung zur Kooperation mit „Netzwerken zur Überprüfung von Fakten“ legen Häring zufolge allerdings „ein besorgniserregendes Maß an parteilicher Vereinnahmung“ nahe. De facto bestimmten auf diese Weise letztlich Regierungen und diesen nahestehende Stiftungen, „was Wahrheit und was Desinformation ist“.


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