Faktencheck zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 10.8.
PAUL SCHREYER, 11. August 2021, 12 Kommentare, PDFHinweis: Dieser Beitrag ist auch als Podcast verfügbar.
Das Gremium, das selbst kein Verfassungsorgan ist und dessen Beschlüsse keine Rechtsgültigkeit besitzen, das aber seit Frühjahr 2020 sämtliche Corona-Maßnahmen anordnet, hat erneut getagt, diesmal mit dem Ziel, die Impfquote in der Bevölkerung zu erhöhen. Einige zentrale Passagen aus dem fünfseitigen Beschluss sollen im Folgenden überprüft werden.
Der Beschlusstext beginnt mit den Worten:
„Nachdem im Frühjahr die Infektionszahlen gesunken sind und sich im Sommer auf niedrigem Niveau befunden haben, steigen diese in den letzten Wochen wieder an.“
Richtig ist, das die Verbreitung vieler Viren, darunter auch der Coronaviren, dem jahreszeitlichen Verlauf folgt. Nach einem Tiefpunkt zur Mitte des Sommers breiten sich diese Viren in jedem Jahr schrittweise wieder vermehrt aus.
„Wie sich die Infektionszahlen entwickeln, hängt maßgeblich davon ab, wie hoch die Impfquote in Deutschland ist. (...)“
Ein kausaler Zusammenhang von Impfquote und durch PCR-Tests bestimmten absoluten Fallzahlen („Infektionszahlen“) ist nicht belegt und ist ohne Berücksichtigung der Testmenge und anderer Faktoren auch nicht schlüssig. Steigende absolute Zahlen von Positivtests belegen, isoliert betrachtet, noch keine wachsende Gefährdung der Öffentlichkeit.
„Dass eine sehr hohe Impfquote erforderlich ist, liegt insbesondere daran, dass die inzwischen in Deutschland vorherrschende Virusvariante 'Delta' nochmal erheblich ansteckender ist, als die bisherigen Virusvarianten.“
Da das Maß der Ansteckungsfähigkeit eines Virus nichts über dessen Gefährlichkeit und Tödlichkeit aussagt, ist die suggerierte Logik („liegt daran, dass“) nicht stichhaltig.
„Gut ist allerdings, dass die Impfstoffe auch gegen diese Variante eine hohe Wirksamkeit aufweisen.“
Das ist zweifelhaft und viele Indizien sprechen für das Gegenteil, insbesondere die zahlreichen Impfdurchbrüche, also COVID-19-Erkrankungen von vollständig Geimpften, von denen in Deutschland vom Robert Koch-Institut (RKI) bislang 9.000 Fälle dokumentiert sind. Das RKI räumt ein, dass es sich bei diesem Wert noch um eine Untertreibung handelt und erklärt, dass „ein möglicherweise unterschiedliches Testverhalten bei Geimpften und Ungeimpften zu Verzerrungen führen“ kann und die Wirksamkeit der Impfstoffe daher „eher überschätzt“ werde. Damit gemeint ist die Tatsache, dass Geimpfte naturgemäß nur sehr selten getestet werden – etwa bei einer Krankenhauseinweisung –, und daher Infektionen bei ihnen in der Regel unentdeckt bleiben.
In Großbritannien hat eine Untersuchung des Imperial College mit 100.000 Teilnehmern Anfang August herausgefunden, dass 44 Prozent aller positiv Getesteten vollständig geimpft waren.
Bei einem lokalen COVID-19-Ausbruch in den USA im Juli mit circa 500 positiv Getesteten waren 74 Prozent voll geimpft, von diesen wiederum 80 Prozent symptomatisch. Die zahlreichen infizierten Geimpften konnten also andere anstecken.
„Wer nicht geimpft ist, muss sich absehbar regelmäßig testen lassen, wenn er in Innenräumen mit anderen Menschen zusammentrifft, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. (...)“
Da eine Ausbreitung des Virus, wie die oben genannten Zahlen zeigen, maßgeblich auch von Geimpften ausgeht, ist diese Einteilung von Menschen nicht sachlich begründbar und wissenschaftlich unsinnig.
„Die Impfstoffe haben sich sowohl in den Zulassungsstudien als auch in der monatelangen weltweiten millionenfachen Anwendung als sehr sicher (...) erwiesen.“
Daran bestehen erhebliche Zweifel. Dem letzten Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) ist zu entnehmen, dass allein in Deutschland bis zum 30. Juni (aktuellere Daten sind bislang nicht veröffentlicht) mehr als 100.000 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen in Zusammenhang mit der Impfung erfasst wurden, davon 10.000 schwere Fälle, darunter die inzwischen schon bekannten auffälligen Häufungen von Thrombosen und Herzmuskelentzündungen. Darüber hinaus sind die Langzeitwirkungen und mögliche Spätschäden aufgrund der Kürze der Anwendungszeit noch unklar. Indizien geben Anlass zu großer Sorge, was mögliche Spätschäden angeht.
„Wer über einen vollständigen Impfschutz verfügt, schützt damit sich und andere vor der Ansteckung durch das SARS-CoV2-Virus und damit die Gesellschaft vor einer erneuten Ausbreitungswelle des Virus.“
Die Aussage ist in der Form, wie bereits dargelegt, falsch.
„Über eine vergleichbare Immunität verfügt, wer von einer COVID19-Erkrankung genesen ist (eine Auffrischimpfung bei Genesenen ist nach 6 Monaten erforderlich). Geimpfte und Genesene werden deshalb von bundes- oder landesrechtlichen Regelungen, die Testauflagen vorsehen, ausgenommen.“
Da die Herleitung falsch ist, ist dieser Beschluss sachlich nicht begründbar. Anmerkung: Auch die Geimpften können sich ihrer teilweise wieder gewährten Rechte nicht sicher sein. In einer Fußnote des Beschlusses heißt es:
„Vorgaben die zum Schutz vor möglichen neuen Virusvarianten dienen, bei denen die Wirksamkeit der Impfung unklar oder ungenügend ist, können abweichen.“
Für Geimpfte gelten die Freiheiten also womöglich lediglich bis zum Auftauchen der nächsten Virusvariante.
„Tests sollen Vorraussetzung sein für: Zugang als Besucher zu Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie Einrichtungen der Behindertenhilfe, Zugang zur Innengastronomie, Teilnahme an Veranstaltungen und Festen (z.B. Informations-, Kultur-oder Sportveranstaltungen) in Innenräumen, Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen (z. B. Friseur, Kosmetik, Körperpflege), Sport im Innenbereich (z.B. in Fitness-Studios, Schwimmbädern oder Sporthallen), Beherbergung: Test bei Anreise und zwei Mal pro Woche während des Aufenthalts“
Menschen, die sich die offenbar schlecht wirksamen und mit Nebenwirkungen behafteten Impfstoffe auch zukünftig nicht injizieren lassen wollen und die sich regelmäßige Tests nicht leisten können, soll somit nicht nur die Teilnahme am öffentlichen Leben verwehrt werden, sondern teils sogar die Körperpflege (Friseurbesuch).
Politisch gesehen widerspricht eine Teilung der Bevölkerung mit unterschiedlichen Rechten für Geimpfte und Ungeimpfte dem Grundgesetz (Artikel 3: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“) sowie der Grundrechtecharta der Europäischen Union (Artikel 21: „Diskriminierungen insbesondere wegen (…) der genetischen Merkmale (…) sind verboten.“) Mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon im Jahr 2009 erhielt diese Charta Rechtsverbindlichkeit.
Fazit: Geimpfte sind weder selbst vor dem Virus geschützt, noch ungefährlich für andere. Sie mögen zwar weniger Menschen anstecken als Ungeimpfte, der Unterschied ist aber nicht groß und eindeutig genug, um auch nur ansatzweise die geplanten Maßnahmen zu rechtfertigen, die zu einer beispiellosen Diskriminierung einer Bevölkerungsgruppe führen. Die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz gründen auf nachweislich falschen Annahmen und sind daher sachlich nicht begründbar. Sie widersprechen dem Grundgesetz und der Grundrechtecharta der Europäischen Union. Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten haben bei ihren Erwägungen den Boden der Realität und der Gesetze verlassen.
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