US-Militärflugzeug in Grönland (2021) | Bild: picture alliance / ZUMAPRESS.com | U.S. Air Force

Wie wichtig ist den Großmächten die Arktis?

Seit US-Präsident Trump angekündigt hat, Grönland den USA anzugliedern, wird die geopolitische Bedeutung der Arktis vermehrt diskutiert. Wie relevant sind die dortigen Bodenschätze, Schifffahrtsrouten und militärischen Pläne der Anrainer?

KARSTEN MONTAG, 21. Februar 2025, 2 Kommentare, PDF

Trump hatte im Laufe des Januars in mehreren Pressekonferenzen geäußert, dass die USA Grönland aus ökonomischen und Sicherheitsgründen benötigen würden. Er schloss auch militärische Mittel nicht aus, um die größte Insel der Welt anzugliedern. Wenn Dänemark, zu dessen Staatsgebiet Grönland gehört, sich querstellen würde, wolle Trump das Land mit hohen Einfuhrzöllen belegen. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte Trump angekündigt, Grönland von Dänemark kaufen zu wollen. Auch damals begründete er dies mit den natürlichen Ressourcen und der geostrategischen Bedeutung des teilautonomen Territoriums. Im März kommt es in diesem Zusammenhang auf Grönland nun zu vorgezogenen Neuwahlen.

Grönland liegt größtenteils im nördlichen Polarkreis, einer Region nördlich des 66. Breitengrades, die in weiten Teilen vom Arktischen Ozean und, im Winter, fast ausschließlich von Schnee und Eis bedeckt ist. In den Sommermonaten zieht sich das Eis von den Küsten Nordamerikas und Russlands zurück. In letzter Zeit verstärkt sich dieser Effekt. Im Vergleich zu 1980 ist die minimale Ausdehnung des Seeeises während des Sommers in 2024 um 43 Prozent zurückgegangen.

Abbildung 1: Maximale und minimale Ausdehnung des arktischen Seeeises in Millionen Quadratkilometern, Datenquelle: National Snow and Ice Data Center der University of Colorado

Dieser auf Satellitenbildern deutlich sichtbare Rückgang eröffnet – zumindest im Sommer – neue Handelsrouten wie die Nordost- und Nordwestpassage und vereinfacht den Zugang zu den Bodenschätzen der Region.

Aus militärischer Sicht kommt dem nördlichen Polarkreis eine Schlüsselrolle zu, da die kürzesten Luftverbindungen zwischen dem nordamerikanischen Kontinent, zu dem Grönland geografisch und geologisch gehört, und den Hauptstädten Russlands sowie Chinas über die Arktis verlaufen.

Erdöl und Erdgas

Einer Analyse der Behörde U.S. Geological Survey aus dem Jahr 2008 zufolge wird in Kanada, Russland und dem US-Bundesstaat Alaska bereits Öl und Gas im nördlichen Polarkreis auf dem Festland gefördert. Die Summe aus den geförderten Vorkommen und den Reserven beträgt 240 Milliarden Barrel Öläquivalent, was ungefähr zehn Prozent der zum damaligen Zeitpunkt weltweit bekannten Produktion und Reserven an Erdöl, Erdgas und Erdgaskondensaten entsprach. Weitere 412 Milliarden Barrel Öläquivalent, die mit der heutigen Technologie gefördert werden können, werden noch in bisher nicht entdeckten Lagerstätten vermutet. Diese befinden sich laut der US-Behörde zu 84 Prozent im Arktischen Ozean.

In den vermuteten Vorkommen sind 90 Milliarden Barrel Erdöl, 44 Milliarden Barrel Öläquivalent Erdgaskondensate sowie 47 Billionen Kubikmeter Erdgas enthalten. Dies entspricht gemäß der Daten der Übersicht des Energy Institutes circa 7,5 Prozent der weltweiten Reserven an Erdöl und Erdgaskondensaten sowie 25 Prozent der weltweiten Reserven an Erdgas.

Im UN-Seerechtsübereinkommen ist geregelt, dass je nach Festlegung der Außengrenze des Festlandsockels ein Land bis zu 350 Seemeilen (circa 650 Kilometer) von der Küste entfernt die exklusiven Rechte an Bodenschätzen innehat. Daraus folgt, dass von den 412 Milliarden Barrel Öläquivalent im Polarkreis jeweils ausschließlich 181 von Russland, 93 von den USA, 35 von Grönland, 14 von Norwegen und drei von Kanada gefördert werden dürfen. Weitere 88 Milliarden Barrel Öläquivalent liegen in Abschnitten des Arktischen Ozeans, in denen mehrere dieser Staaten Förderrechte beanspruchen. Wem die Förderrechte in diesen Gebieten zugesprochen werden, hängt von der Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels ab, einem technischen Gremium, das im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen geschaffen wurde, um den Küstenstaaten Empfehlungen zur äußeren Abgrenzung ihrer Festlandsockel zu unterbreiten.

Abbildung 2: Reserven an Erdöl, Erdgas und Erdgaskondensaten im nördlichen Polarkreis in Milliarden Barrel Öläquivalent, Datenquelle: U.S. Geological Survey

Die von Grönland aus erreichbaren Öl- und Gasvorkommen entsprechen ungefähr den Reserven Nigerias. Sie würden die Erdölreserven der USA um 44 Prozent und deren Gasreserven um 39 Prozent steigern.

Abbildung 3: Weltweite Reserven an Erdöl und Erdgaskondensaten in Milliarden Barrel Öläquivalent, Datenquellen: U.S. Geological Survey, Energy Institute

Abbildung 4: Weltweite Erdgasreserven in Billionen Kubikmetern, Datenquellen: U.S. Geological Survey, Energy Institute

Allerdings macht eine Förderung dieser Vorkommen ökonomisch keinen Sinn, solange der Ölpreis nicht signifikant steigt. Denn die Produktion von Öl und Gas im nördlichen Polarkreis ist aufgrund der klimatischen Bedingungen und der Abgelegenheit ein teures Unterfangen. Zwar produzieren die USA bereits seit den 1970er Jahren an der Nordküste Alaskas Öl. Hierfür wurde eigens die knapp 1.300 Kilometer lange Trans-Alaska-Pipeline verlegt, um das Öl in den eisfreien Hafen Valdez im Süden des US-Bundesstaates zu transportieren. Doch für die Förderung neuer Vorkommen in der Region müsste der Ölpreis laut einer Analyse des World Wide Fund For Nature (WWF) zwischen 63 und 84 US-Dollar je Barrel liegen, damit die Produktion kostendeckend wäre. Dieser lag jedoch in den vergangen zehn Jahren im Schnitt bei 65 Dollar je Barrel.

Noch in der ersten Amtszeit Trumps verabschiedete der US-Kongress ein Gesetz, das die Verpachtung neuer Gebiete an der Nordküste Alaskas zur Förderung von Öl und Gas inmitten eines Naturschutzgebietes ermöglichte. Doch die versteigerten Pachtverträge wurden entweder annulliert oder es fanden sich keine Bieter. Neben der möglichen fehlenden Rentabilität könnte auch ein von der US-Regierung unter Joe Biden verhängtes Moratorium der Verpachtung aus ökologischen Gründen das Interesse der Öl- und Gasfirmen gedämpft haben.

Ähnlich wie bei den bestehenden Bohrstandorten im Norden Alaskas hätte die Förderung in den neuen Gebieten an Land oder in den seichten Küstengewässern stattgefunden. Eine Förderung auf offener See im nördlichen Polarkreis ist hingegen noch einmal aufwendiger und damit teurer. Eine Managerin des Öl- und Gasunternehmens Shell hatte 2015 erklärt, dass sich die Ölförderung in der Tschuktschensee ab einem Ölpreis von 70 Dollar je Barrel lohne. Wenige Wochen später verkündete Shell, die Pläne zur dortigen Ölförderung aufzugeben. Die Tschuktschensee liegt nördlich von der Beringstraße zwischen Sibirien und Alaska im Arktischen Ozean.

Einer dänischen Studie zufolge haben insbesondere in den 2010er Jahren auch vor den Küsten Grönlands Explorationsbohrungen zur Erkundung von Erdöllagerstätten stattgefunden. Aufgrund einer „Kombination aus dem drastischen Verfall der Ölpreise, (…) den hohen Kosten und technischen Herausforderungen, den starren Vorschriften und der mangelnden Flexibilität in Bezug auf die Verpflichtungen“ hätten die Öl- und Gasunternehmen jedoch Grönland wieder verlassen. Bei den derzeitigen Aussichten für die Industrie scheine es unwahrscheinlich, dass sie jemals zurückkehren werde, „vor allem nicht angesichts der Signale der neuen grönländischen Regierung“, so der Autor der Studie. Die 2021 neu gewählte grönländische Selbstverwaltung hatte alle künftigen Erdöl- und Erdgasexplorationen auf grönländischem Territorium aufgrund mangelnder Rentabilität, jedoch auch aus Klima- und Umweltschutzgründen verboten.

Seltene Erden

Mit dem Begriff „Seltene Erden“ werden 17 Metalle bezeichnet, die hauptsächlich für die Herstellung von Permanentmagneten benötigt werden. Diese werden wiederum für die Turbinen der Windkraftanlagen und die Elektromotoren in der Elektromobilität verwendet und spielen daher eine entscheidende Rolle in der Energiewende. Weitere Anwendungsgebiete sind Katalysatoren, Polituren, Metalllegierungen, Batterien und Gläser. Seltene Erden werden auch bei der Produktion von Keramik, Leuchtmitteln, Farbpigmenten, Lasern und Halbleitern eingesetzt und finden unter anderem Anwendung in der Luft- und Raumfahrt, in der Rüstungsindustrie, in der Atomkraft, bei der Wasserstoffelektrolyse und in der Medizintechnik.

Aufgrund ihrer vermehrten Verwendung im Rahmen der Energiewende geht der Europäische Rat davon aus, dass der Bedarf an Seltenen Erden künftig exponentiell wachsen wird. Sie werden als „selten“ bezeichnet, weil sie nur an wenigen Stellen der Erde in so hohen Konzentrationen vorkommen, dass sich ein Abbau lohnt. Die größten nachgewiesenen Lagerstätten befinden sich in China.

Abbildung 5: Weltweite Reserven an Seltenen Erden in Tonnen, Datenquellen: U.S. Geological Survey, Energy Institute

Der Abbau der Vorkommen in Grönland, welche die Reserven der USA bei einer Angliederung um 83 Prozent steigern würden, wird von der dortigen Selbstverwaltung aus Umweltgründen mit hohen Auflagen belegt. In der Folge findet dort bis heute keine Förderung statt. China ist hingegen derzeit mit Abstand der größte Produzent von Seltenen Erden. Das liegt auch daran, dass das Land aus anderen Weltregionen diesen Rohstoff importiert, um ihn zu Vorprodukten weiterzuverarbeiten.

Abbildung 6: Weltweite Produktion von Seltenen Erden in Tonnen, Datenquellen: U.S. Geological Survey, Energy Institute

84 Prozent der weltweiten Exporte Seltener Erden stammen aus China, gefolgt von Thailand mit einem Anteil von zehn Prozent. Das führt dazu, dass China in dieser Hinsicht quasi eine Monopolstellung innehat. Anfang 2024 hat Peking als Reaktion auf US-Sanktionen die Ausfuhr von Technologien zur Förderung von Seltenen Erden mit Sanktionen belegt. Ende 2024 kündigte die chinesische Regierung an, auch den Export bestimmter Seltener Erden in die Vereinigten Staaten zu sanktionieren – wiederum als Reaktion auf US-Sanktionen gegen China. Einem Bericht der Neuen Zürcher Zeitung zufolge sollen die Vorkommen von Seltenen Erden auf Grönland der Grund gewesen sein, warum Donald Trump bereits in seiner ersten Amtszeit die Insel von Dänemark abkaufen wollte.

Weitere mineralische Bodenschätze

Grönland verfügt auch über andere mineralische Bodenschätze wie Eisen, Zink, Blei, Silber, Titanium, Vanadium, Palladium, Platin und Molybdän. Ein Teil der Projekte zur Ausbeutung dieser Vorkommen wurde jedoch wieder aufgegeben. So wurden die Pläne zur Errichtung einer Eisenerzmiene im Südwesten der Insel in den 2010er Jahren aufgrund niedriger Eisenerzpreise und dem Entzug der Lizenz durch die grönländische Selbstverwaltung wieder eingestellt. Ein Vorhaben zum Abbau von Eisen-, Titanium- und Vanadiumerz im Südosten der Insel befindet sich derzeit noch in der Erkundung. Auch ein weiteres Projekt an Grönlands Ostküste zum Abbau von Palladium, Gold und Platin befindet sich noch in der Exploration. Ein Projekt an der Nordküste der Insel zur Förderung von Blei und Zink ist in der Entwicklung.

Im Gegensatz dazu nutzt Russland seine Ressourcen im Polarkreis bereits im großen Stil und baut dort Phosphate, Nickel, Bauxit und Eisen ab. Acht Prozent der weltweiten Produktion von Phosphaten, die unter anderem in Düngemitteln in der Landwirtschaft verwendet werden, stammen aus Russland. Auch deshalb haben die Sanktionen gegen Russland zu einer Verknappung und Verteuerung der Düngemittel in vielen Ländern geführt.

Ähnlich sieht es bei der Produktion von Nickel und Aluminium aus. Nickel ist ein Metall, das hauptsächlich zur Stahlveredelung aber auch zur Herstellung von Batterien für die Elektromobilität verwendet wird. Aluminium ist ein in vielen Produkten eingesetztes Leichtmetall und wird aus Bauxit gewonnen. Russland ist einer der größten Nickel- und Aluminiumproduzenten der Welt. Die Sanktionen gegen das Land führen daher immer wieder zu Preisanstiegen für diese Metalle an westlichen Börsen.

Im Gegensatz zu anderen Regionen im nördlichen Polarkreis wird der Abtransport der auf russischem Territorium geförderten Rohstoffe über die Barentssee klimatisch begünstigt. Diese liegt nördlich von Norwegen und des europäischen Teils Russlands und ist aufgrund des Golfstroms auch im Winter größtenteils eisfrei. Aufgrund des Klimawandels ist auch die östlich der Barentssee gelegene Karasee in warmen Wintermonaten mittlerweile stellenweise eisfrei. Dort betreibt das russische Bergbauunternehmen Nornickel einen Seehafen.

Mögliche neue Schifffahrtsrouten

Der Klimawandel hat zur Folge, dass die früher meist ganzjährig mit Seeeis bedeckten arktischen Gewässer vor den Küsten Nordamerikas und Russlands mittlerweile in den Sommermonaten größtenteils eisfrei und damit potentiell als Handelsrouten nutzbar sind. Die Nordwestpassage entlang den Küsten Kanadas und Alaskas verkürzt den traditionellen Seeweg von Rotterdam nach Tokio von 21.100 auf 15.900 Kilometer. Die Nordostpassage entlang den Küsten Norwegens und Russlands verkürzt diesen Weg sogar auf 14.100 Kilometer.

Abbildung 7: Nordostpassage (blau), Nordwestpassage (schwarz) und traditionelle Route über den Suezkanal (rot) sowie Jamal-Halbinsel (rot eingefärbt), ursprüngliches Bild erstellt von Keepscases

Die russischen Gasvorkommen auf der Jamal-Halbinsel (in Abbildung 7 rot eingefärbt), die vor den westlichen Sanktionen gegen Russland mittels der Jamal-Europa-Erdgasleitung und der Nord Stream-Pipeline nach Westeuropa befördert wurden, werden mittlerweile zum Teil über das Jamal-LNG-Terminal vor Ort verflüssigt und per Schiff nach Asien verfrachtet. Knapp 30 Prozent der Anlage werden laut eines Berichts der Konrad Adenauer Stiftung von chinesischen Anteilseignern gehalten. Derselben Quelle ist zu entnehmen, dass Russland als flankierende Maßnahme ein Erneuerungs- und Erweiterungsprogramm für seine nukleare Eisbrecherflotte in Angriff genommen hat, um die ganzjährige Nutzung der Nordostpassage für den Transport von Öl und Gas nach Asien zu ermöglichen.

Das russische Bergbauunternehmen Nornickel betreibt laut eines Beitrages in dem Magazin Polar Geography zudem Frachtschiffe, die bis zu 1,5 Meter dicke Eisflächen durchbrechen können. So kann das Unternehmen ohne die Unterstützung von Eisbrechern seine Produkte nach Europa und Asien verschiffen. Dieselbe Quelle gibt an, dass auch China mittlerweile über Eisbrecher verfügt, um die Arktis nach neuen Energie- und Rohstoffquellen zu erforschen.

Im Gegensatz dazu ist die Nordwestpassage noch weit davon entfernt, als Handelsroute genutzt zu werden. Laut des Berichts der Konrad Adenauer Stiftung sind die Gründe hierfür Umweltbedenken der kanadischen Behörden, territoriale Ansprüche der Inuit sowie ein Streit zwischen den USA und Kanada, ob die Meerengen zwischen dem kanadischen Festland und den vorgelagerten Inseln internationale Gewässer sind oder nicht. 2022 hätten lediglich acht Frachtschiffe diese Route genutzt. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum haben knapp 24.000 Schiffe den Suezkanal passiert. Hinzu kommt, dass selbst im Sommer immer wieder Eisschollen in den Gewässern vor der kanadischen Küste treiben.

Militärische Bedeutung der Arktis

Einem Beitrag in dem von der US-Regierung betriebenen Magazin Military Review zufolge halten die Vereinigten Staaten mit der „sich schnell ändernden Sicherheitslage in der Arktis“ nicht Schritt. Russland hätte seine militärischen Kapazitäten in der Arktis „aggressiv“ ausgebaut, „offenbar um seine Ansprüche und Interessen in der Region zu sichern“. Das Land würde bereits 20 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes aus Aktivitäten in der Arktis erwirtschaften und sei bestrebt, dies zu steigern. Konflikte könnten entstehen, wenn Russland die Entscheidungen der UN-Kommission zur Begrenzung des russischen Festlandsockels nicht akzeptiere und versuche, seine Ansprüche im Arktischen Ozean auszuweiten.

Weitere Beiträge westlicher Medien und Denkfabriken gehen in eine ähnliche Richtung. Ein aufwendig gestalteter Reuters-Beitrag berichtet davon, dass Russland seit 2005 „Dutzende von Militärstützpunkten in der Arktis aus der Sowjetzeit wiedereröffnet“ habe. Des Weiteren zitiert die Nachrichtenagentur einen US-General, der ein gesteigertes militärisches Bewusstsein fordert, um „russische und chinesische Fähigkeiten zum Abschuss fortschrittlicher Raketen und zur Zerstörung von Kommunikationsinfrastrukturen zu erkennen und zu bekämpfen“. Die US-Denkfabrik American Security Project erklärt, die verstärkte Präsenz Russlands in der Arktis sei Teil „der Bemühungen von Präsident Wladimir Putin“, die Position Russlands „auf der Weltbühne zu stärken“. Das Land habe sowjetische Militärstützpunkte wiedereröffnet und die Nordflotte der Marine ausgebaut, da es bestrebt sei, „seine militärische Macht in der Arktis auszubauen“.

Die britische Denkfabrik Chatham House vertritt in einem aktuellen Beitrag hingegen eine abweichende Auffassung und ist darin bestrebt, „Moskaus militärische Aufrüstung“ in der Arktis zu „entmystifizieren“. Falls Russland seinen Teil des Polarkreises militarisieren würde, dann sei dies, „zumindest im Moment, defensiver Natur“. Das Land verfüge nicht über eine arktische Militärstrategie „per se“. Stattdessen verfolge Moskau das Ziel, seine ballistischen Atom-U-Boote in der Region zwischen der Barentssee und der so genannten „Lücke zwischen Grönland, Island und Großbritannien“ sowie seine Verteidigungsanlagen auf der geografisch zu Skandinavien gehörenden Halbinsel Kola zu schützen. Die militärischen Einrichtungen seien Teil der russischen Zweitschlag-Kapazitäten im Falle eines Angriffs auf das Land mit Nuklearwaffen. Die militärische Infrastruktur in der russischen Arktis ziele darauf ab, Russlands Luftverteidigungs- und Seeabwehrfähigkeiten an Land und in Küstennähe zu stärken, um mittlerweile auch strategisch wichtige Einrichtungen wie die LNG-Anlage auf der Jamal-Halbinsel zu schützen.

Dass sich seit dem Kalten Krieg ein Großteil der russischen Verteidigung gegen nukleare Angriffe aus der Luft im Nordatlantik und in der Arktis befindet, hängt mit dem Umstand zusammen, dass die kürzesten Entfernungen zwischen Nordamerika und Russlands wirtschaftlichen und politischen Zentren wie Moskau und Sankt Petersburg über den nördlichen Polarkreis führen. Vom nordwestlichsten US-Bundesstaat Maine bis Moskau beträgt die Entfernung 6.800 Kilometer, von der Nordküste Alaskas 6.000 Kilometer und vom US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Pituffik auf Grönland 4.400 Kilometer. Von Pituffik bis zum LNG-Terminal auf der Jamal-Halbinsel sind es nur 3.300 Kilometer. Von Grönland aus wären die russische Hauptstadt sowie die strategisch wichtigen arktischen Energieeinrichtungen also sogar mit Mittelstreckenraketen erreichbar.

Umgekehrt sind die Entfernungen deutlich größer. Von der russischen Kola-Halbinsel bis nach Washington beträgt die Entfernung 6.600 Kilometer und von dem nördlichsten russischen Luftwaffenstützpunkt auf der Inselgruppe des Franz-Josef-Lands sowie vom östlichsten Zipfel Russlands an der Beringstraße 6.300 Kilometer. Sollten die USA nach einer Angliederung Grönlands auf der Insel Atomwaffen stationieren (wie sie es im Kalten Krieg sehr detailliert geplant hatten) und bedenkt man zudem, dass die Entfernung zwischen den zukünftig wieder in Deutschland aufgestellten atomwaffenfähigen US-Mittelstreckenraketen und Moskau nur circa 2.000 Kilometer beträgt, dann wären es eher die Vereinigten Staaten, die ihre Erstschlag-Kapazitäten gegen Russland ausbauen.

Zusammenfassung

Hinsichtlich der Öl- und Gasvorkommen dürfte Grönland in mittelbarer Zukunft eher uninteressant für die USA sein. Die Ausbeutung noch nicht erschlossener eigener Lagerstätten erscheint im Norden Alaskas aufgrund bereits vorhandener Infrastruktur wie der Trans-Alaska-Pipeline ökonomisch deutlich sinnvoller. Dass Letzteres eines der Ziele der aktuellen US-Regierung ist, lässt sich an Donald Trumps Ansage in seiner Amtsantrittsrede ablesen: „We will drill, baby, drill!“ Wie dies konkret aussehen soll, ist offen. Doch beispielsweise durch günstigere Pachtverträge und Senkung der Umweltauflagen könnten die bisher verschmähten Regionen an Alaskas Nordküste für die Öl- und Gasindustrie wieder attraktiver werden.

Anders sieht es bei den Seltenen Erden aus. Aufgrund der Monopolstellung Chinas, der Abhängigkeit des Westens von chinesischen Importen sowie des voraussichtlich stark steigenden Bedarfs erscheint eine annähernde Verdoppelung der US-Reserven dieser Rohstoffe durch die Angliederung Grönlands strategisch sinnvoll.

Angesichts der Tatsache, dass die arktischen Gewässer auch in absehbarer Zukunft die meiste Zeit des Jahres eisbedeckt sein werden, erscheint die Bedeutung neuer Schifffahrtsrouten für den globalen Handel überschätzt. Selbst in den Sommermonaten können Teile dieser Seewege einfrieren oder durch Eisschollen schwer passierbar werden, so dass Eisbrecher notwendig sind, um die Passagen freizuhalten. Derartige Unwägbarkeiten passen nicht zu den Anforderungen globaler Logistikunternehmen, was an der bisher äußerst geringen Nutzung beispielsweise der Nordwestpassage selbst in den Sommermonaten zu erkennen ist.

Die militärische Bedeutung der Arktis hat sich seit dem Kalten Krieg kaum geändert. Da sich die beiden Atomsupermächte USA und Russland auch weiterhin mit ihren Nuklearwaffenarsenalen gegenseitig bedrohen und der Luftweg über die Arktis die kürzeste Verbindung zwischen beiden Ländern ist, bleibt die Region wesentlich für die militärische Aufklärung, Frühwarn- und Abwehrsysteme sowie die Möglichkeiten eines nuklearen Erst- und Zweitschlags. Ob Russland den Ausbau seiner militärischen Präsenz im Polarkreis zum Schutz seiner dortigen Energie- und Transportinfrastruktur nutzt, um seine Ansprüche auf bisher nicht geklärte Förderrechte im Arktischen Ozean durchzusetzen, bleibt offen. Solange Öl-, Gas- und andere mineralische Vorkommen an Land in ausreichender Menge vorhanden sind, macht eine Förderung auf hoher See mit den zusätzlichen Herausforderungen einer geschlossenen Eisdecke und herumtreibenden Eisschollen ökonomisch allerdings wenig Sinn.

Über den Autor: Karsten Montag, Jahrgang 1968, hat Maschinenbau an der RWTH Aachen, Philosophie, Geschichte und Physik an der Universität in Köln sowie Bildungswissenschaften in Hagen studiert. Er war viele Jahre Mitarbeiter einer gewerkschaftsnahen Unternehmensberatung, zuletzt Abteilungs- und Projektleiter in einer Softwarefirma, die ein Energiedatenmanagement- und Abrechnungssystem für den Energiehandel hergestellt und vertrieben hat.

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SE, 24. Februar 2025, 20:15 UHR

Das ist doch mal ein Artikel, der Artikel genannt werden kann! Die Menschheit ist also mal wieder kein Stück weiter, macht lediglich die Rechtfertigungen für die Prügelei um Land und Rohstoffe ein weiteres Stück abstrakter und komplizierter. Mir ist diese Spezies peinlich. Wenn ich könnte, würde ich im Weltraum davon schweben und nicht zurückblicken. Kann dieses immer gleiche Gelaber nicht mehr hören.

STRESSTEST, 25. Februar 2025, 20:10 UHR

"Solange Öl-, Gas- und andere mineralische Vorkommen an Land in ausreichender Menge vorhanden sind, macht eine Förderung auf hoher See mit den zusätzlichen Herausforderungen einer geschlossenen Eisdecke und herumtreibenden Eisschollen ökonomisch allerdings wenig Sinn."

Damit ist eigentlich alles gesagt. Die größten Gas- und Erdölexporteure werden schon dafür sorgen, dass die Preise - zumindest nicht langfristig - bestimmte Marken überschreiten. Und um Lithium muss sich America Mexicana keine Sorgen mehr machen: "Weltgrößtes Lithiumvorkommen wird in den USA erschlossen" https://winfuture.de/news,148793.html

Auch interessant: "Unglaubliche Entdeckung in Finnland: unerschöpfliche Energiequelle für die nächsten Millionen Jahre entdeckt"

https://www.daswetter.com/nachrichten/wissenschaft/unglaubliche-entdeckung-in-finnland-unerschopfliche-energiequelle-fur-die-nachsten-millionen-jahre-entdeckt.html

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