Venezuelas Präsident Nicolás Maduro | Bild: picture alliance / REUTERS | Leonardo Fernandez Viloria

Venezuela: „Überflüssiges Volk“?

Trotz Krisen hält sich Präsident Maduro im Amt. Wenige Länder haben sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Weise wie Venezuela dem Zugriff der USA entzogen und gleichzeitig versucht, die Gesellschaft auf neue Weise zu organisieren. Die Probleme dort hängen auf paradoxe Weise mit dem Erdölreichtum zusammen. Die besondere Beziehung der Ärmsten zum ehemaligen Präsidenten Chávez sowie der Aufbau von Strukturen der Selbstorganisation sind bis heute wesentlich. Was lehrt das Beispiel Venezuela?

HELGE BUTTKEREIT, 27. Januar 2025, 3 Kommentare, PDF

Venezuela ist das Land mit den größten Ölvorkommen weltweit. Es hat mehr Reserven als Saudi Arabien, Kanada, der Iran oder der Irak. Im Vergleich mit den USA sind es gar sechsmal mehr Ölreserven. Der Bezug zu den Vereinigten Staaten ist wichtig, haben sich die USA doch jahrzehntelang den Zugriff auf das venezolanische Öl gesichert. Bis Hugo Chávez kam. Wer die Geschichte Venezuelas seit Beginn seiner Präsidentschaft und der „Bolivarischen Revolution“ (1) vor gut 25 Jahren bis zu Chávez Tod 2013 sowie generell der vergangenen 100 Jahre verstehen will, der kommt um diese Tatsache nicht umhin. Das Öl dominiert Venezuela. Mit den Öleinnahmen konnte das Land unter der Führung von Chávez seine Sozialprogramme finanzieren. Es wurden neue regionale Bündnisse geschlossen – unter Umgehung der USA.

Das Öl bestimmt Venezuelas Gesellschaftsstruktur und sein politisches System. Da das Land im vergangenen Vierteljahrhundert versucht hat, sich seiner eigenen Ressourcen zu bedienen, ist die Betrachtung der dortigen Veränderungen spannend. Wenige andere Länder haben sich in der Weise wie Venezuela in den vergangenen Jahrzehnten dem Zugriff des Imperiums entzogen und dabei gleichzeitig versucht, die Gesellschaft auf neue Weise zu organisieren. Dagegen stellen die USA ihre Blockadepolitik. Sie ist ein Hauptgrund für den Absturz des Landes in den vergangenen zehn Jahren, die massiven Migrationsbewegungen in die Nachbarländer und die Wiederkehr der Armut. Die Blockade ist aber bei weitem nicht der einzige Grund für die Misere, für die die Vertreter der Kapitalfraktion gerne den „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ verantwortlich machen. Sozialismus funktioniere eben nicht.

Diese Aussage ist zu pauschal um wahr zu sein. Sie betrachtet nicht die Wirklichkeit in Venezuela, für dessen Niedergang neben der Blockade und dem Fall des Ölpreises selbstverständlich auch Fehler der Regierung verantwortlich sind. Eine gute Übersicht über Geschichte und Gegenwart bietet das neue Buch von Tobias Lambert. (2) Der Politikwissenschaftler und Lateinamerika-Experte liefert eine kenntnisreiche und gut lesbare Übersicht über die Entwicklung der vergangenen 25 Jahre nebst Vorgeschichte.

Lamberts Buch und die akribisch zusammengetragenen Fakten bieten einen guten Anlass, noch einmal tiefer in Geschichte und Gegenwart einzusteigen und der Frage nachzugehen, ob die Utopie von Hugo Chávez gescheitert ist. Diese Frage steht als Titel über dem Buch, auf dessen Grundlage die folgenden Überlegungen angestellt werden. Dabei soll parallel ein Aspekt vertieft werden, der in den meisten Arbeiten zum Thema – sowohl im genannten aktuellen Buch wie in den eigenen, älteren Texten des Autors – nur am Rande vorkam: Das Fortwirken der traditionellen gesellschaftlichen Verhältnisse bis in die Gegenwart hinein. Es geht um die spezifische Sozialstruktur eines kolonialen Erdölstaates, oder, um es marxistisch auszudrücken, um die historische Produktionsweise und die Klassenverhältnisse. (3)

Notwendig für einen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ war aus Sicht von Hugo Chávez die Beteiligung des Volkes, insbesondere derer, die bis dahin am Rande der Gesellschaft in den Armenvierteln der Großstädte lebten. Der „protagonismo“ (Protagonismus) lag den Sozialprogrammen, den „misiones“ (Missionen) zugrunde. Sie verbesserten das Leben der Menschen und „dienten auch der politischen Bewusstseinsbildung und basierten häufig auf selbstorganisierten Prozessen, die von oben unterstützt wurden“ (S. 86).

Chávez Politik war direkte Folge der Unruhen Ende der 1980er Jahre, die wiederum ihre Basis in der verschärften neoliberalen Politik der Regierung hatten. Der Caracazo des Jahres 1989, ein Aufstand mit vielen Toten und Verletzten, mit Plünderungen und dem Einsatz der Armee gegen das Volk, war ein Fanal. Es zeigte, „dass die Regierung überhaupt keine Verbindung zur ärmeren Bevölkerungsmehrheit hatte, die bereits seit einem Jahrzehnt an Kaufkraft verloren hatte. Der Caracazo brachte die Bewohner der Barrios auf die politische Landkarte und setzte breite Politisierungs- und Organisierungsprozesse in Gang“ (S. 49). Das breite Volk organisierte sich, forderte seinen Anteil am Erdölreichtum und bildete die Basis für den Wahlsieg von Hugo Chávez zehn Jahre später.

Exkurs: Erdöl-Staat mit einem „überflüssigen Volk“

Erdöl spielte seit den 1920er Jahren die zentrale Rolle in Venezuelas Wirtschaft. Es hat die Landwirtschaft geradezu weggefegt und andere Wirtschaftszweige marginalisiert. Der Staat bekam eine bedeutende Rolle, er war für die Entwicklung der Gesellschaft und die Verteilung der Einnahmen zuständig, die nicht in die USA abflossen. Diese dominierten den Erdöl-Sektor. Die Produktion anderer Güter im Land lohnte sich nicht, sie wurde, so Stefan Peters in seinem 2019 erschienenen Buch über Venezuela als Erdölstaat, „notwendiges Übel, um an die Fleischtöpfe der Verteilung der Erdöleinnahmen zu gelangen“. (4) Ökonomischer Erfolg hing nicht von wirtschaftlichem Geschick ab, sondern vom Zugang zum Staat und der Beteiligung an den Renteneinnahmen.

In einem Staat, in dem sich weder industrielle Produktion noch Landwirtschaft lohnen, wurde und wird ein Großteil der Bevölkerung als Arbeitskraft nicht gebraucht. Der brasilianische Soziologe Darcy Ribeiro beschrieb in den 1970er Jahren die Sicht der US-Ölkonzerne und der einheimischen Oligarchen zu Beginn des Öl-Booms in den 1920er und 1930er Jahren: „Am besten wäre es gewesen, wenn man das ganze Volk aus Venezuela herausgeschafft hätte, damit nur einige Hunderttausende von Begüterten im Land verblieben wären und dort ein geregeltes Leben hätten führen können. Da dies nicht möglich war, blieb als einzige Alternative der Knüppel, der Kerker und der Terror, um inmitten des venezolanischen Elends den Reichtum der lukrativsten multinationalen Gesellschaften der Welt aufrechterhalten zu können.“ (5) Venezuela erlebte mehrere Diktaturen und später dann eine paktierte Demokratie, in der sich die Parteien abwechselten und das Volk nichts zu sagen hatte.

Die Grundstruktur zwischen „überflüssigem Volk“ und Elite blieb letztlich bestehen. Sie bildet die Grundlage für die Proteste, die 1989 im Caracazo gipfelten und für die spätere Wahl von Chávez. Auf der einen Seite standen die Oligarchie, verbunden mit dem Staat und privilegierte Arbeiter im Ölsektor, auf der anderen das „überflüssige Volk“. Die Grundstruktur dieses Verhältnisses kann bis in die Zeit der europäischen Eroberung zurückverfolgt werden, was in ganz groben Zügen auf Basis der Darstellung von Darcy Ribeiro skizziert werden soll: Die Spanier unterwarfen im 16. Jahrhundert die lokalen Kulturen, ersetzten den alten indigenen Adel und ließen das einfache Volk, die Bauern und Handwerker, für sich arbeiten. Bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts waren die Indigenen dekulturiert. Mestizen, so heißen die Nachkommen von indigenen Frauen und Spaniern, überflügelten die Ureinwohner an der Zahl, später kamen noch die afrikanischen Sklaven ins Land. Gemeinsam bildeten die neuen Ethnien die Mehrheit im Land. Auf der einen Seite standen diejenigen mit der hellsten Hautfarbe, die Spitze der Regierung und der Kirche in der Kolonie. An ihrer Seite standen die Kreolen, im Land geborene Nachfahren der Spanier. Auf der anderen Seite fand sich die übrige Bevölkerung wieder, die „Mischlinge“, die die schwere Arbeit in den Bergwerken oder auf dem Land verrichteten,teilweise als Sklaven.

Den Kampf um Unabhängigkeit fochten im 19. Jahrhundert Spanier und Kreolen aus, die das Volk mobilisierten. Insbesondere Simon Bolívar hatte der Unabhängigkeitskampf der Sklaven auf Haiti beeindruckt, er selbst ließ seine Sklaven frei. Auf Bolívar und den freiheitlichen Aspekt seines Kampfes stützte sich auch Chávez. Nach der Unabhängigkeit übernahmen die siegreichen Kreolen das koloniale Herrschafts- und Ausbeutungssystem, die arbeitenden Massen wurden weiter unterdrückt – sie bekamen nur neue Herren. Die Oligarchie lebte weiterhin vom Großgrundbesitz und von der Sklaverei, nahm sich, was sie haben wollte und besetzte auch die Ländereien, die im Unabhängigkeitskampf dem Volk versprochen worden waren. Dabei entstand in Venezuela neben der Oligarchie keine Bourgeosie, die einen neuen Staat aufbauen konnte. Das Land blieb über Jahrzehnte unter der Herrschaft verschiedener Caudillos, also charismatischer, autoritärer Anführer, oder Militärdiktaturen, die das einfache Volk mit Gewalt unterdrückten. (6)

Als das Erdöl zum alles entscheidenden Wirtschafts- und Exportfaktor wurde, bestand dieses Verhältnis fort. Nur war die Masse der Menschen nunmehr kaum noch notwendig für die Landwirtschaft. Die Marginalisierten verarmten und wanderten in die Städte ab in der Hoffnung, dort einen kleinen Teil der Ölrente zu bekommen. Ribeiro spricht von einer „außengeleiteten Wirtschaft“ Venezuelas und einer Gesellschaft, die „durch eine die soziale Ungleichheit fördernde und volksfeindliche Sozialstruktur gekennzeichnet“ gewesen sei, „die ursprünglich den Interessen der Oligarchie entgegenkam und nur geändert wurde, um die externe Ausbeutung zu ermöglichen und zu erleichtern“. Das Volk spielte keine Rolle, es mussten künstliche Verteilungsmechanismen erfunden werden, damit es irgendwie beschäftigt wurde. Und schon in den 1970er Jahren sah Ribeiro mit Blick auf die Marginalisierten voraus: „Ohne Zweifel werden sie eines Tages politisch heranreifen und eine gesellschaftliche Reform erzwingen, die ihnen auch einen Platz an der Sonne garantiert.“

Ende des 20. Jahrhunderts kam es dazu und zwar auf Basis des „Erdölkonsenses“, der sich laut Tobias Lambert (S. 26) unter anderem in der Vorstellung von einem „Recht“ auf billiges Benzin, niedrige Steuern und wirtschaftlichen Fortschritt zeigte. Venezuela war und ist ein Verteilungsstaat, der die Bürger in „permanenter Unmündigkeit“ hielt und hält. (7) Das hat auch Folgen für das allgemeine vorherrschende Bewusstsein im Land, schließlich bestimmt, Marx‘ Aussage kann man hier bestätigt sehen, das Sein das Bewusstsein. Lambert spricht auch von einer „Art Rentenmentalität“ im Land und ist dabei nicht der einzige. Stefan Peters beispielsweise sieht „tief verankerte rentengesellschaftliche Traditionen und Mentalitäten in der Bevölkerung“. (8)

Verbunden mit dem Wissen über die Genese des „überflüssigen Volks“, das aufgrund der spezifischen Lage des Erdölstaates keine Produktionserfahrung hat, ist die Grundforderung nach dem „Platz an der Sonne“ vor allem eine nach einer gerechteren Reichtumsverteilung. Sowohl mit dieser gewachsenen Gesellschaftsstruktur, den tradierten Herrschaftsverhältnissen sowie mit der in allen Kreisen weit verbreiteten Rentenmentalität mussten alle Regierungen, auch die von Chávez ab 1999, fertig werden.

Die „Überflüssigen“ begehren auf

Hugo Chávez hatte bereits in den 1980er Jahren eine klandestine bolivarische Bewegung im Militär aufgebaut, mit der er sich auf den „Befreier“ Südamerikas Simon Bolívar bezog. Ziel war eine breite zivil-militärische Bewegung, die nach einem gescheiterten Putschversuch 1992 und einem folgenden Gefängnisaufenthalt von Chávez dann Grundlage für den siegreichen Wahlkampf, die Präsidentschaft und den folgenden Aufbruch wurde. „Die politischen Vorstellungen zielen auf den Protagonismus der marginalisierten Bevölkerung, mehr Partizipation, direkte Demokratieformen wie Referenden sowie lokale Formen der Selbstverwaltung“ ( S. 61). Diese Grundlagen der späteren Regierungspolitik formulierte Chávez laut Tobias Lambert bereits im erfolgreichen Wahlkampf.

Bereits zu Beginn seiner Präsidentschaft sei Chávez vorgeworfen worden, er habe durch aggressive Freund-Feind-Rhetorik das Land polarisiert. „Doch vor allem bekam die gesellschaftlich ohnehin bestehende Polarisierung durch ihn ein Gesicht, die Unterprivilegierten erhielten ein Sprachrohr und politisierten sich zunehmend“, schreibt Lambert und verweist auf die besondere Beziehung des Präsidenten zu den Unterschichten, dem einfachen Volk. Das hängt auch damit zusammen, dass Chávez schon rein äußerlich zu ihnen gehörte. Er war „Mestize“ und damit Teil von ihnen.

Wichtigste Forderung der neuen Regierung wurde eine neue Verfassung, die in der Folge durch mehrere Volksabstimmungen sowie durch direkte Konsultationen erstellt wurde. Sie enthielt „sowohl eine Stärkung des Präsidenten als auch einen Ausbau von Partizipationsmöglichkeiten“ (S. 72). Ziel war laut Präambel der Aufbau einer „demokratischen, partizipatorischen und protagonistischen“ Gesellschaft (S. 73).

Von Anfang an arbeitete die Opposition gegen die neue Regierung, die beispielsweise im Zuge ihrer neuen Erdölpolitik die „traditionelle Meritokratie“ im staatlichen Ölkonzern missachtete (S. 76). Mit maßgeblicher Unterstützung der USA versuchten die alten Eliten, im April 2002 den Präsidenten aus dem Amt zu drängen. Chávez wurde verschleppt aber die Putschisten unterschätzten die Mobilisierungsfähigkeit der ärmeren Bevölkerung und der mit Chávez loyalen Militärs. „Die Ereignisse gelten innerhalb des Chavismus bis heute als Ausdruck einer gewachsenen ,zivil-militärischen Allianz‘. Ohne die Massenmobilisierung wäre die Umkehr des Putsches nicht möglich gewesen, ohne das Militär jedoch auch nicht“ (S. 80). Chávez überstand auch den Versuch, die Erdölindustrie lahmzulegen und seine Regierung übernahm 2003 endgültig die Kontrolle über den staatlichen Konzern. Die Regierung und mit ihr die „Überflüssigen“ hatten nun Zugriff auf das Öl.

Spannungsverhältnis zwischen Regierung und lokaler Selbstorganisation

Der Chavismus hatte sich konsolidiert und setzte nun verstärkt die Sozialprogramme um, wobei insbesondere in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Lebensmittelversorgung Erfolge erzielt werden konnten. „Die sozialen und wirtschaftlichen Reformen ab 2004 setzten auf mehr Partizipation, soziale Gerechtigkeit, alternative Wirtschaftskonzepte und außenpolitische Souveränität“ (S. 92). Die Sozialprogramme sorgten für Verbesserungen für die breite Masse und waren für die eigene Basis erfolgreich. Ökonomisch waren die Erfolge bescheiden. Kooperativen wurden gegründet und der Versuch unternommen, auch in den Betrieben neue Verhältnisse durch Mitbestimmung, Neugründung oder Betriebsübernahmen zu schaffen. All dies war kaum nachhaltig.

Das Erdöl dominierte weiter sowohl die Wirtschaft als auch das Bewusstsein der Menschen, von denen etwa 95 Prozent in den Städten leben. Im Rentenstaat verlief also der Versuch, eine eigene Wirtschaft aufzubauen und die Abhängigkeit von Importen zu verringern im Sande. Das zeigte sich in der Landwirtschaft, wo es „nicht einmal mehr ausreichend Bäuerinnen und Bauern [gab], um die Produktion auszuweiten“ (S. 96). Der Versuch, die Menschen zur Rückkehr auf das Land zu bewegen, gelang nicht. Auch hierzu dürfte das allgemein verbreitete Rentenbewusstsein das Seine beigetragen haben. Am Ende setzte der Staat auf große Farmen statt auf Kooperativen in Selbstorganisation.

International betrieb Venezuela eine Erdöldiplomatie, unterstützte linke Bewegungen und brachte Integrationsprojekte voran. Dabei versuchte Chávez, die internationalen Beziehungen im Sinne einer „multipolaren Welt“ und einer verstärkten „Süd-Süd-Kooperation“ zu diversifizieren. Venezuela entwickelte neue Bündnisse als Alternativen zur von den USA gewünschten Freihandelszone. Ziele waren Armutsbekämpfung und die Herstellung solidarischer Tauschbeziehungen. Die neuen Kooperationen, unter anderem mit Bolivien, Ecuador, Honduras, Nicaragua und Kuba, blieben aber abhängig vom venezolanischen Erdöl (S. 99).

Auf dem Weltsozialforum 2005 bekannte sich Chávez erstmals zum Sozialismus und setzte auf den Ausbau der „poder popular“, der „Volksmacht“ (bei Lambert mit „Basismacht“ übersetzt, vermutlich um den Volksbegriff zu vermeiden). Neben den „misiones“, die Selbstorganisation voraussetzten, waren und sind vor allem die „consejos comunales“ (kommunale Räte) und die „comunas“ (Kommunen) die Organisationsformen der Basis. Sie können vor Ort konkrete Projekte vorantreiben, die dann von der Zentralregierung finanziert werden.

Damit ist schon das zentrale Spannungsverhältnis beschrieben: Die Regierung förderte und finanzierte basisdemokratische Initiativen. Damit hätten die Bewegungen im Land kein Problem gehabt, schreibt Tobias Lambert, aber die Regierung sollte „die Prozesse unterstützen, nicht kontrollieren und bürokratisieren. Genau dies geschah aber in vielen Fällen“ (S. 202). So wurden und werden die kommunalen Räte immer wieder in die Mobilisierung für die verschiedensten Abstimmungen eingebunden. Und in der schweren Wirtschaftskrise des vergangenen Jahrzehnts spannte die Regierung die Basisorganisationen in die Verteilung von Lebensmitteln ein. „Sie machte sie somit tatsächlich zu einem Anhängsel des Staates, das nur ausführt, was von oben entschieden wird“ (S. 205).

Damit ist wieder das Muster erkennbar, was oben als zentrales Verhältnis in der venezolanischen Gesellschaft beschrieben wurde: Auf der einen Seite die Elite, auf der anderen Seite das einfache Volk, die Überflüssigen, die vor Ort eine Treppe im Armenviertel oder die Schule renovieren dürfen oder eben in der Krise Lebensmittel verteilen. Das widersprüchliche Verhältnis zwischen Selbstorganisation und hierarchischer Organisation von oben bestimmte auch von Anfang an die 2008 gegründete Regierungspartei, die sich im „Spannungsfeld zwischen Parteidisziplin und offener Formulierung von Kritik“ (S. 110) befand.

Wirtschaftskrise, Blockade und Opposition

Nach zehn Jahren im Amt war die Regierung Chávez um 2010 auf dem Höhepunkt ihrer Macht, verteilte freigiebig Konsumgüter an die Armen (und auch die Reichen), die Versorgung verbesserte sich stetig und gleichzeitig stieg die Inflation. Die scheinbar unbegrenzten Geldmittel durch den Erdölboom wurden für Infrastrukturprojekte und einen hemmungslosen Konsum finanziert, der Wechselkurs zum US-Dollar wurde künstlich niedrig gehalten, wodurch Importe das Land fluteten. Das wiederum machte den Aufbau einer eigenen Wirtschaft fast unmöglich, gleichzeitig förderte die Devisenschwemme Korruption und Missmanagement (S. 128).

Das Devisensystem wurde zum Selbstbedienungsladen. Da der Wechselkurs zum Dollar festgeschrieben war, die Inflation aber immer weiter stieg, konnte mit Importen und Scheinimporten so viel Gewinn gemacht werden, dass sich Produktion vor Ort noch weniger lohnte. Während die Basis, die Marginalisierten, endlich konsumieren konnten und damit zumindest einen kleinen Teil des Reichtums abbekamen, entstand durch die Privilegien des Staates eine neue Elite, die Bolibourgeoise. Dies wirkt wie die Wiederkehr der traditionellen Gesellschaftsstruktur, von der eben schon in Bezug auf die lokalen Organisationsformen die Rede war.

Das ganze System war auf der einen Seite auf den Ölpreis angewiesen und auf der anderen Seite auf den charismatischen Anführer, der die Nation repräsentierte und letztlich die Rolle des klassischen Caudillo ausführte – auch wenn sich dieser intensiv mit einer neuen sozialistischen Gesellschaft, der Selbstermächtigung seiner Landsleute und dem Aufbau neuer internationaler Beziehungen beschäftigte.

Als Hugo Chávez im März 2013 starb und der Ölpreis einbrach – Ende 2014 lag dieser nur knapp über den Produktionskosten –, kam die Bolivarische Revolution ins Wanken. Die Opposition konsolidierte sich ab 2010, trat in diesem Jahr wieder zu den Parlamentswahlen an und erreichte einen Achtungserfolg von fast der Hälfte der Stimmen. Fünf Jahre später gewann sie gar die Mehrheit in der Nationalversammlung. Spätestens jetzt ergänzte die interne Blockade die externe durch die USA und ihre Verbündeten. Den Höhepunkt erreichte dies durch mehrere teilweise gewalttätige Aufstandsversuche und später die parallele „Präsidentschaft“ des Oppositionspolitikers Juan Guaidó, als 2019 die Opposition, aber auch viele Staaten des Westens, den Wahlsieg von Präsident Nicolás Maduro nicht anerkannten.

Das Sanktionsregime der USA hatte bereits unter Barack Obama begonnen. Er erklärte Venezuela 2015 zu einer „ungewöhnlichen und außerordentlichen Bedrohung für die nationale Sicherheit und die Außenpolitik der Vereinigten Staaten“. Erste Banken beendeten in der Folge die Zusammenarbeit, was steigende Kreditkosten bedeutete. Donald Trump begann dann 2017 eine Kampagne des „maximalen Druck“, die sich insbesondere gegen die Ölindustrie richtete. Zunächst wurden Finanzsanktionen gegen die staatliche Ölgesellschaft verhängt, 2019 folgte ein Exportembargo. Die Rohölproduktion ging zurück, das Bruttoinlandsprodukt sank zwischen 2014 und 2019 dramatisch um mehr als 65 Prozent.

Kraftstoffe wurden knapp – Venezuela ist auf den Import angewiesen – und ohne Diesel fehlte auch der Treibstoff für thermische Generatoren. Die Folge war eine Stromkrise. Außerdem wurden die Goldreserven Venezuelas zurückgehalten, dabei handelt es sich um die zweitgrößten weltweit. Darüber hinaus wurde das Bankensystem sanktioniert und der notwendige Kauf von Lebensmitteln und Medikamenten immer schwieriger. Das Center for Economic and Policy Research (Cepr) schätzte 2019, dass bereits zu diesem Zeitpunkt die Sanktionen für 40.000 Todesfälle verantwortlich waren und Hunderttausende chronisch Kranke gefährdeten. Auch die Sonderberichterstatterin der UNO kritisierte die Sanktionen, in deren Folge mehr als sieben Millionen Venezolaner auswanderten.

Statt der Regierung verfügte teilweise die Opposition unter Guiadó über einige der Staatseinnahmen, die in den USA generiert wurden. Er setzte sie aber für eigene Zwecke und nicht die notleidende Bevölkerung ein. Maduro behielt den Zugriff auf den Staatsapparat und insbesondere das Militär, sodass Guaidó und seine Unterstützer im Land selbst nie wirkliche Macht ausüben konnten. Die Strategie der USA und ihrer Verbündeten vor Ort bestand darin, einen Aufstand der Marginalisierten und des Militärs zu provozieren. Neben der Versorgungskrise gab es eine massive Energiekrise, wobei sich die Opposition durch ihre Unterstützung der Blockadepolitik in den Augen vieler Venezolaner selbst diskreditierte. Stabilitätsfaktor ist laut Tobias Lambert vor allem das Militär, das aus finanziellen und ideologischen Gründen hinter Maduro stehe und mittlerweile weitere Aufgaben im Erdöl-, Import- und Bergbausektor übernommen habe. „Das ermöglichte es dem Militär, sich einen Teil formeller und informeller Einnahmen einzuverleiben“ (S. 181).

Patt nach der Wahl 2024

Vor dem Hintergrund der andauernden Wirtschaftskrise, der Blockade durch die USA und die Opposition sollte schließlich Mitte 2024 die nächste Präsidentschaftswahl stattfinden. Zuvor hatten sich Vertreter der Regierung mit der Opposition auf ein Abkommen geeinigt, das transparente Wahlen ermöglichen sollte. Die USA setzten daraufhin die Sanktionen aus. Die Opposition hielt ihre eigenen Vorwahlen ab, die María Corina Machado gewann. Sie ist eine rechte Hardlinerin, die sich offen für eine US-Militärintervention ausgesprochen hatte und lange Zeit Straßenproteste der Teilnahme an Wahlen vorzog. Machado ist es juristisch untersagt, öffentliche Ämter zu bekleiden. Der Oberste Gerichtshof bestätigte ihr Antrittsverbot bei den Präsidentschaftswahlen und die USA setzten erste Sanktionen wieder ein.

Die Opposition trat schließlich mit dem Ex-Diplomaten Edmundo González Urrutia als Ersatzkandidaten an. Der ärmeren Bevölkerung hatte sie jenseits von neoliberaler Politik nicht viel anzubieten. Sie setzte darauf, „dass die Unzufriedenheit mit der Regierung und der Wunsch nach irgendeiner Art von Wandel längst bis in ursprünglich chavistische Kreise hineinreichten und die prekäre Lage der letzten Jahre die Angst vor einer rechten Machtübernahme in vielen Bereichen der Gesellschaft abgebaut hat“ (S. 215).

Zu solch einem Wandel kommt es (vorerst) nicht. Der Nationale Wahlrat erklärte Nicolás Maduro zum Wahlsieger, die Opposition aber auch die USA und die EU erkannten das Ergebnis wie schon vier Jahre zuvor nicht an. Der Unterschied zu früheren Wahlen: Der Wahlrat präsentierte keine detaillierten Ergebnisse, „der Regierung ist es nicht gelungen, die Plausibilität des Wahlergebnisses überzeugend darzulegen“, so Tobias Lambert (S. 219). Der Oberste Gerichtshof bestätigte den Wahlsieg, Gegenkandidat González verließ das Land, wird aber vom Europaparlament und den USA mittlerweile als legitimer Präsident anerkannt. Der linke Aktivist und frühere Minister der Kommunen, Reinaldo Iturriza, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es der Rechten nicht gelungen sei, eine tragfähige Beziehung zu den Unterschichten, den Marginalisierten aufzubauen.

So bleibt es bei der altbekannten Polarisierung: „Auf der einen Seite die von den USA unterstützte rechte Opposition, auf der anderen eine Regierung, die sich zwar weitgehend von ihrem einst linksgerichteten Kurs entfernt hat, jedoch nach wie vor die Kontrolle über sämtliche Institutionen sowie den Sicherheitsapparat ausübt“ (S. 218f.). Die Regierung wird dabei schon deshalb nicht freiwillig weichen, weil beispielsweise auf Präsident Maduro ein Kopfgeld von Seiten der USA ausgesetzt worden ist. Nach seiner Vereidigung im Januar ist dieses auf 25 Millionen Dollar erhöht worden. Auch auf internationaler Ebene ist derzeit keine Lösung in Sicht, im eigenen Land hat der Präsident sowohl das Militär als auch den wirtschaftsliberalen Flügel gestärkt.

Gescheiterte Utopie? Lehren der venezolanischen Erfahrung

Sein informatives Buch schließt Tobias Lambert mit den Worten: „Die chavistische Utopie scheint zumindest auf der Regierungsebene in Trümmern zu liegen. Verschwinden wird sie nicht. Doch die Linke wird die vergangenen Jahre aufarbeiten und sich neu organisieren müssen“ (S. 224). Auch wenn weiterhin einige Organisationen an der Basis existieren, ein Aktivist mittlerweile Minister für die Kommunen ist, so hat sich das alte Verhältnis zwischen Elite und Marginalisierten größtenteils wiederhergestellt, wobei es mittlerweile zwei Fraktionen der Elite (die alte „rechte“ und die neue „bolivarische“) gibt, und sich unter den Marginalisierten Unterstützer für beide Seiten finden. Der Protagonismus, den Chávez anstrebte und der weiterhin in der Verfassung steht, konnte sich aus vielfältigen Gründen nicht entfalten.

Darcy Ribeiro schrieb in den 1970er Jahren, die Menschen in Venezuela würden die Freiheit erst dann erlangen, „wenn sie den zivilisatorischen Prozess, dessen Produkt sie sind, fortsetzen, d.h., indem sie zu modernen Industrienationen werden und die Gesellschaft so verändern, dass das eigene Volk über die Geschicke der Nation bestimmt und die Verfügung über die Früchte der eigenen Arbeit bekommt.“ So lange aber die Nation gar keine Früchte eigener Arbeit produziert, abhängig ist vom Erdöl und dessen Preis sowie von Importen selbst der wichtigsten Grundnahrungsmittel, kann sie ihre Geschicke nicht in die Hand nehmen. Mit anderen Worten: Der Protagonismus erfordert die kritische Reflexion des Rentenbewusstseins und seine Überwindung. Das Volk muss lernen, tätig zu werden.

Hugo Chávez und viele seiner Berater haben Wert darauf gelegt, von den Erfahrungen des Ostblocks zu lernen und alte Fehler nicht zu wiederholen. (9) Ökonomisch bedeutete dies die Fortexistenz der alten kapitalistischen Strukturen, die Verstaatlichung des Ölsektors sowie, zumindest auf dem Papier, den Aufbau von Gemeinwirtschaft (Kooperativen) und Arbeiterselbstverwaltung. Die Selbstorganisation vor Ort (kommunale Räte, Kommunen) wurde flankiert von Wahlen auf allen Ebenen (Kommune, Bundesstaat, Staat). Damit gab sich die bolivarische Revolution eine Legitimation, die so lange schwer angreifbar war, wie die Wahlen nachvollziehbar und transparent abliefen. Gleichzeitig bedeutete dies, dass die Basis immer wieder kurzfristig für die Wahlkämpfe mobilisiert wurde und sich hinter die Regierung stellen musste, Kritik schon aufgrund der Sorge vor negativen Auswirkungen an der Wahlurne unterblieb oder bekämpft wurde. Langfristige Projekte hatten es schwer, sich zu entfalten und es fehlte offenbar an Strategien, mit dem Fortwirken tradierter Gesellschaftsstrukturen umzugehen.

Ist die verfahrene Situation in Venezuela also doch ein weiteres Beispiel dafür, dass der Sozialismus nicht funktioniert? Die Gegenfrage dazu ist in Kenntnis der Geschichte alles andere als Whataboutism: Hat denn der Kapitalismus in Venezuela funktioniert?

Über den Autor: Helge Buttkereit, Jahrgang 1976, hat sein Studium der Geschichte, Politikwissenschaft und Journalistik mit einer Arbeit zu „Zensur und Öffentlichkeit in Leipzig 1806-1813“ abgeschlossen. Nach journalistischen Tätigkeiten bei verschiedenen Medien und Buchveröffentlichungen über die Neue Linke in Lateinamerika arbeitet er aktuell in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Anmerkungen

(1) In der Literatur wird oftmals der Begriff „bolivarianisch“ genutzt. Das soll darstellen, dass es nicht eine Revolution von Simon Bolívar sondern Chávez im Geiste Bolívars agiert.

(2) Tobias Lambert, Gescheiterte Utopie? Venezuela ein Jahrzehnt nach Hugo Chávez, Mandelbaum Verlag, 238 Seiten, 23 Euro, alle Seitenzahlen im Text beziehen sich auf dieses Buch.

(3) Im Vorwort des Buches des Autors mit dem Titel „Utopische Realpolitik“ (2. Auflage 2011) wird diese Fehlstelle thematisiert und konstatiert, eine historisch bewusstlose Bewegung werde in einer Sackgasse enden. Für die Zeitschrift „Z. Marxistische Erneuerung“ entstand 2013 ein kurzer Text „zur Klassenfrage in Lateinamerika“, für den aber noch die Verbindung mit der konkreten historischen Realität fehlte. Diese ziehen die Arbeiten von Darcy Ribeiro mit ein, worauf der Autor erstmals 2021 hingewiesen hat, ohne es weiter auszuarbeiten.

(4) Stefan Peters, Sozialismus des 21. Jahrhunderts in Venezuela. Aufstieg und Fall der Bolivarischen Revolution von Hugo Chávez, Stuttgart 2019, weitere Überlegungen des Autors zum Rentenstaat in einer ausführlichen Rezension.

(5) Darcy Ribeiro, Amerika und die Zivilisation. Die Ursachen der ungleichen Entwicklung der amerikanischen Völker, Frankfurt am Main 1985, hier S. 375, die folgenden Ausführungen beruhen auf diesem Buch (S. 352ff.)

(6) Michael Zeuske, Caudillos, Máximo Líders und Comandantes, in: Hintergrund 4/2013, S. 77

(7) Andreas Boeckh, Erdölrente, Politik und Entwicklung, in: Ders., Friedrich Welsch, Nikolaus Werz, Venezuela heute. Politik, Wirtschaft, Kultur, Frankfurt am Main 2011, S. 412

(8) Peters, Sozialismus des 21. Jahrhundert, S. 184

(9) Vgl. z.B. den Abschnitt „Protagonistischer Sozialismus“ in Helge Buttkereit: „Wir haben keine Angst mehr“. Interviews, Reportagen und Analysen zum bolivarischen Venezuela, Bonn 2011, S. 127ff.

AXEL MARXEN, 27. Januar 2025, 21:30 UHR

Ein super interessanter Artikel. Endlich habe ich zumindest einen kleinen Einblick gewonnen. Danke

SE, 30. Januar 2025, 00:30 UHR

Tatsächlich einer von sehr sehr (sehr) wenigen lesbaren Artikeln zu Venezuela.

Drei wirklich wichtige Dinge fehlen:

(1) Nicht nur US-Sanktionen erwürgen das Land und haben die richtig genannten über 40.000 Toten praktisch mittelbar bewirkt, EU-Sanktionen gehören genauso dazu! Auch in unserem Namen wurde das gemacht. Es gibt seit 2017 ein "Waffen Embargo" tituliertes Dokument, welches tatsächlich nicht nur Zahlungen für Waffen, sondern praktisch ALLE Zahlungen im EU-Clearingsystem "einfriert" (raubt), so sie aus Venezuela kommen. Das Land kann somit auch aus der EU weder Medikamente noch sonstigen Krankenhausbedarf noch irgendetwas importieren, nicht einmal, wenn im Voraus und mit EUR gezahlt wird.

Das schließt auch die Bezahlung der Staatsschulden ein, wodurch am internationalen Finanzmarkt Venezuela in eine sog. technischen Default genötigt wurde. Wie bei Raubrittern im Mittelalter: das Geld wird auf dem Weg geklaut, kommt also beim Empfänger nicht an, also betrachtet der Empfänger den Sender als zahlungsunfähig.

(2) Der Gerichtshof in Den Haag hat weder Lust noch sieht er Grund, Venezuelas Klagen bezgl. dieses Wirtschaftskrieges mit zehntausenden Toten zu bearbeiten.

(3) Chavez Ableben: es fällt schwer zu glauben, dass hier ausschließlich Natur beteiligt war. Zu der Zeit war auch argumentierbar, dass er sehr großen Erfolg haben wird und das Land wirklich befreit bekommt, die Oligarchen rausgeworfen, also wenigstens diesen Teil von Bolivars Traum umgesetzt bekommt - das wäre sehr historisch geworden. "Seit Kolumbus historisch". Mindestens unser Falschbild von Kolumbus dem Entdecker hätte ins Grab gemusst und sämtliche damit verbundenen Realitäten. Wer King und Kennedy und Lennon denkt, ahnt richtig. Beweise? Nein. Alles wieder mal reiner Zufall zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

CETZER, 30. Januar 2025, 15:35 UHR

"Rentenmentalität" (...) "das allgemein verbreitete Rentenbewusstsein" ...

Mit solchen Anwürfen sollten 'wir' aber sehr vorsichtig sein, sonst rotiert der Balken in 'unserem' Auge wie vom Wankelmotor angetrieben. Aus dem Blickwinkel der Energie betrachtet, verfrühstücken 'wir' fröhlich die in vielen Millionen akkumulierte Fossil-Energie - und da kommt nichts (1) nach! Außer natürlich die diversen Fortschritts-Illusionen: Kernfusion, Wasserstoff mit/ohne Algen... Bei dieser Problematik sollte man nicht zu kurzsichtig nur auf den (Zappel-)Strom schauen, Diesel+Benzin sind nach wie vor die Energiequelle schlechthin für Transport und Landwirtschaft (2).

Übrigens wird 'unsere Fossil-Rente' netto immer weniger wert, weil immer mehr in die Erzeugung gesteckt werden muss (EROI): Weiter rausfahren, tiefer bohren, vorm Bohren Grundwasser versauen (Fracking) und andere auch ökologische Sauereien (Nigeria...).

(1) Jedenfalls in absehbarer Zeit; selbst (seröse ?) Vertreter der abiotischen Erdöl-Entstehungs-Theorie sehen diese nur als Ergänzung zur konventionellen Erklärung, nicht als Game-Changer
(2) Meines Wissens könnte Deutschlands Landwirtschaft ohne Diesel zunächst nur grob 5 Millionen Menschen ernähren, nach erfolgreicher(!) Umstellung vielleicht 10 Millionen: z.B. Pferde, die man vor einen Pflug spannen kann; Schweine, die man im Herbst in den Wald treiben kann, ohne dass sie an Herzinfarkt sterben usw. Leider sieht es bei unseren Nachbarn auch nicht viel besser aus

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