
Die Tagesschau und der Virusursprung
PAUL SCHREYER, 21. März 2025, 16 Kommentare, PDFDer Ursprung des Coronavirus bleibt ein heißes Eisen. Kaum jemand will sich daran die Finger verbrennen. Auf dem BSW-Bundesparteitag im Januar in Bonn hatte ich als eingeladener Gastredner – selbst kein Mitglied – auch einige Sätze zu diesem Thema fallen lassen:
„Wie Stück für Stück bekannt wird, kam offenbar auch das Virus selbst aus den USA – das sagt zumindest der ehemalige Leiter des CDC, das ist die amerikanische Seuchenschutzbehörde, Robert Redfield. Der hat vor zwei Monaten im November in einem Interview gesagt, er ist inzwischen aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zu der Ansicht gekommen, dass das Coronavirus in einem amerikanischen Labor erzeugt worden ist, im Rahmen eines Biodefense-Programms. Das hält er für die wahrscheinlichste Erklärung. Er nannte auch den Namen des Labors an der University of North Carolina. Wie Sie sich alle erinnern, haben Sie davon in der Tagesschau nichts erfahren.“ (Applaus)
Unter den zahlreich anwesenden Journalisten und Kamerateams der Leitmedien war auch ein Redakteur der kritisierten Tagesschau zugegen. Er machte in seinem Bericht aus meinen Worten dann dies:
„Auf dem Parteitag spielt die Aufarbeitung der Pandemie, die die Ampel nicht angegangen ist, eine größere Rolle. Das geht bis hin zur Behauptung eines eingeladenen Gastredners, dass das Virus nicht aus China, sondern aus einem US-Labor stammt. Mit Fakten wurde das zwar nicht unterlegt, Wagenknecht spricht aber dennoch von einem immer noch vergifteten 'Meinungsklima' und behauptet, immer mehr Menschen würden sich nicht mehr trauen, frei ihre Meinung zu sagen.“
Ich fand diese Darstellung, die den Kern – Robert Redfield – einfach weglässt, dreist. Auch andere Medien hatten meine Ausführungen zur These, das Virus stamme aus dem USA, irreführend dargestellt, doch niemand ging dabei so weit wie die Tagesschau. Nicht nur, dass in dem als „Analyse“ überschriebenen Beitrag der falsche Eindruck erweckt wurde, ich hätte selbst etwas behauptet, wo ich tatsächlich bloß einen Dritten zitierte – das hatten andere Medien in ihren Berichten zum Parteitag auch schon getan. Die Tagesschau ließ aber eben nicht nur Redfield als Quelle weg, sondern behauptete dazu noch, ich hätte gar keine Fakten mitgeliefert, also nur blind ins Blaue spekuliert. In meinen Augen war hier die Schwelle zur Lüge überschritten. Daher klagte ich vor Gericht auf Unterlassung der Formulierung „mit Fakten wurde das zwar nicht unterlegt“.
Der für die Tagesschau verantwortliche NDR sah kein Fehlverhalten, schaltete aber eine Großkanzlei ein (CMS, 6.000 Anwälte weltweit). Die Anwälte argumentierten, die Aussage sei eine „Meinungsäußerung“, die meine Aussagen „wertend zusammenfasst“ und keine auf ihre Richtigkeit zu prüfende Tatsachenbehauptung. Daher sei die Formulierung durch die Pressefreiheit gedeckt, die Klage unbegründet. Meinungen sind Aussagen, die, in der Juristensprache, „einem Beweis nicht zugänglich sind“, bei denen sich also nicht objektiv ermitteln lässt, ob sie wahr oder falsch sind. Der Fall liegt hier offenkundig anders. Entweder eine These wurde „mit Fakten unterlegt“ oder eben nicht. Warum also soll es eine Meinungsäußerung sein, zu erklären, jemand hätte keine Fakten vorgelegt?
Das Landgericht Berlin äußerte sich dazu nicht, schloss sich aber der Einschätzung der NDR-Anwälte an und wies die Klage am 20. Februar ab. Im Gerichtsbeschluss heißt es:
„Bei der Frage, ob eine Aussage oder Behauptung durch Fakten unterlegt wird, handelt es sich um eine subjektive Einschätzung, ob die von dem Antragsteller selbst im Rahmen seiner Rede mitgeteilte Grundlage für seine Behauptung – insbesondere die Interview-Äußerungen von Herrn Redfield – aus Sicht der Antragsgegnerin als faktenmäßige Untermauerung der von dem Antragsteller getätigten Aussage zu bewerten ist oder nicht.“
Das Gericht folgt hier der fehlerhaften Berichterstattung der Tagesschau, wonach ich selbst eine These behauptet hätte und es nun Ansichtssache sei, ob die Redfield-Äußerung ein stützender Fakt für meine Behauptung sei oder nicht. Tatsächlich hatte ich aber ausschließlich Redfield zitiert und gar keine eigene Behauptung geäußert.
Eine Revision vor dem Kammergericht, der höchsten Berliner Instanz, hatte gleichfalls keinen Erfolg. Auch die Richter dort waren in ihrem Urteil vom 18. März der Auffassung, es handle sich um eine Meinungsäußerung. Wie schon das Landgericht vermied auch das Kammergericht, diese Einschätzung in ihrem Urteil irgendwie zu begründen.
Ich halte diesen Beschluss für ein gefährliches Fehlurteil. Wo im Zweifel alles zur Meinungsäußerung erklärt werden darf, da ist journalistische Integrität kaum mehr einforderbar. Man darf verdrehen bis an den Rand zur Lüge und hinterher seine Hände in Unschuld waschen – es war ja nur „eine Meinung“. Dass gleich mehrere Gerichte dieses Vorgehen gutheißen, stärkt meiner Ansicht nach nicht das Vertrauen in ihre Wächterrolle.
Es stellt sich an dieser Stelle auch die Frage nach dem journalistischen Gebot der Trennung von Meinung und Information – laut ARD Grundlage des professionellen Journalismus. Wenn die NDR-Anwälte argumentieren, die betreffende Aussage sei eine Meinungsäußerung, dann müsste folgerichtig der gesamte Beitrag auch als Kommentar oder ähnliches Meinungsformat für den Leser kenntlich gemacht werden. Der Artikel ist jedoch als „Analyse“ überschrieben und der Form nach klar erkennbar ein Korrespondentenbericht, der wertungsfrei schildern soll, was auf dem Parteitag gesagt wurde. Das passt nicht zur Argumentation der NDR-Anwälte. Juristische Argumentation und journalistische Qualitätsstandards stehen im Widerpruch.
Dass der NDR zudem routinemäßig (?) eine internationale Großkanzlei auf Kosten der Rundfunkbeitragszahler mit der Abwehr beauftragt, zeigt zugleich eine Wagenburgmentalität, in der Fehler einzuräumen praktisch ausgeschlossen ist. Ironie schlussendlich: In meiner Rede auf dem Parteitag hatte ich zu Redfields US-Laborthese geschlossen: „Wie Sie sich alle erinnern, haben Sie davon in der Tagesschau nichts erfahren.“ Wie um diese Aussage nochmals zu bestätigen, war dann auch der Tagesschau-Beitrag zu ebenjenem Sachverhalt um Vertuschung bemüht. Das Publikum soll diese Dinge nicht erfahren. Doch, soviel darf vielleicht geschlussfolgert werden, solches Verschweigen, Vertuschen und Verdrehen wird sich nicht ewig durchhalten lassen – auch nicht mit den Gerichten im Rücken.
Ergänzung 21.3.: Der Tagesschau-Beitrag führte auch zu einer Programmbeschwerde an den NDR, auf die der Stellvertretende Redaktionsleiter von tagesschau.de, David Rose, am 26.2. antwortete. Der Beschwerdeführer reagierte darauf mit einem mehrseitigen Widerspruch. Danke an Maren Müller von publikumskonferenz.de, die den gesamten Vorgang öffentlich dokumentiert hat und mich darauf hinwies.
Weitere Artikel zum Thema:
- „Das sind Dinge, die vor einen Untersuchungsausschuss gehören“ (Paul Schreyer, 13.1.2025)
- Das Corona-Laborvirus: Die unbequeme Wahrheit kommt ans Licht (Heimo Claasen, 4.5.2023)
- Woher kam das Coronavirus? (Günter Theißen, 7.6.2022)
Diskussion
16 Kommentare