Baerbock: Unterstützung der Ukraine zu Lasten deutscher Sozialleistungen
13. November 2024Zum ersten Mal hat ein Mitglied der aktuellen Bundesregierung öffentlich eingeräumt, dass die finanzielle Unterstützung der Ukraine zur Kürzung staatlicher Leistungen für deutsche Bürger etwa in den Bereichen Bildung und Soziales geführt hat. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte einen Tag nach dem Ende der Ampelkoalition in der ARD-Sendung „Maischberger“ (7. November), für die bisherigen deutschen Zahlungen an Kiew in Höhe von 37 Milliarden Euro mussten Leistungen in „anderen Bereichen abgeschnitten“ werden. Explizit nannte sie Sozialleistungen wie die Finanzierung frühkindlicher Bildung in der Kita und Schule sowie Investitionen bei der Deutschen Bahn. „Das waren schmerzhafte Entscheidungen für uns.“
Entgegen Baerbocks Aussagen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seiner Rede zur Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) am 6. November gesagt: „Ich bin nicht bereit, unsere Unterstützung für die Ukraine und Investitionen in unsere Verteidigung zulasten des sozialen Zusammenhalts zu finanzieren.“ Es dürfe nicht der Gegensatz aufgestellt werden, entweder die Ukraine zu unterstützen oder in Deutschlands Zukunft zu investieren. Dies gegeneinander zu stellen sei „falsch und gefährlich“. Scholz kündigte in der Rede sogar die Erhöhung der deutschen Ukraine-Zahlungen an.
Bereits auf dem SPD-Parteitag im Dezember 2023 hatte der Kanzler erklärt, mit ihm werde es keine Kürzungen bei den Sozialausgaben geben. Zudem hatte er das Aussetzen der Schuldenbremse im Jahr 2024 angekündigt. Wenige Tage nach Baerbocks Aussagen bekräftigte Scholz in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ (10. November) erneut, dass Kürzungen bei Renten und beim Geld für Kommunen mit ihm nicht zu machen seien.
Im Bundeshaushalt für 2024 und 2025 finden sich insbesondere Kürzungen beim Bundesministerium für Gesundheit, beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie beim Auswärtigen Amt. Auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft muss für 2025 eine Etatkürzung hinnehmen. Allerdings entsprechen diese Reduzierungen in Summe bei weitem nicht den 37 Milliarden Euro, welche der Bund der Ukraine Baerbock zufolge zur Verfügung gestellt hat.
Die Außenministerin erklärte zudem im Interview mit Sandra Maischberger, die Ampelkoalition sei zerbrochen, weil Finanzminister Lindner bei einem möglichen Ende der Ukraine-Unterstützung der USA sich gegen eine Neuverschuldung gestellt habe und weiter im sozialen Bereich streichen wollte. „Das wäre auch der größte Gewinn von Putin gewesen, dass man den Frieden gegen die soziale Sicherheit gestellt hätte“, sagte Baerbock. Als Grund für die schwierige ökonomische Situation, in der sich Deutschland befindet, führte sie an, Russlands Präsident Wladimir Putin habe es darauf angelegt, „den Frieden in Europa gegen den Zusammenhalt in unseren Gesellschaften zu stellen“. Das könne man „in allen Medien lesen“. Im August 2022 hatte Baerbock im Hinblick auf mögliche Proteste deutscher Bürger wegen hoher Energiepreise infolge deutscher Russland-Sanktionen gesagt: „Wenn ich den Menschen in der Ukraine das Versprechen gebe: ‚Wir stehen an eurer Seite, solange ihr uns braucht‘, dann will ich es einhalten. Egal, was meine deutschen Wähler denken.“
Baerbock hofft, dass sich SPD, Grüne und Union noch vor der Neuwahl des Bundestages Ende Februar 2025 über die Aufnahme neuer Kredite einigen können, um sowohl die „europäische Sicherheit“ als auch die soziale Sicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Ähnliche Abstimmungen mit der Opposition haben beim „Sondervermögen“ der Bundeswehr, „schon einmal geklappt“, betonte sie.
Auch ihr Parteikollege Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat noch vor den Neuwahlen ein weiteres „Sondervermögen“ für die Bundeswehr gefordert. Er befürchtet, dass nach den Wahlen die Oppositionsparteien AfD und BSW gemeinsam über eine Sperrminorität im Bundestag verfügen könnten, um eine solche Ausnahme von der im Grundgesetz festgelegten Schuldenbremse zu verhindern. Ob eine derartige „Kriegsanleihe“, wie die Berliner Zeitung dies im Sommer bezeichnete, verfassungskonform wäre, ist nach Informationen der Zeitung jedoch zweifelhaft. So würde der Krieg in der Ukraine nach Aussagen des Ökonoms Jens Südekum nur dann eine Notsituation für Deutschland darstellen, wenn Donald Trump als US-Präsident den Austritt aus der NATO erklärt.
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