Baltische „Hardliner“ für EU-Kommission nominiert
26. November 2024Ursula von der Leyen (CDU) will zwei ausgewiesene Russland-Gegner aus baltischen Staaten in die Europäische Kommission berufen. In der ersten Novemberhälfte fanden vor den zuständigen Ausschüssen des EU-Parlaments die Anhörungen der designierten EU-Kommissare für von der Leyens zweite Amtszeit statt. Für das „Amt des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik“ hat der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs die ehemalige estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas vorgesehen. Den neu geschaffenen Posten des Kommissars für Verteidigung und Weltraum will die Kommissionspräsidentin mit dem ehemaligen litauischen Ministerpräsidenten Andrius Kubilius besetzen. Die Bestätigung der gesamten EU-Kommission durch das EU-Parlament ist für die letzte Novemberwoche geplant.
Bei der Anhörung vor dem außenpolitischen Ausschuss sagte Kallas, sie wolle die geopolitische Position der EU stärken. Dafür sei auch die weitere Aufnahme von Nachbarländern inklusive der Ukraine wichtig. Die designierte Chefdiplomatin sieht die „Priorität“ der EU in einem „Sieg“ der Ukraine gegen Russland. Sie erklärte, „dass Russland, der Iran, Nordkorea und – eher im Verborgenen – China die regelbasierte Weltordnung verändern wollen“. Die EU müsse im transatlantischen Bündnis „mehr in Verteidigung investieren und mehr Verantwortung übernehmen“. China werde zunehmend zu einem „Konkurrenten und systemischen Rivalen“. Die Abhängigkeit von China in Schlüsselsektoren mache die EU verletzbar. „Wir müssen das Risiko reduzieren“, sagte Kallas. Darüber hinaus forderte sie, China müsse den Preis für seine Unterstützung des russischen Krieges „zu spüren“ bekommen.
Ein Kommentar in der Wochenzeitung „Der Freitag“ bezeichnet Kallas als „Lieblingseuropäerin amerikanischer Hardliner“. Der österreichische Wirtschaftshistoriker Hannes Hofbauer sieht in der „Inthronisierung von Kaja Kallas als wichtigste außenpolitische Stimme der EU ihren unbedingten Willen, mit Moskau jeden Kontakt abzubrechen.“
Ihr designierter Kollege Kubilius sagte bei der Anhörung, er sei „nicht bereit, Frieden zu Putins Bedingungen zu schließen“. Laut Pressemeldung des EU-Parlaments fordert der Litauer eine eigene „europäische Verteidigungsunion“, die auch den Weltraum einbezieht. Die gemeinsame Beschaffung soll seiner Vorstellung nach das „gesamte Spektrum europäischer Verteidigungsfähigkeiten“ umfassen. „Um Putin davon zu überzeugen, keinen weiteren militärischen Feldzug gegen die EU-Mitgliedstaaten zu starten, müssen wir zeigen, dass wir in der Lage sind, uns selbst zu verteidigen“, betonte Kubilius. Er verwies auf Geheimdienstsimulationen, wonach „russische Truppen im Jahr 2028 Deutschland innerhalb von 10 Tagen besetzen“ könnten, wenn es keine NATO-Unterstützung gebe und die Rüstungsausgaben auf dem jetzigen Niveau blieben. Neben dem von der EU vorgeschlagenen 500-Milliarden-Euro-Luftverteidigungsschild brauche die EU ein elektronisches Grenzschutzschild an der nordöstlichen Grenze, das ebenfalls Milliarden kosten werde. Seine Grundhaltung fasste er in die Worte: „Wenn du Frieden willst, bereite dich auf Krieg vor.“ Er sehe sich als „Kommissar für Frieden“.
Der linke belgische Europaabgeordnete Marc Botenga kritisierte bei der Anhörung die Schaffung eines „Kommissars für Militarisierung“. Kubilius wolle „hunderte Milliarden aus den öffentlichen Kassen zur Rüstungsindustrie transferieren, bezeichnet sich aber als ‚Friedenskommissar‘“, kritisierte Botenga. Der neuen EU-Kommission warf er vor, „die sozialen Rechte und öffentlichen Dienstleistungen angreifen“ zu wollen, aber die Profite der Aktionäre aus dem Rüstungssektor subventionieren. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, David McAllister, der das Hearing leitete, ließ eine Multipolar-Anfrage zu den Vorhaben und programmatischen Schwerpunkten von Kallas und Kubilius unbeantwortet.
Die Personalentscheidungen reihen sich in weitere Entwicklungen zur zunehmenden Militarisierung der EU-Politik ein. Der Journalist Eric Bonse berichtet, Kommissionspräsidentin von der Leyen plane laut einem Leak vertragswidrig „dutzende Milliarden aus dem EU-Budget für Regionalpolitik und Kohäson für Rüstung und Verteidigung umzuwidmen“. Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit SSZ von EU-Staaten im Verteidigungsbereich soll die Ukraine integrieren und Gelder aus dem künftigen EU-Verteidigungsindustrieprogramm (EDIP) nutzen können. Stefano Cont von der Europäischen Verteidigungsagentur EDA sagte, ein Schwerpunkt der zukünftigen Aktivitäten liegt bei der „integrierten Raketenabwehr“. Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Polens, Italiens, Spaniens und Großbritanniens erklärten zudem, höhere Rüstungsausgaben als die bisher anvisierten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzupeilen.
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